Mitte Mai wurde der Instagram-Account des Podcasts „Kommunisten Kneipe“ gesperrt. Diese Sperrung reiht sich ein in eine Welle der Repression gegen linke Medien – von der Auflösung des Medienkollektivs „Red Media“ bis hin zu Account-Sperrungen der „Linksjugend [’solid]“. Wir haben mit Flo von Dekay von „Kommunisten Kneipe“ über Repression, Solidarität und Perspektiven linker Medienarbeit gesprochen.
Kannst du dich kurz vorstellen und sagen, was ihr bei Kommunisten Kneipe macht?
Flo: Ich bin Flo von Dekay. Zusammen mit Genoss*innen betreibe ich mit „Kommunisten Kneipe“ einen der ersten organisationsunabhängigen kommunistischen Podcasts im deutschsprachigen Raum. Unseren Podcast gibt es seit 5 Jahren und verfolgt im Wesentlichen drei Ziele: Erstens bieten wir marxistische Grundlagenbildung an, die zugänglich für Einsteiger*innen ist. Zweitens bieten wir eine Plattform für linke Debatten, auf der sich nicht nur Marxist*innen, sondern auch linke Aktivist*innen aus verschiedenen Strömungen austauschen können. Und drittens haben wir insbesondere zu Beginn viele Gespräche mit Zeitzeug*innen geführt, um die widerständige Geschichte von unten in Deutschland sichtbar zu machen.
Anfang Mai wurde euer Instagram-Account gesperrt. Was ist passiert und wie erklärt ihr euch die Sperrung?
Flo: Wir wissen bis heute nicht genau, was passiert ist. Ich habe an dem Tag morgens festgestellt, dass der Account gesperrt war. Zuerst habe ich das nicht allzu ernst genommen. Die Sperrung war aber schwerwiegender als gedacht. Meta, der Mutterkonzern von Instagram, gibt keinerlei Auskunft über die Gründe. Es gibt keine Transparenz, keine Möglichkeit sich zu wehren. Der Konzern verfolgt in dem Sinne keine der üblichen bürgerlich-rechtsstaatliche Prinzipien. Zwar kann man Einspruch einlegen, das wurde aber sofort kommentarlos abgelehnt und hat zu keinem sichtbaren Prozess geführt.
Wir vermuten, dass Beiträge zu Palästina Solidarität oder Kritik an der NATO Auslöser gewesen sein könnten. Vielleicht auch zugespitzte satirische Beiträge. Generell beobachten wir eine zunehmende Repression gegen (linke) Satire. Letztlich zeigt die Situation wieder einmal, wie abhängig und verwundbar linke Medienprojekte gegenüber Konzernplattformen sind.
Gibt es juristische Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren?
Flo: In der Theorie ja, praktisch ist das aber schwierig. Wir sind ein kleines Team ohne große Ressourcen – neben dem Podcast haben wir alle noch reguläre Lohnarbeit. Nach einiger Zeit haben wir uns juristische Hilfe organisiert. Ein Anwalt hat per Brief Widerspruch eingelegt. Anfang Juni wurde der Account dann wieder freigeschaltet – es bleibt aber immer noch diffus, welche Gründe das genau hat. Grundsätzlich wird darauf spekuliert, dass kleinere Projekte keine Mittel haben, um sich zu wehren.
Welche konkreten Auswirkungen hatte die Sperrung auf eure Arbeit?
Flo: Die Sperrung bedeutete für uns den Verlust einer unserer wichtigsten Kommunikationskanäle. Über Instagram können wir unsere Inhalte verbreiten, uns mit Unterstützer*innen austauschen, Initiativen vernetzen und Aufrufe verbreiten. Diese Funktion als Sprachrohr wurde uns mit einem Schlag entzogen. Das hat uns stark getroffen.
Es bleibt dabei, dass unsere mediale Arbeit in einem grundsätzlichen Widerspruch steht: Wir sind auf Konzernplattformen aktiv, weil dort das digitale Leben stattfindet – obwohl wir ihre politischen Bedingungen kritisieren. Man kann zwar auf kleinere, unabhängige Plattformen ausweichen, aber dort erreicht man oft nur die eigene Blase. Das strukturelle Problem dieser Abhängigkeit bleibt: Es gibt derzeit noch keine reale Alternative.
Ihr habt einen Backup-Kanal aufgebaut, der schnell viele Follower*innen gewonnen hat. Welche akuten Maßnahmen haben für euch funktioniert?
Flo: Der Backup-Kanal hat überraschend gut funktioniert, aber auch dieser ist jederzeit gefährdet. Auch hier fehlt Transparenz, es ist nicht nachvollziehbar, warum das eine funktioniert und das andere nicht. Was hilfreich sein kann, ist zu „diversifizieren“: Man muss auf mehreren Plattformen präsent sein, die unterschiedlichen Konzernen angehören, wie z.B. Telegram oder YouTube. Aber wenn eine ganz große Repressionswelle kommt, wird es schwierig.
