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In der letzten Augustwoche kamen zeitweise über 1400 Menschen im Kölner Grüngürtel zusammen, um sich am Rheinmetall Entwaffnen-Camp zu beteiligen.

Eine lange und aufregende Protestwoche ist vorüber, doch der antimilitaristische Kampf geht natürlich weiter. Nach dem größten bisherigen Rheinmetall Entwaffnen-Camp sprechen wir erneut mit dem Bündnis.


Protest angekündigt, Camp verboten, gerichtlich gewonnen und dann mit Rekordzahl das Camp durchgeführt. Zahlreiche Veranstaltungen, Blockaden und Aktionen fanden statt und zum Abschluss dann ne aufgelöste Demo mit 11-Stunden-Kessel.
War gut was los in Köln letzte Woche, oder? Habt ihr mit so viel Aktion gerechnet?

Es war definitiv eine sehr aktionsreiche und erfolgreiche Woche in Köln! Wir waren uns schon vorher im Klaren darüber, wie die aktuelle Lage gerade international ist und in Deutschland. Also dass es seit dem letzten Jahr in Kiel seitens der Politik hier in Deutschland wirklich drastische Schritte gab und das an der Gesellschaft und vor allem an Jugendlichen nicht vorbeigeht. Dazu beschäftigen sich viele Gruppen und Organisationen in Deutschland mehr und mehr mit der

Aufrüstung und Militarisierung und waren so auch mehr auf dem Camp vertreten. Viele von uns wollen handeln und nicht nur erzählen – wir wollen wirklich diese Kriege stoppen.

Das wollen wir mit der Organisierung von uns allen. Und auch mit Aktionen – die Arbeiter:innen in Genua haben gezeigt, dass Aktionen nicht nur symbolisch, sondern wirklich etwas verändern können. Und genau diese Energie hat sich auf dem Camp gezeigt – mit den zahlreichen Aktionen in und um Köln. Also zusammenfassend haben wir schon damit gerechnet und schon die letzten Monate gesehen, was alles passiert gerade, aber während der Woche war es trotzdem sehr beeindruckend und hat allen viel Kraft und Mut geschenkt!

In unser aller liebsten Leitmedien liest man ja allerlei erstaunliche Horrorgeschichten und Gefahrenszenarien über die „Antimilitärparade“ und Demonstration vom Samstag.
Bei Gasflaschen auf dem Lautsprecherwagen, Massenbewaffnung und geklauten Schusswaffen – Da war ein derartiger Einsatz bestimmt gerechtfertigt, oder? Was war da eigentlich los?

Dass viele Medien Lügen über die Demo verbreiten, ist wie schon immer Teil von der Strategie uns klein machen zu wollen. Die Angst und das Wissen, dass das Camp, diese Demo und der Widerstand im Kessel das Potenzial haben Menschen in Köln und Deutschland mitzureißen und zu zeigen, dass es sehr wohl möglich ist etwas zu verändern und dass wir auf die Straße gehen müssen und können. Die Polizei hat vom Beginn der Demo gezeigt, dass sie unseren Protest stoppen will. Weil alle wissen, was für eine Kraft sich während das Camp gezeigt hat und auch, was für eine Niederlage die erfolgreichen Aktionen für die Polizei und den Staat waren.

Wir ordnen die Provokationen und diese absolut eskalierte Polizeigewalt als Racheaktion an der gesamten Woche, aber auch an dem gesamten letzten Jahr mit der aufkommenden antimilitaristischen Bewegung ein. Sie haben uns immer wieder gestoppt und sehr offensichtlich irgendwelche Gründe herangezogen, die das rechtfertigen sollten: Transpis, Fahnenstangen, Vermummung und am Ende ein Lautsprecherwagen …

Die Polizei hat mit dem Kessel, der Gewalt und der Repression gegen uns am 30. August sehr offen gezeigt, wie die Autoritarisierung des Staates immer weiter voranschreitet und auch weniger verdeckt wird. Presse und Sanis wurden festgenommen und an ihrer Arbeit gehindert. Die parlamentarische Beobachterin der Linken wurde vor laufender Kamera geschlagen und vor allem wurden hunderte junge Menschen vor dutzenden Kameras und Nachbar:innen verprügelt und das teilweise bis ins Krankenhaus. Es gab fast niemanden in diesem Kessel, der nicht verletzt war. Und das alles unter dem Vorwand von Fahnenstangen (die nicht aus Metall waren!), einem Auto mit Wunderkerzen und zwei Party-Helium-Luftballon Flaschen?? Es ist ganz eindeutig, dass das natürlich nicht die wahren Gründe waren und darüber sind wir uns sehr im Klaren. Es wurde versucht, unseren Widerstand zu brechen – das hat definitiv überhaupt nicht geklappt und es war wieder eine totale Niederlage für Polizei und Staat!

Wie waren eigentlich die Reaktionen von Anwohner:innen und Passant:innen? Kommt antimilitaristischer Protest im Stadtpark und lautstarker Widerstand im Vorgarten noch gut an?

Viele Anwohner:innen haben uns unterstützt. Uns wurden Trinkflaschen aufgefüllt und Essen gebracht und es gab sogar eine Konfettikanone für uns. Wir wurden bei der Demo und dem Kessel in unserem Eindruck bestätigt, dass in Köln unser Camp schon gut angekommen ist oder nicht explizit schlecht angekommen ist. Wir denken, dass es dafür verschiedene Gründe gibt, also dass wir uns weiterentwickelt haben, darin auch auf die Stadt einzuwirken, in der unser Camp ist, aber auch, dass die Menschen in der Stadt genauso verärgert sind über die Millionen, die für die Bundeswehr ausgegeben werden oder die Wehrpflicht oder dass Hunderte Menschen, die gegen Krieg protestieren in ihrer Straße komplett verprügelt werden. Wir wissen, es ist noch ein Weg vor uns, noch mehr unseren Protest in Verbindung zu jeder Person in der Stadt oder Region, wo wir sind und leben mitzunehmen. Aber wir denken auch, dass wir auf einem guten Weg dahin sind und das hat Köln gezeigt.

