5 Jahre Corona – die Methode bleibt

22. März 2025

„Das geht schnell vorüber“ war mit Sicherheit einer der Gedanken, der in den ersten Tagen der Pandemie in den ersten Monaten des Jahres 2020 den allermeisten immer wieder in den Kopf gegangen sein dürfte. „Hierauf werden wir mal zurückschauen und denken: ‚Das war komisch‘.“

Doch wir lagen falsch. Es war nicht ein Monat Lockdown und dann vorbei, der am 22. März 2020 in Deutschland in Kraft trat. Die Maßnahmen bleiben nicht beim „Bleibt mal ein wenig zu Hause“. Corona wurde nicht zu einer lustigen Anekdote, an die man sich heute, 5 Jahre danach, zurückerinnert, als ein „Ah ja, da war mal was“.

Die Pandemie und ihre Maßnahmen dauerten knapp zwei Jahre an. Und in diesem Zuge etablierte sich eine Politik, die sich seitdem wie ein roter Faden durch die Krisen zieht, die unsere Gesellschaft seitdem im Grunde nicht mehr verlassen hat und die sich seitdem wie ein Lied, das immer wieder schlecht gecovert wird, wiederholt.

von Iden Darthé

Das Lied beginnt mit einem Paukenschlag

Am Anfang dieses Liedes steht der Schock. Noch bevor der Staat mit vorher ungekannten Maßnahmen durchschlug, stand 2020 die Realisation, dass dieser komische Virus aus China doch mehr ist als die Schweine- oder Vogelgrippe, an die sich alle noch erinnerten. Lange wiegte uns auch der Staat noch in Sicherheit, sprach davon, es werde nicht so lange dauern. Man werde mit Sicherheit keine Ausgangssperren einführen und so weiter. Doch keine 2 Wochen später stellte sich das genaue Gegenteil ein. Der Schock, dass alles Gewohnte von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt wird, wirkte auf breite Teile der Bevölkerung in der Tat wie ein Stoß in die Magengrube, der desorientiert, bei dem man Luftholen muss, wortwörtlich die Orientierung verliert und erst langsam realisiert, was da eigentlich gerade passiert.

Der Schock, der die Gesellschaft im März 2020 erfasste, war tiefgreifend, er war entwaffnend und er nahm der Gesellschaft als Ganze die Fähigkeit, klar zu denken. Doch dieser Schock war nicht allein der Virus, der uns und die Menschen um uns herum physisch krank machte. Es war in weiten Teilen auch die Art und Weise der politischen Kommunikation vonseiten des Staates, die in jeder anderen Situation von allen, die sie beobachtet hätten, als chaotisch, verwirrend, in die Irre führend und kontraproduktiv erkannt worden wäre. Wie ein Wirbelsturm prasselten auf die Gesellschaft Vorschriften, Änderungen, Ausnahmen, Sonderregelungen in dem gleichen Moment wie Inzidenzzahlen, Inkubationszeiten, Ansteckungs- und Letalitätsraten, Mutationsgefahren und was noch alles ein.

Dass die Gesellschaft in dieser Zeit kaum noch die Möglichkeit besaß, über die tatsächlichen Entwicklungen einen Überblick zu behalten und daraus ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen oder überhaupt bewerten zu können, welche Maßnahmen Sinn ergeben und welche auch einfach kompletter Unsinn waren, ist kein Wunder.

Dass die Politik in dieser Zeit sich in ihrer Kommunikation und der Begründung zudem auf die unumstößliche Weisheit „der Wissenschaft“ oder „der Experten“ berief, besorgte den Rest.

Dass das, was die Politik daraus machte, aber bei weitem nicht immer tatsächlich „der Wissenschaft“ entsprach, wissen wir spätestens, seit herauskam, dass Lauterbach, trotz anderslautender Empfehlung, sich weigerte, Warnstufen herabzusetzen. Aber wer sollte sich denn anmaßen, „der Wissenschaft“ zu widersprechen, noch dazu in einer so verwirrenden und unübersichtlichen Situation. Wenn dabei jemand weiß, was zu tun ist, müssen das doch die Wissenschaftler sein, oder zumindest diejenigen , die sich ständig auf die berufen.

Heute wissen wir, dass vieles von dem, was in der Pandemie als „notwendig“ verkauft wurde, absoluter Humbug war, aber dennoch rigoros umgesetzt wurde. Nächtliche Ausgangssperren, offene Fabriken, aber keine 6 Personen in der Öffentlichkeit auf einem Fleck, und auf keinen Fall Kindergärten oder Schulen öffnen, Stoffmasken nähen, an Bahnhöfen nur noch in eine Richtung auf der Treppe laufen, um nur ein paar zu nennen.

