Zwei Jahre sind seit der Nacht vergangen, in der der griechische Staat sein wahres Gesicht zeigte: ein Gesicht der Korruption, der Gleichgültigkeit und des Zynismus, ein Gesicht, das nicht zögert, Menschenleben auf dem Altar des Profits zu opfern. Das Verbrechen in Tempi war kein „tragischer Unfall“. Es war die vorhersehbare Folge einer staatlichen und kapitalistischen Politik, die menschliches Leben angesichts der Anforderungen des Marktes und der Unternehmen als entbehrlich behandelt.
von Axel Kar
Vom ersten Moment an versuchte die Regierung, das Verbrechen zu vertuschen und begrub den Fall unter Tonnen von Lügen und PR-Tricks. Die Regierung der Nea Dimokratia [liberal-konservative Partei, Anm. d. Übers.] und ihre Sprachrohre in den Medien versuchten ein „menschliches Versagen“ zu konstruieren, indem sie die Schuld auf den Stationsleiter schoben und die Warnungen der Arbeiter über den kriminellen Mangel an Sicherheitsmaßnahmen verschwiegen. Berichte über das Fehlen von Fernsteuerungssystemen verschwanden aus dem öffentlichen Diskurs, während Verträge, die bewiesen, dass der Staat über den Zustand der Bahn voll informiert war, in Schubladen verschwanden. Kostas Karamanlis, der damalige Verkehrsminister, der der Öffentlichkeit provokativ versicherte, dass es „kein Sicherheitsproblem“ gebe, trat als reine Formalität zurück und stand nur wenige Monate später wieder auf dem Wahlzettel, politisch geformt durch die Nea Dimokratia. Die Justiz, die stets darauf bedacht ist, die Verbrechen der Machthaber zu decken, verzögerte die Ermittlungen, schloss wichtige Beweise aus und schützte politische und wirtschaftliche Interessen, so dass ein vorsätzliches Staatsverbrechen zu einem bürokratischen Verfahren wurde.
Gleichzeitig unterdrückte der Staat brutal die Proteste, die nach der Tragödie ausbrachen und versuchte, die öffentliche Empörung in Gewalt, Tränengas und Verhaftungen zu ertränken. Die Botschaft war klar: Die Wahrheit darf nicht gehört werden, das Verbrechen muss vergessen werden und die Gesellschaft muss in die Passivität getrieben werden. Doch sie scheiterten.
Die Massendemonstrationen am 28. Februar 2025, zwei Jahre nach dem tragischen Ereignis, bewiesen, dass die Gesellschaft nicht vergisst. An diesem Freitag fanden 383 Proteste in 262 griechischen Städten und 121 Orten im Ausland statt, bei denen hunderttausende von Menschen auf die Straße gingen und skandierten: „Tempi war weder ein Unfall noch einfach nur Pech – ihre Gewinne, unsere Toten“. In Athen endete der Marsch in Zusammenstößen vor der Villa Maximos, als die Bereitschaftspolizei die Demonstration angriff, um sie aufzulösen. Schläge, Tränengas, Blendgranaten und Wasserwerfer reichten nicht aus, um die riesige Menschenmenge zu zerstreuen, die sich trotz der schweren Angriffe der Polizei neu formierte und standhaft blieb. In Thessaloniki brachte die schiere Zahl der Demonstranten die Stadt zum Stillstand, die Menschenmassen erstreckten sich über 20 Kilometer. In der Nähe des OSE-Bahnhofs versuchte die Polizei, den Protest mit Tränengas und Blendgranaten aufzulösen, was jedoch misslang. In Larissa versammelten sich die Familien der Opfer am Ort der Tragödie.
Die Reaktion des Staates war vorhersehbar: Gewalt, Repression, Verhaftungen. 220 Festnahmen, 73 Verhaftungen, Schläge, Tränengaseinsatz und Polizeibrutalität gegen Demonstranten, die grundlegende Gerechtigkeit fordern. Wie immer agierte die Polizei als bewaffnete Vollstrecker der Macht, die Gewalt entfesselt, um diejenigen einzuschüchtern, die es wagen, Widerstand zu leisten. Aber niemand scheint sich zu fürchten. Die Wut kocht über und die soziale Explosion steht unmittelbar bevor.
Der Staat und seine Mechanismen haben Angst. Sie fürchten, dass die Erinnerung nicht verblasst, dass dieses Verbrechen nicht in Vergessenheit gerät. Die Proteste der letzten Tage haben gezeigt, dass sich das kollektive Gedächtnis nicht mit PR-Spektakeln und repressiven Maßnahmen auslöschen lässt. Die Regierung will den Fall abschließen, aber die Menschen wissen: Die einzige Gerechtigkeit wird von der Straße kommen, von den Zusammenstößen, vom Sturz dieses mörderischen Systems. Es gibt kein Vertrauen in die Justiz oder den Staat, der seine Herren schützt.
Die Frage ist nicht mehr, ob die Schuldigen bestraft werden, sondern wie das System, das Verbrechen wie das von Tempi hervorbringt, zerschlagen werden kann.