Die Bilder aus dem stundenlangen Kessel waren neben der brutalen Vorgehensweise der knüppelnden Staatsmacht sehr beeindruckend. Gegenüber den Hundertschaften an moralisch entleerten Zweibeinern in Kampfmontur sangen und riefen die eingekesselten Aktivisten stundenlang ohne Pause.
Was sind eure Eindrücke aus dem Kessel? Wie konnte die Stimmung so gehalten werden und was bringt das für die Zukunft mit?

Der Kessel war auf die eine Art und Weise definitiv ein weiterer Erfolg und wirklich historisches Erlebnis für alle! So verprügelt zu werden, mit so einem Aufgebot von Polizisten und Provokationen konfrontiert zu sein und trotzdem niemals aufzugeben und sich nicht darauf einzulassen, ist einfach nur beeindruckend. Wir haben es geschafft, immer wieder uns darauf zu konzentrieren, warum wir auf der Straße sind und warum diese Gewalt so passiert, wie sie passiert ist.

Durch unsere Rufe, Gesänge und Tänze haben die Menschen im Kessel gezeigt, was für einen Willen wir haben, um für Freiheit und Frieden zu kämpfen und dass wir das mit viel Moral machen. Und dass uns eine Polizeikette nicht trennen kann: Denn nicht nur der Kessel war beeindruckend: Auch die Menschen, die 12 Stunden lang danebenstanden und zusammen mit den Menschen gesungen und gerufen haben. Die Sanis, die durchgearbeitet haben, und die Presse, die solidarisch durchgehend die Kamera auf eskalierende Polizisten und rufende Menschen im Kessel gerichtet hat um diese Momente festzuhalten.

Wir alle waren eine Einheit und das ist etwas sehr Besonderes und Das haben alle gespürt! Aus diesen 12 Stunden haben wir nicht nur Kraft, sondern auch Hoffnung für die kommende Zeit gewonnen und wir haben der Welt und auch uns selber gezeigt, zu was wir fähig sind, wenn wir zusammenhalten! Diesen Kessel und die Stimmung kann man echt nicht in Worte fassen, da empfiehlt es sich auf jeden Fall, sich Videos und Bilder anzuschauen und nicht nur auf die Polizeigewalt zu schauen (mit der sich definitiv befasst werden muss, was wir auch machen).

Es ist einfach schön und inspirierend, im Nachhinein die Bilder und Videos zu schauen. von den tanzenden, hüpfenden, singenden und rufenden Aktivist:innen im Kessel und am Rand zu sehen. Das kann echt vielen die Inspiration und den richtigen Schubs gegeben haben, sich uns anzuschließen und weiter auf die Straße zu gehen. Und vor allem zu merken: Wir können den Krieg stoppen!


Checkt auch unser ausführliches Gespräch mit Mila vom Rheinmetall Entwaffnen Bündnis aus, welches direkt vor dem Camp aufgenommen wurde. Unten geht es direkt zum Videointerview.

Außerdem haben wir auf dem Camp unsere Broschüre „Ein Sturm zieht auf – Thesen zu Krieg, Imperialismus und Widerstand“ verteilt. Diese könnt ihr jetzt hier beim tollen letatlin Verlag bestellen.

Lasst uns gemeinsam das Feuer des Widerstandes vom Rheinmetall Entwaffnen Camp weitertragen! Krieg dem Krieg!

Bilder: eigene

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Der vorliegende Text ist die dritte These unserer Broschüre „Ein Sturm zieht auf – Thesen zu Krieg, Imperialismus und Widerstand“. Die vollständige Broschüre mit neun weiteren Thesen ist beim Letatlin Verlag bestellbar.

Vom Irak über Jugoslawien, Afghanistan, nochmal Irak, Libyen, Ukraine, immer wieder Palästina und zuletzt Iran – wenn der Westen Krieg führt, dann geschieht das nie aus unmoralischen Motiven! Wenn der Westen Krieg führt, dann nur weil er freiheitliche Werte, Zivilisation, Demokratie und internationale Sicherheit verteidigen muss gegen die Barbarei der Anderen, welche diabolische Eigenschaften und grundlos böse Absichten haben. Wir sind die Guten und führen Krieg gegen das Böse.1 Dieses Narrativ ist in allen Kriegseinsätzen des Westens der letzten 35 Jahre mehr oder weniger dasselbe gewesen.2 Praktischerweise deckt sich das Böse dabei rein zufällig immer mit den geopolitischen Gegnern des Westens und die Regionen, in denen Krieg geführt wird, mit westlichen Wirtschaftsinteressen an Rohstoffvorkommen und Handelsrouten.

Im herrschenden Diskurs des Westens wurde „Terrorismus“3 dabei zum Synonym für „das Böse“, insbesondere im Mittleren Osten. Gemeint sind alle (teils durchaus reaktionären) Staaten und Kräfte, die der westlichen Hegemonie im Mittleren Osten, seiner Unterwerfung, Durchkapitalisierung und Eingliederung in den US-geführten Machtblock, entgegenstehen.