Der Schock ermöglichte, dass all das, was uns heute als irrwitzig und offensichtlich unnötig erscheint, weitgehend hingenommen wurde und dass all jene, die den leisesten Zweifel äußerten, beinahe umgehend ausgeschlossen und als „unsolidarisch“, „gefährlich“ oder gleich als Faschisten gebrandmarkt wurden. Die Sphäre dessen, was gesellschaftlich sagbar war, verengte sich in Windeseile auf einen immer enger werdenden, maßgeblich vom staatlich verbreiteten Narrativ vorgezeichneten Korridor, der sich zeitgleich auch durch das, was außerhalb ihm lag, definierte und je enger er wurde, sich immer weiter von diesem Außenliegenden abtrennen musste. Zwangsläufig mussten all jene, die sich in diesem Korridor, sei es aus Intuition, einem reinen Gefühl, politischer Überzeugung oder warum auch immer, nicht wiederfanden, als Ausgestoßene behandelt werden. Ein Milieu, das sich wiederum in Windeseile als Außenstehende zusammenfand und ohne Frage dabei auch falsche, ebenfalls verwirrte und vor allem wenig zielgerichtete Wege einschlug.

Die Zeit seit 2020 ist nicht nur die Zeit, in der nicht nur eine Politik der unangefochtenen „Notwendigkeit“ das erste Mal in allen gesellschaftlichen und politischen Fragen Premiere feierte. Es war auch die Zeit, in der es geschafft wurde, den übergroßen Teil der Gesellschaft durch einen Schock hinter dem Staat, seine Experten, „der Wissenschaft“ und den wahnwitzigsten Politiken, die diese als Parole herausgaben, zu vereinen. Diese Zeit erschuf einen Staat, der in seinem Handeln unantastbar wurde. Und damit auch die in ihm handelnden Personen, von denen einige die Situation erkannten und keine Zeit verschwendeten und sich und ihren Freunden die Taschen vollmachten. Die Maskendeals sind bekannt und auch, wie diejenigen, die sich daran bereicherten, absolut unbehelligt blieben.
Dass es dem Staat und seinen Politikern und Funktionsträgern währenddessen, aber auch danach, nie um die Gesundheit der Menschen geht und dass daher rückblickend auch die Maßnahmenpakete kritisch hinterfragt werden müssen, zeigt nicht nur der simple Fakt, dass die Zahl der Intensivbetten während der Pandemie abgenommen hat, sondern auch die mangelnde Hilfe für all jene, die im Nachhinein bis heute an den Spätfolgen der Krankheit selbst, Impfschäden, aber auch den Folgen der Maßnahmen leiden.

Ein Lied auf Dauerschleife

Die Dynamiken, die sich in dieser Zeit zeigten und mit jeder Welle zum einen wiederholten, aber auch immer mehr Risse bekamen, endeten bei weitem nicht mit dem vermeintlichen Ende der Pandemie. Das Lied, seine Melodie und der Rhythmus bis hin zu den Notenabfolgen scheinen sich seitdem immer weiter zu wiederholen. Im gesellschaftlichen Bewusstsein scheint die Pandemie nie wirklich zu Ende gegangen zu sein, sondern sie ging weitgehend nahtlos in die nächste Krise über.

Der Beginn des Krieges in der Ukraine und seine innenpolitischen Implikationen reimen sich geradezu gespenstisch auf die Ereignisse zwei Jahre zuvor. Den Aufklang macht ein Raunen: Waren es 2020 die ersten Videos von Desinfektionen ganzer Straßenzüge in China, waren es 2022 die Spekulationen um Truppenaufmärsche. Den Beginn des Refrain markierte 2020 der Lockdown, während diese Rolle 2022 die bis heute berühmt-berüchtigte „Zeitenwende-Rede“ übernahm. Danach hört sich das Lied fast identisch an, nur die Lyrics werden ausgetauscht. Aus dem Virus wird Putin oder „der Russe“, aus der Maske werden Leopard und Marder, aus den Schwurblern werden Putinversteher oder Lumpenpazifisten. Die Virologen werden durch Militärexperten ersetzt, die Berater der Nation heißen nicht mehr Christian Drosten sondern Carlo Masala, ihre Retter nicht mehr Biontech, sondern Rheinmetall. Jetzt ist nicht mehr die Impfung unerlässlich, sondern die Waffenlieferung. Aus „Social Distancing“ wird „Frieren gegen Putin“.

