„Wenn wir ehrlich sind wissen wir es ist möglich“ – Erster Prozesstag gegen Maja T.

22. Februar 2025

„Wenn wir ehrlich sind wissen wir es ist möglich“ – Ein Bericht vom erster Prozesstag gegen Maja T.


Am 21.02.2025 hat der erste Prozesstag der nonbinären Aktivist:in Maja T. in Budapest stattgefunden. Vor dem Gericht haben sich um die 50 Leute versammelt, die den Prozess solidarisch begleiten wollen. Sie sind angereist aus Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz und stehen ab 7 Uhr morgens mit Transparenten und Schildern auf der anderen Straßenseite. Auch der Vater und die Stiefmutter von Maja sind angereist, der Vater hält eine Rede und erklärt, dass er mit Angst auf den Prozess blickt.

Der Fall hat bereits große Wellen geschlagen, erst vor einigen Tagen hatte das deutsche Verfassungsgericht festgestellt, dass die Auslieferung von Maja nach Ungarn rechtswidrig war. Das zuständige Kammergericht Berlin habe seine Pflicht verletzt, die Haftumstände, die Maja als nonbinäre Person in Ungarn erwarten würden, zu überprüfen und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Majas Anwalt in Ungarn Tamás Bajáky führte dies auch vor Gericht an. Aber interessieren tat das natürlich niemanden mehr, die Beamten, die es verschulden haben, werden nicht belangt. Der ungarische Richter József Sós wird später ebenfalls erläutern, dass es für den Prozess und die Schuldfeststellung in Ungarn keine Rolle spielt.

Um kurz vor 9 geht es dann in den Gerichtssaal, alle werden halbherzig durchsucht, die Sicherheitsvorkehrungen sind ein Witz, wenn man sich überlegt, wie dieser Prozess inszeniert wird. Wir erinnern uns, wie die Angeklagte Ilaria Salis in Ketten und an einer Leine im Gericht vorgeführt wurde.

Auch Maja betritt das Gericht in Ketten begleiten von zwei vermummten Polizisten und einem riesigen Applaus. Die Angehörigen und Genoss:innen warten bereits seit einer halben Stunde und als Maja endlich durch die Tür kommt, freuen sich alle. Wir können uns nicht vorstellen, wie es sein muss, sein eigenes Kind so in Ketten gelegt zu sehen, aber Maja strahlt auch eine unglaubliche Kraft aus.

Nachdem der Applaus geendet hat, verliest die Staatsanwältin Andrea Jenei die verkürzte Anklageschrift. Alles wird für Maja und das Publikum per Mikrofon auf Deutsch übersetzt. Vorgeworfen wird Maja die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und schwere Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft geht als Erstes auf die kriminelle Vereinigung ein, die sich angeblich 2017 in Leipzig gegründet haben soll. Inwiefern Maja dort genau beteiligt gewesen sein soll, wird nicht näher erläutert. Später soll dieselbe Vereinigung dann 2022 nach Budapest gereist sein, um am „Tag der Ehre“ gezielt Neonazis anzugreifen. Dort soll Maja an mindestens zwei Angriffen auf sechs Personen beteiligt gewesen sein. Dabei betont die Staatsanwaltschaft immer wieder die Schwere der Angriffe, und spricht davon, dass „die Todesfolge mindestens in Kauf genommen wurde“. Das wirkt etwas lächerlich, da sie gleich darauf erklärt, dass keine:r der Geschädigten eine Genesungszeit von mehr als 6-8 Wochen hatte.

Nach der Anklageschrift spricht Majas Anwalt. Er betont neben der illegalen Auslieferung vor allem, dass Maja bis heute nicht die vollständigen Akten des Verfahrens auf Deutsch vorliegen und es somit unmöglich ist, sich auf eine Verteidigung vorzubereiten. Laut Anwalt sind von den circa 9000 Seiten bisher lediglich 10 % übersetzt, Videos wurden Maja zwar als DVD ausgehändigt, allerdings ohne ein Gerät, um diese abzuspielen. Die Pflicht, die Akten vollständig zu übersetzen und auszuhändigen liegt bei den ungarischen Behörden.

Nach einem kleinen hin und her zwischen Anwalt und Richter folgt der Höhepunkt dieses Prozesstages: Maja wurde schon im Vorhinein ein Deal eröffnet, nach dem Maja sich schuldig bekennen und eine Haftstrafe von 14 Jahren bekommen würde. Sollte Maja den Deal nicht annehmen, würden bis zu 24 Jahre drohen. Der Richter fragt, ob Maja diesen Deal annimmt.

„Nein ich gestehe meine Schuld nicht ein!“

Maja geht auf den Deal nicht ein, bekennt sich nicht schuldig. Stattdessen verliest Maja etwa eine halbe Stunde lang eine Erklärung. Darin geht Maja auch auf die eigene queere Identität ein, die durch den ungarischen Staat unterdrückt und unsichtbar gemacht wird: „So stehe ich nun hier, bin in Fesseln gelegt und werde angeklagt in einem Land, für das ich als nonbinärer Mensch, als Maja, nicht existiere. Es ist ein Staat, der ganz offen Menschen wegen ihrer Sexualität oder ihrem Geschlecht ausgrenzt und separiert“.