Narrative nach 9/11

Ein prägender Zeitpunkt in der Geschichte des „Krieg gegen den Terror“ war der 11. September 2001. Der westliche Imperialismus hat nach diesem Tag eine neue Phase eingeläutet und eine Großoffensive im Mittleren Osten begonnen. Eine US-UK-geführte Militärkoalition begann einen jahrelangen Zerstörungs- und Besatzungsfeldzug erst in Afghanistan, dann im Irak. Offiziell erklärtes Ziel war, die Drahtzieher und Unterstützer von 9/11 zu vernichten, internationale Sicherheit herzustellen und dem Mittleren Osten Freiheit und Demokratie zu bringen. Diese Kriege schadeten jedoch vor allem der Zivilbevölkerung. Zwischen 900.000 und 1,3 Millionen Menschen fielen dem Terror des „Krieg gegen den Terror“ in Irak und Afghanistan zum Opfer – die meisten davon Zivilist:innen.4 Die „Freiheitsmission“5 hinterließ Instabilität in der Region. Die vom US-geführten Westen angestrebten regime changes und ein stabiles nation / state building nach westlichem Vorbild mit Anbindung an das westliche System haben nicht funktioniert. Der Irak ist ein instabiler Staat und Gruppen wie der sogenannte Islamische Staat sind in den Gefängnissen und Foltercamps der US-Besatzung entstanden und sorgen bis heute für große Probleme. Al-Qaida konnte nicht zerschlagen werden und eine ihrer Abspaltungen stellt heute die syrische Regierung. In Afghanistan haben mit Abzug der US-Truppen nach 20 Jahren die Taliban umgehend wieder die Macht übernommen und sitzen fester im Sattel als zuvor. Libyen, welches die NATO 2011 bombardierte, um den antiwestlichen Führer Muammar Gaddafi zu stürzen, versinkt bis heute in Gewalt, Chaos und Willkür, worunter vor allem die Gesellschaft und die vielen Geflüchteten leiden. Die Kriege führten zu massiven humanitären Katastrophen und dienten nicht dem Schutz der Menschen, weder im Mittleren Osten noch im Westen, sondern der Aufrechterhaltung globaler Machtstrukturen. Die realen Interessen der USA in Afghanistan (welches sowohl an China als auch den Einflussbereich Russland angrenzt) und im Irak (der reich an Öl und dessen Kontrolle im Mittleren Osten von zentraler geopolitischer Bedeutung ist) hatten mit Kampf für Demokratie und Menschenrechten von Anfang an nichts zu tun.

Kriege, die unter dem Vorwand geführt werden, den Terrorismus zu bekämpfen, sind in Wirklichkeit Kriege um geopolitische Kontrolle, Ressourcen und die Durchsetzung imperialer Interessen. Durch die Erzählung des „Terrorismus“ und des „Bösen“ wurden und werden militärische Angriffe auf politische Gegner-Staaten gerechtfertigt sowie antiimperiale und antikoloniale Bewegungen delegitimiert6. Im Bezug auf Israels Krieg gegen Palästina wird die Erzählung der „Zivilisation gegen die Barbarei“ bereits seit Langem verwendet. Spätestens jedoch seit dem 7. Oktober wird der palästinensische Widerstand delegitimiert, indem er als islamistisch und barbarisch der „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ gegenübergestellt wird. Die palästinensische Gesellschaft wird generalisiert als rückständig und islamistisch dargestellt.7 So wird ein Genozid an zehntausenden Zivilist:innen durch einen vermeintlich „zivilisierten“ Staat als notwendiges Übel im „Kampf gegen die terroristische Hamas“ gerechtfertigt.8 Mit ähnlichen Narrativen konnte Israel als enger US- und NATO-Verbündeter im Nahen Osten die letzten Jahrzehnte Angriffe und Besatzungen im Libanon, Syrien, Iran und dem Jemen durchführen.

Das ultimative Böse als akute Bedrohung

Auffällig ist bei all dem, dass immer wieder massive Bedrohungsszenarien heraufbeschworen wurden, um Kriegseinsätze zu begründen, die offensichtlich einen ganz anderen, nämlich geopolitischen Hintergrund hatten: Die Massenvernichtungswaffen im Irak, die sich als Lüge herausstellten, die Bezeichnung Saddam Husseins als „Hitlers Wiedergänger“, der die Vernichtung der Juden vollenden wolle, die Aussage „Nie wieder Auschwitz“ des grünen Außenministers Fischer zur Legitimation des ersten deutschen Kriegseinsatzes nach 1945 in Jugoslawien, die angebliche Atombombe des Iran im Juni 2025 und das ständig angeblich in seiner Existenz bedrohte Israel: Immer wieder wird mit Superlativen, erfundenen Bedrohungen wie im Irak oder übertriebenen Szenarien wie im Iran die Öffentlichkeit in Angst versetzt, aufgehetzt und damit präventive Militäraktionen, Angriffskriege, ja Völkermorde gerechtfertigt. Die Information, der öffentliche Diskurs, die Medien, die Meinung und Stimmung im eigenen Land, der „Heimatfront“ sind empfindlich wichtig für die Herrschenden wenn sie Krieg führen wollen; darum spielt das Narrativ der Selbstverteidigung gegen einen absolut bösen Feind, der uns akut bedroht, eine zentrale Rolle – sozusagen als „rechtfertigender Notstand“.

Wir schreiben das nicht, weil wir denken, dass die Beurteilung der Kriege in Irak oder Afghanistan in der deutschen Linken und Gesellschaft sonderlich kontroverse Themen sind (mit Ausnahme des Genozids in Palästina). Wir schreiben das, weil die Logiken und Dynamiken hinter diesen Erfahrungen nicht tot sind und wir in der deutschen Aufrüstung und Kriegsvorbereitung gerade ein Wiederaufleben dieser Narrative sehen und die Haltung einiger Linker dazu bei uns große Fragezeichen auslöst.

