Interview mit Uli, 24 Jahre alt, Student aus Berlin. Uli ist organisiert in verschiedenen Strukturen und Teil der Initiative „PKK Verbot aufheben“.
#Dieter Oggenbach
LCM: Hi Uli, grüß dich. Die deutschen Repressionsbehörden haben mal wieder zugeschlagen. Diesmal gegen dich, unter anderem wurden dein Personalausweis und dein Reisepass eingezogen. Kannst du uns den Vorgang etwas genauer schildern?
Ende Januar 2022 erhielt ich einen Brief, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich innerhalb von vier Werktagen meine beiden Ausweisdokumente abzugeben habe. Hierfür wurde keine Widerspruchsfrist eingeräumt, das hieß konkret, dass es zu Beginn keine rechtlichen Mittel gab, diese Maßnahme zu verhindern. Begründet wurde diese Maßnahme, dass laut Informationen des Berliner Landeskriminalamts (LKA), bekannt gewurden sein sollte, dass ich in der vergangenen Zeit mehrmals Anmelder von Versammlungen und Demonstrationen war. Weitergehend dass einigem einer Auslandsaufenthalte, unter anderem Urlaubsreisen, dem Zweck des Besuchs eines „terroristischen Ausbildungscamps“ in Griechenland gedient haben sollen bzw. in Verbindung stehen könnten. Mit den Maßnahmen gegen mich soll jetzt verhindert werden, dass ich aus der BRD ausreise, da das LKA mir unterstellt an etwaigen Kampfhandlungen im Nordirak/Südkurdistan bzw. der Förderation in Nord-Ost-Syrien teilnehmen zu wollen. Bis zum heutigen Tage sei laut LKA nicht auszuschließen, dass ich in Griechenland ein Ausbildungslager besucht hätte, in welchem ich den Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoff trainiert haben könnte.
In den letzten Jahren können wir ja in der BRD einen steigenden Druck auf verschiedene teile der revolutionären Bewegungen feststellen, häufig unter der Konstruktion von vermeintlichen kriminellen oder terroristischen Vereinigungen im Rahmen des § 129a oder § 129b. Wie würdest du das aktuelle Verfahrne gegen dich einordnen in die generelle politische Lage in der BRD bzw. Politik des Deutschen Staates?
Die aktuellen Maßnahmen gegen mich, schätze ich als politisches Kalkül ein. Der deutsche Staat hat einerseits eine langanhaltende Tradition, revolutionäre Bewegungen anzugreifen. Wir können sehen, dass vor allem auch wieder seit 2020 die Repressionsschläge sich häufen, auch gegen Menschen die mit der kurdischen Freiheitsbewegung zusammenarbeiten. Von der Internationalistin Maria und ihrer faktischen Ausweisung und einem Einreiseverbot für die kommenden 20 Jahre (LINK), einem Mitarbeiter des Rojava Information Centers, dem auf Initiative der BRD die zukünftige Einreise in den Schengen Raum verwehrt wurde. Natürlich bezieht sich diese Repression aber insgesamt auf alle Menschen die in revolutionären Bewegungen aktiv sind. Von der Antifaschistin Lina und den Angeklagten im Antifa-Ost-Verfahren, über die Verfahren gegen die Genossen und Genossinnen in Stuttgart oder Hamburg. Dieser steigende Verfolgungsdruck legt nahe, dass die Kapazitäten der Verfolgungsbehörden deutlich erhöht wurden. Unter der neuen Bundesregierung wird, trotz ihres liberalen Erscheinungsbildes, der Repressionsdruck gegen uns alle massiv steigen.
Du hast die Auslandsaufenthalte angesprochen. Unter anderem nehmen die Behörden Bezug auf eine Reise von dir nach Südkurdistan im Sommer 2021 im Rahmen einer internationalen Friedensdelegation gegen den Krieg in Südkurdistan, an welcher ja auch Mitglieder des Deutschen Bundestags teilnehmen wollten. Kannst du uns dazu nochmal etwas mehr sagen?
Diese Friedensdelegation fand wie du sagtest im vergangenen Sommer statt. Gemeinsam mit ungefähr 80 weiteren Genossen und Genossinnen, sind wir nach Südkurdistan gereist, um für eine friedliche Lösung des Kriegs in Südkurdistan zu werben. Für einen innerkurdischen Dialog zu werben, und diejenigen die vom Krieg profitieren zu demaskieren. Der Krieg in Südkurdistan ist ein Krieg in dem ideologische Widersprüche, der faschistische Charakter des türkischen Staates und ökonomische Interessen einzelner Staaten massiv wirken. In diesem Kontext wollten auch wir Internationalisten und Internationalistinnen unseren Platz einnehmen und zeigen, dass wir nicht wegschauen was dort passiert.
