Der Peoples’ Summit in Amsterdam: Widerstand gegen den NATO-Gipfel

24. Juni 2025

Am 21. Juli 2025 fand in Amsterdam der Peoples’ Summit (Gipfel der Völker) unter dem Motto „Resist US-NATO aggression, bases, plunder and war – Advance peoples’ struggles for peace and liberation“ statt. Organisiert wurde dieser Gegengipfel vom Bündnis Resist NATO, bestehend aus der International League for Peoples’ Struggles (ILPS), der International Peoples’ Front (IPF), der International Women’s Alliance, der United National Anti-War Coalition, der Resist US-led Wars-Bewegung und einigen weiteren linken antiimperialistischen, antikolonialen und friedenspolitischen Gruppen.

Der Anlass war das Gipfeltreffen der NATO, welche sich als größte Kriegsallianz der Welt am 24. und 25. Juli im niederländischen Den Haag trifft, um strategische Entscheidungen, Richtlinien und Ziele festzulegen. Dazu werden aus den 32 Mitgliedsländern, sowie deren Partnern, u.a. der Ukraine und diesmal auch Japan, Südkorea und Australien, die Staats- und Regierungschefs erwartet, um sich über Fragen der Kriegspolitik des Westens abzustimmen.

Bei diesem Gipfel wird es wohl primär um Aufrüstung und Militarisierung in Form von Erhöhungen der jeweiligen staatlichen Verteidigungsausgaben auf 5% des BIP (so die Forderung von Trump) und die Kriegsunterstützung in der Ukraine gehen. Auch dürfte der jüngste Angriffskrieg Israels und der USA auf den Iran und die weitere militärische Eskalation im Mittleren Osten seitens des westlichen Imperialismus ein Thema sein. Mit größerem Dissens oder Widerspruch ist allerdings nicht zu rechnen, richteten sich doch die Verurteilungen einflussreicher westlicher Staatschefs wie dem französischen Präsidenten Macron, dem deutschen Kanzler Merz und dem britischen Premier Starmer ausschließlich gegen den Iran, anstatt gegen Israel oder die USA, welche diesen Krieg begonnen und eskaliert haben.

Umso wichtiger, sich als internationale demokratische, sozialistische, antiimperialistische Bewegung ebenfalls zu treffen, um Gegenstrategien gegen die Aufrüstung und den Kriegskurs zu diskutieren. Wir waren beim Peoples’ Summit dabei um für die antimilitaristische Bewegung in Deutschland zu berichten.

Themen und Referent:innen

Der Peoples’ Summit begann mit einer Eröffnungsrede, in der die NATO-Expansion in Asien, Afrika, Lateinamerika, dem Mittleren Osten und Europa ausgeführt und sich klar dagegen ausgesprochen wurde. Insbesondere verurteilt wurden die jüngsten Angriffe Israels auf Palästina und den Iran im Rahmen als eine mit der NATO alliierte zionistische Expansion im Mittleren Osten.

Es wurden die „Punkte der Einheit“ des Resist NATO-Bündnisses vorgestellt, welche die inhaltliche Grundlage der Zusammenarbeit bilden.

In zwei Impulsreferaten zur Begrüßung und Einleitung des Treffens, wurde betont, dass man für die Analyse der aktuellen Situation nicht nur die Ukraine, sondern den gesamten Komplex und Rahmen der US-geführten NATO-Strategie anschauen müsse. Die Verflechtung von G7, OECD und NATO rüstet mit der 5%-des-BIP-in-Rüstung-Forderung auf und strebt nach Dominierung des eurasischen Raums und darüber hinaus. Laut einem Sprecher der ILPS hat sich die Ökonomie seit der Finanzwirtschaftskrise 2008 nicht mehr erholt und dieser sagte voraus, der Konflikt der USA, einiger EU-Staaten und Chinas werde das BIP der Welt noch in diesem Jahr (2025) erheblich weiter nach unten drücken. Die Lösung dafür liege für diese Player in der Verteidigungsindustrie, welche den Crash des BIP auffangen solle – die Lösung ist also Krieg. Es gehe nicht nur um Russland – der Hauptfeind für den Westen sei China. Aus diesem Grund strebe die NATO nach einer indopazifischen Allianz. Im selben Kontext versuche die zionistische Besatzung, im Zuge dieser US-geführten Expansionsoffensive den Mittleren Osten übernehmen zu können.

