Seit Frühjahr letzten Jahres existiert der Bund der Kommunist:innen (BdK) in Berlin, erst jetzt hat die Gruppe ihre Gründung öffentlich gemacht. Ab dem 1. Mai gibt sie die Organisationszeitung „Die Proletin“ heraus, in der dieses Interview mit zwei Sprecher:innen erschienen ist, das wir hier vorab publizieren.
Mit dem Bund der Kommunist:innen (BdK) gibt es eine neue kommunistische Gruppierung in Berlin. Was ist das programmatische Fundament der Gruppe und für welche Positionen steht ihr ein?
Daniel: Wir haben uns ein Programm gegeben, das einerseits sehr „klassische“ Positionen vertritt, die einer klassenbewussten, revolutionären Linken. Wir sind eine kommunistische Organisation, das heißt, der Zweck unserer Organisation ist das Erstreiten einer klassenlosen Gesellschaft, in der keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen existiert. Wir stellen uns dabei in die Tradition der Arbeiterbewegung und der antikolonialen Bewegungen, wobei wir deren Erfahrungen aufgreifen und weiter entwickeln wollen. Das ist ziemlich old school, aber wir haben auch alle die Erfahrung gemacht, dass das doch sinnvoller ist, als diverse Modetrends.
Dilan: Es gibt vieles, was in unserem Programm Konsens unter Kommunist:innen sein dürfte: Es ist antimilitaristisch und antiimperialistisch im Sinne der Unterstützung progressiver Bewegungen gegen den Imperialismus; es ist selbstverständlich feministisch und antirassistisch; es ist internationalistisch in dem Sinne, dass wir die hiesige Arbeiterklasse als Sektion der Weltarbeiterklasse sehen und gegen sozialchauvinistische, nationalistische Krisenlösungen eintreten. Und so weiter.
Aber ich will vielleicht zwei „Besonderheiten“ im deutschen Kontext hervorheben: Erstens, wir halten die Schaffung einer militanten Avantgarde der Klasse für notwendig – ‚militant‘ nicht in dem landläufigen Sinne von gewaltsam oder aggressiv, sondern als Haltung der Unversöhnlichkeit und als Anspruch an uns selbst, so diszipliniert wie möglich an unseren Zielen zu arbeiten. Und zweitens wir setzen strategisch auf einen Ansatz der „Gegenmacht“, also des schrittweisen Aufbaus von offenen Basis-Institutionen in Nachbarschaften, Betrieben und kulturellen Milieus, die sozusagen Massenorganisationen werden sollen.
Eine Frage, die sich aufdrängt, ist: Warum angesichts der Zersplitterung der Linken überhaupt eine neue Gruppe?
Daniel: Nun, wir sind ja zum einen eine Fusion aus Kreisen, die zuvor in anderen Organisationen waren. Da bildete sich ein Pol von Genoss:innen heraus, denen die bestehenden Formen, sich zusammen zu schließen, zu unverbindlich waren. Für uns war entscheidend: Wir wollen ein klares politisches Programm. Wir wollen eine Arbeitsweise, die auf Verankerung im Proletariat abzielt. Und wir wollen ein Statut, Institutionen und klare Verantwortlichkeiten, auch eine Überprüfbarkeit von Erfolg und Misserfolg. Also haben wir das ausgehandelt und eine Grundlage für so eine Organisation geschaffen.
Insgesamt ist es wohl der Versuch, auf ein augenscheinliches Missverhältnis zu antworten: Einerseits leben wir in einer Zeit, in der eine sozialistische, kommunistische Antwort auf die vielfachen Krisen des Kapitalismus offensichtlich erscheint. Und dann leben wir aber doch in einer Zeit, in der die „Linke“ – insgesamt, nicht nur diese Partei – den Menschen diese Antworten nicht vermitteln kann. Wir wollen mit unseren bescheidenen Mitteln helfen, dieses Missverhältnis zu beseitigen. Wir sehen dabei auch andere, die sich in eine ähnliche Richtung entwickeln und das finden wir gut, wir haben ja kein Monopol auf dieses Konzept.
