Ist die US-Herrschaft bedroht? Der Aufstieg Chinas und die Frage der Weltordnung

17. Dezember 2025

Ein Handschlag unter Freunden, Feinden oder doch strategischen Rivalen? Das Treffen zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump Ende Oktober im südkoreanischen Busan löste viele Spekulationen um den Handelskrieg der beiden Großmächte aus. Ist der Handelskonflikt nun endgültig beigelegt oder handelt es sich doch nur um eine Aussetzung auf Zeit? Oder hat sich, wie manche angesichts der Aggression der USA gegenüber Lateinamerika vermuten, der Fokus der USA gänzlich von Ostasien nach Lateinamerika verschoben?

All dies scheint etwas kurz gegriffen, wenn man ein paar Schritte zurücktritt und versucht das Bild als Ganzes zu begreifen. Auch wenn die USA ihr Augenmerk verstärkter auf den südamerikanischen Kontinent richten, geht es ihnen dabei, neben der Ausbeutung der Rohstoffe vor der eigenen Haustür, um nichts Geringeres als darum, den chinesischen Einfluss auf dem „eigenen“ Kontinent zurückzudrängen. Nicht ohne Grund forderten die USA den venezolanischen Präsidenten Maduro dazu auf, die Handelsbeziehungen mit China zu beenden. Eine Beilegung des Handelskriegs zwischen den USA und China scheint also nicht wirklich in Aussicht zu stehen. Das Treffen zwischen Xi und Trump ist ein guter Anlass, sich den Wettstreit zwischen der hegemonialen Macht der USA und dem Herausforderer China einmal genauer anzuschauen.

Kolumne Das Imperium lebt von Jakob Helfrich


Bei dem Treffen am Rande des Wirtschaftsgipfels Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) beschlossen die beiden Regierungschefs, dass die USA ihre Zölle auf Einfuhren aus China um zehn Prozent senken und chinesische Firmen von einer schwarzen Liste der USA für Exportbeschränkungen nehmen werde. China kündigte im Gegenzug an, seine verschärften Exportkontrollen auf seltene Erden für mindestens ein Jahr auszusetzen. Zudem soll sich China verpflichtet haben, wieder vermehrt Sojabohnen aus den USA zu kaufen.

Die verschärften chinesischen Exportkontrollen auf seltene Erden, dürften der Hauptauslöser für die jetzige Einigung gewesen sein. Zuvor war die Eskalationsspirale im Handelskrieg zwischen den USA und China, von ersteren durch immer höhere Zölle weiter hochgedreht worden. Nachdem China Anfang Oktober angekündigt hatte, als Reaktion auf neu verhängte US-Sanktionen gegen chinesische Unternehmen, auf seltene Erden Exportkontrollen zu verhängen, gerieten die USA immer weiter ins Bedrängnis. Die Kontrollen sollten auch für im Ausland hergestellte Waren gelten, die mit chinesischen seltenen Erden hergestellt wurden. De facto bedeutete dies: Will man seltene Erden oder Produkte kaufen, in denen seltene Erden aus China enthalten sind, muss man dafür erst mal einen detaillierten Antrag stellen. Dessen Genehmigung kann dann seine Zeit dauern. Eine Praxis, die die USA bereits selbst gegen andere Staaten anwenden. Die sie jedoch ungern sehen, wenn sie sich gegen sie selbst richtet.

Die Umsetzung dieser Exportkontrollen treffen insbesondere die westliche Rüstungsindustrie sowie die KI-Chip-Produktion. Für die USA ein empfindlicher Schlag. Schließlich braucht man genau jene seltenen Erden, um sich gegen den aufsteigenden Konkurrenten aus dem Osten hochrüsten zu können. Die jetzige Einigung hat die verschärften Exportkontrollen nun für ein Jahr ausgesetzt und kann je nach Lage weiter verlängert werden – oder eben auch nicht. Fürs Erste können sich die USA dennoch weiter für einen möglichen heißen Krieg mit China hochrüsten.

