Sich beugen bis man bricht – Die Linke und der Erschießungsskandal

5. März 2020

„Die Linke“, Strategiekonferenz. Eine Genossin meldet sich zu Wort. Sie spricht den Satz: „Energiewende ist auch nötig nach ‘ner Revolution. Und auch wenn wir das ein(e) Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen…naja, ist so, wir müssen mal von dieser Meta-Ebene runterkommen.“ Wenig Später, das Wort ist wieder bei Parteichef Riexinger, sagt der noch: „Wir erschießen sie nicht – sondern setzen sie für nützliche Arbeit ein.“

Es beginnt: Eine immense mediale Kampagne, angestoßen von zunächst klar rechten social-media-Accounts, befeuert von Springer aus allen Kanonen, aufgegriffen von Politiker*innen. Das wäre ein Thema für sich. Aber gut, das ist der Gegner. Das wirklich Ekelhafte ist etwas anderes. Sofort, ohne Zögern, melden sich Parteigranden öffentlich zu Wort und werfen diese Genossin allen zum Fraß vor, die Hunger haben. All jenen, die ohnehin schon immer wussten, dass der Sozialismus ein Verbrechen und alle Linken Schweine sind. Der Herr Ministerpräsident Bodo Ramelow tweeted am laufenden Band, die Genossin habe mit „seinem Wertekanon nichts zu tun“. Und ein anderer mondäner Herr in gutem Zwirn, Dietmar Bartsch, hebt den Zeigefinger: „So darf bei uns nicht gesprochen werden!“

Beide haben längst kein Problem damit, mit jenen zu koalieren und zu dinieren, die wirklich schießen lassen. Denen, die in Afghanistan und an den EU-Außengrenzen schießen lassen, denen, die mit deutschen Waffen andere schießen lassen und denen die Geld damit verdienen, dass fast überall auf der Welt geschossen wird – nur eben nicht auf Milliardäre, sondern auf Habenichtse. Die Etikette, auf deren Einhaltung sie penibel achten, besagt offenbar nicht, dass man mit Leuten, die auf andere schießen wollen, nichts zu tun haben soll. Aber geschossen werden muss genauso wie man Politik macht – nach den Spielregeln des bestehenden Systems.

„So darf bei uns nicht gesprochen werden!“ – Es könnte das Motto einer Linken – nicht nur der Partei – sein, die längst einem Linguistikseminar gleicht. Einer Linken, in der wichtiger ist, wie jemand redet als was jemand tut. Einer Linken, die akribisch jede Wortmeldung nach etwas durchforstet, das den*die Sprecher*in nun doch als ganz regressiven Bodensatz ausweist. Wie du hast gesagt, die Banken nehmen uns aus? Verlass´ unsere Reihen, du Antisemitin. Du hast dieses und jenes gerappt? Geh´ und kehre nie wieder, du Sexist. Du willst Reiche erschießen? Du stehst außerhalb unseres Wertekanons, du Stalinistin. Was aus euch wird, es kümmert uns nicht, denn Einlass bekommt nur, wer die Etikette beachtet.

Ist das ein Plädoyer dafür, dass jede*r jeden Unsinn unkommentiert sagen soll? Nein. Genoss*innen können Genoss*innen kritisieren, wenn sie etwas sagen, was unangemessen ist (obwohl in dem konkreten Fall wirklich schwer erkennbar ist, was das sein sollte, da selbst für den Verwirrtesten erkennbar ist, dass es sich um ein rhetorisches Stilmittel handelte). Man kritisiert einander, man diskutiert miteinander und man entwickelt sich gemeinsam. Aber man rennt nicht andauernd in die sozialen Medien und patzt sich gegenseitig an, um denen zu gefallen, die einen sowieso hassen. Man bückt sich nicht andauernd vor denen, die einem dann ohnehin nur in den Rücken treten.

Und wenn sie einen fragen, was man denn zu einem Satz wie dem oben zu sagen hat? Dann spuckt man nicht der Genossin ins Gesicht, die ihn gesagt hat, sondern fragt erstmal zurück, in welcher Proportion die Gewalt des Sätzchens denn eigentlich zu der steht, die von den obersten 1-Prozent ausgeht.

Die Linke könnte das wissen. Sie ist eine Partei, die mit dem Entschuldigungsgestus geboren wurde. Sie musste „Unrechtsstaat“ schreien, bis unter der dröhnenden Lautstärke nicht mehr zu hören war, was der bundesdeutsche Unrechtsstaat denn so alles auf dem Kerbholz hatte. Und was hat es ihr gebracht, sich zu beugen, zu bücken, zu kriechen? Der Gegner hat nachgetreten und wird nachtreten, bis ans Ende aller Tage. Bodo Ramelow unterscheidet sich politisch nicht von irgendeinem SPD-Kommunalpolitiker, und dennoch werden Springer&Co., CDU und FDP ihn bis ans Ende seiner Tage anschmieren und beleidigen. Das zu verinnerlichen macht die Sache nicht besser. Nur trauriger.

Denn Ende hat es damit natürlich keines. Sie wollen ja nicht, dass man sich wirklich für diesen oder jenen einen Sager entschuldigt. Man soll sich für seine Existenz als Sozialist*in entschuldigen. Und so durfte im Finale der Schmierenkomödie auch nochmal Parteichef Riexinger den Kniefall machen, für den absolut jedem gesunden Menschenverstand entsprechenden Satz, dass man auch von Milliardären nach ihrer Entmachtung erwarte, einer gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit nachzugehen.

#Bildquelle: pixabay

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