Der Handschlag zwischen Trump und Mamdani und die Chancen und Grenzen parlamentarischer Politik
Die Kampagne Zohran Mamdanis im Kampf um die New Yorker Bürgermeisterwahl war in der deutschen Linken ebenso wie global über die letzten Monate immer wieder Anlass für die Hoffnung auf soziale Verbesserungen und einen Auftrieb parteilinker Politik. Als Vertreter der DSA (Democratic Socialists of America) war Mamdani dabei das Schreckgespenst der Konservativen in den USA. Trump hielt sich nicht zurück, den „kommunistischen Irren“ als Vorreiter der neuen linksextremen Bedrohung für Amerika zu stilisieren1. Und auch der neue Hoffnungsträger der Linken brachte nicht gerade seine Sympathien für den US-Präsidenten zum Ausdruck und erklärte im Laufe des Wahlkampfs immer wieder, der am besten geeignete Kandidat zu sein, um sich Trump entgegen zu setzen. Gerade mit Blick auf die Machtkämpfe, die Trump mit anderen Lokalpolitiker:innen führt, erschien es also nur als eine Frage der Zeit bis es zwischen den beiden Politikern so richtig kracht.
Kein Wunder also, dass nun Linke ebenso wie Rechte verwirrt sind, Trump und Mamdani lächelnd sich die Hände reichen zu sehen. Von rechts herrscht Bestürzung, dass Trump dem eben noch quasi als neuen Stalin dargestellten Linksextremisten seine Unterstützung zusagt. Von links klammern sich die einen verzweifelt daran, dass es doch ein Ausdruck der heldenhaften Entschlossenheit Mamdanis sei, dass er sich von einem lächelnden Trump erlauben lässt, ihn einen Faschisten zu nennen, während die anderen den Klassenverrat zu wittern scheinen, weil ihr Held den US-Präsidenten nicht als militanter Antifaschist attackiert hat.
Doch diese Reaktionen sagen deutlich mehr darüber aus, welche falschen Vorstellungen diejenigen, die sich nun empören oder feiern, von der Realität parlamentarischer Politik haben.
Dass rechte Antikommunisten auch diesmal wenig daraus lernen werden, dass Trump sich doch auf einmal anders verhält, als er es noch kurz zuvor ins Internet posaunt hat, ist abzusehen. Trumps Beweggründe, sich zur Abwechslung mal wieder gegen die Stimmung der eigenen Partei zu wenden, sind nicht ganz klar. Ob es darum geht, dass Mamdanis „Affordability“-Ansatz auch in der eigenen MAGA-Basis Anklang findet, er sich durch eine Stärkung der DSA eine Schwächung des demokratischen Establishments erhofft, das momentan der deutlich wichtigere Machtfaktor in der amerikanischen Politik ist oder ob er sich tatsächlich einfach von Mamdanis Charme hat einwickeln lassen und einem echten Gewinnertypen einfach nicht widerstehen kann, bleibt offen. Auch ist es durchaus denkbar, dass Trump sich im nächsten Moment doch der herrschenden republikanischen Position anschließen wird und den demokratischen Sozialisten wieder als Vorbote einer viel größeren kommunistischen Gefahr betrachtet und bekämpft. Doch eine Linke kann mit Blick auf das Beispiel Mamdani durchaus einiges darüber lernen, wie linke Reformpolitik funktioniert und welche Grenzen sie hat.
Mamdani ist in New York vor allem mit drei sozialpolitischen Forderungen angetreten:
1. die Mieten (zumindest zu rechtlich gut umsetzbaren Teilen) einzufrieren
2. kostenlosen Busverkehr zu ermöglichen
3. die Erziehung und Bildung für Kinder kostenlos zu machen und Familien, die sich ein Leben in New York sonst nicht mehr leisten könnten, ein Leben in der Stadt zu ermöglichen.
