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Wenn man Aktivitäten von Aufständischen verfolgen möchte, sind die Sozialen Medien eines der stärksten Werkzeuge. Bei meiner Recherche nach kolumbianischen Guerill@s auf Facebook bin ich auf etwas Außergewöhnliches gestoßen.
Ich konnte es selbst nicht glauben: Sind diese ELN-Guerill@s offen im Gefängnis organisiert?
Was, sie hosten gerade einen Facebook-Livestream?
Warte, hat dieser Typ eine AK-47, die an seiner Zellenwand lehnt?
Ich stieß auf das Profil eines Guerilleros in einem kolumbianischen Gefängnis, der die typische ELN-Uniform trug und Bilder mit seiner Waffe online postete.

Dieser Typ ist nicht die Ausnahme. Die ELN-Guerilla ist in kolumbianischen Gefängnissen stark und prahlt damit in den sozialen Medien. Auf zentralen ELN-Kanälen werden unter anderem Live-Streams gesendet und Aufnahmen von großen Paraden militanter Gefangener unter ihrer Flagge gepostet.

Was bisher von keiner Fernsehkamera aufgezeichnet werden konnte, wird nun von den Häftlingen selbst über geschmuggelte Smartphones öffentlich gemacht: Der kolumbianische Staat hat wenig Kontrolle über das Geschehen in seinen Gefängnissen, während die Guerilla-Opposition landesweit Häftlingskollektive organisiert.

Ich habe einen Insassen des „Sicherheitsgefängnisses“ in El Cauca interviewt.

Wer sind Sie und warum sitzen Sie im Knast?

Ich bin Andres „El Indio“ (der Inder), so nennt man mich in der Familie der „Ejercito de Liberación Nacional“ (ELN – Nationale Befreiungsarmee). Ich verbüße eine Haftstrafe für die Verbrechen der organisierten Rebellion und der schweren Erpressung. Derzeit bin ich bereits fünf Jahre im Hoch- und Mittelsicherheitsgefängnis in der Provinz Cauca.

Mit welchen Bedingungen sind Sie im Gefängnis konfrontiert?

Ich sag mal so, die Bedingungen eines Häftlings in Gefängnissen des kolumbianischen Staates sind ziemlich prekär. Aus dem einfachen Grund, dass in Gefängnissen Grundrechte verletzt werden. Ein Gefängnis sollte kein Ort außerhalb des Gesetzes sein, die Menschen, die in einer Justizvollzugsanstalt festgehalten werden, sollten nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Jede Person, der die Freiheit entzogen ist, sollte menschlich und mit der Achtung vor der Menschenwürde behandelt werden. Aber hier in Kolumbien stehen die verfassungsmäßigen Rechte nur auf dem Papier, in Wirklichkeit werden sie nicht umgesetzt.

Droht ihnen eine andere Behandlung, weil Sie ein Revolutionär sind?

Als Revolutionäre in kolumbianischen Gefängnissen werden wir wie einfache gewöhnliche Kriminelle behandelt, es gibt keinen Unterschied zwischen einem „einfachen“ Gefangenen und einem Revolutionär. Die Arbeit eines Revolutionärs ist Vollzeit, für uns Revolutionäre gibt es keine Grenzen, Kerker können kein Grund sein, unsere revolutionären Ziele aufzugeben. Dieses Regime kümmert sich nicht um die universelle Erklärung der Menschenrechte oder das Recht auf Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, es verstößt gegen Artikel 19, der da lautet: „Jeder Mensch hat das Recht auf Meinungsfreiheit, dieses Recht beinhaltet das Recht, sich nicht wegen seiner Meinungen beunruhigen zu lassen und sie zu verbreiten, ohne Begrenzung und mit jedem Ausdrucksmittel.“

Ein Revolutionär hat die Aufgabe, Initiativen zu ergreifen und von jedem Ort aus, an dem wir uns auf dieser beschwerlichen Reise befinden, weiterzukämpfen. Von diesen Gefängnissen aus arbeiten wir weiterhin für die Gefängnisinsassen, denn wir werden Tag für Tag wie Tiere behandelt. Es gibt keinen Respekt für unser Leben, es gibt kein Programm oder keine Politik, die die Rehabilitation von Gefangenen unterstützt. Wir gehen, wie wir gekommen sind. Einige werden vielleicht nachdenken, aber die meisten anderen werden den gleichen kriminellen Weg einschlagen und keine Alternativen sehen. Man kann sagen, dass dieses Gefängnis nicht zur Resozialisierung des Einzelnen beiträgt.

Die Gefängnisse sind nur für die Armen da, denn die korrupten Anzugträger, die Verbrechen aus Machtkreisen begehen, befinden sich in 5-Sterne-Hotels oder auf privaten Grundstücken, mit allem erdenklichen Komfort. Genauso wie die „Catedra“, das selbst entworfene Gefängnis des Narco Pablo Emilio Escobar Gaviria.

Können Sie uns mehr über das Leben eines Guerilleros im Gefängnis erzählen?

