Heute, am 20.01. wird Donald Trump zum zweiten Mal als Präsident der USA vereidigt. Das LowerClassMagazine nutzt diesen Anlass, um einen polemischen Blick auf die neue Regierung des spät-kapitalistischen Amerikas zu werfen. Der erste Teil soll der Frage nachgehen, warum zum Teufel Trump nochmal gewählt werden konnte.
Pierre Roggen
Trump wächst immer mehr in seine Rolle als Diktator hinein. Als er neulich bei NBC News wieder mal eine dreiste Lüge auftischte – es handelte sich um die Anzahl von verübten Tötungen durch unregistrierte Migranten, wobei er 13.000 angab, und behauptete diese wären in den letzten 3 Jahren passiert und nicht wie es der Wahrheit entsprochen hätte in den letzten 4 Jahrzehnten – wurde mir klar, wie sehr die ganze Chose als Tragödie im Gewand der Farce wiederkommt. So dürfte auch dem letzten Liberalen, der sich über Trumps inkohärente Art lustig machte, mittlerweile das Lachen im Hals stecken bleiben.
Sein billiges Herumgelüge und die Arroganz mit der er über die Einwände der Journalistin, die offen auf der Unwahrheit bestand, hinwegging zeigen uns eine Art Scheitelpunkt auf. Ab hier, so scheint es, wird sich das Verhältnis zur bürgerlichen Öffentlichkeit verändern. Es geht bergab mit der, ohnehin schon angeschlagenen, liberalen Ästhetik der amerikanischen Demokratie. Entscheidend für das rechts-rechte Bündnis ist nunmehr das passende Narrativ zur Vorbereitung und Legitimation der kommenden Machtausübung. Es genügt innerhalb des eigenen ideologischen Lagers einen Konsens zu produzieren. Die oppositionellen Milieus können der kommenden Regierung egal sein, solange sie eingeschüchtert Zuhause bleiben. Wenn Trump nun also die Anzahl der „homocides“ durch Unregistrierte zehnmal höher angibt als es die Daten hergeben, bleibt der Journalistin nichts anderes als auf die Unwahrheit der Aussage zu bestehen, auch wenn sie dabei sang- und klanglos übergangen wird. Fact-Checking ist schon länger nur noch für die Amerikaner relevant die Trump sowieso kritisch sehen. Doch diese Leute haben nun keine institutionelle Bedeutung mehr in der Politikmaschinerie des spät-amerikanischen Empires.
Bis dato musste die eigene Rolle in der medialen Arena noch mit einer gewissen schauspielerischen Empörung vorgetragen werden. Es galt das unentschiedene Publikum zu überzeugen ihre Stimme abzugeben. Das dürfte erst einmal vorbei sein. Nun hat Trump die Macht und kann sich dieses Quäntchen Energie in der Auseinandersetzung mit dem liberalen, bürgerlichen Amerika sparen. Die Wahl ist vorbei. Das Spiel ist erst einmal aus. Die Republikaner haben gewonnen. Amerikas Institutionen liegen vor ihnen und das nepotistisch-faschistische Casting ist beendet. Dass Trump die letzten Wochen zum zweiten Mal als Präsident das tat was er als TV-Persönlichkeit in 192 Folgen einübte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Den Anhängern Trumps, die sich nun in seinem Sieg sonnen wie in einer persönlichen Errungenschaft und gierig seine Propaganda und Marketinggags aufsaugen, kann eine Auseinandersetzung zur Wahrheitsfindung herzlich egal sein. Viele Amerikaner deuten seine unvorbereitete und obszöne Art als Authentizität und perverse Form der Ehrlichkeit. Denn Trump ist vor Allem eines: Entertainer. Er kann die Leute unterhalten, manchmal bringt er seine Fans mit den richtigen Sprüchen zwischen Skript und Freestyle so in Wallung das sie reihenweise umkippen. Und das ist nur die Spitze des multi-millionen Dollar Spektakels, mit dem die politische Willensbildung und Machtlegitimation in den USA zelebriert wird. Insofern erscheint es logisch das nach Ronald Reagan als Schauspieler, Trump als eine Art Kunstfigur – so trennen einige seiner christlichen Wähler bewusst das Werk vom Künstler – als erfolgreicher Hybrid Entertainer-Politiker seine 2. Amtszeit bekommen hat.
