AfD gegen Antifa

27. März 2019

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Gastbeitrag

In Hamburg hetzt die »Alternative für Deutschland« gegen antifaschistisches Engagement an der Ida-Ehre-Schule – und ein vielstimmiger Chor von SPD bis Massenmedien stimmt ein.

Antifaschismus müsste eigentlich, gerade in Deutschland, ein Begriff sein mit dem sich von Konservativen über Progressive bis zu revolutionären Gruppen jede*r identifizieren kann und sollte. In einem Land, in dem wir uns tagtäglich und zum Teil direkt vor unserer Tür mit den Verbrechen des Faschismus konfrontiert sehen, sollte es oberste Bürger*innenpflicht sein, sich offen antifaschistisch zu positionieren.

Leider ist dem nicht so.

Schon in der Gründungszeit der BRD wurde die Entnazifizierung halbherzig abgewickelt, brauchte man doch die Richter*innen, Staatsanwält*innen und kollaborierenden Politiker*innen um den neuen Staat aufzubauen. Die Linie war: Bei Nazis nicht so genau hinschauen. Antifaschismus zu verurteilen und zu kriminalisieren, zieht sich hingegen konstant durch die jüngere deutsche Geschichte.

Von Hoyerswerda 1990, als eine Asylbewerber*innenunterkunft mehrere Tage Ziel von rassistischen Übergriffen und Protesten wurde und die Polizei sich nicht in der Lage sah, die Bewohner*innen vor den Neonazis, sehr wohl aber die Neonazis vor Gegendemonstrant*innen zu schützen, über die Rolle der Geheimdienste in der NSU Affäre, während gleichzeitig Maulwürfe der Polizei über Jahre das Umfeld der »roten Flora« ausspitzelten, bis zu den Vorfällen, die Anfang März durch eine Schriftliche Kleine Anfrage (SKA) der AfD in der Hamburger Bürgerschaft ins Rollen gekommen sind.

AfD gibt Diskurs vor

Aufkleber der Hamburger Gruppe »Antifa Altona Ost«, sowie einiger anderer linken Gruppen, die an einer Pinnwand in einem Klassenraum der Ida-Ehre-Schule angebracht wurden und im Zuge des Politik-Unterrichtes besprochen werden sollten, wurden bei dem umstrittenen »Petz-Portal« der Hamburger AfD-Fraktion »Initiative für neutrale Schulen« gemeldet.

Die AfD reagierte mit einer schriftlichen kleinen Anfrage an den Hamburger Senat, in der sie ein »linksextremistisches Netwerk« konstruierte, dass sie aufgedeckt hätten. Darüber hinaus sollte Druck auf die Schulbehörde ausgeübt werden, um die Aufkleber entfernen zu lassen. Soweit so typisch AfD.

Das wirklich interessante daran ist allerdings, wie es der AfD gelang mithilfe einer pauschalen Klassifizierung des Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und einer Presselandschaft, die nur allzu gerne Rechten hofiert, aus Antifa- und Anti-AfD-Aufklebern eine »linke Gewaltpropaganda« zu konstruieren – und wie sie es schafften sich dabei die Unterstützung von Schulbehörde, CDU, SPD und FDP zu sichern.

Es ist Gang und Gäbe, dass das LfV, sowie die meisten anderen staatlichen Institutionen und die Parteien »der Mitte« fast jeden parteiunabhängigen Antifaschismus als zumindest potentiell gewalttätig vorverurteilen. Dieses Vorgehen ist auch beim aktuellen Fall in Hamburg eindeutig zu erkennen. Der Senat antwortete auf eine frühere Anfrage der AfD zur besagten Gruppe »Antifa Altona Ost« : „Dem LfV (Anm. d. Red.: Landesamt für Verfassungsschutz) Hamburg liegen bislang keine konkreten Informationen im Sinne der Fragestellung (Anm. d. Red.: Ist die Antifa Altona Ost gewaltbereit?) vor. Bei antifaschistischen Gruppierungen ist zumindest Gewaltausübung gegen Personen, die dem rechten Spektrum zugeordnet werden, akzeptiert.“

Ohne konkrete Informationen setzt das LfV hier schwarz auf weiß pauschal Antifaschismus mit Gewaltakzeptanz gleich. Begründet wird dies ausschließlich durch die Einordnung in ein bestimmtes Spektrum. Auf Grundlage dieser vagen Aussagen geht die AfD in ihrer SKA zur Ida-Ehre Schule noch einen Schritt weiter und schreibt: »Die Gruppierung »Antifa Altona Ost« ist vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg (LfV) aufgrund hinreichend verdichteter Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Beobachtungsobjekt eingestuft; sie wird dem gewaltorientierten autonomen Spektrum zugeordnet« Zudem redet der Fraktionschef der AfD Hamburg, Alexander Wolf, in einem Beitrag vom NDR von der „linksextremistische, gewaltbereite Antifa Altona Ost“.