Die Mission eines Revolutionären ist es, weiterhin für die Bürgerrechte zu kämpfen, die das Regierungssystem weiterhin verletzt. Als Gefangene werden alle unsere Rechte verletzt, die auf Gesundheit, Ernährung, Diskriminierung, kurz viele lebenswichtige Dinge für den Menschen Einfluss nehmen. Von den Kollektiven übermitteln wir schriftliche Forderungen mit Hilfe von Genoss*innen, die über zivil- und strafrechtliche Kenntnisse verfügen.

Das Leben eines Gefangenen ist nicht dasselbe, wenn er Geld hat. Freiheit ist unbezahlbar, aber einige, die eine stabile wirtschaftliche Position haben, genießen den Luxus, mehr Komfort zu haben, weil es keine aufrichtigen Beamten mit ethischen Werten gibt, ja sie sind in der Lage, sogar die Seele ihrer Mütter zu verkaufen. Ein Revolutionär mit reinem Gewissen behält immer eine hohe Moral, standhaft, während er die Jahre durchsteht, die ihm das System auferlegt.

Revolutionäre sind nur in ihrer körperlichen Freiheit eingeschränkt, weil wir in unserem Gewissen frei sind und unserer Fantasie freien Lauf lassen und träumen, ein Revolutionär durchbricht jeden Tag diese körperlichen Grenzen der Gefangenschaft.

Viele Bilder und Videos zeigen die offene Organisation der ELN-Guerilla in Gefängnissen. Wie ist das möglich?

Die ELN organisiert landesweit politische Häftlingskollektive. Überall, wo ein Revolutionär ins Gefängnis geht, muss gemeinsam mit den anderen Gefangenen eine Bewusstseinsentwicklung für unseren Kampf stattfinden. Es gibt keine verbotenen Orte für uns, wir müssen uns den Unterdrückern überall stellen. Heute trennen uns vier Wände, aber unser Kampfwille bleibt intakt, denn wenn die Menschen das gleiche Ideal in ihren Köpfen tragen, kann sie nichts isolieren, weder die Mauern eines Gefängnisses noch die Erde eines Friedhofs. Von den Friedhöfen werden unsere Ideen wie Wasser sprudeln sowie Quellen nach dem Winter.

Das Gefängnissystem verbietet den revolutionären Organisationen jegliche politische Aktivität, aber durch unsere Initiativen haben wir viele Wege gefunden, um die Propaganda unserer Organisation zu verbreiten. In einem Land, in dem Korruption herrscht, ist es nicht schwer, Zugang zu verbotenen Dingen zu haben. Wie Sie gerade sehen, führe ich dieses Gespräch mit einem Smartphone.

Es ist auch möglich, dass Hochsicherheitsgefängnisse Zentren des Handels von psychoaktiven Substanzen wie Crack, Kokain, Marihuana und Schnaps sind. Auch zur Zeit der ultra-rechten Uribe-Regierung kam es im Picota-Gefängnis von Bogota zu großen Auseinandersetzungen zwischen Guerillas und Paramilitärs mit allen Arten von Schusswaffen. Das ist in einem von Korruption durchdrungenen Land nichts Neues.

Auch Fotos von Waffen im Gefängnis scheinen da kein Problem zu sein…

Waffen sind Mittel zur Selbstverteidigung, wie ich in einem vorherigen bereits Absatz sagte. Die Guerilla und die Paramilitärs befinden sich in denselben Abteilungen und es ist nicht selten, Waffen zu tragen, sei es ein Messer oder eine Schusswaffe. Wir haben aus den Geschichten der Gefängnisse in Picota, Modelo oder Bogota gelernt. (Anm. d. Autors: Dort gab es Zusammenstöße zwischen linken Guerril@s und rechten Paramilitärs.)

Ich hoffe, ich konnte Ihnen die besten Antworten auf Ihre Fragen geben, aber es ist nicht einfach, in einer Justizvollzugsanstalt angemessen zu schreiben. Wir müssen sehr wachsam sein, um nicht von den Kameras oder den Augen der Wachen entdeckt zu werden, die uns gerne jagen. Wachen verdienen Geld, wenn sie uns erwischen. Es wird sicherlich Vergeltungsmaßnahmen des Gefängnissystems für diese Anschuldigungen geben.

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Ein Leben in den Roten Brigaden – über Arbeiter*innenwiderstand und bewaffneten Kampf. Ein Gespräch mit Francesco Piccioni

In den 1970er- und 1980er-Jahren kämpften tausende Arbeiter*innen und Jugendliche in Italien bewaffnet gegen Staat und Kapital. Die „Brigate Rosse“ (Rote Brigaden) waren die bekannteste militante Gruppe dieser Zeit. Wir haben mit Francesco Piccioni, einem ehemaligen Leitungsmitglied der Gruppe, über die Geschichte der BR gesprochen.

Francesco, willst Du Dich einleitend kurz vorstellen?

Ich war Führungsmitglied der Brigate Rosse. Im Mai 1980 wurde ich verhaftet und zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Abgesessen habe ich 3 Tage, 6 Monate und 23 Jahre. Mir wurde nichts erlassen, ich habe nur Verkürzungen bekommen, die ohnehin nach Gesetzeslage vorgesehen waren. (mehr …)

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