Es zeigte sich abermals das offene Widersprüche der eigenen Ideologie mit dem Handeln und der Propaganda Trumps für viele Republikaner kein Problem sind. So sollte es den meisten Christen doch wohl etwas übel aufstoßen, dass diese Inkarnation der Unmoral als mehrfach geschiedener (und mehrfach der Vergewaltigung beschuldigter) Machertyp einfach mal „Good Bless the Usa“-Bibeln im Wahlkampf verkaufte. Das Produkt ist – auch für amerikanische Standards – wahnsinnig. Und gerade deswegen illustriert es den aktuellen Status Quo so treffend. Es besteht aus einer Bibelversion, der Verfassung der USA, die „Amendments“ genannten Zusätze und weiterer patriotischer Texte wie dem „Pledge of allegiance“ sowie dem Song „God Bless the USA“ in der Handschrift seines Komponisten Greenwood. Als Melange von schlecht verdauter Religiosität und obergärigem Nationalismus ist diese Bibel ein Monument der sagenhaften Idiotie welche oftmals auch als „manifest destiny“ verstanden und bis heute von vielen Amerikanern affirmiert wird. Die USA als von Gott gewählte Nation.
Hier findet sich kein Platz für Minderheiten abseits des Feigenblatts. Das zeitgenössische Amerika ist patriarchal, christlich, autoritär. Und eben auch ein Volk aus Vollidioten, Scharlatanen, Knechten und Herren sowie einigen falschen Propheten. Die Macht liegt nun, mehr oder weniger uneingeschränkt, in den Händen des falschen Propheten, dem Idol der Herren, Scharlatane, Vollidioten und Knechte. Das ist genau die Hegemonie, die sich vom rechtsradikalen Akteur bis zum scheinheiligen, dumm-frommen, Christen alle gewünscht haben. Der Mob johlt während die hemdtragenden Schreibtischtäter ihre Ärmel bereits hochkrempeln haben. Doch lasst uns mal einen Schritt zurück machen.
Nun ist es schon länger so, dass in den amerikanischen Medien von rechter Seite mehr und mehr einfach dieselben Narrative („Die kriminellen Migranten“, „Rettet unsere Kinder vor der Trans-Lobby“, „Nieder mit der kritischen Wissenschaft: niemand nimmt uns unsere Vergangenheit“ etc.) immer hysterischer und überzogener wiederholt werden. In Diskussionsrunden, Meinungsbeiträgen und Social Media entstehen Momente die als „clippable material“ ihren Weg in die Sozialen Medien finden. Dort erzeugen sie in der Fantasie der (weißen) Boomer und ihrer bildungsfernen Boys Bilder und Argumentationslinien, die scheinbar ohne jede Impulskontrolle wieder massenweise ins Netz erbrochen werden. Ein Fiebertraum von einer Massenpsychose („they are eating the cats“) wie wir ihn in Ansätzen aber auch aus Deutschland kennen. Die Wieder- und Wiederverwertung des Ressentiments, ästhetisch gleichzusetzen mit einem Hund der die Scheiße anderer Hunde kaut und verdaut, ist intellektuell eine eher nährstoffarme Angelegenheit, aber dennoch attraktiv für die Bewohner der schönen neuen digitalen Welt. Natürlich spielen innerhalb dieser Welt Multiplikatoren und ihre Reichweite eine entscheidende Rolle. Da wäre der paranoid-gekiffte, aber populäre Joe Rogan, der anticharismatische, aber reiche, Elon Musk, die Zuhälterbrüder Tate, die Kreml-Matroschka Tucker Carlson oder die alteingesessenen Hetzer von FoxNews (Doocy, Hannity, Ingraham). Diese haben den rechten Diskurs lange genug wiedergekäut und waren damit extrem erfolgreich. Alles in allem reichte die Medienarbeit um die Trump Kampagne aus um gut 3 Millionen Stimmen mehr als 2020 zu erhalten.