Das gesellschaftliche Gefühl ist das Gleiche. Der äußere Feind – ungreifbar und doch allgegenwärtig – zwingt uns dazu, so zu handeln, wie wir handeln. Es ist demnach auch eigentlich nicht die Entscheidung und damit Verantwortung der Politiker, welche Richtung das Land einschlägt, sondern die Entscheidungen werden uns von diesem Feind, den es zu besiegen gilt, aufgebunden.

Besonders wichtig dabei: Wer Zweifel an den „notwendigen“ Schritten äußert, bewegt sich in gefährlichem Terrain. Wenn die Maßnahmen, Aufrüstung oder Waffenlieferungen doch notwendig sind, um den äußeren Feind, dessen Handeln sich dem unseren komplett entzieht, zu besiegen, dann kann jeder Angriff auf diese nur ein Akt des Feindes sein. Wer die „notwendigen Schritte“ infrage stellt, wird also selbst zum Feind – zur fünften Kolonne – zum Agenten des Gegners und kann auch entsprechend behandelt werden.

Diese Stelle des Liedes wiederholt sich auch, als die nächste Krise sich nicht im Inland abspielt, sondern Tausende Kilometer entfernt, aber nichtsdestotrotz auch hierzulande die Klänge der Freund-Feind-Bestimmung durch den Staat laut erklingen lässt. Wer nach dem 7. Oktober 2023 nicht nur diesen Tag sieht, sondern es wagt, die Tage, Monate und Jahre davor und danach zu betrachten, wird von der Melodie schnell zum Feind erklärt. Diesmal singen die Sirenen im unwegsamen Gewässer der deutschen Medienlandschaft nicht von Schwurblern oder Putinverstehern, ohnehin zu komplizierten Wortneuschöpfungen, sondern einen althergebrachten und umso kraftvolleren Text von Antisemiten. Ein Gesang so giftig, dass er nicht nur vereinzelt vom Kurs abbringt, sondern darauf abzielt, ganze Bevölkerungsgruppen, die sich nicht damit einverstanden erklären, dass die eigene Regierung einen Völkermord unterstützt, an den Klippen der aufgeheizten Stimmung im Land zerschellen zu lassen.


Doch bleibt es dieses Mal nicht bei den „sozialen“ Ächtungen, die sich im Kleinen in Kontaktabbrüchen oder Schmähungen, im Großen in Jobverlusten und Hetzkampagnen zeigen. Diesmal packt der Staat selbst zur Pauke, verschärft den Ton und damit gleich Gesetze. Verbote von Parolen oder gleich ausländischer Sprachen auf Demonstrationen, wenn diese überhaupt noch erlaubt werden. Noch klarer als gegen Putinversteher und Schwurbler wird der „Antisemitismus“ als Feind von außen gezeichnet. Die vollen Folgen haben wir noch nicht erlebt. Doch sie zeigen sich heute schon in Bekenntnissen zu einem Staat, der einen Genozid verübt, in Einbürgerungstests, in Schulen und Universitäten. Und wird sich morgen, wenn man der neuen Regierung Glauben schenken mag, in Ausbürgerungen und möglicherweise Abschiebungen äußern.

Es ist ein garstiges Lied

Das Lied klingt weiter. Eine Platte mit Sprung, ein Stream auf Repeat. Das Lied ist wie das der Sirenen betörend, es macht klar, wo die Reise hingeht. Ermöglicht es all jenen, die in diesem Land wie Dirigenten den Takt angeben, seien es „Leitmedien“, „Meinungsführer“ oder ganz einfach Regierungen, einen klaren Kurs vorzugeben. Part 1: Verwirrung und Verunsicherung, Part 2: klare Ansagen und markige Worte, Part 3: Feindbestimmung und Sicherung des eigenen moralisch überlegenen Lagers. Ein Lied, das sich fortsetzt und möglich macht, das umzusetzen, was ohnehin geplant ist, ohne sich mit lästigen Debatten oder Zwischentönen herumplagen zu müssen. Ein Lied, das auch fünf Jahre danach nicht aus den Charts verschwinden mag, sondern sich weiter festsetzt. Sind es bis jetzt Schwurbler, Putinversteher und Antisemiten, werden morgen Verweigerer, Feiglinge und Saboteure hinzukommen in den Club der Ausgestoßenen.

Das Lied wird weiterlaufen, es wird an Lautstärke zunehmen.

Foto: Walking one way over the bridge by Neil Owen, CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

Schreibe einen Kommentar Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert