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Wann immer irgendwo eine Lanze gegen Linke zu brechen ist, ist ein antikommunistischer Pfaffe nicht weit. Segneten sie früher im offenen Feld vor der Schlacht die Konterrevolutionäre oder schleusten gescheiterte Nationalsozialisten nach Südamerika aus, beschränkt sich heute ihre Tätigkeit (noch) auf knackige Kommentare für´s Mediengame.

Dem Focus, dem deutschen Pendant zu FOX-News, betete Joachim Gauck, Wanderprediger für Kapitalismus und Ex-Bundespräsident, den Abendsermon zur aktuellen „Antifa“-Debatte in die Blattseiten: „Auch linksliberale Meinungsführer müssen lernen zu tolerieren, dass Teile unserer Gesellschaft anders ticken, anders denken, anders sprechen, auch wenn dies bei liberalen Eliten Kopfschütteln, Ratlosigkeit und Ablehnung hervorruft.“

Mutig,Mutig! Der Mann wendet sich gegen „die Eliten“! Aber einen Moment. Ist einer, der ein paar hunderttausend Euro im Jahr allein für seine fünf Jahre währende Tätigkeit als Labersack der Nation fortgezahlt bekommt, nicht selber „Elite“? Ist er in seiner freien Meinungsäußerung vom Linksliberalismus versklavt? Ein Mann, dem fünf Mikrophone in den Mund gesteckt werden, sobald er nur andeutet, etwas überaus Wichtiges zu erzählen zu haben?

Gauck verwendet das Wort „Elite“ wie Donald Trump – und mit ihm ganze Generationen von Faschist*innen und Rechten. Trump, korrupter Erbe eines Millionenvermögens, gelang es, seine Wählerschaft aus abgehängten weißen US-Amerikaner*innen eben mit jenem Diskurs zu gewinnen. „Ich bin einer von euch, gemeinsam gehen wir gegen die linksliberalen Eliten vor“, so absurd das auch klingt.

Diese Strategie der Rechten ist gefährlich. Denn sie entkoppelt den Begriff der „Elite“ von seinem sozialen, politischen Gehalt. „Elite“ sind dann nicht mehr jene Gruppen, die über gesellschaftliche Gestaltungsmacht, Produktionsmittel, Einfluss auf den Staat und die Medien verfügen. Sondern einfach alle, die an einer angeblichen „linken Meinungsdiktatur“ teilhaben, weil sie finden, man sollte nicht unwidersprochen zum Ermorden von Migrant*innen oder zur Vergewaltigung einer 16-jährigen Klimaaktivistin aufrufen können. Das Resultat ist absurd: eine mittellose Schülerin, die ein paar tausend Follower auf Twitter hat, ist dann “Elite”, weil sie gegen Rassismus postet; und ein skurpelloser Geldsack wie Friedrich Merz wird zum selbstlosen Sprachrohr der (angeblich) von Willkommenskultur gebeutelten Massen.

Eine korrupte, sich selbst bereichernde Gurkentruppe im Dienst so ziemlich jedes Großkapitalisten oder Oligarchen – wie z.B. FPÖ in Österreich oder AfD in Deutschland – kann sich dann als Rächer der Armen, als Vertretung derer ganz unten aufspielen. Und das trotz sozialchauvinistischem, neoliberalem Programm.

Wer so redet wie Gauck, der befördert diese Selbstdarstellung der Faschist*innen. Er ebnet ihren Weg zur tatsächlichen Unterdrückung unliebsamer Meinungen. Er tut eben, was die antikommunistischen Pfaffen jederzeit taten: Er segnet die Truppen der Konterrevolution, bevor sie zur blutigen Tat schreiten.

#Titelbild: Sascha Klahn / CC BY-NC-SA 2.0

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Filme gegen den Neofaschismus in Griechenland und Europa – Interview mit Angélique Kourounis und Thomas Jacobi

In der Nacht vom 17. auf den 18. September jährt sich die Ermordung an Pavlos Fyssas, durch Faschisten der Goldenen Morgenröte (Chrysi Avgi, Χρυσή Αυγή). Anlässlich seines Todestages traf sich Lower Class Magazine einen mit der Filmemacherin Angélique Kourounis und ihren Co-Author Thomas Jacobi, um über ihren neuen Film und die Notwendigkeit antifaschistischen Widerstands in Griecheland und Europa zu sprechen.

2016 haben die beiden den Dokumentarfilm “Goldene Morgenröte – eine persönliche Angelegenheit” veröffentlicht.

Momentan arbeiten die beide an einem zweiten Teil mit dem Titel „Goldene Morgenröte – eine öffentlich Angelegenheit“. Es geht um die Frage, wie die Ideologie der Partei es geschafft hat, andere konservative Parteien zu “infizieren“ und wie man gegen den wachsenden Faschismus Widerstand leisten kann. Dabei wollen beide auch eine europäische Perspektive eröffnen. Dafür waren sie im europäischen Parlament und haben sich eine Woche vor der Landtagswahl den #unteilbar-Protest, aber auch die PEGIDA-Demo in Dresden dokumentarisch begleitet und zahlreiche Interviews geführt.

Erzählt uns doch mal etwas über euer neues Filmprojekt und was dieses mit dem Kampf gegen den aufsteigenden Faschismus in Griechenland und Europa zu tun hat.

AK: Der erste Film war das Ergebnis von fünf Jahren Recherche im Herzen der Neo-Nazi-Partei Goldene Morgenröte. Die Frage war damals: „Wie kann es sein, dass eine Partei, von der jeder weiß, dass sie eine Partei von Mördern und Nazis ist, dass sie rassistisch, sexistisch und homophob und all diese Dinge ist, dass sie Pogrome veranstaltet – Wie kann es sein, dass diese Partei zum einen im griechische Parlament, zum anderen im europäischen Parlament war und zu der Zeit als wir den Film gemacht haben, seit sechs Jahren die drittstärkste Partei war? Das war die Frage die Thomas und ich im Kopf hatten. Was wir machen wollten, war nicht in die sehr armen Gegenden zu gehen, wo es sehr leicht gewesen wäre, zu erklären, warum die Leute eine Neo-Nazipartei wählen, die von sich sagt, sie sei nationalistisch und patriotisch und weil sie denken, dass Ausländer ihre Wohnungen und Jobs wegnehmen und ihre Frauen vergewaltigen und all das ganze Zeug. Wir wollten lieber schauen, was in der Klasse der Reichen los ist, denn genau diese Klasse wählt diese Partei in vollem Bewusstsein. Wir waren dort, wir haben natürlich eine Antwort auf diese Frage bekommen und die Antwort könnt ihr in dem ersten Film sehen.

Wir hatten jetzt das Gefühl, dass es noch nicht zu Ende ist. Wir hatten das Gefühl, dass wir weitermachen und weiter gehen müssen. Die Frage ist also: „Wie können wir alle zusammen Widerstand leisten gegen diese Partei?“ Aber nicht nur gegen diese Partei, denn sie ist derzeit nicht mehr im griechischen, aber immer noch im europäischen Parlament – also wie können wir gegen die Ideen, gegen diese Ideologie kämpfen? Denn diese Ideen, diese Ideologie gewinnt jedes Jahr mehr und mehr an Boden. Die zweite Frage ist: Wie können wir die Agenda der extremen Rechten bekämpfen, die nun von den sogenannten konventionellen Parteien übernommen wird? In Griechenland ist es die Partei Neue Demokratie (Nea Dimokratia, Νέα Δημοκρατία), in Frankreich die Partei Die Republik in Bewegung! (La République en Marche!) und in Deutschland die CDU. Das ist das Problem, denn wir können die extrem rechten und offen neo-nazistischen Paretein bekämpfen, in dem wir sagen: „Das sind die bösen Typen!“. Aber wie können wir gegen konventionelle Parteien kämpfen die nicht offen sagen, dass sie Nazis sind, dass sie Rassist*innen sind und die nicht sagen, dass sie hinter verschlossener Tür die extreme Rechte unterstützen und finanzieren, weil sie diese für die Durchsetzung ihrer eigenen Ziele brauchen.

Was für eine Art von Widerstand können wir leisten? Ist es ein politischer Widerstand, ein sog. Schutzgürtel zur Ausgrenzung der Faschisten, so wie es ihn im ehemaligen EU-Parlament gab? Da wissen wir nicht wie es im neuen Parlament aussieht. Thomas und ich werden da im November drehen. Oder politisch in dem Sinne, dass wir genau schauen, wen wir wählen? Ist es ok, wie zum Beispiel in Frankreich für Macron zu stimmen, um Le Pen zu blockieren? Ist es ok, die Neue Demokratie in Griechenland zu wählen, um die Goldene Morgenröte zu blockieren? Das Problem ist doch, welche Politik sie umsetzen werden. Ist die die Antwort auf juristischer Eben zu finden? Wir haben hier in Griechenland ein sehr, sehr großes, wichtiges und historisch einzigartiges Verfahren gegen die Goldene Morgenröte. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass alle gewählten Parteivertreter, die im Parlament waren, vor Gericht stehen, weil ihnen die Gründung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird.

Vielleicht liegt die Antwort auch in der Politik der Straße?

AK: Und natürlich, du hast recht, ist eine Antwort der Kampf in und um die Straße. Liegt die Antwort in der antifaschistische Bewegung? Liegt sie in Demonstrationen und Aktionen? Ist die Antwort gegen jeden Slogan, gegen alles zurückzuschlagen, was wir von der extremen Rechten entgegnet bekommen? Vielleicht – aber vielleicht ist es nicht genug? Vielleicht ist die Antwort alles zusammen, im gleichen Moment durch jede*n.

Eine Frage ist, warum Menschen in Krisenzeiten extrem rechts wählen und nicht links? Vielleicht haben die Linken die Zeichen der Zeit nicht erkannt?

TJ: Natürlich ist es auch einfacher Befehlen zu folgen, als selbständig zu denken. Es ist leichter, in Gefühle von Hass zu verfallen, als in Solidarität und Mitgefühl. Es ist hart, das anzuerkennen und auszusprechen, aber es ist offensichtlich, dass in Zeiten von Krisen die Mehrheit der Leute sich in die Richtung eines extrem rechten Verhaltens, statt in die eines mitfühlenden und solidarischen Verhaltens orientieren.Wir sehen das nicht nur in Griechenland. Wir sehen das auch in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, überall in Europa und weit darüber hinaus. Die Frage ist also wie wir damit umgehen. In den letzten zwei Jahren haben wir griechenlandweit so ziemlich jede Bewegung und Initiative begleitet, die sich aktiv gegen faschistische Propaganda, faschistische Gewalt und jede Form extrem rechter Ideologie stellt. Aber das reicht bei weitem nicht aus. Deswegen sind wir auch nach Dresden gegangen. Eine Stadt, die man als Hauptstadt des Faschismus in Deutschland bezeichnen kann. Auch dort gibt es Widerstand und wir haben für zehn Tage zum Beispiel das #unteilbar-Bündnis filmisch begleitet.

Wo seht ihr ihr euch mit eurem Film? Seht ihr euch als Teil dieser Bewegung oder seit ihr eher neutrale Beobachter*innen?

AK: Du kannst nicht neutral bleiben, wenn du so einen Film machst und ich bin niemals neutral in meinen Filmen. Ich glaube, du kannst niemals neutral sein, egal welchen Film du machst. Als erstes kommt da das Thema, das du wählst. Die Art und Weise, wie du mit dieser Thematik umgehst. Die Worte, die du wählst. Die Art und Weise wie du das Licht auf die Menschen richtest, die du interviewst. Die Art und Weise, wie du die Fragen im Interview stellst, wie du die Menschen inszenierst, mit denen du Filme machst. Das kann einfach niemals neutral sein.

Was du sein kannst, ist fair – und ich hoffe, das zu sein. Das bedeutet Fakten nicht zu manipulieren. Aber wenn dir jemand sagt, dass es draußen regnet und die andere Person sagt dir, es regnet nicht, dann ist es nicht meine Aufgabe zu sagen: „Jemand sagt es regnet. Eine Anderer sagt es regnet nicht“, sondern mein Job ist es, rauszugehen und nachzusehen, ob es regnet. Als ich mit den Arbeiten zu meinem Film “Goldene Morgenröte – eine persönliche Angelegenheit” begonnen habe, habe ich nicht mit der Frage angefangen: Sind sie Neo-Nazis oder Rassist*innen? Gleich in den ersten zehn Sekunden sage ich, dass es eine faschistische und rassistische Partei ist, die Gewalt als Waffe benutzt, in der Gewalt die einzige Form politischer Sprache ist.

Meine Frage war: „Warum wählen Leute diese Partei? Warum gewinnen sie jedes Jahr? Was ist ihre Absicht?“ Das waren mein Fragen. Aber ich habe nie und ich werde nie Propagandafilme drehen! Ganz einfach, weil sie kontraproduktiv sind. Ich denke die Leute besitzen Verstand und können mit ihrem eigenen Kopf denken. Also zeige ich ihnen, das, was ich für die Realität halte. Ich sage aber gleich zu Beginn, wo ich stehe und vertraue den Leuten, lasse ihnen die Freiheit ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. Also mache ich keine Propaganda, weil es in der Situation nichts nützt. Ich will Filmvorführungen in CDU- und AfD-Büros machen. Also vor Leuten, von denen ich weiß, dass sie gegen den Film sind. Wenn ich jemanden überzeugen will, dann muss ich mit der Person diskutieren. Wenn ich alle meine Filme nur in antifaschistischen Räumen zeigen würde, dann wären die Leute zwar sehr glücklich aber, sie werden mir gratulieren und sie werden sagen: „Ein super Film!“ Aber was bringt das?

Aber du wirst niemanden von der AfD überzeugen ein*e Antifaschist*in zu werden. Warum? Weil es genau diese „Infektion des politischen Raums“, wie du es immer sagst, darstellt. Wenn wir es in griechische Verhältnisse setzen wollen, ist es der furchtbare Mix aus der Partei Neue Demokratie und Goldene Morgenröte oder eine Mix aus CDU und NPD.

AK: Ich glaube, selbst mit denen kann man reden und sie ändern. In unserem ersten Film hatten wir jemanden vor der Kamera, der mit uns voll vermummt gesprochen hat. Er war ein sehr, sehr aktives Mitglied der Goldenen Morgenröte. Er war ein Mitglied der Aktions-Sektion, also die Leute die auf der Straße Pogrome verüben. Ich bin absolut sicher, dass er Blut an seinen Händen hatte. Da bin ich mir sicher. Dieser Typ hat sich komplett geändert.

Nachdem er mit euch geredet hat oder euren Film gesehen hat?

AK: Nein, nicht wegen meines Films. Er hat sich geändert, weil etwas in seinem Leben passiert ist und er hat verstanden, dass er auf der falschen Seite steht. Heute ist er ein sehr starker Aktivist für Geflüchtete, gegen Rassismus und die Goldene Morgenröte. Für mich ist das ein aktiver Beweis, dass man sich ändern kann. Das bedeutet nicht, dass sich jede*r ändern kann. Aber du musst zu ihnen gehen. Wenn du den Feind bekämpfen willst, solltest du ihn nie unterschätzen. Du musst verstehen, wie er arbeitet und was sein Schwachpunkte sind.

Ist diese Idee nicht etwas verworren, mit einer Art „Bildungsauftrag“ genau zu der Person zu gehen, die Flüchtlingsheime oder -unterkünfte anzündet, zu der Person zu gehen, die Geflüchtete, Antifaschist*innen, Homosexuelle und Transgender auf der Straße angreift – während zur gleichen Zeit diese Person oder die Freund*innen eben diese Angriffe auf der Straße durchführen. Für mich klingt das schon etwas idealistisch, mit den Leuten zu sprechen, die Pogrome machen. Wie soll man zur gleichen Zeit mit den Personen reden, die einen angreifen und gleichzeitig antifaschistischen Selbstschutz und Widerstand leisten?

AK: Es ist nicht utopisch. Es ist einfach realistisch.

Ich habe nicht utopisch gesagt, ich habe idealistisch gesagt. Im Sinne von: Das stärkere Argument gewinnt. Das halte ich in dieser Situation für Idealismus.

AK: Es ist nicht idealistisch. Es ist effektiv. Was wir wollen, ist, dass die Leute nachdenken. Das heißt ja nicht, dass du wie ein Schaf zum Henker gehen musst. Natürlich muss du auf deinen Rücken aufpassen, also Ja – Selbstverteidigung und Ja – alle Vorkehrungen treffen, die nötig sind, um dein Ziel zu erreichen.

TJ: Wir machen keine idealistischen Filme in dem Sinne, dass wir denken, dass Leute sich verändern, nachdem sie die gesehen haben. So naiv sind wir nicht. Aber lieber als beispielsweise eine Waffe in die Hand zu nehmen, nehme ich eine Kamera in die Hand, um etwas zum Ausdruck zu bringen, das Sinn ergibt. Natürlich wird nicht der Führer einer extrem rechten Partei sein Leben ändern. Aber vielleicht die Leute, die bereit sind, so eine Partei zu wählen. Wenn diese Person etwas sieht, das ihr Denken ein Stück nach vorne bringt, dann ist es genau das, was wir wollen.

AK: In dem Lied „Göttingen“ der französisch-jüdischen Sängerin Barbara, sagt sie im letzten Satz, dass, wenn sie wieder die Waffen in die Hand nehmen muss, dann tut sie dies für Göttingen. Genau das ist mein Gedanke, dass wenn wir keine andere Wahl haben, wir kämpfen werden, mit allen Waffen die dafür notwendig sind. Aber es muss die letzte aller Möglichkeiten sein.

Das meinst du mit Bezug auf eure Filmdrehs?

AK: Ich hatte zum Beispiel immer Angst beim Dreh des ersten Films. Thomas wurde zusammengeschlagen, mein Kameramann wurde zusammengeschlagen, ich wurde zusammengeschlagen. Aber wir haben es durchgezogen. Wir haben daran geglaubt und es war kein Film für Geld. Es war ein Film, den wir mit Hilfe der Solidarität der Leute machen konnten.

In dieser Woche jährt sich der sechste Todestag des antifaschistischen Rappers Pavlos Fyssas. Er wurde von einem Mitglied der Goldenen Morgenröte ermordet. Es war der Startpunkt für die Ermittlungen auf Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung gegen die Goldenen Morgenröte. Vom 18. bis 20. September wird es nun auch drei Demonstrationen geben. Die Demonstration am 18. September wird durch seine Familie organisiert und von vielen verschiedenen politischen Gruppen und Organisationen unterstützt. Es werden wieder viele Menschen erwartet. Welche Bedeutung hat der Mord an Pavlos Fyssas und er selbst als Symbol für die griechische Gesellschaft?

TJ: Der Mord an Pavlos Fyssas, glaube ich, erinnert die griechische Bevölkerung auf einer symbolischen Ebene daran, wie falsch sie alle gelegen haben. Im Sinne einer Toleranz gegenüber täglicher rassistischer Gewalt und dahingehend, dass sie nicht gehandelt haben. Am Ende haben sie verstanden, dass sie handeln müssen – sehr spät aber sie haben es verstanden. Und das betrifft nicht nur die einfachen Leute auf der Straße. Es betrifft die Medien, den Staat und seine Mechanismen, es betrifft die Justiz und die Polizei – alle haben sich in dramatischer Weise falsch verhalten. Mit der Person, die da ermordet wurde, ein griechischer Staatsbürger, ein junger Mann, 35 Jahre alt, konnte sich jede*r identifizieren. Deswegen hat die Gesellschaft erkannt, dass es jede*n einzelne*n von uns etwas angeht. Und genau das ist es, woran man die Menschen immer wieder erinnern muss, denn Ignoranz ist so etwas starkes, dass die Leute sehr leicht in ihr Ich-bin-nich-persönlich-betroffen-Verhalten zurückfallen.

AK: Für mich ist der Fall von Pavlos Fyssas die einzige Erklärung dafür, warum wir dieses Gerichtsverfahren gegen die Goldene Morgenröte haben. Denn vor Pavlos Fyssas ermordeten sie zwei weitere Personen. Aber die waren Migranten und so hat niemand auch nur einen Scheiß darauf gegeben. Aber Fyssas war Grieche, weiß und der Typ mit dem sicher jede*r identifizieren kann. Aus diesem Grund hat der Staat begonnen, die Goldene Morgenröte zu bekämpfen. Denn die konservativen Machthaber hatten verdammt viel Angst davor, die gleichen Ausschreitungen zu erleben wie 2008, nach der Ermordung von Alexandros Grigoropoulos. Für mich ist es das Konzentrat der großen Verlogenheit der griechischen Gesellschaft, die immer sagt, wir sind so offen und so weiter. Aber warum hat diese Gesellschaft bis zu diesem Mord ihren Arsch nicht hoch bekommen? Wir müssen Pavlos Fyssas Respekt zollen, wir müssen Magda, seiner Mutter, großen großen Respekt zollen, die zu jedem Verhandlungstag in den Justizpalast kommt.

Sie ist diejenige, die die Menschen dazu gebracht hat sich zu bewegen. Sie war es, die akzeptiert hat, dass der Fall ihres Sohns mit allen anderen Fällen zusammengefasst wird. Sie war der Link zwischen all den anderen Fällen. Sie ist der Grund für ein so großes Gerichtsverfahren. Ohne sie wäre es wieder nur ein Verfahren gegen ein Mitglied gewesen und nicht gegen die gesamte Organisation, die eigentlich Pavlos Fyssas ermordet hat.

Das wir nun die gesamte Partei vor Gericht haben, ist Magda zu verdanken. Kannst du dir vorstellen, dass sie hier im Justizpalast sitzt und vier Tage lang den Mördern ihres Sohnes dabei zusehen muss, wie er hier frei hereinspaziert mit Jeans und Jackett, die Fragen beantwortet und wieder frei raus spaziert? Er muss nur einmal die Woche zur Polizeistation gehen. Was ist das bitte? Kannst du dir das vorstellen? Ich kann es nicht. Ich kann mich selbst nicht in der Situation vorstellen, in der der Mörder meines Sohnes zwei Meter entfernt von mir zur Anklagebank geht. Ich weiß nicht ob ich diese Stärke hätte.

TJ: Und dass der Mörder davon spricht, dass Pavlos in sein Messer gefallen ist und es ein ganz normaler Totschlag war.

Die Gedenkdemonstration am 18.09. wird von der Familie von Pavlos Fyssas vorbereitet. Sie hat also eine große Bedeutung.

AK: Ja das hat große Bedeutung, denn es war Pavlos Fyssas Familie die die Antifabewegung wachgerüttelt hat, es ist Pavlos Fyssas Familie, die uns dazu zwingt ihn nicht zu vergessen.

# Von Sven Wegner | Internationalistisches Zentrum Dresden

# Den Film unterstützen könnt ihr unter: https://goldendawnapersonalaffair.com/de/

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Das Sommerloch mit einer Prise Totalitarismustheorie zu stopfen, gehört zu den vornehmsten Aufgaben jener Art von Clowns, die sich Journalist*innen nennen. Und was könnte da mehr gelegen kommen, als das Auflösungspapier des Neuköllner Jugendwiderstands.

Fördern alle zum Thema erschienen Artikel den allgemeinen Wunsch nach einem rascheren Fortschritt des Zeitungssterbens, kann man schon eine Zeitung hervorheben, die an Dumm- wie Dreistigkeit hervorsticht: Der Tagesspiegel. In der Printausgabe titelt er irgendwas von „roten Nazis“, online sind die vermeintlichen Wiedergänger der Strasser-Brüder dann nur noch „Maos Schläger“, die aber „in ihrer maoistischen Militanz“ “wirken” wie Nazis. Das Kriterium dafür, „Nazi“ zu sein, ist für den Autor dieses Stücks offenbar „Straßenmilitanz“. Ein bisschen NS-Verharmlosung ist wohl in Ordnung, solange sich die Seiten zwischen der Werbung auch im Juni irgendwie füllen lassen.

Ist an den bürgerlichen Medien nur interessant, wie breiten Raum die ansonsten nicht besonders recherchefreundlichen Blätter einer doch recht überschaubaren Gruppe aus Neukölln widmen, gleitet die linke Beteiligung an der Stilisierung des Jugendwiderstand zum Zivilisationsbruch schlechthin vollends ins Absurde ab. Nicht, dass nicht auch aus einer revolutionären Position ausreichend Kritik an der Gruppe formuliert werden könnte: die völlige Ablehnung irgendwelcher selbstkritischen Ansätze zum eigenen Verhalten; die Verengung der Theoriebildung auf das Wiederholen von Phrasen; die Fetischisierung eines zutiefst patriarchalen (und kapitalistischen) Selbstbildes junger Männer; die Fixierung auf Israel/Palästina als nahezu einziges Themenfeld politischer Arbeit; die Unfähigkeit, sich mit irgendeiner anderen Gruppe auch nur verständigen zu können; die völlige Abwesenheit von allen realen Klassenkämpfen im Mieten- oder Gewerkschaftsbereich und, und, und.

Aber, wenn Linke ankommen, und nun den Jugendwiderstand als „Nazis“ / „Faschisten“ oder ähnliches bezeichnen und sich an Verbotskampagnen beteiligen, weil die bösen Maoisten „in Reih‘ und Glied“ auf Demos laufen, weil sie Kampagnen gegen Drogengebrauch und Alkoholismus anstoßen, Sport als Organisierungsfeld von Jugendlichen begreifen oder den Kampf der Palästinenser unterstützen, muss man sich schon fragen, was hier eigentlich schon wieder geraucht wurde. Ohne jetzt – es ist ja eine Kolumne – auf die Inhalte einzugehen, aber wer diese Kriterien anlegt, müsste so ziemlich alle anarchistischen oder kommunistischen Organisationen (und antikoloniale, sozialdemokratische, sozialistische dazu) außerhalb des deutschsprachigen Raums als „Nazis“ bezeichnen.

Der Jugendwiderstand ist eine Reaktion. Er ist eine Reaktion auf eine ideologieferne linke Szene, die zutiefst bürgerlichen Kram in bunten Farben wiederkäut und sich dabei als über die “dummen Prolls” erhabene moralische Instanz sieht. Er ist eine Reaktion auf eine linke Szene, die von Organisation, Disziplin und Arbeit in der Bevölkerung nichts wissen will, aber panisch auf das Erstarken des Faschismus starrt. Er ist eine Reaktion auf eine Linke, die ihre eigenen Traditionen, anarchistische ebenso wie kommunistische, vor vielen Jahren aufgegeben hat zugunsten einer postmodernen Wohlfühlbeliebigkeit, die weniger denn je in der Lage ist, irgendwen zu überzeugen, der nicht ohnehin schon den bevorstehenden Job in der Linkspartei oder der NGO des Vertrauens im Blick hat.

Und: Er ist (oder war, wie auch immer) eine falsche Reaktion auf diesen desolaten Zustand der Linken in diesem Land. Aber der wilde Furor dieser ganzen Szene, der weder ein Jemen-Krieg noch ein imperialistischer Angriff auf Venezuela noch irgendein Körnchen Emotion entlocken können, sagt eher etwas über diejenigen, die sich an zwei Dutzend Neuköllner Jugendlichen abarbeiten, als würden die Geschicke der westlichen Welt davon abhängen – und das auch gerne im Bund mit bürgerlicher Presse und lokaler Regierung.

Die eigentliche Frage, die sich diejenigen stellen müssten, die da jetzt in Jubel und Spott verfallen ist doch die: Wenn Ihr nicht einmal in der Lage seid, die arabischen und deutschen Jugendlichen aus dem Jugendwiderstand von eurem Projekt zu überzeugen, in welcher Gesellschaft wollt ihr denn eigentlich arbeiten? Oder reicht euch der Beifall von B.Z., Senat und Tagesspiegel schon als politisches Projekt?

PS: Dem Autor ist vollkommen bewusst, dass das zu einem immensen Shitstorm führen wird, zur Exkommunizierung aus Kreisen, in denen er ohnehin nichts zu suchen hat, und zu irgendwelchen Aufforderungen sich doch jetzt aber mal endlich zu jeder Militäroperation Israels in den vergangenen Jahrzehnten einzeln zu bekennen. Aber what can you do sometimes, wie Fatih Terim immer zu sagen pflegte.

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Für eine Handvoll Aufkleber. Das könnte der Titel einer Farce sein, die Hamburgs AfD Hand in Hand mit dem Hamburger Abendblatt (HA) aufführte. Bei ihrem stümperhaften Versuch, einen Skandal an der Ida Ehre Schule (IES) zu inszenieren, fielen die protofaschistische Partei und ihre journalistischen Helfer voll auf die Fresse. Ein Aktivist der Antifa Altona Ost (AAO) hat im Lower Class Magazine bereits ausführlich darüber berichtet, darum hier nur noch einige Betrachtungen zum medialen Hintergrund, der aufschlussreich ist.

Denn ohne das Abendblatt wäre sicher nicht groß Aufhebens von der Sache gemacht worden. Die Leib- und Magenzeitung des hanseatischen Kleinbürgers hetzt gern mal gegen Linke und bringt die Salonnazis von der AfD immer mal wieder groß raus – natürlich immer unter dem Deckmantel der Objektivität. Die AfD ist ja demokratisch in die Bürgerschaft gewählt, da müsse man halt auch über deren Arbeit berichten, heißt es dann. Im vorliegenden Fall übernahm das HA die Hetze der Protofaschisten aber so ungebremst, dass nicht mal der Anschein von Objektivität gewahrt wurde.

„Linksextremisten betreiben ungestört Propaganda an Schule“, lautete die Zeile zum Lokalaufmacher im Abendblatt vom 19. März. Skrupellos wurden Fotos aus der IES skandalisiert, die der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft über ihr Hetzportal „Neutrale Schulen“ zugespielt worden waren. Die „Propaganda“ bestand bekanntlich vor allem aus einer Pinnwand mit Aufklebern in einem Klassenraum, darunter welche der AAO, aus dem Schriftzug ACAB (All Cops are Bastards) in einem Treppenhaus und einem Gruppenfoto mit AAO-Logo, das in einem Klassenraum aufgenommen worden war.

Grotesk, sich darüber aufzuregen, aber Redakteur Jens Meyer-Wellmann rastete in einem Kommentar komplett aus. Die Schule, geiferte er, habe „einer linksextremistischen Gruppe“ Flächen „für gewaltverherrlichende Propaganda überlassen“. Genauso sah es das Hetzblatt Bild, das sofort nachzog. Andere Lokalmedien käuten die Geschichte ebenso wider, bemühten sich jedoch um etwas mehr Distanz. Letztlich gingen aber auch sie AfD und HA auf den Leim.

Zwei Tage nach der Inszenierung des „Skandals“ stellte sich heraus: Die Berichterstattung war so verkürzt und einseitig, dass man von Fake News sprechen muss. Eine Erklärung der Ida Ehre zeigte, wie es wirklich war : Die Aufklebersammlung auf der Pinnwand war Teil eines Unterrichtsprojekts „Sich einmischen – Kunst als kulturelle Kompetenz“ gewesen. Und das Gruppenfoto war im Rahmen des externen Wettbewerbs protest.sucht.motiv.de entstanden. Die Schulleitung zeigte sich „entsetzt über den Umgang von Teilen der Presse mit den erhobenen Vorwürfen“. Das HA habe „nahezu vollständig“ das Wording der AfD übernommen.

In sozialen Medien war da schon ein Shitstorm über das Abendblatt und Autor Jens Meyer-Wellmann hereingebrochen. Von Gewerkschaften, Linkspartei, Grüne und andere kam scharfe Kritik. Das HA sah sich genötigt, zumindest die Überschrift des Beitrags auf ihrer Homepage abzuschwächen. Meyer-Wellmann räumte in seinem persönlichen Blog Fehler ein. Ein taktischer Zug, um den eigenen Ruf noch halbwegs zu retten.

Denn natürlich wird das Abendblatt, werden auch die anderen bürgerlichen Medien der Stadt bei nächster Gelegenheit wieder auf den Zug der AfD aufspringen, werden wieder Linke als gewalttätige Aufrührer diffamieren. Das Problem sind nicht einzelne Journalisten, sondern die Strukturen. Im Zweifelsfall stehen die Springerblätter Welt und Bild eben genauso wie das inzwischen zum Funke-Konzern gehörende Abendblatt an der Seite der Herrschenden, an der Seite von Polizei und Verfassungsschutz, der auch im vorliegenden Fall als Stichwortgeber auftrat.

Weil gegen die „Antifa Altona Ost“ nichts Konkretes vorliegt, verwies das HA kurzerhand darauf, die Gruppe werde „vom Verfassungsschutz beobachtet“ – was bekanntlich gar nichts heißt. Meyer-Wellmann zitierte Marco Haase, Sprecher des Hamburger Verfassungsschutzes, mit der nebulösen Äußerung, Antifa-Gruppen würden Gewalt „im Rahmen des ,Kampfes gegen Rechts‘ als legitimes und geeignetes Mittel“ ansehen. Haase war übrigens früher mal Pressesprecher der protofaschistischen Schillpartei von „Richter Gnadenlos“ Ronald B. Schill und danach Sprecher und Intimus des damaligen Innensenators Dirk Nockemann, heute einer der schlimmsten Hetzer der AfD-Fraktion in der Bürgerschaft. Noch Fragen?

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In Hamburg hetzt die »Alternative für Deutschland« gegen antifaschistisches Engagement an der Ida-Ehre-Schule – und ein vielstimmiger Chor von SPD bis Massenmedien stimmt ein.

Antifaschismus müsste eigentlich, gerade in Deutschland, ein Begriff sein mit dem sich von Konservativen über Progressive bis zu revolutionären Gruppen jede*r identifizieren kann und sollte. In einem Land, in dem wir uns tagtäglich und zum Teil direkt vor unserer Tür mit den Verbrechen des Faschismus konfrontiert sehen, sollte es oberste Bürger*innenpflicht sein, sich offen antifaschistisch zu positionieren.

Leider ist dem nicht so.

Schon in der Gründungszeit der BRD wurde die Entnazifizierung halbherzig abgewickelt, brauchte man doch die Richter*innen, Staatsanwält*innen und kollaborierenden Politiker*innen um den neuen Staat aufzubauen. Die Linie war: Bei Nazis nicht so genau hinschauen. Antifaschismus zu verurteilen und zu kriminalisieren, zieht sich hingegen konstant durch die jüngere deutsche Geschichte.

Von Hoyerswerda 1990, als eine Asylbewerber*innenunterkunft mehrere Tage Ziel von rassistischen Übergriffen und Protesten wurde und die Polizei sich nicht in der Lage sah, die Bewohner*innen vor den Neonazis, sehr wohl aber die Neonazis vor Gegendemonstrant*innen zu schützen, über die Rolle der Geheimdienste in der NSU Affäre, während gleichzeitig Maulwürfe der Polizei über Jahre das Umfeld der »roten Flora« ausspitzelten, bis zu den Vorfällen, die Anfang März durch eine Schriftliche Kleine Anfrage (SKA) der AfD in der Hamburger Bürgerschaft ins Rollen gekommen sind.

AfD gibt Diskurs vor

Aufkleber der Hamburger Gruppe »Antifa Altona Ost«, sowie einiger anderer linken Gruppen, die an einer Pinnwand in einem Klassenraum der Ida-Ehre-Schule angebracht wurden und im Zuge des Politik-Unterrichtes besprochen werden sollten, wurden bei dem umstrittenen »Petz-Portal« der Hamburger AfD-Fraktion »Initiative für neutrale Schulen« gemeldet.

Die AfD reagierte mit einer schriftlichen kleinen Anfrage an den Hamburger Senat, in der sie ein »linksextremistisches Netwerk« konstruierte, dass sie aufgedeckt hätten. Darüber hinaus sollte Druck auf die Schulbehörde ausgeübt werden, um die Aufkleber entfernen zu lassen. Soweit so typisch AfD.

Das wirklich interessante daran ist allerdings, wie es der AfD gelang mithilfe einer pauschalen Klassifizierung des Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und einer Presselandschaft, die nur allzu gerne Rechten hofiert, aus Antifa- und Anti-AfD-Aufklebern eine »linke Gewaltpropaganda« zu konstruieren – und wie sie es schafften sich dabei die Unterstützung von Schulbehörde, CDU, SPD und FDP zu sichern.

Es ist Gang und Gäbe, dass das LfV, sowie die meisten anderen staatlichen Institutionen und die Parteien »der Mitte« fast jeden parteiunabhängigen Antifaschismus als zumindest potentiell gewalttätig vorverurteilen. Dieses Vorgehen ist auch beim aktuellen Fall in Hamburg eindeutig zu erkennen. Der Senat antwortete auf eine frühere Anfrage der AfD zur besagten Gruppe »Antifa Altona Ost« : “Dem LfV (Anm. d. Red.: Landesamt für Verfassungsschutz) Hamburg liegen bislang keine konkreten Informationen im Sinne der Fragestellung (Anm. d. Red.: Ist die Antifa Altona Ost gewaltbereit?) vor. Bei antifaschistischen Gruppierungen ist zumindest Gewaltausübung gegen Personen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden, akzeptiert.”

