Kampf um die Medien – Kampf um die Köpfe (Teil 1 von 2)

8. Januar 2025

„Eine neue Kultur zu schaffen bedeutet nicht nur, individuell ›originelle‹ Entdeckungen zu machen, es bedeutet auch und besonders, bereits entdeckte Wahrheiten kritisch zu verbreiten, sie sozusagen zu ›vergesellschaften‹ und sie dadurch Basis vitaler Handlungen, Element der Koordination und der intellektuellen und moralischen Ordnung werden zu lassen.“
– Antonio Gramsci


Die drei Hauptelemente der Public Relations sind im Grunde so alt wie die Gesellschaft: Menschen informieren, Menschen überzeugen oder Menschen mit Menschen zusammenbringen. Natürlich haben sich die Mittel und Methoden zur Erreichung dieser Ziele mit dem Wandel der Gesellschaft verändert.“
– Edward Bernays


Wie nehmen wir die Situationen in denen wir uns wiederfinden und mit denen wir als Menschen interagieren wahr? Wie versuchen wir uns gerade in dem großen Teil der Welt zurecht zu finden, den wir nicht mit unseren eigenen Augen sehen, mit unseren eigenen Ohren hören können? Wie machen wir uns ein Bild von Ereignissen, von denen wir nie ohne das Zutun Dritter erfahren hätten? Wie beeinflusst die Art und Weise der Informationsweitergabe durch diese Dritte unsere Schlussfolgerungen über die Geschehnisse dieser Welt und schließlich Handlungen in Reaktion auf diese?

Mit diesen Fragen wollen wir eine Auseinandersetzung über die Rolle von Medien, Öffentlichkeit und der Aufgabe linker, sozialistischer und revolutionärer Medien eröffnen. Mit dem Neustart des Lower Class Magazines wollen wir beginnen, dieser Frage nicht nur wie in diesem Text theoretisch zu begegnen, sondern damit anfangen, diese zu beantworten.

In der gesellschaftlichen Umbruchsphase, die wir hierzulande seit nun knapp fünf Jahren immer spürbarer durchlaufen, ist die Frage der Orientierung und Orientierungslosigkeit der Gesellschaft als Ganzes, genauso wie der Linken im Speziellen, allgegenwärtig geworden. Gleichwohl wurde sie von letzterer kaum als aktives politisches Handlungsfeld identifiziert und angegangen.

Der Kampf um die Medien ist eröffnet

Der Staat, Faschisten und Konzerne hingegen haben derweil ihre Offensive auf die menschliche Wahrnehmung nicht nur ernstgenommen, sondern haben einen regelrechten Frontalangriff gestartet, die Wahrnehmung der Gesellschaft nach ihren Vorstellungen und Interessen zu formen. Die Aufblähung des digitalen Raumes und dessen Bedeutung in der Gesellschaft hat dieser Entwicklung mit Sicherheit Vorschub geleistet. Kaum ein Mensch unter 50, der heute nicht selbst mehrere Stunden in digitalen Medien verbringt und im Grunde seine gesamte Wahrnehmung der und Meinung über die Welt aus diesem allgegenwertigen Medium zieht. Der Faschist Erik Ahrens, selbsternannter Rassenkundler und TikTok-Stratege von AfDler Maximilian Krah erklärte 2023 auf der Sommerakademie des mittlerweile öffentlich aufgelösten Instituts für Staatspolitik von Götz Kubitschek noch stolz, TikTok gebe die Möglichkeit, mehrere Stunden am Tag ein Fenster in das Gehirn Jugendlicher zu projezieren. Ähnlich werden die Kalkulationen in den Führungs- und PR-Etagen großer Konzerne und Institutionen wie der EU-Kommissionen ebenfalls sein, die sich im Herbst 2024 den Auftrag des EU-Parlaments zur „strategischen Kommunikation“ in den EU-Mitgliedsstaaten über den Krieg in der Ukraine erteilen ließ.

Medien schafft Wahrnehmung

Die Wahrnehmung über die gesellschaftlichen Krisen, die wir täglich tatsächlich spüren, und nicht nur durch die Medien vermittelt bekommen, ist heute in weiten Teilen davon abhängig, welcher Akteur es am Besten schafft, uns auf digitalen Medien zu erreichen und an seine Blase zu binden. Dass dies tiefgreifende Auswirkung auf die ideologische Ausrichtung der Gesellschaft sowie deren konkrete Perspektive auf gesellschaftliche Probleme hat, zeigt sich immer stärker.

In den drei großen gesellschaftlichen Krisen Corona, Ukraine und der Genozid in Gaza seit 2020 haben sich dabei jeweils zwei dominante Meinungsfelder herausgebildet. Eine dominante – staatstragende – und eine abweichende, die von staatsnahen Medien tendenziell als „unsolidarisch“, verdächtig oder gar quasi-faschistisch eingestuft wurde. Beide Seiten haben sich dabei als absolute Gegensätze gerade auch in Abgrenzung zueinander gebildet und für die eigene Gruppe gestärkt.