Doch um den Wahlerfolg von Trump zu erklären, reicht es nicht nur Hass, Hetze und Desinformation in den Blick zu nehmen. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf das die Demokraten diese Wahl mehr verloren haben als das Trump sie gewonnen hat. Zumindest legt das die Gesamtzahl der demokratischen Stimmverluste von etwa 6,2 Millionen Votes (2024: knapp 75 Millionen, 2020: 81,2 Millionen) nahe. Hier ließe sich ein eigener Artikel über das Unvermögen der Demokraten schreiben. Heruntergebrochen lässt sich wohl sagen, dass es keine gute Idee war sich mit den Trump-kritischen republikanischen Eliten zu verbünden um sich als etablierte Mitte an vermeintlich gemäßigte Rechte anzubiedern. Zu klein war die Wirkung auf diese Zielgruppe, zu groß die Abscheu, der Wählerschaft vor den vereinten Kriegstreibern von Cheney bis Pelosi. Dabei existieren in der amerikanischen Bevölkerung parteiübergreifende Mehrheiten für sozialdemokratische und linksliberale Positionen wie dem Ausbau der allgemeinen Gesundheitsversorgung oder dem Bestehen auf reproduktiver Gerechtigkeit. Diese traten im medialen Dauerfeuer vor der Wahl jedoch in den Hintergrund. Die Repression gegen linke und propalästinensischen Positionen auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago trug bestimmt ebenfalls dazu bei, dass sich manche linke Demokraten entfremdet von der Partei abwendeten. Hier liegt meiner Ansicht nach ein Knackpunkt. Die Demokraten inszenierten sich als etablierte Verwalter des imperialistischen Status Quo. Wer Liz Cheney mit auf die Bühne holt, lädt dabei auch den Schatten ihres Vaters Dick Cheney ein. Sich im kriegsmüden Amerika mit der Tochter eines der Architekten des Irakkriegs zu zeigen, kommt einem selbstausgeführten Knieschuss gleich. Während die liberalen und linken Milieus keine gemeinsame Erzählung finden konnten die über die Ablehnung Trumps hinausging, stimmten radikale und gemäßigte Rechte mehr oder weniger geschlossen für Trump.
Das Rückgrat dieser Wählerschaft waren weiße Männer. Tendenziell Bildungsfern okay, aber eben schon auch anschlussfähig bei reichen, weißen, gebildeten Rassist* äh Republikanern. Außerdem gelang es der Trump Kampagne zusätzlich marginalisierte Männer zu mobilisieren. Vor allem Latinos, aber auch Schwarze die für ein überhöhtes Bild aggressiver Männlichkeit und/oder Religiosität empfänglich waren. Hier liegt meines Erachtens der relevante Beitrag der sogenannten Manosphere und der Evangelikalen. Zusätzlich stimmten die weißen Frauen traditionell republikanisch. Es reicht also für einen bedeutenden Teil des Wahlvolks aus ein Charakteristikum aufzuweisen das sie gegenüber anderen als privilegiert erscheinen lässt um auf den Chauvinismus-Zug aufzuspringen. Das Erfolgsrezept ist also ein Bündnis aus reichen und armen Chauvinisten; aus männlichen Männern und traditionellen Frauen, aus den Abgehängten und denen die das durchschnittliche Amerika abgehängt haben und weiter abhängen wollen. Es dauerte folglich auch nicht lange bis die offensichtlichen Widersprüche nach vorne treten, doch das ist Inhalt eines weiteren Textes. Die einen richten ihren Chauvinismus hauptsächlich gegen die unteren Klassen, während die anderen ihre explizit rassistisch-faschistische Wünsche im Sinne einer national-patriarchalen Beutegemeinschaft an die kommende Präsidentschaft haben. Die einen wollen die Bedingungen für ihre Kapitalakkumulation verbessern, das schließt die erleichterte Ausbeutung aus- wie inländischer Arbeitskräfte mit ein. Die anderen hatten gehofft durch Massenabschiebungen weniger Konkurrenz am unteren Ende des Arbeits- und Wohnungsmarktes zu erhalten. Gemeinsam ist ihnen nebenbei bemerkt der Wunsch nach einer autoritären Verwaltung des armuts- und drogeninduzierten Elends auf den Straßen der Vereinigten Staaten.