Ukraine, Russland und die deutsche Militarisierung

In der Linken in Deutschland sind in den letzten Jahren seit Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vermehrt verwirrte Aussagen zur stattfindenden Militarisierung und eine fragwürdige Positionierung zum eigenen imperialistischen Staat zu beobachten. Konkret zur Involviertheit des deutschen Staats wie z.B. Waffenlieferungen haben sich mitunter diametrale Positionen gebildet. Das Narrativ „Wir sind die Guten und führen Krieg gegen das Böse“ taucht dabei auch in der Linken wieder auf. Eine Analyse der zugrundeliegenden Geschichte in der Ukraine, der russischen, europäischen und US-amerikanischen Interessen und der materiellen Prozesse, die zu dieser Konfrontation geführt haben, bleibt häufig aus. Solche Analysen müssen aber stattfinden, wenn man sich als Linke nicht einfach stumpf der imperialistischen Staatspolitik und ihrer Propaganda der „Verteidigung der Freiheit“ ergeben will:

Die geopolitische Situation in der Ukraine

In der Ukraine treffen die Interessen dreier imperialistischer Blöcke aufeinander: Erstens die EU, welche eine wirtschaftliche Osterweiterung will und aufgrund des Interesses an der Ukraine als Wirtschaftsraum für billige Arbeitskräfte und neue Absatzmärkte von dieser forderte, die Eigenständigkeit zwischen den Lagern aufzugeben und sich dem europäischen Macht- und Wirtschaftsblock anzuschließen. Zweitens die Amerikaner, die geostrategische Interessen an der Ukraine in ihrer Expansion gen Osten haben. Und drittens das russische imperiale Interesse an der Ausweitung bzw. Aufrechterhaltung des eigenen wirtschaftlichen und politischen Zugriffsbereichs und der Verhinderung der NATO- und EU-Osterweiterung. Zugrunde liegen allen drei Machtblöcken, egal wie sie ihre Politik ideologisch rahmen, dieselben Interessen: wirtschaftliche. Es geht um die Bodenschätze im Donbass, Absatzmärkte und Arbeitskräfte, sowie den geostrategischen Standort – um die Expansion des eigenen Imperiums. Diese Interessen prallen aufeinander und dadurch ist die Ukraine seit spätestens 2014 zum Spielball zwischen westlichen und östlichen Interessen geworden.

Viele Ukrainer:innen wollten vor dem russischen Angriffskrieg ein Zwischenstaat bleiben: In der EU arbeiten können, aber Güter aus Russland importieren, die dann bezahlbar wären. Die EU aber wollte, dass Ukrainer:innen billig für uns arbeiten und gleichzeitig unsere teuren Güter kaufen. Und Russland wollte das Gleiche andersherum. In den USA gab es in den letzten Jahren widersprüchliche Ansätze der Ukraine-Politik, aber im Grundlegenden sind sie an der Expansion ihrer Hegemonie gegen Russland, China und den Mittleren Osten interessiert. Eine ukrainische Neutralität wurde von keiner beteiligten Seite akzeptiert. Die EU hat bis 2013/2014 versucht, durch Scheckbuch-Politik, dem Angebot finanzieller „Hilfe“ und einem neoliberalen Assoziierungsabkommen die Ukraine unter ihre Kontrolle zu bringen und wirtschaftlich zu unterwerfen, während Russland die Ausschaltung seines Einflusses im Nachbarland hinnehmen und sein Interesse abmelden sollte. Vielleicht hat der Westen, insbesondere die EU, nicht damit gerechnet, dass es so blutig wird. Fakt ist, dass Putin zum militärischen Angriff übergegangen ist und jetzt einen Krieg zur Unterwerfung der Ukraine seinerseits und gegen die Expansion des westlichen Machtblocks führt. Viele westliche Staaten und Konzerne werfen seitdem verstärkt Geld, Waffen und Expertise auf das Schlachtfeld, um am Krieg und Wiederaufbau zu verdienen, den politischen und wirtschaftlichen Zugriff auf die Ukraine nicht zu verlieren und ihre jeweiligen Machtansprüche zu behaupten.

Beide Seiten werfen sich in ihren Narrativen gegenseitig Faschismus vor. Die Wahrheit ist, dass beide Seiten (auf ukrainischer Seite die NATO) imperialistisch sind und zur Durchsetzung ihrer Interessen in Teilen faschistische Streitkräfte unterhalten. Die Interessen der US-geführten NATO und Russlands mit China als Verbündetem sind nicht unterschiedlich, nur entgegengesetzt. Das Gerede von Freiheit gegen Diktatur oder Menschenrechte gegen Barbarei ist moralische Heuchelei, die dadurch funktioniert, dass Russland als erstes den Schritt vom Wirtschafts- zum militärischen Krieg gegangen ist. In anderen Fällen hat der Westen das Gleiche getan wie oben bereits ausgeführt. Putin ist nicht der neue Hitler. Er vertritt sein imperiales Interesse mit militärischen Mitteln, so wie es andere imperialistische Staaten tun. Der russische Angriffskrieg ist völkerrechtlich illegal, moralisch zu verurteilen und die Ukraine hat ein legitimes Selbstverteidigungsrecht. Ihre Tragödie ist aber, dass sie Schauplatz eines imperialistischen Stellvertreterkriegs geworden ist, in dem sie als Schlachtfeld zur Austragung höherer, äußerer Interessen genutzt wird. Es ist nicht gerecht, dass auf Kosten ihres Landes, ihrer Gesellschaft und ihrer Leben ein blutiger, brutaler Machtkampf geführt wird. Es gibt in diesem Krieg jedoch für die Bevölkerung nichts mehr zu gewinnen, genau so wenig für demokratische und fortschrittliche Kräfte. Dafür ist es gewissermaßen zu spät. Deshalb muss ein Waffenstillstand, diplomatische Verhandlungen und dauerhafter Frieden in einer neutralen, demilitarisierten und kooperativen Ukraine das Ziel sein und nicht die ewige Weiterführung des Kriegs. Dass neben Russland auch die westlichen Staaten weiter auf Krieg, Waffenlieferungen und Aufrüstung setzen, liegt an ihren eigenen Interessen in der Ukraine und nicht daran, dass sie das ukrainische Volk oder Menschenrechte interessierten.