Danach begann das erste Plenum mit dem Thema „Aggressions, bases, plunder and war“. Erste Sprecherin war die in feministischen, antikolonialen und basisdemokratischen Kämpfen organisierte Aktivistin Azra Sayeed von der Organisation Roots of Equity aus Pakistan, welche unter dem Titel „The US-NATO face in the Asia Pacific“ über die Hintergründe der Expansion der NATO im asiatisch-pazifischen Raum referierte.

Der nächste Referent, Chris de Ploeg, Journalist, Grassroots-Organizer und Autor, arbeitete die Rolle heraus, welche die NATO bei der Eskalation im Russland-Ukraine-Krieg spiele und welche geopolitische und ökonomische Bedeutung die Ukraine für die NATO habe.

Die weiteren Redner:innen des ersten Plenums waren Sonny Africa von der IBON Foundation, einer gemeinnützigen Forschungs- und Bildungsorganisation, die vor allem zur sozioökonomischen Situation auf den Philippinen arbeitet und Rebekka Timmer von Bij1, einer linken niederländischen politischen Partei.

Die Sprecher:innen des zweiten Plenums, welches unter dem Titel „Peoples’ struggles for liberation and peace“ stand, waren Dr. Wael El Zeley aus Algerien vom Palestine Land Study Center, der die Komplizenschaft der NATO im Genozid in Gaza mit vielen Fakten darstellte, Coni Ledesma, eine respektierte Sprecherin der National Democratic Front of the Philippines (NDFP), Mondel von Ka Ubuntu, einer vor 5 Jahren gegründeten panafrikanistischen Partei auf La Réunion, welches immer noch eine französische Kolonie ist und Kiritu Cherge, Generalsekretär der Revolutionären Jugendliga, welche zur Kommunistischen Partei (Marxistisch) Kenias gehört.

Nach den beiden Plena teilten sich die Teilnehmenden des Peoples’ Summit in 7 Workshops auf, welche in 2 zeitlichen Blocks stattfanden: 1) Students & Youth rising, 2) Building solidarity with the Filipino’s people’s struggle for self-defense, 3) Organizing women against war and for a just peace, 4) Cultural workers against artwashing, 5) Palestine: The struggle for liberation continues from the river to the sea, 6) Military spending and social austerity measures, 7) Defying rising militarism & fascism in Europe and the world.

Scharfe Analysen und organisatorische Zusammenschlüsse

Ein starker inhaltlicher Fokus, welcher sich durch den Gipfel zog, lag aus offensichtlichen Gründen auf der zionistischen Aggression gegen den Iran, dem Genozid in Palästina und der eskalierenden Expansion im gesamten Mittleren Osten durch ein USA-Israel-Bündnis mit NATO-Rückendeckung. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Analyse der Entwicklungen im asiatisch-pazifischen Raum, den Plänen und Beweggründen der US-NATO, der Rolle Indiens und Europas und der kommenden Konfrontationen mit besonderem Auge auf den Kampf der kommunistischen philippinischen Bewegung als starkem antiimperialistischen Akteur in der Region. Die Auswirkungen von Kriegen auf Frauen und welche zentrale Rolle Frauen und unterdrückte Geschlechter in der Gesellschaft und spezifisch für einen Widerstand spielen, welcher die männlich-dominante Logik des Krieges und Militarismus überwinden will, war ein weiterer an mehreren Stellen diskutierter Punkt. Auch die Rolle der Jugend und Student:innen, so zum Beispiel in den Uni-Besetzungen und Straßenprotesten gegen den Genozid in Palästina, wurde an verschiedener Stelle reflektiert.