Welche Seite sich letztendlich durchsetzt ist noch unklar, auch wenn sich eine Tendenz in Richtung der Interessen des reichsten Mannes der Welt und seiner Entourage abzeichnet. Der gemeinsamer Nenner ist in jeden Fall der kostenlose, weil erst einmal aus heißer Luft bestehende, Kulturkampf gegen Liberalismus, Feminismus, Minderheiten und Sozialismus. Es könnte also gut sein, dass die Widersprüche innerhalb der MAGA-Bewegung durch symbolische, systematische und physische Gewalt gegenüber ihren gemeinsamen Feinden abgemildert werden sollen. Marx sagte einmal, dass sich die Geschichte wiederholt, einmal als Tragödie und dann einmal als Farce. Hier scheint es nun andersherum zu sein. Erst war die Farce und nun kommt die Tragödie. Natürlich war die erste Amtszeit von Trump für viele schon eine Tragödie doch die jetzige Amtszeit kommt im Vergleich wie auf Steroiden daher: Senat, Repräsentantenhaus, Oberster Gerichtshof und Präsidentschaft sind in der Hand dieser faschistischen Scharlatane. Wobei die einen mehr Faschismus enthalten, während bei anderen die Scharlatanerie überwiegt. Es bleibt zu hoffen das sich die mörderischste Komponente, die faschistischen Phalanx aus Milizen wie den Proud Boys und 1%ers, nicht an die Spitze rassistischer Pogrome stellen können. Was als Szenario im Angesicht des Erbe des KKK als möglich erscheint, ist jedoch hoffentlich unwahrscheinlich da das „ausländerfeindliche“ Pogrom historisch gesehen mehr ein Produkt des „alten Kontinents“ darstellt. Doch auch ohne weitverbreitet marodierende Nazi-Milizen birgt die kommende Regierung große Risiken für weite Teile der Bevölkerung.
Unter ihnen, auch das gehört zur Wahrheit, Menschen die Trump selbst gewählt haben. Ein gutes Beispiel sind venezolanische Geflüchtete die Trump 2021 noch per Dekret vor Abschiebung schützte und mit seinen Tiraden gegen den vermeintlichen Sozialismus von Harris & Co als Wählerschaft mobilisierte. Nun scheint sich der Wind aber zu drehen, denn Trump bezeichnete diese Gruppe jüngst als Kriminelle. Auf NBC äußerte er sich zu seinen Abschiebeplänen und erklärte in erster Linie „Kriminelle“ aber auch die sogenannten „Dreamer“ als Ziele der Abschiebemaschinerie ICE. Konkret sollen Kinder, die durch Geburt einen amerikanischen Pass erhalten haben, aber deren Eltern über keine US-Staatsbürgerschaft verfügen, zusammen mit ihrer Familie abgeschoben werden.
Hier zeichnet sich eine enorme Barbarei ab die, falls sie nicht verhindert werden kann, eine Art glorreiches Beispiel für faschistische Bewegungen weltweit darstellen könnte. Es ist die Zeit der Monster, der Faschisten und Scharlatane, wobei viele der relevanten Akteure mehr oder weniger ausgeprägte Schnittflächen mit beiden Gruppen haben. Trump ist die Inkarnation des faschistischen Scharlatans und hat sich eine Regierung gecastet die mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Kategorie fällt.
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