Aufklärung über die Klimakrise: „Burn Baby Burn“ von Steen Thorsson

29. Mai 2025

Eine Buchrezension zu dem Buch ‚Burn Baby Burn – Kapitalismus als Ursache der Klimakrise und die Psychopathologien ihrer Leugnung‘ von Steen Thorsson.

von Christoph Morich


Die Klimakrise stellt das vorherrschende Denken vor einen unlösbaren Widerspruch. Man möchte, dass alles so weiterläuft wie bisher, ohne dass am Ende dasselbe Ergebnis herauskommt. Auf diversen Klimakonferenzen erarbeitete Vorhaben zur Bekämpfung des Klimawandels erweckten schon bei ihrer Verkündung den Eindruck, als würden die Politiker:innen selbst nicht so recht daran glauben, irgendetwas damit zu bewirken. Die in Parlamenten verabschiedeten Maßnahmen wurden in erster Linie danach beurteilt, ob sie der heimischen Wirtschaft in der Staatenkonkurrenz einen Wettbewerbsvorteil herausschlagen können oder zumindest keinen Nachteil erzeugen; ob sie tatsächlich helfen, die drohenden Kipppunkte des Klimas abzuwenden, deren Folgen nicht abzusehen sind, bleibt zweitrangig. Der Tauschwert herrscht über den Gebrauchswert. Der öffentliche Diskurs über die Bekämpfung des Klimawandels erinnert oft an die Friedensappelle in der Ostermesse, ein eingeübtes Spiel, bei dem sich alle Beteiligten über die Folgenlosigkeit vollkommen klar sind. Eine tatsächlich verändernde Praxis hingegen hat die Aufklärung über diesen scheinbar ausweglosen Zustand zu ihrer Voraussetzung. Die Klimakrise ist eine der drängendsten Fragen für eine kritische Theorie, die unsere Zeit begrifflich erfassen möchte. Der Gegenstand des Buches ‚Burn Baby Burn – Kapitalismus als Ursache der Klimakrise und die Psychopathologien ihrer Leugnung‘ könnte wichtiger kaum sein. Denn nur wenn wir die unbewussten gesellschaftlichen Verhältnisse begreifen, die uns immer wieder zu demselben Ergebnis kommen lassen, gewinnen wir die Freiheit, mittels der Vernunft auf dieses Ergebnis einzuwirken. Wo nicht verstanden wird, wird blind agiert. „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken.“ (Marx)

In den vergangenen Jahrzehnten scheint sich auch in den Gesellschaften des globalen Nordens ein Gefühl für diese gesellschaftliche Orientierungslosigkeit durchzusetzen, die der Historiker Eric Hobsbawm am Ende des 20. Jahrhunderts so beschrieb: „Am Ende dieses Jahrhunderts war es zum ersten Mal möglich, sich eine Welt vorzustellen, in der die Vergangenheit (auch die Vergangenheit der Gegenwart) keine Rolle mehr spielt, weil die alten Karten und Pläne, die Menschen und Gesellschaften durch das Leben geleitet haben, nicht mehr der Landschaft entsprachen, durch die wir uns bewegten, und nicht mehr dem Meer, über das wir segelten. Eine Welt, in der wir nicht mehr wissen können, wohin uns unsere Reise führt, ja nicht einmal, wohin sie uns führen sollte.“ Wir befinden uns in einer historischen Epoche, in der die kapitalistische Gesellschaft ihr Glücksversprechen, das sie niemals einlösen konnte, noch nicht einmal mehr versucht, ernsthaft hochzuhalten. Es geht einzig noch darum, „den Gürtel enger zu schnallen“. Im Alltagsbewusstsein der Menschen wächst zunehmend ein Gefühl, dass die beste aller Gesellschaften, in der wir leben, keine gute ist. Doch aus diesem Unbehagen entwickelt sich gegenwärtig nur wenig Bewusstsein über die gesellschaftliche Irrationalität, sondern das Bewusstsein scheint sich immer weiter dieser Irrationalität anzupassen.

Die Notwendigkeit aufklärender Vernunft

Die Voraussetzung dafür, dass die Menschheit bewusst in den Gang der eigenen Geschichte eingreifen kann, ist die Aufklärung über den Gegenstand, einem „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Kant) gegenüber einem System, dessen Logik die Menschen unterworfen sind, ohne es zu begreifen und welches die Klimakatastrophe als unentrinnbar erscheinen lässt. Denn nicht nur der Klimawandel selbst, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, die ihn verursachen, müssen als menschengemacht begriffen werden, um den Klimawandel zu stoppen. In seinem Buch unternimmt Steen Thorsson den Versuch, „die gesellschaftlichen Verhältnisse zu beschreiben, die die gegenwärtige ökologische und sozial-ökonomische Krise hervorgebracht haben und in zunehmendem Maße die Natur und die menschlichen Beziehungen verwüsten.“ Die mannigfaltigen Erscheinungen der Klimakrise und der Debatten darüber lassen sich nach Thorsson ohne ein Denken, das Psychoanalyse, kritische Theorie des Subjekts und kritische Gesellschaftstheorie miteinander vermittelt, nicht begreifen. Gemeinsam ist diesen drei Denkschulen, dass sie sich den gegebenen Erscheinungen der Gesellschaft nicht beugen, sondern nach einem tieferliegenden Zusammenhang suchen, um die in der Wirklichkeit verborgene Möglichkeit der Veränderung aufzuzeigen.

