Ein Kommentar der Redaktion zur wertegeleitenden Umgehung der Wahl
“ Nach der Parlamentswahl in Georgien wollen die künftigen prorussischen Parteien nun noch schnell im Parlament mit den alten Mehrheitsverhältnissen eine Verfassungsänderung beschließen. Mit der neuen Sitzverteilung im Parlament wäre diese nicht möglich. „
Europäische Politiker wären auf den Barrikaden, die Grünen erbost. „Angriff auf die westlichen Werte“ „Georgien verabschiedet sich von Europa“ hieße es in der taz. Die SZ würde von den russischen Netzwerken, die im Hintergrund die Fäden ziehen, schreiben. Die Tagesthemen würden einen charismatischen Pro-Europäer porträtierten, der bei den friedlichen Protesten beim Feuerwerk auf die moskau-treue Polizei schießen festgenommen wurde. Strack-Zimmermann würde fordern, endlich durchzugreifen und deshalb Taurus an die Ukraine zu liefern. Die Heinrich-Böll-Stiftung intensivierte ihre Unterstützung für die unabhängigen Medien im Land.
Tja, aber es ist nun mal nicht Georgien und keine pro-russischen Parteien, also gibt es Zuspruch von den Grünen und Unterstützung von der EU. Die taz schreibt davon, dass der „Bundestag das darf“ und versteift sich zur These, dass gerade in Zeiten mit „anderen Mehrheiten“ Verfassungsänderungen geboten seien. Und ohnehin, es geht ja nur um eine Ziffer, von 100 Milliarden auf 200 oder 400 Milliarden. Also habt euch mal nicht so, ihr Lumpendemokraten. Die Grünen wollen für sich was bei der Umgehung des Wahlergebnisses für sich rausschlagen, schließlich war es ja ihre Idee. Mit der Özdemir, Habeck und Baerbock schon am Morgen nach der Wahl um die Ecke kamen. Die SZ schreibt von lustigen Anekdoten, als schon mal Abgeordnete aus dem Urlaub zurückgerufen wurden – sogar aus dem Urlaub. „Schwimmen sie nicht zu weit raus“ Zwinker, zwinker. Strack-Zimmermann erklärt, sie würde es genauso machen, wenn sie nicht in ihrem Brüsseler Büro zu sitzen hätte.
Die Heuchelei, mit der die noch nicht einmal neue Regierung mit größter Selbstverständlichkeit ein Wahlergebnis umgeht, weil es ihr nicht in den Kram passt. Das komplette Schweigen der vermeintlichen vierten Gewalt in Form der größten Medieninstitutionen, ob privat oder öffentlich, die es sich anscheinend in der Hundehütte des Bundestags häuslich eingerichtet haben, ist ein historisches Versagen, das uns noch lange heimsuchen wird.
Dieser Prozess muss als ein Tabubruch in der politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland verstanden werden, der möglicherweise weit über den „Fall der Brandmauer“ hinausgeht. Die Umgehung eines Wahlergebnisses ist in 75 Jahren der Bundesrepublik einmalig, verfassungsrechtlich fragwürdig und offenbart, wozu selbst die „liberalsten“ der Parteien ohne mit der Wimper zu zucken fähig sind, wenn sie nur wollen.
Dass auf diese Entscheidung keine Massendemonstrationen folgen oder zumindest ein Aufschrei in der ach so bundesrepublikanischen Presse zeugt davon, wie dünn die Fassade ist, was sich in diesem Land gern als Hüter der Demokratie darstellt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?
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