Ein weiterer Risikofaktor bei uns ist, dass wir im aktuellen Verfassungsschutzbericht stehen. Auch die „Junge Welt“ hat massive Probleme dadurch bekommen. Es gab zum Glück eine Welle der Solidarität von anderen linken Medienprojekten, die uns enorm geholfen hat. Aber auch das funktioniert nur, solange deren Kanäle nicht ebenfalls betroffen sind. Letztlich gilt: Kämpfe in den Medien sind nur so stark, wie die Kämpfe auf der Straße.
Meta hat angekündigt, politische Inhalte stärker zuzulassen und Fact-Checker abzuschaffen. Viele rechneten mit mehr „freier Rede“ für rechten Content auf den Plattformen. Spürt ihr diese Auswirkungen?
Flo: Ja, insbesondere bei der Reichweite. Es ist schwer zu beweisen, aber auffällig. Beispielsweise wurde eine Podiumsdiskussion von uns mit bekannten Gästen kaum ausgespielt – obwohl wir bei der Beteiligung und Resonanz mit einer hohen Reichweite gerechnet hatten. Auch bei Begriffen wie „Gaza“ oder „Palästina“ bemerken wir Drosselungen. Das geschieht nicht durchgängig, ist aber deutlich spürbar.
In der Auseinandersetzung zwischen rechten und linksliberalen Kräften um Redefreiheit müssen wir eine klare Klassenposition beziehen. Rechte Kanäle profitieren von diesen neuen Regelungen – doch sie sind Teil einer Kapitalfraktion und vertreten ihre Interessen. Man darf sich von scheinbaren Freiräumen auf diesen Plattformen keine Illusionen machen.
Nicht nur Tech-Konzerne üben Repression aus. Mitte Mai hat das linke Medienprojekt Red Media seine Auflösung bekannt gegeben. Grund war eine koordinierte Verleumdungskampagne von NGOs, Gewerkschaften und Journalist*innen. Wie nehmt ihr diese Entwicklung wahr?
Flo: Die Repression ist massiv. Das war ein drastischer Fall mit internationaler Dimension. Vor zehn Jahren wäre das in dieser Form wohl ein großer Skandal gewesen. Auch innerhalb der sogenannten bürgerlichen Demokratie lässt sich ein drastischer Repressionsanstieg beobachten.
Am 8. Mai in Berlin zum Beispiel waren sowjetische Symbole verboten, und die Verteilung der „Jungen Welt“ wurde untersagt. Auch ohne Illusionen über das Wesen des bürgerlichen Staates anzuhängen, ist das ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit. Die Palästinafrage fungiert dabei oft als Testballon, um auszuprobieren, wie weit man gehen kann wenn Staatsräson angegriffen wird – mit Verboten, Polizeigewalt, strafrechtlichen Konsequenzen. Ähnliche Zeichen beobachten wir bei den Themen Ukraine, NATO und Antimilitarismus. Der Fall von Red Media zeigt, was uns möglicherweise noch bevorsteht.
Was meinst du mit „Testballon“ in Bezug auf Palästina?
Flo: Der Staat testet hier gezielt seine Repressionsmechanismen zum Beispiel durch das Verbot von Veranstaltungen oder Symbolen. Meist sind migrantische Gruppen und Kämpfe als erstes im Visier. Das lässt sich dann auf andere gesellschaftliche Themen ausweiten, beispielsweise auf die soziale Frage oder Kritik am Eigentum. Rechte behaupten oft, dass der Meinungskorridor enger wird – und sie haben nicht ganz Unrecht. Wir meinen aber etwas anderes damit: Die Spielräume für den Klassenstandpunkt und Antimilitarismus schrumpfen. Das ist der Meinungskorridor, über den wir sprechen müssen.
Begriffe wie „Lügenpresse“ wurden von rechts vereinnahmt. Gibt es eine Möglichkeit, diese Kritik an der Presse von links zurückzugewinnen?
Flo: Ja, aber nur, wenn wir aktiv daran arbeiten. Wir erleben seit Jahren eine Auseinandersetzung zwischen Rechten und Linksliberalen – und dabei erscheinen vermeintlich Linke oft als Verteidiger*innen des Staates. Aber gerade wir Marxist*innen haben die verdammte Pflicht, die Kritik an der Presse aufzugreifen und aus einer linken Perspektive neu zu besetzen. Der Begriff „Lügenpresse“ ist verbrannt, aber die zugrunde liegende Kritik ist berechtigt.
Die sogenannte Meinungs- und Pressefreiheit in liberalen Demokratien wird zunehmend eingeschränkt. Auch ohne diese Freiheit hochzuhalten, verkleinern sich dadurch die Räume, die wir tagtäglich nutzen. Wie steht ihr als Projekt zu dieser „Freiheit“ – ist sie es in manchen Punkten doch wert, verteidigt zu werden?
Flo: Ein berühmtes Zitat von Paul Sethe – einem großen Verleger – lautet: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Da ist viel Wahres dran. Natürlich besteht ein qualitativer Unterschied zwischen Faschismus und einer bürgerlichen Demokratie – auch wenn sie sich in einem stark degenerierten Zustand befindet. Die bestehenden juristischen und publizistischen Spielräume müssen wir nutzen, allerdings ohne uns Illusionen über den Charakter dieser Gesellschaft zu machen. Es braucht eine Doppelstrategie: Bestehende Räume verteidigen und gleichzeitig eine revolutionäre Veränderung der Verhältnisse vorantreiben.
