Ihr habt es sicherlich mitbekommen: Nach Jahren sexistischer, rassistischer und anderweitiger Entgleisungen haben die US-amerikanischen Demokraten begonnen, ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsidenten Donald Trump anzustrengen. Trump ist ein korruptes Schwein, ein Millionärserbe ohne Skrupel. Und man sollte ihn nicht allein seines Amtes, sondern seines gesamten Eigentums entheben. Doch darum soll es im Folgenden nicht gehen.
Vielmehr soll es um die fast genauso interessante Nebengeschichte der Amtsenthebung gehen: Die Hunter-Biden-Story. Denn die zeigt ganz gut, dass es völlig egal ist, ob unter „republikanischer“ oder „demokratischer“ oder sonstiger Verkleidung: Die gesamte politische Elite besteht aus korrupten, sich selbst und die Kapitalistenklasse bereichernden Egomanen.
Die Geschichte ist ein wenig verworren. Fangen wir also mit einem der Protagonisten an: Hunter Biden. Das Verfahren gegen Trump beruht ja darauf, dass der orangefarbene Oligarch aus dem Weißen Haus seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj unter Druck gesetzt haben soll, Informationen über Hunter Biden zu übergeben. Letzterer ist der Sohn eines der wichtigsten demokratischen Kandidaten für die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA, Joe Biden. Und Trump wird nun vorgeworfen, mit unlauteren Mitteln Biden Schaden zu wollen.
Während die meisten Medien sich nun auf Trump stürzen (was man schon machen kann, denn unzweifelhaft gehört er zu den schäbigsten Menschen auf diesem Planeten), lohnt es dennoch, dem nachzugehen, was Trump da eigentlich im Sinn hatte. Denn es öffnet sich eine parteiübergreifende Welt der Vetternwirtschaft, der oligarchischen Kontrolle über ganze Nationen und der schamlosen Zerstörung von Mensch und Natur im Dienst des Profits. Und ein kleiner Bonus: Die lebende Leiche im Keller der deutschen Grünen, Joschka Fischer, tritt in einer Nebenrolle auf.
Hunter Biden also. Geboren in eine einflussreiche Familie geht er den Weg so vieler Sprößlinge des Establishments: Yale Law School, bisschen High-Life-Drogenexzess und Tätigkeiten in diversen Hedgefonds, also jenen finanzwirtschaftlichen Selbstbereicherungsanlagen, von denen eigentlich niemand so genau sagen kann, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen sie haben. Der Vizepräsidentensohn „arbeitet“ bei so illustren Vereinen wie Eudora Global oder der MBNA America Bank, zusammen mit seinem Onkel James Biden auch bei PARADIGM Global Advisors.
Gerade bei letzterem lassen sich einige dubiose Machenschaften vermuten, schon weil der berühmte Banker und verurteilte Betrüger Allen Stanford hier ins Spiel kommt. Um diese Periode im Leben des Sohns von „Middle-Class-Joe“ Biden abzukürzen: Hunter Bidens diverse Geschäfte zeigen einen jungen, verwöhnten Mann aus der Oberschicht, der zwischen Politik und Privatwirtschaft auf der Suche nach Gelegenheiten hin- und herwandert. Und dann tut sich eine Chance auf.
Der Junge aus Yale und der ukrainische Selfmade-Man
Denn 2014 ist die Ukraine, zweifellos eines der korruptesten Länder der Welt, auf dem Weg sich von der prorussischen Oligarchenherrschaft unter Wiktor Janukowytsch in eine prowestliche Oligarchenherrschaft von Washingtons, Brüssels und Berlins Gnaden zu emanzipieren. Der „Euromaidan“ wühlt das Land auf, verschiedene Fraktionen der herrschenden Klasse gruppieren sich neu, finden sich in die veränderten Gegebenheiten ein.
Einer der Superreichen, die nun ihren Machterhalt organisieren müssen, ist Mykola Zlochevsky. Zlochevsky ist eine typische Erscheinung der Ukraine, in der Monopolkapitalisten nie besondere Anstalten machen mussten, ihre direkte politische Einflussnahme zu verschleiern. Braucht es im demokratischen Westen Fingerspitzengefühl, Hinterzimmertreffen und die stille Macht des Sachzwangs, kann man sich als Gasindustrieller in der Ukraine einfach zum Minister für Umwelt und natürliche Ressourcen “wählen” lassen. Das tat Zlochevsky. Und in seiner Amtsperiode von 2010 bis 2012 soll er zwar wenig für die Umwelt, dafür aber ganz Herausragendes für seine Firma Burisma geleistet haben. Gegen Burisma und Zlochevsky ermittelten dann auch die ukrainischen Behörden, die Untersuchungen sollen aber 2017 eingestellt worden sein, nachdem der Konzern umgerechnet 7,4 Millionen US-Dollar an Steuern nachzahlte.
Burisma und Zlochevsky sind typische Phänomene des postsozialistischen Ostens. Nach dem Wegfall des Sozialismus und im Zuge der Öffnung für Weltmarkt und unternehmerische Freiheit bereicherte sich eine mit den neuen Staatsapparaten eng verwobene Schicht eifriger Krimineller am vormaligen Volkseigentum. Es wurde privatisiert und dereguliert, was das Zeug hielt. Ausgestattet mit Skrupellosigkeit und verbrecherischer Energie gelang es einer kleinen Schicht bestaunenswerte Vermögen zusammenzuklauen.