Die Verbindung von marxistischer Gesellschaftskritik und Psychoanalyse hat ihren Ursprung in dem Werk von Wilhelm Reich, der 1933 nüchtern feststellte: „Die ökonomische Lage setzt sich nicht unmittelbar und nicht direkt in das politische Bewusstsein um. Wäre das der Fall, die soziale Revolution wäre längst da.“ Um das zu erklären, müsse die Ideologie, die durch die ökonomischen Verhältnisse erzeugt wird, als materielle Gewalt begriffen werden, die die Menschen in gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie nicht begreifen, gefangen hält. „Es geht darum, dass jede Gesellschaftsordnung sich in den Massen ihrer Mitglieder diejenigen Strukturen erzeugt, die sie für ihre Hauptziele braucht.“ (Reich) Je irrationaler es erscheint, angesichts der drohenden Klimakatastrophe einfach so weiterzumachen wie bisher, desto irrationaler muss auch die Verarbeitung dieser Widersprüche in den einzelnen Subjekten werden. Die Psychopathologien der Leugnung der Klimakrise sind sowohl Produkt als auch aufrechterhaltender Faktor des gesellschaftlichen Amoklaufs, aus dessen Logik der Vernichtung es keinen Weg herauszugeben scheint.

Drill, Baby, drill!

Mit der zweiten Amtszeit von Trump ist diese Psychopathologie nun wieder offizielles Regierungsprogramm der USA. Wenn er auch sonst insgesamt wenig versteht, so weiß er den handlungsleitenden Imperativ des gesellschaftlichen Amoklaufs offen auszusprechen. „Drill, Baby, drill!“. Fortschritt im Bewusstsein der Unfreiheit. Profitmaximierung ohne Rücksicht auf Verluste. Mensch und Natur haben sich in Zukunft ausschließlich vor dem Gerichtshof der Verwertbarkeit zu verantworten. Da ist es nur folgerichtig, dass Elon Musk gerade auf Ketamin den Staatsapparat zerlegt und Entwicklungshilfe, eine Gesundheits- und Sozialversorgung sowie ein noch irgendwie funktionierendes Bildungssystem in den USA zukünftig der Vergangenheit angehören. Alles Gesellschaftliche, das sich nicht unmittelbar als ökonomisch verwertbar ausweisen kann, inklusive der Hoffnung auf einen flächendeckend bewohnbaren Planeten, wird wegrationalisiert. Die liberale Antwort auf die autoritären Auswüchse, die sich auf globaler Ebene formieren, bleibt traditionell in ihrem Unverständnis gefangen. Die neoliberale Freihandelspolitik wird nicht als die Ursache des globalen Aufstiegs des Faschismus begriffen, sondern einmal mehr als Gegenentwurf in Stellung gebracht. Gegen die Pest hilft nur Cholera. Die intellektuelle Ohnmacht gegenüber dem Zustand der Welt wird an wenigen Dingen so deutlich, wie an dem Appell, jetzt keine großen Fragen zu stellen, sondern mit Entschlossenheit den Weg des „geringeren Übels“ zu wählen – in was auch immer dieses „geringere Übel“ gerade besteht. Doch die richtigen Antworten bedürfen der richtigen Fragen und diesen muss unser eigenes Denken standhalten, wenn wir uns im Sinne Hobsbawms darüber bewusstwerden wollen, wohin wir gerade segeln und wohin die Reise (besser nicht) gehen sollte. Der Weg des „geringeren Übels“ hingegen treibt auf hoher See und erhebt noch nicht einmal mehr den Anspruch, einen eigenen Kurs zu bestimmen.

Die herrschende Klasse aber betreibt Gegenaufklärung, um den notwendigen Zusammenhang der kapitalistischen Produktionsweise mit der Zerstörung von Mensch und Natur zu verschleiern. Ein anschauliches Beispiel dafür ist Thorsson’s Buch zu finden: es war der Mineralölkonzern BP, der Ideologie des „CO2-Fußabdruckes“ aus der Taufe hob und damit die Debatte über die Zerstörung der Natur durch Großkonzerne in den Bereich der individuellen Konsumentscheidungen der Menschen verlagerte. Wie sich aufklärendes Denken von dem verdinglichten Diskurs über das Klima unterscheidet, wird in dem Buch deutlich. Dafür verweist Thorsson zunächst auf die Notwendigkeit, sich der Geschichtlichkeit des Kapitalismus bewusst zu werden. Der historische Prozess der „ursprünglichen Akkumulation“ (Marx) ab dem 16. Jahrhundert, der die Menschen in erster Linie durch rohe Gewalt von ihren Produktionsmitteln trennte und sie zum Verkauf ihrer Arbeitskraft zwang, hat den Menschen in ein historisch-spezifisches Verhältnis zur Natur gesetzt. Natur und Ressourcen werden als „Objekte oder Dinge behandelt, rational eingeplant und für wirtschaftliche und technologische Zwecke verwertet, ohne dass dabei die sozialen und ökologischen Auswirkungen oder die moralische Dimension dieser Nutzung berücksichtigt wird.“ (Thorsson) Die Zerstörung der Natur ist also nicht die alternativlose Konsequenz des Daseins der Menschheit, wie es durch den Begriff des Anthropozäns suggeriert wird, sondern Ausdruck einer historisch-spezifischen Form der Menschen in ein Verhältnis mit der Natur zu treten, das überwunden werden kann.

Die Psychopathologien der Leugnung der Klimakrise

Solange der Schritt der Überwindung des Kapitalismus aber nicht vollzogen wird, sind die Folgen verheerend. In den Kapiteln über die Techno-Utopien aus dem Silicon Valley und die bereits in großem Stil finanzierten Projekte zum Geoengineering erfährt man als fachfremder Leser Dinge, die man lieber nicht wissen würde, wahrscheinlich aber doch wissen sollte, um das Ausmaß des gegenwärtigen Wahnsinns zu erkennen. Um den Ausdruck dieses gesellschaftlichen Wahnsinns in der Psychologie der einzelnen Individuen zu begreifen, führt das Buch in die Angsttheorien von Sigmund Freud und Melanie Klein ein, um anschließend deren Konzeption des Todestriebes in ihren Werken darzustellen. Ergänzt werden die psychoanalytischen Ansätze durch die Philosophie der Psychoanalyse von Herbert Marcuse. Hier entwickelt sich aus der Psychoanalyse eine kritische Theorie des Subjekts und von Gesellschaft. „Die zur Erhaltung und Stabilisierung der sozialen Herrschaft notwendige zusätzliche Unterdrückung der Subjekte und das etablierte Leistungsprinzip, was zu einer permanenten Konkurrenz zwischen den Subjekten führe, diene vor allem einem Zweck: der Aufrechterhaltung eines profitorientierten Produktionsapparates.“ (Thorsson) Ausgehend von diesen theoretischen Grundlagen wird die Psychopathologie der Leugnung der Klimakrise dargestellt, die sich „in zwei unterschiedlichen, aber miteinander verbundenen Formen“ (Thorsson) ausdrückt. Die Hoffnung des Geoengineering, den Folgen des Klimawandels durch technologische Erneuerungen zu entkommen, fasst Thorsson im Sinne Melanie Kleins als Ausdruck einer omnipotenten Verleugnung. „Technik“, so die These, „kann auch als idealisiertes Objekt erscheinen und so die Illusion einer technischen Lösung der Klimakrise schaffen, die jedoch der Abwehr massiver unbewusster Ängste dient.“ (Thorsson) In der zweiten Form, der Verleugnung der Klimakrise als solcher, kommt es nach Thorsson zu einer „Schiefheilung durch Massenwahn“, durch die sich die Angst vor der höheren Macht der Natur in Aggression gegen jene wendet, die auf die Folgen der Klimakrise hinweisen. Die militanten Verfechter des Lebensstils, der die Welt zugrunde richtet, werden zu konformistischen Rebellen par excellence: „Die objektive Irrationalität schafft Wut und Wahnsinn zugleich. Die Affekte sind dabei geleitet von Aggression und verplombt mit regressivem Ressentiment: Im Massenwahn fungieren die vermeintlichen Rebellen schließlich als Subjekte der Zerstörung und gleichzeitig als Subjekte der Affirmation bestehender Verhältnisse.“ (Thorsson) In dem Bild von Hobsbawm gesprochen: nicht segelnd, sondern motorisiert treibt die Menschheit ziellos über die Weltmeere. Und obwohl die Titanic sinkt, spielt die Kapelle weiter und die Passagiere möchten an Bord bleiben. Wer verstehen möchte, warum das Schiff sinkt und wie es um den mentalen Zustand dieser Passagiere bestellt ist, dem sei dieses Buch empfohlen.

Das Buch ‚Burn Baby Burn – Kapitalismus als Ursache der Klimakrise und die Psychopathologien ihrer Leugnung‘ von Steen Thorsson ist im Apil 2025 im Psychosozial-Verlag erschienen.

Fotos: Collage mit U.S. Forest Service- Pacific Northwest Region, Public domain, via Wikimedia Commons

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