Die Schließung von Red Media und autoritäres Silencing

19. Mai 2025

​Das linke Medienportal Red Media hat am Freitag (16.05.25) bekannt gegeben, dass es seine Arbeit einstellen wird. Die ausführliche Begründung in ihren eigenen Worten findet ihr hier.

Das ist ein Einschnitt für die linke Medienlandschaft und antiimperialistisch gesinnte Menschen weltweit. Mit ihrem breiten Netzwerk und Berichten aus aller Welt hat Red Media uns über Jahre mit Infos aus Quellen von vor Ort versorgt, Videoaufnahmen veröffentlicht und Interviews geführt, die uns sonst durch die bürgerliche Presse und Mainstream-Medien so nie erreicht hätten. Sie haben über gesellschaftliche Bewegungen und die Kämpfe der Unterdrückten berichtet und ihnen eine Stimme gegeben.

Red Media zählte zu den reichweitenstärksten und gleichzeitig radikalsten Plattformen unserer Bewegung und stand genau dafür unter Beschuss. Besonders die Berichterstattung über den Genozid in Gaza machte das Medienportal zur Zielscheibe einer Verleumdungskampagne, an der vom Ex-US-Außenminister Anthony Blinken über deutsche Zeitungen wie der taz und dem Tagesspiegel bis zum Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalist:innen Union (dju) Berlin-Brandenburg verschiedenste Akteure teilnahmen. Zuletzt ist anscheinend eine Anzeige wegen angeblicher Verleumdung gegen den Red Media-Redakteur Hüseyin Doğru eingegangen. Nun hat die Plattform bekannt gegeben, unter dem Druck von Justiz, Medien, Politik und sogar persönlichen Drohungen gegen Mitarbeitende ihre Arbeit einzustellen.

Zuvor war mit Vorwürfen wie denen, pro-palästinensische Proteste in Deutschland angestiftet zu haben, die Besetzung der Humboldt-Universität in Berlin durch palästinensische Aktivist:innen „koordiniert“ zu haben, „Terroristen eine Plattform zu bieten“ und angeblich eine Kampagne gegen den deutschen pro-zionistischen Journalisten Nicholas Potter gestartet zu haben, welcher durch Verharmlosung des Leids in Gaza und als großer Fan der israelischen Politik aufgefallen war, der Mythos eines Bedrohungsszenarios durch das dann auch noch angeblich „pro-russische“ Medium Red Media aufgebaut worden.

Diese Entwicklung wirft Fragen auf. Was wir besonders im Zuge der Palästina-Solidaritätsbewegung an diskursivem Silencing und staatlicher Repression sehen, nimmt beängstigend autoritäre Züge an. Widerspruch zur deutschen Israel-Staatsräson soll zunehmend mundtot gemacht werden und das Spektrum des „Meinungspluralismus“ in unserer „liberalen Demokratie“ wird zusammengeschrumpft. Dabei ziehen die staatlichen Gewalten – Politiker:innen der Legislative, die Exekutive in Form von Polizei auf der Straße und die Justiz mit Verboten, Verurteilungen und Abschiebungen – ideologisch an einem Strang mit der inoffiziellen „vierten Gewalt“ – Meinungsmachern der staatstragenden Medien in Artikeln, Nachrichtensendungen und Talkshows, die durch eine einseitige, verharmlosende und teils schlicht gelogene „Berichterstattung“ die Staatsdoktrin diskursiv umsetzen und legitimieren. Wer abweicht, kann diffamiert oder verfolgt und wahlweise zum Verräter, Terroristen, Antisemiten oder „Versteher“ des jeweiligen politischen Feindes erklärt werden. Das ist ein klassischer Vorgang der Kriegspropaganda. Ein Beleg mehr dafür, dass Deutschland im Genozid gegen die Palästinenser:innen Mittäter ist.

Wir sollten uns Gedanken machen, was diese Entwicklung für uns als linke, kritische, antiimperialistische Gegenöffentlichkeit bedeutet.

Hinsichtlich des offensiven Kriegskurses, den Deutschland in den letzten Jahren eingeschlagen hat und der sich unter der Merz-Regierung weiter verschärfen wird, ist damit zu rechnen, dass auch das autoritäre Zum-Schweigen-Bringen von antimilitaristischem, antikapitalistischem Dissens zunehmen wird. Was wir erleben, ist ein Angriff auf unabhängigen Journalismus. Angesichts dieser und der kommenden Entwicklung der nächsten Jahre sollten wir uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass andere Medien, vor allem solche mit Reichweite, in einem zunehmend in die kapitalistische Krise und den Krieg steuernden Staat, die Nächsten sein können, die Zielscheibe einer solchen Desinformations- und Diffamierungskampagne werden.

„Was im Krieg zuerst stirbt, ist die Wahrheit“ ist ein zwar gängiges Sprichwort, aber eines, mit dessen Bedeutung wir uns angesichts der Rigorosität von Verleumdung und Verfolgung der unabhängigen Berichterstattung über den Völkermord in Gaza ernsthaft auseinandersetzen müssen, auch in Bezug auf die Zukunft und kommende Auseinandersetzungen, an denen sich die BRD direkt oder indirekt beteiligen wird. Der Fall von Red Media ist ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn man erfolgreichen und öffentlichkeitswirksamen Journalismus macht, der den Interessen des deutschen Imperialismus entgegensteht. Laut eigenen Angaben hat die Plattform allein in den ersten 9 Monaten des Jahres 2024 über 483 Millionen Aufrufe gehabt und damit eine effektive Gegenöffentlichkeit zum Narrativ der Herrschenden über den Völkermord in Palästina und andere Themen wie Faschisierung, Kolonialismus, Rassismus und Klassenkämpfe geschaffen.

An dieser Stelle ein Danke an alle Mitarbeitenden von Red Media für die wichtige Arbeit über all die Jahre. Wir möchten zum Schluss das Medium selbst mit einem Zitat aus ihrem Statement zu Wort kommen lassen:

Wir sind stolz auf das, was wir aufgebaut haben, und auch darauf, dass wir trotz aller Versuche, uns zum Schweigen zu bringen, nicht aufgehört haben. Wir haben nicht weggeschaut, als ein Genozid live übertragen wurde. Wir sind standhaft geblieben. Und wir waren nie allein – all das war nur möglich durch euch: diejenigen, die trotz staatlicher Gewalt und Repression täglich auf die Straße gehen, ihre Stimme erheben und bereit sind, den höchsten Preis zu zahlen.“ ​

Foto: red.media

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