Westliche Freiheit vs. russischer Autoritarismus?

Das Argument, was oft für Waffenlieferungen an die Ukraine und auch Aufrüstung und Militarisierung in Deutschland angeführt wird, ist ein angeblich drohender russischer Generalangriff gegen die EU und die NATO, um weitere Länder zu besetzen und Putins Autoritarismus mithilfe prorussischer Kräfte auf andere europäische Gebiete auszuweiten. Unser jetziger Staat sei der bessere und wenn wir uns unsere Freiheit vor einer russischen Diktatur bewahren wollten, müssten wir uns für einen Angriff rüsten. Wie wahrscheinlich all das ist und wie viel westliche Propaganda in diesem Szenario steckt, sei an dieser Stelle zweifelnd dahin gestellt.

Es stimmt aber, dass die Russische Föderation aktuell in vielen Teilen eine autoritärere und reaktionärere Innenpolitik verfolgt als der deutsche Staat. Bürgerliche Grundrechte sind in Deutschland noch eher gültig als in Russland, wenn auch mit Einschränkungen und in ihrer Gänze meist nur für den unkritischen Mainstream der weißen Staatsbürger:innen. Angesichts der brutalen Verfolgung von Anarchist:innen und politischen Oppositionellen und der Unterdrückung von LGBTIQA+ in Russland befinden wir uns in Deutschland aber trotzdem noch in einer verglichen komfortableren Lage. Das westliche Narrativ von der Verteidigung des „Fortschritts“ oder der „Zivilisation“ gegenüber dem „Rückständigen“ bleibt jedoch eine falsche Dichotomie.

Rechtsruck und Militarisierung im Westen

Die Repression gegen die Palästina-Proteste und der zunehmende Rechtsruck der Staatspolitik zeigt das Potential der autoritären Entwicklung auch in Deutschland auf. Auch die Faschisierung in den USA, der ICE-Terror, die Willkür, die sozialen Kürzungen, die Verfolgung politischer Oppositioneller und die weiter zunehmenden Angriffe auf die Rechte von Frauen und LGBTIQA+ zeigen, dass wir uns nicht in einem demokratischeren, progressiveren, sichereren Machtblock gegenüber Russlands Autoritarismus wähnen dürfen, sondern solche Zustände auch im Westen und in Deutschland möglich sind und dies einzig eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse ist. Was in den USA gerade an faschistischem Umbau passiert, ist eine Warnung, was uns auch in Deutschland bevorsteht. Angriffe auf die Rechte von Frauen, LGBTIQA+, Migrant:innen, politischen Oppositionellen, Marginalisierten und Arbeiter:innen werden von der CDU-geführten Regierung schon heute durchgeführt oder vorbereitet. Merz ist dabei gerade so viel Trump wie es in Deutschland aktuell möglich ist. Zu Schweigen davon, was uns im Zuge des aufsteigenden neuen deutschen Militarismus noch alles an autoritärer Innenpolitik und sozialem Kahlschlag bevorsteht. Rechtsruck und Faschisierung sind nichts, was von außen kommt. Der Rechtsruck in der deutschen Staatspolitik wird dabei von denselben Kräften vollzogen, welche aktiv und aggressiv auf Militarisierung drängen. Wer also Militarisierung und Krieg gegen Russland aus „progressiven“ Gründen befürwortet, macht sich mit genau denen gemein, die Rechtsruck und Autoritarisierung in Deutschland vorantreiben.

Eine Angst, aus der teilweise Betroffene eine deutsche Militarisierung befürworten, ist ein russischer Faschismus, welcher die homo- und transfeindlichen Zustände aus Russland in weitere Länder expandiert. Ängste vor Verfolgung sollten ernst genommen und nicht einfach abgetan werden! Dem deutschen Staat geht es aber nicht darum, Rechte von Queers in der Ukraine zu verteidigen. Er hat rein machtpolitische und ökonomische Interessen und wird diese in Zukunft auch zusammen mit einem von Neonazis durchsetzen ukrainischen Staat umsetzen, welche sicher nicht für die Rechte queerer Menschen eintreten werden. Der Kampf für Feminismus, gegen Homo- und Transfeindlichkeit ist ein integraler Bestandteil unseres Kampfes und muss auf der gesellschaftlichen und staatspolitischen Ebene geführt werden. Wer aber ernsthaft glaubt, dass eine Verbesserung der Situation unterdrückter Geschlechter und Sexualitäten durch Krieg, Aufrüstung, Militarismus in der Gesellschaft und imperialistische Staatspolitik erreicht wird, an dessen politischer Analysefähigkeit sei an dieser Stelle stark gezweifelt.9 Wer den deutschen Militarismus unterstützt, kriegt den Krieg und Autoritarismus, den er bekämpfen will und das ganz ohne russische Besatzung. Die neokoloniale Ökonomie10, die Unterstützung des Genozids in Palästina und der Krieg der EU gegen Geflüchtete zeigen das reaktionäre Potential der liberalen imperialistischen Staaten, die ihren Liberalismus nur nach innen und auch nur solange es in ihrem Interesse ist und sie es sich leisten können, gelten lassen.

