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Was für gemütskranke Lohnschreiber in den Redaktionen deutscher Leitmedien herumsitzen, zeigt die Eskalation im Hafen des italienischen Lampedusa am Wochenende aufs Neue. Ja, man darf, man muss sie so nennen, die Redakteure Ulrich Ladurner von der Zeit und Matthias Rüb von der FAZ. Jede*r normal Denkende und Fühlende solidarisiert sich derzeit mit den 42 Migrant*innen von der Sea-Watch 3 und der festgenommenen Kapitänin Carola Rackete – nicht so Ladurner und Rüb. Was sie an ihren trockenen und sicheren Schreibtischen, Hunderte Kilometer von Lampedusa entfernt, absonderten, ist mit ekelhaft noch zurückhaltend umschrieben.

Dass sich das von Faschisten regierte Italien und die ganze EU seit Monaten einen Teufel um Seerechtskonventionen und uralte Grundregeln der Seenotrettung scheren, dass sie seit Jahren Flüchtlinge im Mittelmeer ersaufen lassen, dass sie dabei mithelfen, dass Flüchtlinge vom Mittelmeer in libysche Folterlagen „zurückgeschoben“ werden – das interessiert die beiden Herren nicht. Nein, sie sorgen sich darum, dass die „Provokation“ der deutschen Kapitänin, das „riskante Anlegemanöver der Sea-Watch 3“ die Italiener gegen Deutschland aufbringen und Innenminister Matteo Salvini Wähler zutreiben könnte.

Man muss sich auf der Zunge zergehen lassen, was uns Oberlehrer Ladurner, übrigens ein Italiener aus Südtirol, ins Stammbuch schreibt: „Ist es wirklich klug und richtig, dass das Rettungsschiff Sea-Watch 3 mit 42 Migrantinnen und Migranten an Bord den Hafen von Lampedusa anläuft, obwohl die italienische Regierung das ausdrücklich verboten hat?“ Schon bei diesen Worten möchte man schreiend aus dem Haus laufen! Doch es kommt noch besser. Die Debatte um das Thema Migration müsse „entgiftet“ werden, setzt er fort. Das ginge aber nur, wenn man versuche, „die Spaltung bei diesem Thema in den europäischen Gesellschaften nicht weiter zu vertiefen, sondern sie zusammenführen und versöhnen“.

Ja, dann lassen wir doch noch mal ein paar tausend Flüchtlinge im Mittelmeer ersaufen, bis wir uns mit Salvini & Co. „versöhnt“ haben, oder wie?! Wie abstoßend und widerlich ist solches Geschreibsel, angesichts des mit Händen greifbaren Elends der afrikanischen Flüchtlinge in den Schlauchbooten, deren Schicksal Nazis wie Salvini am Arsch vorbeigeht! Und das in Anbetracht der Tatsache, dass seit vielen Monaten Rettungsschiffe, die Flüchtlinge retten konnten, von einer Odyssee in die nächste geschickt werden, weil die Anrainerstaaten ihrer selbstverständlichen Pflicht nicht nachkommen, Gerettete an Land zu lassen.

Was der Herr Rüb absondert, ist noch widerlicher, denn der politische Korrespondent der FAZ in Italien und im Vatikan übernimmt die Positionen der italienischen Faschisten gleich ganz. Mit Blick darauf, dass die Sea-Watch 3 beim Anlegen ein Schnellboot des Zolls abgedrängt hat, schreibt er von einem „rücksichtslosen Anlegemanöver Racketes“ und zitiert Salvini ausführlich und ohne ihn auch nur im Mindesten zu relativieren: Der Minister habe der Kapitänin vorgeworfen, sie habe den Tod der Beamten auf dem Schnellboot billigend in Kauf genommen.

Es sei „ein krimineller Akt“ gewesen, wie Rackete versucht habe, das Boot der „Guardia di Finanza“ an der Mole „zu zerquetschen“. Kommentarlos lässt Rüb auch diesen Satz von Salvini stehen: „Glücklicherweise wurde niemand verletzt, aber sie hat eine Katastrophe mit tödlichem Ausgang riskiert.“ Man muss es zweimal lesen, es das steht da wirklich, in Salvinis Worten, aber von der FAZ unkommentiert: „eine Katastrophe mit tödlichem Ausgang“. Und was ist dann bitte das, was seit vielen Monaten auf dem Mittelmeer passiert??

Natürlich haben beide Korrespondenten auch das perfide Argument in petto, die Aktion in Lampedusa sei „eine Steilvorlage“ für Salvini. Ladurner doziert, Italien habe sich bis heute nicht von der Wirtschaftskrise erholt, es werde von Brüssel zu Recht ermahnt zu sparen. Und weiter: „ All das vermengt sich inzwischen zu einer Anti-Europa-Stimmung aus Angst, Verzweiflung, Verbitterung und, ja, auch Aggression.“ In diesen Konflikt „mitten hinein“ sei das Rettungsschiff gesteuert: „Was für eine Vorlage für Salvini.“ Diese Behauptung bewegt sich auf demselben Niveau wie die Einlassung der AfD, die „Öffnung der deutschen Grenzen für Flüchtlinge“ sei in der Konsequenz verantwortlich für den Mord an Walter Lübcke. Die Argumentation von Rüb und Ladurner ist nicht nur kaltherzig bis zum Gehtnichtmehr, sie ist auch grundfalsch!

Wohin Appeasement gegenüber Faschist*innen führt, haben wir in Europa schon erlebt. Die Organisation Sea-Watch zeigt klare Kante, und das wird höchste Zeit. Wenn Salvini & Co. das für sich ausschlachten können, so what? Hätten die Alliierten vor 70 Jahren nicht in der Normandie landen sollen, weil das Adolf Hitler noch mehr Anhänger zuführt oder Nazis noch fanatischer macht?

Hier geht es nicht allein um die Stimmung in Italien, es geht um die Stimmung in Deutschland und in ganz EU-Europa. Angesichts des andauernden, des himmelschreienden Skandals des massenhaften Sterbens im Mittelmeer helfen nur Aktionen weiter, die ein Fanal sind, die Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit erzeugen, die Menschen auf die Beine bringen. Deshalb: Zeigt Solidarität mit Carola Rackete im Internet und auf der Straße! Das Motto der nächsten Tage kann nur sein: #freeCarola

# Kristian Stemmler

# Titelbild Guglielmo Mangiapane/ REUTERS


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