Innehalten im Handelskrieg

Auch wenn der Handschlag zwischen Xi und Trump wohl nur eine Pause des Wirtschaftskrieges bedeutet, war er dennoch von historischer Bedeutung. Nicht in dem Sinne, dass die Einigung an sich von historischer Tragweite oder voraussichtlich langer Dauer wäre, sondern viel mehr aufgrund des Punktes, den sie markiert. Es ist ein Punkt, an dem die USA nicht mehr sang- und klanglos all ihre Sanktionen, Zölle und sonstigen Erlasse auf dem Weltmarkt durchboxen können. Es ist ein Imperium, das da langsam aber sicher ins Wanken gerät und ihr Abstiegsverwalter merkt hier und da, Eingeständnisse machen zu müssen. Nichts anderes haben wir bei der Einigung zwischen Xi und Trump Ende Oktober sehen können. Man ist eben nicht mehr die alleinige Supermacht über allem. Die ehemaligen Untergebenen haben bereits eine gewisse Schlagkraft entfalten können.

Die USA waren nicht ganz unbeteiligt an dem schnellen wirtschaftlichen Aufschwung Chinas und der damit einhergehenden Infragestellung ihrer eigenen Hegemonie in der derzeitigen Weltordnung. Eingeleitet mit dem Besuch von Richard Nixon in China 1972 begann die wirtschaftliche Teilöffnung des Landes für den internationalen Markt unter der Führung und damals noch zum uneingeschränkten Vorteil der USA. Umgesetzt wurde diese Politik von Deng Xiaoping Ende der 70er Jahre, die den Weg für China einleitete, durch die „Reform und Öffnung“ einen Platz in der Weltordnung als aufstrebende Wirtschaftsmacht einnehmen zu können. Anders als andere sogenannte „Entwicklungsländer“, deren Öffnung für den internationalen Markt meist direkt starke Abhängigkeiten und hohe Verschuldungen bei den kapitalistischen Ländern mit sich brachte, konnte China seinen Markt nur teilweise und planvoll öffnen. Durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen, in welchen es den ausländischen Unternehmen erlaubt war, tätig zu werden, blieben weite Teile der chinesischen Wirtschaft von ausländischem Mitmischen unberührt. Zudem wurden die ausländischen Konzerne verpflichtet, auf chinesische Partner und lokale Zulieferer zurückzugreifen, um auch diese am Aufschwung teilhaben zu lassen. Die ausländischen Unternehmen ließen sich auf diesen Deal ein, zu groß war ihr Interesse an dem kapitalistisch noch unberührten Land mit seinen Millionen billigen Arbeitskräften und dem möglichen zukünftigen Absatzmarkt. Dieses Interesse der kapitalistischen Welt an dem großen und bevölkerungsreichen Land wusste die chinesische Regierung für sich zu nutzen.

Dieses planvolle Vorgehen Chinas, mit der gezielten staatlichen Unterstützung für den Aufbau chinesischer Unternehmen zu globalen Playern, verhalf der chinesischen Wirtschaft schnell zu ihrem Aufstieg. Mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation und der Entwicklung eines Freihandelsabkommens mit dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) bis 2010, nahm China den Kampf gegen die Exportsubventionen der kapitalistischen Staaten auf und schuf seinen eigenen Binnenmarkt, angelehnt an die EU, um möglichst Zollfrei in Asien handeln zu können. Zudem entwickelte sich China immer weiter für sogenannte „Entwicklungsländer“ als alternativer Rohstoffabnehmer zu den USA, der EU oder auch Japan. Insbesondere in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern investierte China in einige Infrastrukturprojekte, ohne offen eine Gegenleistung zu verlangen. Natürlich nicht gänzlich ohne Eigeninteresse. Nicht zuletzt mit dem Beginn des Ausbaus der Neuen Seidenstraße, ein Handelsnetz, welches China mit über 100 weiteren Staaten verbinden soll, wurde die Bedrohung für die westliche Dominanz immer deutlicher. Zwei Jahre zuvor gaben die USA daher 2011 erstmals ihre außenpolitische Neuausrichtung mit dem „Pivot to Asia“, der Hinwendung nach Asien, bekannt. Von da sollten immer mehr Kapazitäten darauf verwendet werden, dass die aufsteigende „Gefahr“ aus dem Osten die USA nicht einholt. Es war der Beginn einer politischen Neuausrichtung noch unter Barack Obama, die weitergeführt von Trump und Biden in den nächsten Jahren Wirtschaftssanktionen gegen China, Militärübungen im Indopazifik und den Ausbau von diplomatischen Beziehungen mit Regionen wie Taiwan, Japan, Südkorea oder Indonesien bedeutete.