Die vermeintlich alternativlose Wahl zwischen einer liberalen Kriegsunterstützung Deutschlands oder der Unterwerfung unter Putin ist also eine falsche Gegenüberstellung. Das „kleinere Übel“ ist ein analytischer Fehler. Wir sind nicht die Guten. Wir sind nicht das kleinere Übel, das man „verteidigen“ muss. Wer hat uns eigentlich angegriffen? Der Westen und auch Deutschland hat maßgeblich mit zu diesem Krieg und der Konfrontation beigetragen und drängt selbst auf imperialistischen Expansionskurs.

Antisystemische Opposition statt „freien Westen verteidigen“

Es ist nicht die Aufgabe von Sozialist:innen, aus realpolitischem Defätismus imperialistische Staatspolitik zu machen. Wer in dieser Logik argumentiert, weil er oder sie keine Analyse der wirtschaftlichen, machtpolitischen und historischen Gründe der Verhältnisse macht, landet früher oder später bei einem Schulterschluss mit dem deutschen Imperialismus, auch wenn die Ursprungsintention vielleicht Mitgefühl mit den Ukrainer:innen oder Sorge um die von Putin Unterdrückten ist. Aber diese Schlussfolgerung wird nicht zu weniger sondern mehr von allem führen, was wir bekämpfen: Krieg, patriarchale Gewalt, Gleichschaltung, Armut, Rassismus, Nationalismus, Demokratieabbau, soziale Kürzungen. Wer also so weit nach rechts rückt, dass er in einer Querfront mit der eigenen herrschenden Klasse für deren Kriegspolitik eintritt, muss sich mit Recht die Frage gefallen lassen, ob er oder sie Sozialist:in oder einfach deutsche:r Liberale:r ist. Wessen Plan für die nächsten Jahre ernsthaft eine Unterstützung der deutschen Militarisierung im Rahmen einer regressiven nationalen Realpolitik „gegen Russland“ ist, dem sei nahegelegt, ob er oder sie nicht vielleicht direkt zur SPD oder den Grünen gehen sollte – die sind diesen Weg wenigstens schon konsequent zu Ende gegangen.

Der Weg eines wirklichen Kampfes gegen Faschismus und die Unterdrückung von Frauen und LGBTIQA+, Migrant:innen, Geflüchteten, allen Marginalisierten und der gesamten Arbeiter:innenklasse führt nicht über die Unterstützung der Militarisierung eines imperialistischen Staates auf Kriegskurs, sondern über die Stärkung demokratischer, antiimperialistischer Kräfte in Staat und Gesellschaft und das Eintreten für Frieden. Die Aufgabe von Sozialist:innen ist eine Verhinderung weiterer Eskalation und autoritärer Zuspitzung, um die Möglichkeiten demokratischer Politik zu stärken, wahre Alternativen zum imperialistischen System zu schaffen. In Kriegsregimen werden die Bedingungen brutaler, prekärer, reaktionärer als in Friedenszeiten und die Spielräume für politische Opposition, gesellschaftliche Gegenmacht und demokratische Politik schrumpfen. Die lohnabhängige Gesellschaft hat dabei nichts zu gewinnen. Die Perspektive liegt in der Erhaltung und Erweiterung der Spielräume für gesellschaftsdemokratische und klassenkämpferische Politik. Die antifaschistische und sozialistische Strategie führt über das Eintreten für Verhandlungen, Frieden und antiimperialistische Selbstbestimmung.11

1 Merkmale von Kriegspropaganda analysiert u.a. Anne Morelli in „Die Prinzipien der Kriegspropaganda“ (2004)

2 Das Schema ist nicht neu: In der antikommunistischen Hysterie des Kalten Kriegs und den westlichen Kriegen gegen antikoloniale Befreiungsbewegungen wie in Vietnam zeichnete die imperialistische Propaganda ähnliche Bilder. Dies geht meist mit einer rassistischen Erzählung einher. Auch die europäische Arbeiter:innenbewegung wurde teils unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung kriminalisiert. Die Dämonisierung des Gegners zur Rechtfertigung der eigenen Kriegshandlung und Täuschung über die wahren eigenen Motive ist vermutlich so alt wie der Krieg selbst.

3 Die Begriffe Terror und Terrorismus müssen kritisch betrachtet werden, da sie nahezu immer interessengeleitet verwendet werden und dabei kolonial aufgeladen sind und repressiv wirken sollen. Im Westen werden sie vor allem für nicht-weiße Menschen / Organisationen und politisch Widerständige verwendet.

4 https://www.brown.edu/news/2021-09-01/costsofwar

https://www.bundeswehr-journal.de/2015/rund-13-millionen-tote-durch-krieg-gegen-den-terror

5 Enduring Freedom („dauerhafte Freiheit“), Name der Militäroperation in Afghanistan 2001

6 Die rassistisch-koloniale Logik macht oft keinen grundlegenden Unterschied zwischen islamistisch, sozialistisch oder einfach anti-westlich/nationalistisch, sondern behandelt alle aus kolonisierten Ländern stammenden Widerstände als Terroristen/Barbaren. Deutlich wird das z.B. auch an den Kategorien, in denen der deutsche Verfassungsschutz arbeitet: In dessen jährlichem Bericht wird unter „Ausländerkriminalität“ bzw. ausländischer Terrorismus alles nicht als deutsch/westlich definierte von der PKK bis zum IS zusammengefasst, unabhängig von Zielen oder Ideologie.