In kürzester Zeit wird hier also von Antifaschismus Gewaltakzeptanz abgeleitet, was durch Zutun der AfD ganz schnell zu Gewaltbereitschaft wird. Als der Vorfall durch die Medien geht, gibt sich keiner Mühe, diese fatale pauschale Vorverurteilung zu korrigieren. So spricht die BILD von „Gewalt-Propaganda an Schule« und die MOPO übernimmt mal eben die Aufgabe des LfV und stuft die „Antifa Altona Ost“ auch noch als militant ein.

Von der Politik kommen Aussagen wie „Extremismus darf in Hamburgs Schulen keinen Platz haben!“ (CDU) oder »Es ist inakzeptabel, dass eine linksextreme Gruppe an der Ida Ehre Schule ihre Propaganda verbreiten konnte!« (FDP), die SPD äußert sich ähnlich. Auch die Schulbehörde verteidigt ihr Vorgehen (das Entfernen der Aufkleber) mit ähnlichen Statements vehement.

Delegitimierung von Antifaschismus

Diese Verkürzung basiert zum Großteil auf der Extremismustheorie, mit der deutsche Behörden offiziell arbeiten. Die sogenannte »Hufeisentheorie« besagt, dass die »extremen Enden« des politischen Spektrums, einander gegenseitig näher sind, als der Mitte.

Das Problem dieser Theorie liegt auf der Hand: Ein bisschen Faschismus ist, nach dieser Logik, besser als Nazis komplett abzulehnen; Rassismus wird zu einer legitimen Meinung, die im demokratischen Prozess angehört werden muss. Neonazis und Antifaschist*innen werden so auf eine Stufe gestellt, ohne deren Ziele und Motivation zu beleuchten. »Extrem« bzw. »extremistisch« ist im Endeffekt alles, was in irgendeiner Art und Weise den Rahmen der Gesetze übersteigt bzw. damit assoziiert wird.

Das Wort »Antifa«, das seinen Ursprung im Widerstand gegen den aufstrebenden Faschismus in der Weimarer Republik hat und an sich nur die Bereitschaft ausdrückt, den Faschismus mit allen notwendigen Mitteln aufzuhalten, wird so zu einem Label, welches, nicht nur von rechter Seite, genutzt wird um Engagement gegen Rassismus, Faschismus, Antisemitismus, und anderen Unterdrückungsformen zu delegitimieren.

Obwohl der Vergleich verkürzt ist und in der BRD mehr und mehr faschistische Umtriebe in Parteien und Behörden ans Tageslicht kommen, greifen sogar nicht Konservative gerne auf diese Theorie zurück.

Auch ein Plakat gegen Rape Culture bemängelt die AfD in ihrer Anfrage

Sie ermöglicht es, rassistischen Ressentiments für den Wahlkampf zu nutzen und sich gleichzeitig als »Mitte«, also in der Logik der Hufeisentheorie als „gut“ zu positionieren. Sie ermöglicht es, tausende Ertrunkene im Mittelmeer mit einem Achselzucken zu kommentieren und gleichzeitig Sachbeschädigungen als unverständlichen Akt der Gewalt darzustellen. Sie ermöglicht es Leute, die mit offen rassistischen Parolen und Hitlergrüßen auftreten, mit denen gleichzusetzen, die versuchen sie aufzuhalten.

So werden progressive Bestrebungen immer weiter kriminalisiert. Es kommt dazu, dass Parteien und Medien der vermeintlichen „Mitte“ die Bestrebungen einer faschistischen Partei, wie zum Beispiel für die AfD unangenehme Meinungen aus Schulen zu entfernen, unterstützen. Wer sich ernsthaft mit dem Begriff „Antifaschismus“, der Geschichte der „Antifaschistischen Aktion“ und den dafür stehenden Gruppen und Personen auseinandersetzt hat, kann nicht zu dem Schluss kommen, das „Antifa“ extremistisch ist.

Stattdessen müsste das Bekenntnis zum Antifaschismus fester Teil jeder Demokratie, demokratischen Partei und staatlichen Instanz sein.

#Max Schröder ist Aktivist der Antifa Altona Ost
#Bilder aus der Anfrage der AfD

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