Das Imperium lebt – Eine Kolumne über USA und NATO, Geopolitik und globale Machtstrukturen

18. November 2025

Multipolare Weltordnung, Konkurrenz, Dritter Weltkrieg, Rumoren in der NATO – alles sicher korrekte Analysen und dennoch gilt es, der Realität ins Auge zu blicken. Es gibt es noch, das Imperium. Ein Lager auf dem globalen Spielfeld, das den anderen überlegen ist und daher im Zweifel nicht auf Kompromisse mit seinen Gegnern oder vermeintlichen Freunden angewiesen ist. Dieses Imperium hat viele Namen. Die USA, etwas umgangssprachlich „der Westen“, „die NATO“ , der „Globale Norden“ oder auch moralisch aufgeladen und mit grünem Anstrich, die „Regelbasierte Weltordnung“. So schwer es manchmal zu fassen ist, ist es doch eines – ein imperiales Gebilde. Diese Kolumne möchte sich genau diesem schwer zu greifenden Imperium widmen. Dem Leviathan, der versucht, nicht unterzugehen und mit letzter aber dennoch nicht minder starker Kraft um sich schlägt.

Eine Kolumne von Jakob Helfrich


Einen um sich schlagenden US-Präsidenten konnten wir tatsächlich in den letzten Monaten zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Nachrichten sehen. Es geht um niemand anderen als um Donald Trump, dessen Politik gerne aus dem linksliberalen Lager hierzulande als „komplett irre“ und „verrückt“ abgestempelt wird. Tatsache ist: Sie ist es nicht. Sie folgt einem Plan, einem Plan um das langsam schwindende Imperium zu retten.

Bereits Ende der 90er Jahre analysierte der US-Stratege Zbigniew Brzeziński, dass die USA auf lange Sicht die „erste, einzige wirkliche und letzte Weltmacht“ nach dem Zerfall der Sowjetunion bleiben werde. Er plädierte für eine US-Außenpolitik, welche kurzfristig die Vorherrschaft sichern sollte, jedoch langfristig zwangsweise in eine multipolare Weltordnung überführt werden müsse. Die Verhinderung einer eurasischen Großmacht, sowie die Schaffung von strategischen Partnern, um die US-Politik, Wirtschaftsweise sowie Kultur in alle Welt zu tragen, waren dabei von zentraler Bedeutung. Und nichts anderes haben wir in den letzten Jahren in der US-amerikanischen wie auch der europäischen Politik beobachten können. Auch wenn die US-Regierung unter Trump vielleicht etwas offener nationalistisch und libertär agiert als die unter Jimmy Carter, dem US-Präsident zu Zeiten Brzezińskis.

Der Aufstieg der Volksrepublik China, die „Gefahr“ vor einer stärkeren Kooperation unter den Ländern der BRICS-Staaten oder auch die Annäherungen zwischen der EU und Russland, dürften das einzige Imperium in den letzten 30 Jahren immer weiter ins Wanken gebracht haben. Die neue US-Regierung tut derzeit daher gut daran, diese Gefahr der schwindenden Vorherrschaft zu verhindern. So ganz bereit ist man dann anscheinend doch noch nicht, das Zepter aus der Hand zu geben.

Anfang des Jahres sah es kurzfristig so aus, als würde sich die Vorherrschaft der NATO bei gleichzeitiger äußerer Bedrohung einfach von innen heraus selbst zerlegen. Gerade hierzulande zweifelten einige rund um die vorgezogenen Wahlen am Fortbestand dieses Imperiums in Form der NATO. Selbst der jetzige Kanzler Friedrich Merz fragte im Februar am Tag nach der Wahl, die ihn in sein aktuelles Amt hob, vorsichtig, dass man mal schauen müsse, ob die NATO in ihrer jetzigen Form beim Bündnistreffen im Juni noch existieren werde. Eine Nebelkerze wie wir heute wohl sehr klar sehen können.

Zuvor hatte Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung angekündigt, die NATO-Mitgliedsstaaten nicht beschützen zu wollen, sollten diese nicht die geforderten Rechnungen zahlen. Diese paar Worte reichten aus, um in Europa weitestgehend Panik auszulösen. Wird uns die USA noch beschützen, sollte der Russe hier einmarschieren? Diese Panikmache war nichts anderes als ein sehr gut inszeniertes Theater, bei dem jeder wusste, welche Rolle er zu spielen hat. Es ist klar, worauf Trump, aber auch die europäischen NATO-Mitgliedsstaaten, mit diesem Tam Tam abzielten – die eigenständige Aufrüstung der EU unter der Führung des deutschen US-Schoßhündchens voranzubringen.