Burisma, einer der größten privaten ukrainischen Öl- und Gasproduzenten, ist eines der Produkte dieser Ära. Alles an der Firma wirkt dubios. Anfang der 2000er in Zypern von Zlochevsky zusammen mit dem 2011 bei einem Autounfall verstorbenen Lisin Mykola Pavlovych (andere Schreibweise: Mykola Lissin) in Zypern eingetragen, entwickelt sich Burisma zu einem hunderte Millionen Dollar jährlich abwerfenden Öl- und Gasproduzenten, während die Gründer durchgängig in Regierungs- oder Parteifunktionen der regierenden Partei der Regionen tätig sind. Rund um die Firma und ihre Gründer besteht ein undurchsichtiges Firmengeflecht, möglicherweise sind sie auch mit dem Superoligarchen der Ukraine, Igor Walerjewitsch Kolomoiski, verbandelt.
Was fängt jetzt der ukrainische Oligarch Zlochevsky mit dem smarten Yale-Boy Hunter Biden an, den er im Mai 2014 als “Berater” für – nach Medienberichten – bis zu 50 000 US-Dollar monatlich anstellt? Nachdem klar wurde, welchen außenpolitischen Notwendigkeit sich die ukrainischen Monopolkapitalisten nach dem Fall Janukowytschs anzudienen hatten, kommt es bei Burisma zu einer Einstellungsoffensive. Führungspositionen des Konzerns werden mit gut vernetzten US-Amerikanern gefüllt. Schon 2013 war der Investmentbanker Alan Apter (zuvor Tätigkeiten bei so ziemlich allen Finanzkriminellen mit Reputation: Merrill Lynch, Renaissance Capital, Morgan Stanley) zum Chairman of the Board bei Burisma geworden. David Leiter und Devon Archer, zwei Mitarbeiter des früheren US-Außenministers John Kerry, fanden Anfang 2014 Weg zu Zlochevskys dubiosem Unternehmen. Und 2016 nahm auch Joseph Cofer Black, der unter der Bush-Administration zwischen 1999 bis 2002 Direktor des CIA Counterterrorist Center war, eine Tätigkeit bei dem ukrainischen Öl- und Gasunternemen auf.
Westbindung mit Rendite
Zur neuen Orientierung auf Brüssel und Washington gehört die Einbindung in diverse Institutionen des freien Westens: Das Atlantic Council wird von Burisma als Partner angegeben, genauso die Amicus Europae Fundation des polnischen Expräsidenten Aleksander Kwaśniewski, der im Übrigen selbst bei Burisma angestellt ist. Zusammen mit der Prince Albert II of Monaco Foundation veranstaltet Zlochevskys Konzern das “Jährliche Internationale Forum für Energiesicherheit”, dem – tatata, Auftritt Grüne-Kellerleiche – zumindest zugute gehalten werden muss, auch Joschka Fischers unerbittlich luxuriösen Lebensstil gefördert zu haben. Denn 2016 durfte sich auch der zum Konzernlobbyisten gewandelte frühere Jugoslawien-Bomber auf dem Forum als Key-Speaker verdingen – zusammen übrigens mit Hunter Biden, der als “unabhäniger Direktor bei Burisma” angepriesen wird, sowie dem früheren US-Vize-Energieminister (1999–2001), TJ Glauthier.
Zlochevskys Strategie ging, glaubt man den firmeneigenen Zahlen, auf: Ein 102-prozentiges Produktionswachstum zwischen 2013 und 2017, 21 Prozent Marktanteil bei den “unabhängigen” Öl- und Gasproduzenten der Ukraine. Man habe sich zudem 33 Lizenzen für Öl- und Gasförderung sichern können (welch Wunder, wenn der Chef im zuständigen Ministerium saß). Diverse Ermittlungen gegen Burisma wurden eingestellt – auch unter gelinde gesagt fragwürdigen Umständen, wie die ukrainische Antikorruptions-NGO Antac hervorhebt.
Zlochevsky sieht – wie so manch anderer Ausplünderer der ukrainischen Bevölkerung – einer rosigen Zukunft entgegen. Denn für Leute wie ihn bedeutete die “Revolution” vom Maidan 2014 zunächst nicht viel mehr als eine Modernisierung des eigenen Business. Anstelle der russischen Berater brauchte man nun europäische oder US-amerikanische. Und die versprechen noch höhere Renditen.
Was an diesem Fall also bemerkenswert ist, sind nicht die lautstark vorgetragenen juristischen Fragen: Hat Trump gegen irgendein Gesetz verstoßen, als er seinen ukrainischen Amtskollegen um Informationen bat? Hat Hunter Biden schon bei Burisma gearbeitet, als Zlochevsky sich mutmaßlich selbst Lizenzen ausstellte? Stammt das Geld, das Joschka Fischer – mutmaßlich – für seine Key-Speakerei erhielt aus einem kriminellen Unternehmen? Alles langweilige Fragen. Unabhängige Justiz gibt es weder in den USA, noch in der Ukraine. Interessanter ist, dass – wann immer man auch nur einen oberflächlichen Blick auf die Welt der oberen 1-Prozent wirft – sich ein elitäres Netzwerk offenbart, dessen Mitglieder sich gegenseitig Macht, Kohle und Straffreiheit zuschanzen. Und das wiederum ist völlig unabhängig davon, mit welcher Parteifarbe die Protagonisten gerade bemalt sind.
#Titelbild: Screenshot aus der Firmenpräsentation der Burisma Group (https://burisma-group.com/wp-content/uploads/2017/10/Burisma_Booklet_2_29_08092018_opt-2.pdf)