Nach Protesten gegen den Kohlekompromiss sitzen in der Lausitz drei Klimaaktivist*innen in Untersuchungshaft. Auch gegen die Schüler*innen die bei den „Fridays for Future“ streiken läuft die Repressionsmaschinerie an.
An der Existenz des Klimawandels gibt es keine ernstzunehmenden Zweifel. Daran, ob dieser „menschengemacht“ ist und natürlich mit der Existenz der Menschheit einhergeht, oder ob er etwas mit der kapitalistischen Produktionsweise zu hat, herrscht allerdings weniger Einigkeit. Auch wenn sich der Klimawandel komischerweise erst mit dem Entstehen des Kapitalismus beobachten lässt. Ein Schelm wer einen Zusammenhang vermutet. In der gelebten Herrschaftspraxis werden hilf- und wirkungslose innerkapitalistische Reformversuche an den Start gebracht, zuletzt mit dem sogenannten Kohlekompromiss. Berechtiget Zweifel daran, ob die von Vertreter*innen von Industrie, Gewerkschaften, Politik, Umweltverbänden und Wissenschaft ausgehandelten Empfehlungen weit genug gehen, gibt es viele. Außerparlamentarischer Protest gegen die vorherrschende Klimapolitik ist allerdings nicht gerne gesehen, wie die sich verschärfende Repression gegen Klimaaktivist*innen zeigt.
Zur Erinnerung: Ende Januar präsentierte die Kohlekommission, ein von der Bundesregierung eingesetztes Gremium, ihren „Kohlekompromiss“. Dieser beinhaltet eine große Reihe von Empfehlungen, unter anderem, dass das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland bis 2038 (!) abgeschaltet werden werden soll und dass die Kohlekonzerne für das „vorzeitige“ Abschalten der Kohlekraftwerke entschädigt werden sollen. Bundesregierung und Kohleindustrie zeigten sich Zufrieden mit diesen Empfehlungen. Angesichts der voranschreitenden Klimakatastrophe sind diese allerdings viel zu schwach um auch nur ansatzweise in die Nähe des im Klimaabkommen von Paris erklärten Ziels zu kommen, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5° zu beschränken.
Das Aktionsnetzwerk Ende Gelände rief zu Protesten gegen diesen faulen Kompromiss auf: „Es wird in keinster Weise ausreichen, um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Darum akzeptieren wir es auch nicht. Wir fordern den Kohleausstieg jetzt!“ Eine der Aktionen fand am 4. Februar statt, bei der Aktivist*innen mehrere Bagger in den Kohlerevieren Lausitz und im Leipziger Land symbolisch besetzten.
Am Ende der Aktion gab es wie zu erwarten mehrere Ingewahrsamnahmen. In der Härte nicht zu erwarten war das Vorgehen der Repressionsbehörden in der Lausitz. Die Staatsanwaltschaft beantragte für 18 der Verhafteten Untersuchungshaft, da die Aktivist*innen die Herausgabe ihrer Personalien verweigerten. Ein Schritt, den die Aktivist*innen wählen, um Zivilrechtsklagen oder Schadensersatzforderungen der Kohleunternehmen zu entgehen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Hausfriedensbruch vor. Mittlerweile haben 15 Aktivist*innen ihre Personalien angegeben und sind wieder frei. Die verbliebenen drei saßen in der JVA Cottbus und hatten am Montag, den 25. Februar vor dem Amtsgericht Cottbus ihren Prozess. An der These der Staatsanwaltschaft, dass es sich um einen Hausfriedensbruch gehandelt habe, gibt es Kritik: „Die Vorwürfe sind aufgebauscht. Da wird eine sehr geringe Konfrontation sehr groß verhandelt. Das ist kein Hausfriedensbruch, das ist ein frei zugängliches Gelände und einer der Bagger, der besetzt wurde, war nicht im Einsatz.“ so Marie Melior, Anwältin, die einen Teil der Festgenommen direkt nach der Aktion vertrat zum Lower Class Magazine. Das Amtsgericht sah das anders und verurteilte die Angeklagten zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung. Die Angeklagten sind mittlerweile frei, da sie ihre Personalien angegeben haben.
Um die Aktivist*innen mürbe zu machen, arbeiteten die Repressionsbehörden auch abseits des Gerichts mit allen Mitteln und schmutzigen Tricks. Nachdem die Verhafteten stundenlang bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in einem Gefangenentransporter ausharren mussten, wurden einige krank und verlangten einen Arzt. „Der Arzt hat sich geweigert, die Leute zu behandeln, wenn sie nicht ihre Personalien angeben. Wir haben gefragt, ob ein Pseudonym in Ordnung wäre und er hat gesagt es ginge um‘s Prinzip. Daran sieht man, dass alle Stellen von Anfang an darauf hingearbeitet haben, dass die Personalien angegeben werden.“ so Marie Melior weiter.
Der politische Charakter der Inhaftierung ist offensichtlich: Einerseits sollen die Klimaaktivist*innen eingeschüchtert, andererseits die Bewegung kriminalisiert werden; sprich diese Art von Protest öffentlich als kriminell gebrandmarkt werden. Dabei sind die Aktionsformen, die Ende Gelände wählt, vergleichsweise harmlos, oder wie es eine*r der Inhaftierten in einem offenen Brief schreibt: „Mir fiel auf, wie gut diese Aktionsform zu mir passt, denn ich begehe keine großen Straftaten und kann trotzdem zeigen, wie wichtig und dringend das Eindämmen des Klimawandels ist.“
Auch die Schüler*innenbewegung „Fridays for Future“ wird immer stärker angegangen. Schüler*innen streiken jeden Freitag um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Angela Merkel höchstpersönlich reihte sich in den Reigen der Verschwörungstheoretiker*innen ein, als sie auf der Münchner Sicherheitskonferenz erklärte, dass die Schüler*innenbewegung möglicherweise von Russland gesteuert sei. „In Deutschland protestieren jetzt die Kinder für Klimaschutz. Das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder – nach Jahren ohne sozusagen jeden äußeren Einfluss – auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen.“ Aber auch in diesem Fall werden die Aktivist*innen nicht nur in der Diskussion angegriffen, auch juristische Geschütze werden in Stellung gebracht. In Reaktion auf die Schüler*innenproteste wurde vom Schulministerium von NRW ein Brief an alle Schulen, des Landes verschickt, in dem die Schulen darauf hingewiesen werden, dass es die Möglichkeit der „zwangsweisen Zuführung“ zum Unterricht, sowie von Ordnungswidrigkeitsverfahren gibt.
Während also die kapitalimusgemachte Klimakatastrophe weitergeht, sollen über gremial verhandelte „Kompromisse“ die Interessen der Kapitalfraktionen gesichert und gleichzeitig der Anspruch, politische Fragen ausschließlich in Parlamenten zu verhandeln durchgesetzt werden. Inhaltlich ist die Debatte für die Herrschenden schon längst verloren – wer am Klimawandel zweifelt ist ein Idiot. Die Frage, um die es geht, ist, wie mit dieser Erkenntnis umgehen. Staat und Kapital wollen wenn‘s unbedingt nötig ist, einen „grünen Kapitalismus“. Protest und basisdemokratische Organisierung, die nicht zwangsläufig partikulare Profitinteressen in den Vordergrund rücken oder im kleinen mit den vorgegebenen Vermittlungsinstanzen brechen, werden diskreditiert, kriminalisiert und unterdrückt – dabei geht es um‘s Prinzip.
#Titelbild: Channoh Peepovic, Ende Gelände Aktion am Morgen des 2.2.2019 im Rheinhafen-Dampfkraftwerk Karlsruhe