Außerdem geht es auch um den Rechtsruck in Europa und die „Geschädigten“, die von der Staatsanwaltschaft immer wieder als zufällige und unschuldige Opfer dargestellt werden . Maja erklärt: „Ich werde angeklagt von einer Staatsanwaltschaft, die in meinem Inneren flammenden Hass zu erkennen vermag, während sie in jenen Menschen, die Täter:innen und Verbrechen des Holocaust als eine Minderheit, die es zu schützen gilt, glorifizieren, betrachtet. So ist es unerlässlich klarzustellen, dass die Staatsanwaltschaft behauptet, ich hätte Menschen körperlich angegriffen, die vor zwei Jahren in diese Stadt kamen um am sogenannten“Tag der Ehre“ teilzunehmen. Dabei handelt es sich um Tage mit Demonstrationen, Wanderungen und Konzerten, die als internationales Treffen für rechtsextreme dienen, legitimiert und gefördert von staatlichen Akteuren. Dort versammeln sich Menschen um voller Stolz und offener Verehrung jene Wege zu schreiten, welche einst deutsche und ungarische Faschisten wählten, um vor ihrer Verantwortung als Mörder zu fliehen. Sie feiern bei Konzerten von tiefst rassistischen und antisemitischen Bands, die zu Hass und Gewalt aufrufen und spenden so Geld an rechtsterroristische Netzwerke wie „Blood and Honor“

Maja erzählt auch ausführlich von den schlechten Haftbedingung in Ungarn. Maja erklärt, dass Maja isoliert ist, jede Stunde mit einem grellen Licht geweckt wird. Es gibt Kakerlaken in der Zelle und das Essen ist teilweise verschimmelt. Und das alles seit 8 Monaten. Bereits die zuvor inhaftierte Ilaria Salis hatte von Ungeziefer in den Zellen und schlechter medizinischer Versorgung berichtet. Maja richtet in diesem Kontext auch harte Worte an den ungarischen Staat: „Weder bin ich in diesem Land zu Hause, noch habe ich es vollbracht seine Sprache zu erlernen. Doch ich weiß, was es seinen Bürgern antut, habe gehört wie es jene Menschen behandelt, die ihm schutzlos ausgeliefert sind. Ja, ich hörte Schreie und Schläge aus anderen Zellen, das Wimmern und Weinen, Wut und Verzweiflung die mit der Zeit jede menschliche Melodie verliert.“

Nach der Prozesserklärung gibt es erneut Applaus, das Publikum ist sichtlich berührt. Es ist beeindruckend, wie viel Stärke Maja ausstrahlt, der ganze Raum und die Herzen der Besucher:innen strahlen.

„Ich habe euch verdammt lieb.“

Der Anwalt hatte einen Antrag gestellt, dass die schweren Haftbedingungen für Maja aufgehoben werden. Seit 8 Monaten befindet Maja sich in kompletter Isolationshaft. Es gibt keinen Kontakt zu Mitgefangenen, lediglich 2 Stunden Besuchszeit im Monat und 1 Stunde Hofgang alleine am Tag. Zudem stellte er einen Antrag auf Hausarrest, der Vater von Maja hatte extra in Budapest eine Wohnung angemietet und Majas ehemaliger Arbeitgeber hatte bestätigt, dass er Maja wieder einstellen wolle. Aber der Richter lehnt dies, wegen Fluchtgefahr, ab. Ebenfalls hatte der Anwalt eine Bestätigung einer Schule mitgebracht, bei der Maja online Unterricht nehmen könne, aber auch das wurde abgelehnt. Ohnehin lehnt der Richter heute jeden Antrag des Anwalts ab und gibt sich ruhig und gelassen. Mehrmals stellt auch er fest, dass Maja sich bisher zwar tadellos verhalten habe, jedoch seien die Haftbedingungen Sache der Strafvollzugsanstalt.

Nach einer Pause folgen noch einige Beweisanträge des Anwalts. Er fordert unter anderem, dass alle Zeug:innen vor Gericht erscheinen sollen, um eine Befragung zu ermöglichen, außerdem sollen auch Videomaterialien gezeigt werden. Immer wieder sind auch von draußen „Free Maja“-Rufe zu hören, was den Richter sichtlich stört. Er ermahnt das Publikum, muss dann jedoch feststellen „Der Lärm kommt von der Straße“. Schließlich gibt der Richter den nächsten Prozesstermin bekannt. Der Prozess wird am 06.03.2025 um 9 Uhr fortgesetzt.

Bevor Maja abgeführt wird, gibt es erneut einen riesigen Applaus und Parolen aus dem Publikum. Genoss:innen von Maja stehen auf und enthüllen einen „Free Maja“ Schriftzug auf ihren T-Shirts. Alle rufen, zeigen Herzen und klatschen. Es ist klar zu sehen, wie viel Kraft das sowohl Maja als auch den Angehörigen und Freund:innen gibt. Als die Tür hinter Maja ins Schloss fällt, macht sich eine Trauer breit. Durch das eingeschränkte Besuchsrecht und die weite Entfernung vom Lebensmittelpunkt werden viele Maja wohl erst wieder zum nächsten Besuchstag sehen können.

Aber es ist auch klar zu spüren, dass Majas starke Präsent und die Erklärung eine kämpferische Stimmung hinterlassen haben.

Prozessauftakt auch in München

Auch der Prozess gegen die im gleichen Fall angeklagte Hanna S. startete am 19.02.2025 in München. Sie wurde am 06.05.2024 in Nürnberg festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Bei Hanna hatte keine Auslieferung stattgefunden und diese sei laut einem Sprecher des Oberlandesgerichts München auch nicht zu erwarten. Hanna wird von der Bundesanwaltschaft versuchter Mord sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Der Anwalt von Hanna kritisiert die Generalbundesanwaltschaft und wirft ihnen vor, das Verfahren massiv zu eskalieren. Dabei führt er auch an, dass der Haftbefehl sowohl bei Maja als auch bei Hanna sich lediglich auf den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung beschränkt, da der Bundesgerichtshof es abgelehnt hatte, einen Haftbefehl wegen versuchten Mordes zu erlassen. Auch in München sind einige solidarische Genoss:innen angereist und haben Hanna vor Gericht mit Parolen und Applaus unterstützt.

Foto: privat

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