Wo jedoch eine Hinwendung erfolgt, muss sich auch von etwas abgewendet werden. Abgewendet haben sich die USA nicht vollständig, allerdings dennoch step by step vom europäischen Kontinent und dem Mittleren Osten. Dort sollen nun andere Staaten wie Israel und Deutschland die regionale Hegemonie für die USA übernehmen und die heilig gepriesene Freie Marktwirtschaft verteidigen. Einer muss einem ja den Rücken freihalten, wenn man sich auf die Schlacht mit seinem Endgegner vorbereitet. Zum einen soll die EU in Militärfragen auf eigenen Beinen stehen, 5 % ihres BIPs für Militärausgaben gegen Russland aufbringen und so die Oberhand auf der Westhälfte des eurasischen Kontinents behalten. Zum Anderen soll man dennoch von den USA in politischen Fragen bitte weiter abhängig bleiben. Stichwort Ukrainekrieg oder die neue Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten.

Bei aller öffentlicher Sorge von europäischen Politiker:innen um den transatlantischen Traum wird das geliebte NATO-Bündnis an sich weiterhin nicht infrage gestellt. Ganz im Sinne der USA weiß man eher seine Rolle auf dem geopolitischen Schachfeld zu spielen, um die Vorherrschaft des Westens noch ein paar Jahre weiter mit aggressivsten Methoden aufrecht zu halten. Eine Welt nach der westlichen Hegemonie soll, so weit es geht, herausgezögert werden. Die Trumps und Merzes sind sich darüber mehr als einig.

Dass man sich in diesem Spiel jedoch zu einem Handlanger der USA macht, wobei nicht selten auch mal die eigenen Interessen hinten herunterfallen, wird nicht zuletzt an der aktuellen europäischen China-Politik deutlich. Hier reicht ein Blick auf die erst abgesagte und nun doch wieder angetretene Reise des deutschen Außenminister Wadephul nach China. Oder die etwas kopflose Kaperung des chinesischen Unternehmens Nexperia durch die niederländische Regierung nach Anweisungen aus den USA. Doch das sind wohl nur einige Beispiele, bei denen die EU sich ihre Politik aus den USA diktieren lässt und selbst gar nicht so genau weiß, was für sie am Ende dabei rausspringen soll.

Der Wirtschaftskrieg zwischen China und den USA scheint also für eine Zeit pausiert zu sein. Wie lange, bleibt ungewiss. Die strategische Rivalität der USA und China und der Unwille der USA, die sich langsam entwickelnde multipolare Weltordnung zu akzeptieren, sollte nicht unterschätzt werden. Schließlich weisen seit Jahren verschiedenste US-Militärs auf die immer größer werdende Gefahr hin, dass sich der Wirtschaftskrieg in einen heißen Krieg verwandeln könnte. So beschreiben die beiden Ex-US-Militärs Admiral a.D. James Stavridis und Elliot Ackermann in ihrem 2021 erschienen Roman „2034: A Novel of the Next World War“ wie sich durch die Zerstörung des US-Lenkwaffenzerstörers John Paul Jones im Südchinesischen Meer, der Wirtschaftskrieg, zu einem nuklearen Krieg zwischen den beiden Staaten entwickelt.

Ein neuer globaler Machtwechsel?

Wir sehen eine Welt im Umbruch. Die USA geraten durch den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas immer weiter ins Bedrängnis. Dies führt nicht zuletzt zu einer neu ausgerichteten US-Außenpolitik, auch wenn wir ihre Konturen in den vergangenen Jahren unter Obama und Biden bereits sehen konnten, sind diese doch unter Trump deutlich schärfer geworden. „America First“ ist die Devise und die Devise ist Programm. Die aktuelle Entspannung zwischen den USA und China dürfte nur eine taktische Verschnaufpause zwischen den beiden Wirtschaftsmächten sein, die sich jedoch in den kommenden Jahren in einen weiteren Wirtschafts-, wenn nicht sogar heißen Krieg wandeln könnte.

Bis dahin wird die USA ihren nationalistisch-libertären Kurs, der mit aller Aggressivität versucht, seine Vormachtstellung für Kapital und Einfluss aufrecht zu halten, weiterfahren. Dies haben wir nicht zuletzt in Venezuela oder auch in Gaza sehen können, wo die USA ohne jegliche moralische Verkleidung versucht, ihre Kapitalinteressen und ihren Einfluss durchzusetzen.

Foto: PAS China, Public domain, via Wikimedia Commons