Nicht zuletzt die Rede von J.D. Vance am 14. Februar 2025 auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz gab den endgültigen Startschuss für die massive Aufrüstung der Europäischen Union. Die darauffolgenden milliardenschweren Aufrüstungspakete innerhalb der EU wurden nur allzu gerne zum Vorteil von ThyssenKrupp, Rheinmetall, Boeing, Lockheed Martin oder Northrop und Co. geschnürt. Damit wurde der Aufbau der europäischen Union als Interessenvertreter der USA weiter manifestiert. Viel wichtiger jedoch, hat sich insbesondere der Graben zwischen der EU und Russland nur noch weiter vertieft. Der amerikanische Alptraum eines jeden Transatlantikers, eine engere Kooperation zwischen der EU und Russland, hat sich somit de facto für die kommenden Jahre und womöglich Jahrzehnte in Luft aufgelöst.

Während ein vereinigtes Eurasien als Konkurrent in weite Ferne rückt, versucht die USA sich langsam aber sicher aus dem Ukrainekrieg und damit Europa zurück zu ziehen, um all ihre Aufmerksamkeit auf die aufstrebende Volksrepublik China lenken zu können.

Bereits seit 2011 unter US-Präsident Barack Obama, begann die USA ihren Blick unter dem Slogan „Pivot to China“ immer weiter Richtung Ostasien zu wenden. Diese Hinwendung geht einher mit einer gewissen Abkehr aus dem europäischen und westasiatischen Raum. Die verschiedenen heißen und kalten Kriege lassen sich nicht an allen Fronten gleichzeitig führen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die USAauch mal gewisse Aufgaben an ihre Verbündeten – in anderen Kontexten würde man von Proxys reden – Israel und Deutschland delegiert. Diese sollen nun die Stellung in Europa und Westasien halten.

Israel hat in den letzten zwei Jahren den wohl größten Bärendienst für das Imperium unter US-Führung geleistet. Schauen wir uns den Genozid in Gaza seit dem 7. Oktober 2023, den Krieg gegen die Hisbollah, den Fall des Assad Regimes bei gleichzeitigem Einmarsch Israels in Syrien und den immer wiederkehrenden Schlagabtausch mit dem Iran an. Hier geht es, wie den meisten bewusst sein sollte, nicht allein um Gaza oder auch nur Palästina. Hier geht es vor allem darum, die sogenannte Achse des Widerstands zu brechen und Russland aus der Region zu drängen, um schließlich den Nahen Osten und seine Märkte und Ölquellen wirtschaftlich zu öffnen und langfristig dem Einfluss Israels, der USA, des Westens oder der NATO zu unterwerfen und jede alternative Hegemonie in der Region undenkbar zu machen.

Der Kampf des Imperiums ums Überleben, zeigt sich in einer lange unbekannten Offenheit unter der neuen US-Regierung. Es ist die nackte Wahrheit einer brutalen Weltordnung, die hier zum Vorschein tritt.

Diese aggressive Politik zeigte sich in ungewohnt offenen Ankündigungen Kanada, Grönland und den Panama-Kanal unter die Kontrolle der USA bringen zu wollen. Und auch die letzten Wochen in denen sich eine Intervention der USA in Südamerika auf die ein oder andere Weise abzeichnet, lassen uns den aggressiven Kampf um die Vormachtstellung des Imperiums erkennen. Alleine in den letzten Wochen wurden über 80 Menschen in Booten in der Karibik und zuletzt auch im Pazifik getötet. Die Brutalität von Trumps Kampf gegen den sogenannten „Terror“ oder „die Drogen“ wird immer deutlicher und weckt unweigerlich Erinnerungen an Afghanistan, den Irak, die Häftlinge des Folterknastes Guantanamo und die brutale Repression gegen Menschen aus den Schwarzenvierteln in den USA der 70er Jahre. Dass dabei das „Völkerrecht“ oder „regelbasierte Weltordnung“, die viele Imperiumsvertreter hierzulande gerne wie Schnurbärte zum Ankleben vor sich hertragen, keinerlei Rolle spielt, ist wohl bekannt.​​​​​​​

Wir blicken auf ein Imperium, dessen Parole „America first“ nicht nur Parole sondern Programm ist. Jegliche außenpolitische Aushandlungen werden durch Deals geklärt und basieren auf Kosten-Nutzen Rechnungen. Eine Rechnung bei der die oberste Frage ist, wie das Imperium möglichst lange am Leben gehalten werden kann.