Der BdK wurde schon vor über einem Jahr gegründet, ihr habt euch entschieden, erst jetzt an die Öffentlichkeit zu treten. Warum?
Daniel: Wir wollten etwas vorweisen können, das Hand und Fuß hat. Und es gab keine Notwendigkeit, bevor man einigermaßen stabil aufgestellt ist, an die Öffentlichkeit zu treten und irgendwelche Erklärungen ins Internet zu schreiben. Wir mussten zunächst einmal die interne Gliederung, Statut und Programm ausformulieren und mit Leben füllen, mit der Arbeit beginnen. Dann erschien es uns der richtige Zeitpunkt mit der Öffentlichkeitsarbeit zu beginnen.
Wir finden es auch richtig, uns im Aufbau einer Organisation einen eigenen Rhythmus zu geben, also nicht hektisch alles auf einmal zu wollen, sondern kollektiv zu planen und dann nach diesem Plan vorzugehen.
Welche Themen und Arbeitsfelder werden dieses Jahr bei euch im Mittelpunkt stehen?
Dilan: Wir haben ja langfristige Arbeitsfelder: Die Arbeit an der Basis in den Stadtteilen, die Mitarbeit in politischen und sozialen Bewegungen. Da geht es uns um Aufbau-Arbeit, um die Verwurzelung in der Nachbarschaft oder in politischen Widerstandsbewegungen. Unsere Stadtteilkomitees betreiben drei Ladenlokale, im Wedding, in Neukölln und in Lichtenberg. Das ist oft sehr kleinteilig, aber entscheidend, weil ohne Ansprechbarkeit und Sichtbarkeit im Alltag wird man nicht weit kommen.
Dann haben wir andere Arbeitsfelder wie zum Beispiel regelmäßige in- und externe Bildungsveranstaltungen, weil wir viel Wert darauf legen, uns die eigene Theorie anzueignen und da auch alle gemeinsam auf der selben Grundlage zu stehen.
Daniel: Dazu kommen jetzt, da wir den Schritt in die Öffentlichkeit getan haben, die jeweils tagesaktuellen Lagen: Die Kriegsgefahr und Militarisierung und die Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiter:innen und Erwerbslosen Weltweit.
Wie schätzt ihr die Perspektive der Kommunist:innen in Deutschland mittelfristig ein?
Dilan: Man darf sich da nicht selbst anlügen. Wir wissen ganz gut, dass wir heute in der Defensive sind. Einerseits ist der Antikommunismus eine weit verbreitete und wirksame Ideologie. Zum anderen muss man eben auch ehrlich sagen: Die außerparlamentarische Linke hat die Arbeiter:innen und Armen in den vergangenen Jahrzehnten nicht mal als Adressat ihrer oft völlig abgehobenen, abstrakten Debatten gesehen. Da darf man sich auch nicht wundern, wenn die Klasse einen im besten Fall ignoriert. Da haben wir viel wieder gut zu machen.
Die Kämpfe der kommenden Zeit werden vor allem Abwehrkämpfe sein, aber auch gerade deshalb ist es wichtig, in diesen Auseinandersetzungen den Organisationsgrad zu erhöhen, um irgendwann wieder in die Offensive gehen zu können. Das mag jetzt weit weg klingen, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Außerdem sind wir ja selbst Arbeiter:innen, Erwerbslose, Studierende – viele davon mit sogenanntem Migrationshintergrund. Also was haben wir zu verlieren? Nicht viel. Aber wie heißt es so schön: wir haben eine Welt zu gewinnen.
Das hier ist ja eine Verteilzeitung, also wie kann eine Person, die dieses Blatt in die Hand bekommt und die bei euch mitmachen will, das tun?
Dilan: Zu dem Ansatz der Verbindlichkeit, den wir oben kurz angerissen haben, gehört auch, dass wir in die Kernorganisation nur Menschen aufnehmen, mit denen uns bereits ein paar Monate Zusammenarbeit in den Stadtteilkomitees und an der Basis verbindet. Der richtige Ort ist also dort: Da gibt es jede Menge gemeinsamer Arbeit im Alltag, man lernt sich kennen und wer sich dann auch weitergehend organisieren will, kann von dort aus beitreten.
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