Ohne konkrete Informationen setzt das LfV hier schwarz auf weiß pauschal Antifaschismus mit Gewaltakzeptanz gleich. Begründet wird dies ausschließlich durch die Einordnung in ein bestimmtes Spektrum. Auf Grundlage dieser vagen Aussagen geht die AfD in ihrer SKA zur Ida-Ehre Schule noch einen Schritt weiter und schreibt: »Die Gruppierung »Antifa Altona Ost« ist vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (LfV) aufgrund hinreichend verdichteter Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Beobachtungsobjekt eingestuft; sie wird dem gewaltorientierten autonomen Spektrum zugeordnet« Zudem redet der Fraktionschef der AfD Hamburg, Alexander Wolf, in einem Beitrag vom NDR von der “linksextremistische, gewaltbereite Antifa Altona Ost”.

In kürzester Zeit wird hier also von Antifaschismus Gewaltakzeptanz abgeleitet, was durch Zutun der AfD ganz schnell zu Gewaltbereitschaft wird. Als der Vorfall durch die Medien geht, gibt sich keiner Mühe, diese fatale pauschale Vorverurteilung zu korrigieren. So spricht die BILD von “Gewalt-Propaganda an Schule« und die MOPO übernimmt mal eben die Aufgabe des LfV und stuft die “Antifa Altona Ost” auch noch als militant ein.

Von der Politik kommen Aussagen wie “Extremismus darf in Hamburgs Schulen keinen Platz haben!” (CDU) oder »Es ist inakzeptabel, dass eine linksextreme Gruppe an der Ida Ehre Schule ihre Propaganda verbreiten konnte!« (FDP), die SPD äußert sich ähnlich. Auch die Schulbehörde verteidigt ihr Vorgehen (das Entfernen der Aufkleber) mit ähnlichen Statements vehement.

Delegitimierung von Antifaschismus

Diese Verkürzung basiert zum Großteil auf der Extremismustheorie, mit der deutsche Behörden offiziell arbeiten. Die sogenannte »Hufeisentheorie« besagt, dass die »extremen Enden« des politischen Spektrums, einander gegenseitig näher sind, als der Mitte.

Das Problem dieser Theorie liegt auf der Hand: Ein bisschen Faschismus ist, nach dieser Logik, besser als Nazis komplett abzulehnen; Rassismus wird zu einer legitimen Meinung, die im demokratischen Prozess angehört werden muss. Neonazis und Antifaschist*innen werden so auf eine Stufe gestellt, ohne deren Ziele und Motivation zu beleuchten. »Extrem« bzw. »extremistisch« ist im Endeffekt alles, was in irgendeiner Art und Weise den Rahmen der Gesetze übersteigt bzw. damit assoziiert wird.

Das Wort »Antifa«, das seinen Ursprung im Widerstand gegen den aufstrebenden Faschismus in der Weimarer Republik hat und an sich nur die Bereitschaft ausdrückt, den Faschismus mit allen notwendigen Mitteln aufzuhalten, wird so zu einem Label, welches, nicht nur von rechter Seite, genutzt wird um Engagement gegen Rassismus, Faschismus, Antisemitismus, und anderen Unterdrückungsformen zu delegitimieren.

Obwohl der Vergleich verkürzt ist und in der BRD mehr und mehr faschistische Umtriebe in Parteien und Behörden ans Tageslicht kommen, greifen sogar nicht Konservative gerne auf diese Theorie zurück.

Auch ein Plakat gegen Rape Culture bemängelt die AfD in ihrer Anfrage

Sie ermöglicht es, rassistischen Ressentiments für den Wahlkampf zu nutzen und sich gleichzeitig als »Mitte«, also in der Logik der Hufeisentheorie als “gut” zu positionieren. Sie ermöglicht es, tausende Ertrunkene im Mittelmeer mit einem Achselzucken zu kommentieren und gleichzeitig Sachbeschädigungen als unverständlichen Akt der Gewalt darzustellen. Sie ermöglicht es Leute, die mit offen rassistischen Parolen und Hitlergrüßen auftreten, mit denen gleichzusetzen, die versuchen sie aufzuhalten.

So werden progressive Bestrebungen immer weiter kriminalisiert. Es kommt dazu, dass Parteien und Medien der vermeintlichen “Mitte” die Bestrebungen einer faschistischen Partei, wie zum Beispiel für die AfD unangenehme Meinungen aus Schulen zu entfernen, unterstützen. Wer sich ernsthaft mit dem Begriff “Antifaschismus”, der Geschichte der “Antifaschistischen Aktion” und den dafür stehenden Gruppen und Personen auseinandersetzt hat, kann nicht zu dem Schluss kommen, das “Antifa” extremistisch ist.

Stattdessen müsste das Bekenntnis zum Antifaschismus fester Teil jeder Demokratie, demokratischen Partei und staatlichen Instanz sein.

#Max Schröder ist Aktivist der Antifa Altona Ost
#Bilder aus der Anfrage der AfD

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So etwas kann ja jedem mal passieren. Man geht auf eine Party, schaut sich um und denkt: Wo kommen denn auf einmal die Nazis her? Egal, wenn ich schon hier bin, sing ich denen was. Zugegeben, das ist polemisch zugespitzt, aber so ähnlich klang die Erklärung, mit der sich der TV-Clown und Klampfenhalter Reinhold Beckmann am Sonntag auf Facebook entschuldige, was er auf der Geburtstagsfeier des rechten Medienmannes Matthias Matussek am Vorabend zu suchen hatte.

Auf einem ganz anderen Parkett gab es zufällig am selben Tag einen zweiten Skandal, der erschreckende Parallelen aufwies, beim Regionalligisten Chemnitzer FC.

Aber der Reihe nach. Matussek war bekanntlich mal Feuilleton-Chef beim Spiegel und kippte nach ganz Rechtsaußen ab. Vor einem Jahr machte er sich auf der „Merkel muss weg!“-Demo in Hamburg zum Deppen und fabulierte von „jungen muslimischen Bodybuildern“, die das Land fluten. Am Sonnabend feierte Matussek seinen 65. Geburtstag mit einer Schar von Gästen, die bei jedem klar denkenden Menschen nur Brechreiz auslösen können. Bilder der Party machten in den sozialen Netzwerken schnell die Runde.

Mit feinem Gespür hatte sich Matussek die größten reaktionären Ekelpakete aus Medien und Politik eingeladen. Unter ihnen die heimatvertriebene Erika Steinbach, Leiterin der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, Dieter Stein, Gründer der faschistischen Junge Freiheit, Andreas Lombard, Chefredakteur des rechen Magazins Cato und Moderator von AfD-Veranstaltungen. Dazu die für ihre schmierigen Kolumnen berüchtigten “Journalisten” Franz-Josef Wagner (Bild) und Jan Fleischhauer.(Spiegel).

Als Sahnehäubchen war noch Mario Müller dabei, einer der Stars der „Identitären“, vorbestraft, weil er einen Antifa-Aktivisten schwer verletzte.. Und dann stürzte sich noch Reinhold Beckmann ins Getümmel und hatte nichts Besseres zu tun, als der illustren Runde ein Ständchen zu trällern. Peinlicher als dieser Auftritt war nur noch seine Fb-Erklärung am Tag danach, als der Shitstorm gegen ihn schon tobte.

Er wisse um Matusseks Wandlung vom Marxisten zum Anhänger der „neuen Rechten“ und habe lange überlegt, ob er zu dessen 65. gehen soll, barmt der Ex-Talker. Dann habe er beschlossen, ihm ein „vergiftetes Geschenk“ mitzubringen, habe den Dylan-Songs „Things Have Changed“ mit einem Text gesungen, der den Werdegang des Geburtstagskinds kritisch beleuchtete. Beckmann: „Ich wollte so meine Widerworte gegen seinen Irrweg setzen.“

Ihm sei „nicht ganz klar“ gewesen, mit wem Matussek da feiern würde, behauptete der TV-Mann weiter: „Ich muss zugeben, ich habe mich da verlaufen, ich hätte dort nicht hingehen sollen.“ Er hat sich „verlaufen“, das ist doch rührend! Leider muss man die ganze Erklärung von Beckmann als Versuch werten, seinen Arsch zu retten, denn er hat nicht nur einen Ruf im Bürgertum zu verlieren, sondern arbeitet immer noch für diverse Medien.

Spannend an Beckmanns Einlassung ist die Parallele zu einer Entschuldigung, die Dieter Frahn, ein Spieler des Regionalligisten Chemnitzer FC, am Wochenende vorbrachte. Der Vorgang ist groß in den Medien, darum nur soviel: Mit einer Trauerminute und seinem Konterfei auf der Videowand war vor einem Spiel des CFC des kürzlich an Krebs gestorbenen früheren Fanbeauftragten, stadtbekannten Neonazis und Gründers der Hooligangruppe “Holligans Nazis Rassisten” (HooNaRa) Thomas Haller gedacht worden.

Frahn hatte nach einem von ihm erzielten Tor dann auch noch an ein T-Shirt der lokalen Hooligans hoch gehalten. Er wurde nach dem Spiel mit einer Geldstrafe belegt und mit den Worten zitiert: „Dass dieses T-Shirt so tief in der Naziszene verbreitet ist“, sei ihm nicht bewusst gewesen. Er habe Haller gekannt: „Mir persönlich gegenüber ist er nie politisch geworden.“

Die beiden zeitgleichen Skandale zeigen Zweierlei. Wie gesellschaftlich akzeptiert Nazis und ihr protofaschistisches Umfeld schon geworden sind, und mit welcher Mischung aus Naivität und Ignoranz weite Teile des Bürgertums der Faschisierung der Gesellschaft begegnen. Der Matussek ist halt nur auf einem Irrweg, von dem man ihm abbringen möchte, mit ein paar „Widerworten“. Und mit dem Kumpel auf der Stadiontribüne kann man prima über Fußball quatschen. Sie sind hoffähig geworden, die netten Nazis von nebenan.

#Titelbild: M.Golejewski/RubyImages
Neonaziaufmarsch vom 01.09.2019 in Chemnitz. Gegen diese Menschen hilft kein Gitarrenständchen.

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Zwei Antifaschist*innen aus Deutschland sind letztes Jahr an der US-Westküste entlang gefahren. In sieben Städten haben sie Vorträge über die antifaschistische Bewegung in Deutschland gehalten und dort unterschiedliche Menschen getroffen: Von der jungen Basisgewerkschafterin zum Knast-Soli-Opa, von der Queer-Aktivist*in in der Kleinstadt bis zur maoistischen Straßengang in LA. Pünktlich zum Relaunch erscheint im Lower Class Magazine eine dreiteilige Artikelserie zu ihren Erlebnissen. Die Artikelserie bildet nicht die gesamte antifaschistische Bewegung in den USA ab, sondern beschränkt sich auf die Gruppen und deren Strategien, die unsere Autor*innen besucht haben.

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Zwei Antifaschist*innen aus Deutschland sind letztes Jahr an der US-Westküste entlang gefahren. In sieben Städten haben sie Vorträge über die antifaschistische Bewegung in Deutschland gehalten und dort unterschiedliche Menschen getroffen: Von der jungen Basisgewerkschafterin zum Knast-Soli-Opa, von der Queer-Aktivist*in in der Kleinstadt bis zur maoistischen Straßengang in LA. Pünktlich zum Relaunch erscheint im Lower Class Magazine eine dreiteilige Artikelserie zu ihren Erlebnissen. Die Artikelserie bildet nicht die gesamte antifaschistische Bewegung in den USA ab, sondern beschränkt sich auf die Gruppen und deren Strategien, die unsere Autor*innen besucht haben.

Der erste Artikel beleuchtete Antifagruppen, die nach europäischem Vorbild arbeiten. Im zweiten Artikel werden die Herausforderungen, die die modernisierte faschistische Bewegung für antifaschistische Arbeit in den USA bedeutet diskutiert. Abschließen geht es im dritten Artikel um die Polizei als Institution und die gesellschaftlichen Verhältnisse, welche diese, vor allem in den USA so gefährlich macht.

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Zwei Antifaschist*innen aus Deutschland sind letztes Jahr an der US-Westküste entlang gefahren. In sieben Städten haben sie Vorträge über die antifaschistische Bewegung in Deutschland gehalten und dort unterschiedliche Menschen getroffen: Von der jungen Basisgewerkschafterin zum Knast-Soli-Opa, von der Queer-Aktivist*in in der Kleinstadt bis zur maoistischen Straßengang in LA. Pünktlich zum Relaunch erscheint im Lower Class Magazine eine dreiteilige Artikelserie zu ihren Erlebnissen. Die Serie bildet nicht die gesamte Antifaschistische Bewegung in den USA ab, sondern beschränkt sich auf die Gruppen und deren Strategien, die unsere Autor*innen besucht haben.

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