Die Analysen, die auf dem Peoples’ Summit gemacht wurden, waren scharf und umfassend und auch ganzheitlicher, tiefer und faktenbasierter als wir es häufig aus deutschen linken Diskursen kennen. Man merkte, dass Aktivist:innen und Organisationen am Werk waren, die aus real stattfindenden, großen politischen Kämpfen kommen, in denen es nötig ist, sich mit dem Gegner, der Realität und den eigenen Möglichkeiten umfassend auseinanderzusetzen, um eine realistische Überlebenschance als Völker, als Bewegung, als widerständige Menschen zu haben.

Die verschiedenen Konfrontationen und Konflikte auf der Welt wie in der Ukraine, in Indien, auf den Philippinen, in Palästina, dem Iran oder zwischen den USA und China sowie politische Prozesse wie die westliche Militarisierung und Faschisierung wurden aus den ökonomischen und geopolitischen Interessen des US-NATO-Machtblocks als immer noch führender Weltmacht abgeleitet und alle Einzelsituation in ein größeres ganzes Bild von globalen Prozessen und teils geplanten Entwicklungen eingeordnet ohne dabei das Weltbild vor die Analyse zu stellen. Mit scheinbarer Leichtigkeit wurde vom Großen ins Kleine und vom Kleinen ins Große gezoomt und die Wechselwirkung von NATO-Imperialismus und Widerständen der Völker dargestellt.

Auffällig war, dass die Bündnisorganisationen des gastgebenden Resist NATO-Bündnisses zum allergrößten Teil aus dem Globalen Süden oder der Semi-Peripherie kamen oder zumindest internationale Netzwerke waren. Die International League for Peoples’ Struggle oder die International Peoples’ Front als Beispiel sind große antiimperialistische demokratische Zusammenschlüsse linker größtenteils Diaspora-Organisationen sozialistischer Befreiungskämpfe, deren Mitgliedsorganisationen wie beispielsweise die kommunistische philippinische Bewegung, türkische kommunistische Parteien, die kurdische Bewegung oder palästinensische Gruppen mitunter zehn- bis hunderttausende Anhänger:innen haben. In diesen transnationalen antiimperialistischen Bündnissen, welche gerade in jetzigen Zeiten weltweiter Kriege und Aufrüstung und imperialistischer Aggression immer wichtiger werden, sind jedoch bislang kaum europäische und deutsche Gruppen und Strukturen vertreten.

Parallel dazu fanden mehrere weitere Gegengipfel verschiedener demokratischer, linker und friedenspolitischer Spektren mit teils mehreren hundert Teilnehmenden statt, ein Umstand, welcher eine noch bestehende Zersplitterung der Antikriegskräfte zumindest in den Niederlanden offenbart.

Treffen wie der Peoples’ Summit in Amsterdam sind Möglichkeiten, sich zu vernetzen, auszutauschen, gemeinsame Gegenstrategien zu diskutieren und die Organisierung einer demokratischen, antiimperialistischen Friedenskraft zu stärken. Der Peoples’ Summit hat uns aber auch gezeigt, wo wir uns selbst noch in einer deutschen Bubble befinden, sowohl diskursiv, als auch organisatorisch und wo demnach die nächsten nötigen Schritte liegen. Ein erster könnte die Schaffung einer Art deutschlandweiter antiimperialistische/Antikriegsplattform sein, die sich auf gewisse inhaltliche Grundsätze einigt und auf Grundlage dessen in der Lage ist, größere Mobilisierungen auf die Beine zu stellen oder sich eben auch an internationalen Zusammenschlüssen kämpfender Bewegungen gegen den Krieg und Imperialismus zu beteiligen. Vielleicht könnte ja das Rheinmetall Entwaffnen-Camp vom 26.-31. August in Köln ein weiterer Schritt in diese Richtung sein. Wir werden auf jeden Fall dort sein…