Seit der Revolution in Rojava/Föderation Nord-Ost-Syrien, können wir vom Aufkommen einer neuen Phase des Internationalismus sprechen. Viele Genossen und Genossinnen weltweit sind dorthin gereist und haben sich in den verschiedensten Bereichen an der Revolution beteiligt, sich eingebracht, gelernt und sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Damit stieg aber ja auch bereits der generelle Repressionsdruck gegen diese Menschen. Unser Redakteur Peter Schaber war ja, mit anderen gemeinsam, auch von einem § 129 Verfahren betroffen (LINK). Dieser Aufbau von Drohszenarien und der Versuch die Beziehungen zwischen deutscher revolutionärer Linker und kurdischer Freiheitsbewegung zu sabotieren ist hingegen ja nichts neues. Worin begründet sich diese Politik deiner Meinung nach?
Für mich ist das Verhältnis dieser Kräfte eine politisch-historisch gewachsene Verbindung. Schon in den 1990er Jahren begannen Internationalisten und Internationalistinnen sich auf den verschiedensten Ebenen am kurdischen Freiheitskampf zu beteiligen, eine sind in diesem auch gefallen. Wenn wir von der kurdischen Gesellschaft in der BRD sprechen, sprechen wir auch von einer esellschaft die in hohem Maße politisch ist, die in nahezu allen größeren Städten Vereinsstrukturen aufgebaut hat, politisch wirkt. Es gibt hier ein großes Potential, gegenseitig über den eigenen Tellerrand zu schauen. Deutschland spielt im Krieg in Kurdistan seit jeher eine zentrale Rolle. Deshalb ist die Zusammenarbeit der kurdischen Bewegung und den revolutionären Kräften in Deutschland auch eine politisch-ideologische logische Schlussfolgerung. Nur der gemeinsame Kampf kann unsere gemeinsamen Interessen verteidigen, öffentlich machen, durchsetzen und weiterentwickeln.
Jetzt gibt es ja zwei Ebenen in diesem Ganzen Vorgang. Die Verwaltungsrechtliche Ebene mit dem Passentzug und auch eine vermutlich strafrechtliche Ebene. Wie willst du mit dieser Herausforderung umgehen?
Wichtig ist zuallererst, diesen Fall, genau wie alle andere in die Öffentlichkeit zu stellen, zu skandalisieren und sich nicht isolieren zu lassen. Andernfalls bieten wir den Repressionsbehörden immer die Möglichkeit, Präzedenzfälle zu schaffen, die in Zukunft gegen andere Genossen und Gneossinnen verwendet werden können. Druck aufzubauen und Öffentlichkeit auf allen Ebenen ist aktuell das wichtigste. Es ist schon absurd, dass diesen Maßnahmen stattgegeben wurde, da der einzige Vorwurf der zutrifft der ist, dass ich Tatsache einige Demonstrationen angemeldet habe.
Wie gehst du persönlich nun mit dieser Situation um? Wie hat sich dein Alltag verändert? Welche Erfahrungen hast du gemacht mit Solidarität?
Zu Beginn fiel es mir schwer mit diesen Maßnahmen einen Umgang zu finden. Als dieser Brief eintrudelte, hatte ich mehrmals Besuch von Zivilpolizisten des LKA, die versucht haben über meine Mitbewohner und meine Angehörigen Druck auf mich auszuüben und Informationen zu erhalten. Das angeblich schützenswerte Grundrecht der freien Meinungsäußerung in der BRD führt diese Praxis natürlich offensichtlich ad absurdum, letztlich sind diese Aussagen immer eine große Heuchelei. Das Anmelden einer Demonstration und Reisen werden umgedeutet zu einer Art Terrorismus. Natürlich heißt das alles für mich, dass ich mir bewusst werden musste, dass ich nun im Fokus der Ermittlungsbehörden stehe. Unabhängig davon, welche Vorwürfe das LKA versucht zu konstruieren, unabhängig von falschen und wahren Tatsachen, ist es aktuell erst einmal so das gilt was auf dem Papier steht. Was mir vorgeworfen wird, und die vermeintliche Planung von Anschlägen, sind natürlich Dinge, die erstmal schwer wiegen. Auch im Rahmen privater Beziehungen. Dem eigenen Umfeld und auch der eigenen Familie das alles zu erklären, war stellenweise nicht so einfach, denn nicht alle haben den Kontext in dem das alles stattfand nicht direkt verstanden. Oft wird ja das Drohszenario aufgebaut, wenn einen solche Repression trifft, isoliert dazustehen. Ich habe allerdings eine unglaubliche Wärme gespürt. Meine Genossen und Genossinnen sind eine große Unterstützung für mich aktuell. Mir ist wichtig, aber auch heruaszustellen, dass auch wenn Repression natürlich ein Problem ist, sie uns nicht davon abhalten sollte, dass zu tun was notwendig ist, für das Einzustehen von dem wir überzeugt sind. Für uns, die deutsche Ausweispapiere haben, kann das auch sein zum Beispiel eine Demonstration auf unseren Namen anzumelden, da wir aufgrund unseres Passes andere Privilegien erhalten.