Was kann man gegen diese Form der Repression konkret tun?
Flo: Alleine kann man kaum etwas ausrichten. Vernetzung ist entscheidend – mit anderen Medienprojekten, mit Aktivist*innen, mit solidarischen Strukturen. Es braucht gemeinsame Strategien, um im Ernstfall schnell reagieren zu können. Unser Fall war noch relativ glimpflich: Es gab keine Hausdurchsuchung, keine strafrechtlichen Konsequenzen. Aber solche Szenarien finden statt. Wir müssen Repression auf unseren Kanälen zum Thema machen und in die größere Debatte politisch einordnen – dazu gehört auch der Zusammenhang mit Polizeigewalt gegen die palästinasolidarische Bewegung.
Also: Kämpfe auf der Straße mit Kämpfen in den Medien verbinden?
Flo: Ganz genau. Man darf die Repression gegen Medienprojekte nicht isoliert betrachten – sie steht immer im größeren politischen Zusammenhang mit der Bewegung auf der Straße.
Ihr habt viel Unterstützung erfahren – von Fabian Lehr, 99zuEins und vielen weiteren linken Accounts. Wie habt ihr das wahrgenommen?
Flo: Das war beeindruckend – und ehrlich gesagt auch unerwartet. Die Reichweite unseres Backup-Kanals stieg schnell, viele andere Accounts teilten unsere Beiträge, auch Projekte, mit denen wir politisch nicht immer einer Meinung sind. Wir danken allen sehr dafür und würden das umgekehrt genauso machen. Es zeigt, wie wichtig Solidarität ist. Unser Fazit ist: Wir müssen uns systematisch auf solche Fälle vorbereiten. Wir müssen gemeinsam Pläne entwickeln und einen Angriff auf ein Projekt als einen Angriff auf uns alle begreifen.
Unsere beiden Projekte sind in einem Kollektiv verankert. Viele stehen allerdings auch als Einzelpersonen in der Öffentlichkeit.
Flo: Absolut, das ist extrem hart. Man muss das auch im Zusammenhang mit Berufsverboten sehen. Wir hatten im Podcast zum Beispiel Lisa Poettinger und den Lehrer Luca zu Gast. Auch ihnen wird eine Plattform genommen, wenn unsere Projekte angegriffen werden.
Im Fall von Red Media kamen Angriffe u.a. von Gewerkschafter*innen. Hattet ihr Kontakt zu Gewerkschaften in dem Fall und seht ihr Potenzial in diesen etwas zu bewegen?
Flo: In diesem konkreten Fall nicht. Wir sind beruflich nicht in der Medienbranche tätig und daher in anderen Gewerkschaften aktiv. Grundsätzlich sehe ich aber Potenzial. Auch innerhalb der Gewerkschaften gibt es radikale Kräfte, etwa in der Friedensfrage oder in der Frage von Berufsverboten.
Du sagtest es bereits: Grundsätzlich befindet sich linke Medienarbeit auf Social Media immer im Widerspruch zwischen der Abhängigkeit von Großkonzernen und dem Aufbau von Reichweite. Der Aufbau von unabhängigen Plattformen scheint dabei so notwendig, wie unrealistisch. Wie steht ihr zum Aufbau unabhängiger Plattformen?
Flo: Unabhängige Plattformen aufzubauen ist wichtig, aber man darf sich nicht nur in selbst geschaffenen linken Räumen bewegen. Vor allem darf politische Aktivität nicht nur online stattfinden. Online-Aktivismus muss es natürlich weiterhin geben, aber er kann Erfahrungen vor Ort nicht ersetzen. Wir müssen uns real begegnen: auf Veranstaltungen, durch persönliche Beziehungen und in kollektiven Erfahrungen. Diese Strukturen bleiben stabil, auch wenn digitale Kanäle gesperrt werden.
Könnte es auch innerhalb von Konzernen betriebliche Perspektiven geben, etwas zu verändern?
Flo: Ja, definitiv. Medienkämpfe sind immer auch Teil gesellschaftlicher Kämpfe, dazu gehören auch gewerkschaftliche Kämpfe. In zukünftigen Auseinandersetzungen werden wir Menschen brauchen, die mit Algorithmen umgehen können, die Plattformen technisch verstehen oder hacken können. Wir müssen uns breiter aufstellen.
Danke für deine Zeit. Möchtest du den Leser*innen noch etwas mitgeben?
Flo: Folgt uns gerne auf unseren Kanälen auf YouTube, Telegram, Instagram. Dort betreiben wir inzwischen zwei Accounts: Der Originalaccount wurde wieder freigeschaltet, der Backup-Kanal bleibt bestehen. Also auch wenn es kommerziell klingt: Kommentieren, Liken, Weiterleiten hilft uns tatsächlich sehr. Das gilt nicht nur für uns, sondern auch für alle anderen linke Projekte, mit denen wir vernetzt sind.