Operation Baam – Ein strategischer Meilenstein im Befreiungskampf Belutschistans 

5. September 2025

Autor*in

Gastbeitrag

Von Ruzn, Belutschische politische Aktivistin

Zwischen dem 9. und 11. Juli 2025 startete die Baloch Liberation Front (BLF) Operation Baam, eine koordinierte, landesweite Militärkampagne im besetzten Belutschistan. In nur 72 Stunden wurden über 84 Anschläge ausgeführt, was sie zur größten und synchronisiertesten Offensive der BLF bis heute macht. „Baam“ bedeutet Morgendämmerung auf Balochi und symbolisierte nicht nur eine taktische Eskalation, sondern den Beginn eines neuen strategischen Kapitels im belutschischen nationalen Befreiungskampf.

Der Kontext: Belutschistan unter Besatzung

Belutschistan, die größte Provinz Pakistans nach Fläche und Bodenschätzen, befindet sich seit 1948 in militärischer Besatzung. Trotz geo-strategischer Bedeutung und umfangreicher mineralischer Ressourcen sehen sich die belutschischen Menschen politischer Marginalisierung, wirtschaftlicher Ausbeutung und einer brutalen Counterinsurgency-Kampagne ausgesetzt, geführt von Pakistans Militär und Geheimdiensten.

Der belutschische Widerstand, sowohl bewaffnet als auch gewaltfrei, besteht seit Jahrzehnten. Die Baloch Liberation Front gilt als eine der wichtigsten bewaffneten Formationen, die gegen die pakistanische Herrschaft kämpfen, und operiert vornehmlich in den südlichen und zentralen Regionen Belutschistans.

Was machte Operation Baam anders?

Im Gegensatz zu früheren Guerilla-Aktionen stand Operation Baam für eine High-Level mehrfronten Kampagne. Die BLF behauptet, dass bei der Operation über 50 pakistanischen Militär- und Geheimdienstmitarbeitern getötet wurden, während 51 weitere verletzt wurden. Neun Geheimdienstler sollen an einer Checkpoint-Position in Musakhel gefangen genommen und hingerichtet worden sein.

Wesentliche Merkmale der Operation umfassen:

  • 84 gleichzeitige Angriffe in mehreren Distrikten, darunter Kech, Awaran, Kohlu, Kalat und Dera Bugti.
  • Zerstörung militärischer und Überwachungsinfrastruktur, darunter 7 Mobilfunktürme und 5 Drohnen.
  • Beschlagnahme von Waffen und Dokumenten aus pakistanischen Armeelagern und Konvois.
  • Einrichtung von 22 temporären Kontrollpunkten, um kurzfristige Kontrolle über feindliches Territorium zu behaupten.
  • Koordination über unwegsames Gelände, von der Makran-Küste bis zu den Sulaiman-Bergen.

Das Ziel war deutlich: Militärische Mobilität lähmen, Überwachungskapazitäten zerstören und operative befreite Zonen schaffen. Dies markierte eine doktrinäre Verschiebung von taktischem Stören hin zu koordinierter Störung und psychologischer Dominanz.

Psychologische und politische Kriegsführung

Über den militärischen Erfolg hinaus hatte die Operation Baam ein schweres symbolisches Gewicht. Sie zeigte die Fähigkeit der BLF, den Mythos der Staatsskontrolle herauszufordern und direkt die Infrastruktur der Besatzung anzugreifen. Die Operation war auch eine politische Botschaft an den pakistanischen Staat, an die belutschische Bevölkerung und an die Welt: Der Widerstand ist nicht zerbrochen; er entwickelt sich weiter.

Sie erfolgte zu einer Zeit, in der urbaner belutschischer Aktivismus unter der Führung von Frauen, Studenten und Familien der Verschwundenen zunahm. Operation Baam bildete eine Brücke zwischen Bergen und Städten, Waffen und Stimmen, in einer einheitlichen Erzählung des Widerstands.

Baam im Kontext eines wachsenden Widerstands

Operation Baam brach nicht einfach isoliert aus; sie war die schärfste Klinge einer breiteren Eskalation im belutschischen Befreiungskampf.

Laut einem jüngsten Bericht des belutschischen Innenministeriums verzeichnete die Provinz zwischen dem 1. Januar und dem 11. Juli 2025 501 bewaffnete Vorfälle, die 257 Todesopfer und 492 Verletzte forderten. Von diesen richteten sich 332 Angriffe speziell gegen Staatstruppen, sie töteten 133 Soldaten und verletzten 338. Tötungen von Siedlern sollen im Vergleich zu 2024 verdoppelt worden sein, mit 52 Toten, die bei 14 Angriffen getötet wurden – eine Zahl, die der Staat nutzt, um die Befreiungsbewegung zu diskreditieren.

Die Allianz der bewaffneten Gruppen der Belutschen unter der Führung von Baloch Raaji Aajoi Sangar (BRAS), darunter die BLA und die BLF, hat jedoch die Darstellung des Staates zurückgewiesen. In ihren Erklärungen warf die BRAS dem pakistanischen Militär vor, absichtlich Siedler und nicht-lokale Arbeitskräfte in militarisierten Zonen anzusiedeln, um Zustimmung für die Besatzung zu erzeugen. Sie behaupten, dass staatliche Streitkräfte, Geheimdienstmitarbeiter und die Infrastruktur der Rohstoffindustrie ihre primären Ziele seien.

In ihren eigenen Halbjahresberichten:
•    Die BLA gab 284 Angriffe an, bei denen 724 feindliche Soldaten getötet und 373 verletzt worden seien.
•    Die BLF meldete 302 Angriffe, bei denen 221 Feinde getötet und über 148 verletzt worden seien.
•    Zusammen behaupten die beiden Gruppen, 151 Waffen beschlagnahmt, dutzende Fahrzeuge zerstört und kurzzeitig die Kontrolle über Militärposten übernommen zu haben.
•    53 Kämpfer wurden getötet – 29 von der BLA, 17 von der BLF und 7 Selbstmordattentäter.

Unabhängig davon, ob man den staatlichen Daten oder den Kommuniqués der Widerstandgruppen Glauben schenkt, bleibt eine Wahrheit bestehen: Belutschistan befindet sich in einem Zustand des eskalierenden Kampfes, nicht nur in einer bloßen Sicherheitskrise.

Eine Verschiebung des Gleichgewichts

Die Operation Baam war keine einmalige Machtdemonstration, sondern eine Erklärung der Ausdauer, der Leistungsfähigkeit und der Ausrichtung der Bewegung. Sie signalisierte, dass die Belochistan Liberation Front und die breitere Unabhängigkeitsbewegung sich nicht mehr auf reaktive Verteidigung beschränken, sondern in eine Phase strategischer Durchsetzung eingetreten sind.

Für den Staat war es ein Schlag gegen die Illusion der Kontrolle. Für das Volk der Belutschen war es eine Erinnerung daran, dass der Widerstand lebendig ist. Und für die Welt sollte es ein Weckruf sein: Belutschistan ist nicht nur eine vergessene Peripherie, sondern ein Schlachtfeld für Würde, Souveränität und das Recht auf Selbstbestimmung.