7 Dieses Narrativ ist eine Kontinuität aus der Kolonialzeit. Damals wurden die Verbrechen der Kolonialmächte legitimiert, indem die Kolonisierten als „primitiv“ und „barbarisch“ gekennzeichnet wurden. Daraus wurde das Weltbild des biologischen Rassismus geprägt, welches Kolonisierte in Zusammenhang mit der Natur setzte und einen hierarchischen Gegensatz zwischen „Natur“ und „Kultur“ aufmachte. Zwar wird diese Form des Rassismus heute für wissenschaftlich überholt erklärt und Begriffe wie „Rasse“ offiziell nicht mehr verwendet, jedoch zeigt sich an der Dynamik, das „Zivilisierte“ dem „Barbarischen“ zur Rechtfertigung westlicher Krieg gegenüberzustellen seine Kontinuität.

8 Im UN-Bericht „From economy of occupation to economy of genocide“ der UN-Sonderbeauftragten für Palästina Francesca Albanese werden auch hier die ökonomischen Interessen hinter dem „Krieg gegen den Terror“ in Gaza beleuchtet (https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sessions-regular/session59/advance-version/a-hrc-59-23-aev.pdf).

9 siehe These 2

10 Mehr zur Kolonialismus-Frage in These 9

11 Mehr zu Widerstand und Perspektiven in der zentralen 6. These

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Jeden Tag erreichen uns neue Bilder aus Gaza. Neue Bilder vom Genozid. Wir sehen das Leid der Palästinenser:innen, den Widerstand der Bevölkerung und die grausamen Verbrechen des israelischen Regimes. Wir stellen uns die Frage der praktischen Solidarität, die Frage: Was können wir hier, in den Städten, in denen wir aktiv sind, tun?

Die Gruppe Handala aus Leipzig organisiert seit Jahren Demonstrationen sowie kulturelle und politische Veranstaltungen für die palästinensische Diaspora und die deutsche Öffentlichkeit. Ende August planen sie mit dem Bündnis March to Airport eine ihrer größten Aktionen. Wir haben mit einer Genossin von Handala über den geplanten Marsch gesprochen.


Magst du Handala einmal vorstellen?

Handala ist die Palästina-Gruppe von Leipzig. Wir haben uns im Mai 2021, während der Proteste von Sheikh Jarrah, als linke, palästinensische Selbstorganisation gegründet. Wir organisieren Demonstrationen sowie kulturelle und politische Veranstaltungen für die palästinensische Diaspora und die deutsche Öffentlichkeit. Für uns bedeutet die Befreiung Palästinas ein vollständiges Ende der Apartheid und des Siedlerkolonialismus in Palästina. Wir sehen es als unsere Aufgabe, hier im Herzen der Bestie die Unterstützung der Kolonisierung Palästinas zu verhindern. Dabei sehen wir auch in Mitgliedern von Gewerkschaften und der Linkspartei notwendige Bündnisgenoss:innen – auch gegen die jeweilige Bürokratie gerichtet.

Nun steht der MarchtoAirport an. Was ist der Plan?

Die Kampagne @marchtoairport.leipzig richtet sich gegen Waffenlieferungen an den Staat Israel über den Flughafen Leipzig/Halle. Wir haben in den vergangenen Monaten die inspirierenden Berichte über erfolgreiche Blockaden gegen Waffenlieferungen von Arbeiter:innen und örtlicher Bevölkerung in Häfen, zum Beispiel in Schweden, Frankreich, Italien oder Marokko, verfolgt.

Wir sehen in dieser Aktionsform einen Ansatzpunkt für Solidarität mit Palästina in Staaten wie Deutschland, die als Waffenlieferanten am Genozid beteiligt sind.Das Durchsetzen eines Endes von Waffenlieferungen wäre dabei ein symbolischer Schritt.

Ein weiterer Schritt, nach den vielen Demonstrationen, wie wir sie auch in Leipzig und Deutschland seit Monaten sehen. Wir haben viele Menschen auf die Straße gebracht, das bleibt auch weiterhin wichtig, doch jetzt geht es um die materielle Konkretisierung unserer Solidarität, so wie in Genua oder Marseille.

Einen Hafen hat Leipzig nicht. Aber Leipzig hat einen Frachtflughafen. Und wir haben uns deshalb entschlossen, dass wir nicht länger akzeptieren werden, dass Waffenlieferungen aus Leipzig über unsere Köpfe hinweg erfolgen.

An diesem Wochenende findet als erster Höhepunkt der Kampagne ein Protestmarsch von der Leipziger Innenstadt zum Flughafen statt. Wir werden ein Camp in der Nähe des Flughafens aufschlagen, wo es Vorträge, Workshops, Kulturbeiträge und eine KüFA geben wird. Zudem sollen die weiteren Schritte der Kampagne geplant werden.

Eine Teilnahme an den Aktionen des Wochenendes ist auch noch spontan möglich. Wir freuen uns über jede Unterstützung!

Am Samstagmittag starten wir den Marsch vom Leipziger Hauptbahnhof zum Flughafen Leipzig/Halle und bauen dann dort gegen Abend unser Camp auf der Aussichtsplattform in Schkeuditz in der Nähe des Flughafens auf. Sonntag geht’s dann mit einer Demonstration zum DHL-HUB.

Welche Bedeutung hat der Flughafen Leipzig/Halle denn für den Genozid in Gaza?

Der Flughafen Leipzig/Halle ist kein unbedeutender Regionalflughafen – die relativ geringen Passagierzahlen täuschen –, sondern der zweitgrößte Frachtflughafen Deutschlands und europaweit auf Platz vier. In Wahrheit ist Leipzig/Halle also ein zentraler Knoten für Militärlogistik im Allgemeinen und für Waffenlieferungen an den Staat Israel im Besonderen: In einem aktuell laufenden Spionageprozess vor dem Oberlandesgericht Dresden wurde dies von der Bundesanwaltschaft bestätigt. Laut Anklageschrift der Bundesanwaltschaft werden Militärfahrzeuge, Drohnen und Kriegsgerät über Leipzig/Halle nach Tel Aviv verfrachtet. Auch Israels größter Luftfahrtkonzern, Israel Aerospace Industries, nutzt den Flughafen. Und diese Transporte gehen auch aktuell weiter, den heuchlerischen Ankündigungen von Merz zum Trotz. Erst diese Woche hat ein Flug stattgefunden. Die Informationen zu diesen Flügen und zu dem, was transportiert wird, unterliegen normalerweise der Geheimhaltung, denn man will sich natürlich nicht in die Karten gucken lassen.