Sein triumphaler Erfolg im Wahlkampf zeigt, wie gut ein Fokus auf materielle Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung statt reinem Kulturkampf bei Wahlen funktioniert. Mamdani ist damit das nächste Beispiel in einer Reihe ähnlicher Projekte wie der Erfolge der KPÖ in Österreich oder einiger Lokalverbände der Linkspartei in Deutschland, wo vor allem Ferat Koçak in Neukölln und Nam Duy Nguyen im Leipziger Osten gezeigt haben, dass eine ähnliche Strategie auch in Deutschland Erfolg haben kann. Im Gegensatz zum zögerlichen Verhalten zur Palästinasolidarität, um dann wieder einen Rückzieher zu machen in der deutschen Linkspartei, zeigt Mamdanis Sieg außerdem, dass eine stabile propalästinensische Grundhaltung gegen den Genozid in Gaza, die mittlerweile ohnehin die Mehrheitsmeinung darstellt, keinen Nachteil im Wahlkampf darstellt und dass pauschale Antisemitismusvorwürfe und Islamophobie ihre Wirkmächtigkeit einbüßen.
Sollte es Mamdani gelingen, die von ihm erklärten Ziele umzusetzen, verbessern sich dadurch die Lebensbedingungen tausender New Yorker:innen bedeutend. Doch ob ihm das gelingt, hängt bei weitem nicht nur von Mamdanis Aufrichtigkeit ab. Um die Kosten für Busse und institutionelle Kinderbetreuung stemmen zu können, ist er auf eine gut funktionierende Zusammenarbeit mit dem Staat New York und der US-Regierung angewiesen. Trump kündigte schon vor der Wahl an, staatliche Gelder für die Stadt einzufrieren und auch eine Eskalation der ICE-Aktivitäten in New York oder eine Invasion durch die Nationalgarde wären für Trump keine Tabubrüche. Ob er will oder nicht – Mamdani ist zwingend darauf angewiesen, sich mit Trump zu einigen, will er New York nicht zur aufständischen Kommune im offenen Konflikt mit der US-Regierung machen.
Dass es Mamdani jetzt vorerst gelungen ist, sich mit Trump trotz der Gegensätzlichkeit ihrer politischen Lager gut zu stellen, spricht gerade dafür, was für ein kompetenter Politiker er ist. Will Mamdani als Bürgermeister soziale Verbesserungen für die New Yorker Bevölkerung erreichen, dann ist es die einzig richtige Strategie, den US-Präsidenten so gut wie möglich zu umgarnen, und ihm Honig ums Maul zu schmieren, wie sehr man doch einig darin sei, das Beste für Amerikaner:innen zu wollen, egal wie sehr man ihn für einen Faschisten hält.
Der Händedruck zwischen Mamdani und Trump ist also kein Verrat am demokratisch sozialistischen Programm Mamdanis, sondern die vorbildliche Durchsetzung dessen. Das spricht nicht gegen Mamdani als Reformpolitiker, aber dagegen, sich Illusionen darüber zu machen, wie abhängig soziale Reformen davon sind, nicht radikal mit den herrschenden Verhältnissen zu brechen.
Soziale Politik durch Mamdani, KPÖ oder Linkspartei kann echte Verbesserung bedeuten und ist ohne Frage die wünschenswertere Alternative zu allem, was uns Trump, FPÖ oder Merz zu bieten haben, aber wer wirklich die Grundlagen der sozialen Probleme überwinden will, für den können solche Reformen nicht genug sein.
Mamdani und die DSA werden diese Amtszeit im besten Falle nutzen können, die sozialpolitischen Ziele umzusetzen, die Lebenslage für zig Tausende New Yorker:innen zu verbessern und „Sozialismus“ im antikommunistischen Amerika wieder zu einer denkbaren Alternative werden zu lassen. Sollte es den DSA damit gelingen, eine echte Alternative zum Establishment der demokratischen Partei zu werden, würde dies durchaus eine bedeutsame Veränderung, insbesondere in der Innenpolitik der USA bedeuten, die sicherlich auch einen nicht unbedeutenden Teil der proletarischen MAGA-Basis ansprechen könnte. Im besten Fall begünstigen die Verbesserungen der sozialen Lage und vor allem die Grenzen, an die diese Prozesse stoßen werden eine weitere Radikalisierung der US-amerikanischen Linken, sodass diese sich nicht nur gegen wuchernde Mieten, sondern das kapitalistische System und den US-Imperialismus selbst wendet. Diese Entwicklung wird aber voraussichtlich weder von Mamdani, noch von anderen prominenten Gesichtern der DSA wie Alexandria Ocasio-Cortez oder Bernie Sanders vollzogen werden, sondern muss das Ziel revolutionärer Bewegungen sein, die sich nicht auf linker Repräsentation in Parlamenten und Rathäusern ausruhen.
- https://truthsocial.com/@realDonaldTrump/posts/114745583467776157 ↩︎