Doch gerade deshalb ist eine wichtige Forderung des Bündnisses die demokratische Öffentlichkeit und Freigabe aller Informationen zu den Transporten.

Damit könnten Belegschaften und Bevölkerung entscheiden. Unsere bisherigen Erkenntnisse zur Bedeutung des Flughafens stehen auch auf unserem Instagram-Account zur Verfügung. Auch rufen wir Whistleblower aus den Belegschaften auf, mit uns in Kontakt zu treten.

Wer steht hinter der Kampagne?

Die Kampagne wird von einem Leipziger Palästina-Solidaritätsbündnis unterschiedlicher politischer Gruppen getragen, die sich bei allen sonstigen Unterschieden im Ziel eines Endes der Waffenlieferung nach Israel einig sind.

Dabei sind wir als Handala.Leipzig, die Palästina-AG der Partei Die Linke Leipzig, Mera25, Ende Gelände Leipzig, Fridays for Future Leipzig, Arbeiter:innenmacht sowie viele Einzelpersonen.

Wir werben aktiv um weitere Bündnispartner.

Wie soll es nach dem Marsch weitergehen?

Die Solidarität mit Palästina in Deutschland braucht konkrete, mobilisierungsfähige Ziele. Wir haben uns, wie bereits ausgeführt, im Rahmen des übergeordneten Kampfziels eines Stopps aller Waffenlieferungen aus Deutschland auf ein konkretes örtliches Ziel unserer Bündnisarbeit verständigt: Über den Flughafen Leipzig/Halle sollen keine Flüge nach Israel mehr abgewickelt werden! Und wir würden uns freuen, wenn diese Orientierung an regionalen Angriffspunkten auch in anderen Regionen aufgegriffen wird: Es gibt ja bereits einige ähnliche Initiativen, am Bekanntesten ist vielleicht die Kampagne „Rheinmetall Entwaffnen“.

Aber auch in anderen Regionen könnten örtliche Hersteller von Munition oder Waffen, die deutschen Seehäfen oder andere Teile der Logistik wie Güterbahnhöfe ins Visier der Solidaritätsarbeit mit Palästina genommen werden. Lasst es uns angehen und uns vernetzen!

Wir sind überzeugt, dass es Zähigkeit und Ausdauer erfordert, aber ein Stopp der Waffenlieferung erreichbar ist. Das zeigen die genannten Beispiele aus anderen Staaten. Natürlich stehen wir in Deutschland vor besonderen ideologischen Herausforderungen und sind mit Repression konfrontiert, aber was möglich ist und wie es gehen könnte, werden wir nur in der Aktion austesten können und unsere ersten Erfahrungen sind positiv: Um die Einstellung aller Rüstungsflüge vom LEJ durchzusetzen, setzen wir auf die Kombination des Aufbaus einer breiten Stimmung gegen die Flüge in der örtlichen Bevölkerung sowie die praktische Verweigerung der Kolleginnen und Kollegen am Flughafen. Wir haben deshalb in den letzten Wochen Flugblätter an Kolleg:innen vom Flughafen und dem dortigen DHL-Hub verteilt, viele Gespräche geführt und dabei erste Kontakte in die Belegschaften hinein hergestellt. Wir waren ehrlich gesagt überrascht, wie viel positive Resonanz wir erfahren haben. Es gibt einen großen Riss zwischen der prozionistischen Haltung der Eliten in Deutschland sowie der Staatsräson und der Stimmung in der breiten Bevölkerung – das macht Mut!

Auf dem Camp geben wir deshalb zudem das Startsignal für eine Unterschriftensammlung. Damit wollen wir in den kommenden Wochen in die Stadtteile von Leipzig und Halle gehen, an Infoständen über die Vorgänge am Flughafen und ihren Zusammenhang zum Genozid in Gaza aufklären und Unterstützung für unsere Kampagne gewinnen. Umfragen zufolge lehnen etwa 70–80 % der Bevölkerung Waffenlieferungen an Israel ab. Diese gerechte Stimmung in der Bevölkerung gilt es, politisch zu organisieren. Und auch unsere Arbeit unter den Kolleginnen und Kollegen am Flughafen, bei DHL und in ver.di werden wir fortsetzen und intensivieren. Dabei stoßen wir zunehmend auf Widerstände seitens der Unternehmensleitungen und der örtlichen Gewerkschaftsführung. So warnte eine Betriebsrätin in einer Rundmail vor uns, und bei DHL bekamen wir es mit dem Werkschutz zu tun.

Aber diese Widerstände zeigen uns nur: Unsere Initiative wirkt, sie sorgt für Unruhe – und das ist gut so.

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In der letzten Augustwoche kamen zeitweise über 1400 Menschen im Kölner Grüngürtel zusammen, um sich am Rheinmetall Entwaffnen-Camp zu beteiligen. […]

Der vorliegende Text ist die dritte These unserer Broschüre „Ein Sturm zieht auf – Thesen zu Krieg, Imperialismus und Widerstand“. […]

Jeden Tag erreichen uns neue Bilder aus Gaza. Neue Bilder vom Genozid. Wir sehen das Leid der Palästinenser:innen, den Widerstand […]

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