War es während Corona die Auseinandersetzung zwischen all jenen, die die staatliche Politik als reine wissenschaftliche Notwendigkeit angenommen haben und all jene, die ausgehend von einer intuitiven Skepsis und/oder klaren Kritiken, sich dem maßnahmenskeptischen Lager angeschlossen haben, aber auch durch eine Erklärung als unsolidarische „Schwurbler“, in dieses getrieben und in ihm isoliert wurden. Seit dem Beginn des Ukrainekrieges, ist eine ähnliche Dynamik zu erkennen. Wer nicht dem Narrativ des unprovozierten, völkerrechtswidrigen und den Krieg nach Europa zurückbringenden „russischen Angriffskrieg auf die Ukraine“ zustimmt und in der seit drei Jahren andauernden Kriegsdynamik, auch eine Mitverantwortung bei westlichen Regierung und einem gewissen nordatlantischen Bündnis sieht, gerät schnell in den Verdacht, Teil der fünften Kolonne Moskaus zu sein, und Sympathien mit Putin als Person oder Politiker zu hegen. Und auch seit dem Beginn des Krieges in Gaza, ist die Auseinandersetzung eine ähnliche gewesen. Wer nicht die alleinige Verantwortung für die Toten auf allen Seiten bei der Hamas sieht, und auch nicht den Palästinenser*innen zumindest eine Mitschuld an ihrem eigenen Genozid gibt, ist in der öffentlichen Gemengelage zwischen Bild und ARD zweifelsohne Antisemit*in sondergleichen.

Die Linke versagt

Auffallend dabei war und ist, dass eine linke Perspektive auf diese gesellschaftlichen Probleme und Auseinandersetzungen weder konsequent ausformuliert wurde noch in der Lage war, sich innerhalb der Linken zu festigen und konkrete Lösungsperspektiven in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Während der Corona-Pandemie haben sich weite Teile der gesellschaftlichen sowie der radikalen Linken hinter dem Staat versammelt und ihn im Zweifel lediglich für eine nicht ausreichend konsequente Durchsetzung seiner Parolen kritisiert. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist es nicht gelungen, eine solide Analyse der Hintergründe des Krieges aufzustellen sowie seine Auswirkungen ausreichend vorherzusehen, um den Entwicklungen nicht nur hinterherzurennen. In der Frage des Kriegs und Genozids in Gaza haben sich zwar die Trennlinien zwischen den Lagern der radikalen sowie liberalen Linken gezeigt und vertieft, und es hat sich ein Lager mit antiimperialistischer Linie herausgebildet. Eine einheitliche Linie, die über das direkte Ende des Mordens in Gaza hinausgeht, lässt sich aber auch über ein Jahr nach Beginn der breiten Protestbewegung in Deutschland nicht erahnen.

Grundsätzlich gelingt es in dieser Situation nicht, die Ernsthaftigkeit und Omnipräsenz der gesellschaftlichen Krisen zu begreifen und diese verständlich nach Außen zu tragen.

Dass die gesellschaftliche Relevanz linker, revolutionärer und sozialistischer Ideen in dieser Zeit weiter in sich zusammengefallen ist, sei hier nur am Rande erwähnt, sollte aber als Auswirkung der genannten Probleme gesehen werden. Diese Schwäche der gesellschaftlichen Linken, die sich nicht in einen staatlichen und staatstragenden Diskurs einhegen lässt, hat zugleich nicht nur einen Einfluss auf die Linke, sondern auch einen Einfluss auf den gesamten Diskursraum und die gesellschaftliche Perspektive auf politische Ereignisse und Diskussionen im Allgemeinen. So verengt sich durch die tatkräftige Unterstützung staatlicher Narrative durch linksliberale Kreise nicht nur an breite gesellschaftliche Schichten Sag- und Vermittelbares, sondern dieses Fenster des Sagbaren rutscht auch immer weiter nach rechts.

Dabei sind die treibenden Kräfte nicht nur die bloßen Überzeugungen von Medienschaffenden und anderen Wortführer*innen, die sich von jetzt auf gleich verändern. Es sind genauso gesellschaftliche Sanktionierungen und materieller Anreize, die bewusst und/oder unbewusst die Verengung und Verschiebung des Diskursraumes zuspitzen. Wer einmal zum Schwurbler, Putinversteher oder Antisemit erklärt wurde, überlegt es sich ein zweites Mal, den Kopf aus dem Rahmen des Sagbaren herauszustrecken. Wer es bei seinen Kolleg*innen beobachtet, wird es ihnen nicht nachtun. Wer in den letzten 20 Jahren in dem kollabierten Beruf des Journalisten heutzutage noch Karriere machen oder geschweige denn seine Familie ernähren will, muss sich, bis auf einige wenige Ausnahmen, den expliziten oder impliziten Direktiven eines verengten Diskursrahmens unterwerfen. Auch all jene, die nicht einmal auf das Geld angewiesen sind oder ohne finanzielle Anreize als Influencer*in oder irgendwie geartet als Medienmacher*in in der Öffentlichkeit stehen, sind von gerade sozialen Sanktionierungen betroffen. Narrative wie die Staatsräson, der Migration als Mutter aller Probleme, den schmarotzenden Bügergeldempfänger*innen oder der Zeitenwende werden in den Redaktionen der Republik so gerade innerhalb der klassischen Medien immerzu wiedergekäut und neu aufgewärmt. Explizit linke Medien, die mal ein großes Publikum erreichten, haben einen zunehmend schweren Stand in diesem Klima. Sei es das nd (zuvor Neues Deutschland), das seit Jahren von Jahr zu Jahr ums Überleben bangt, die Junge Welt, die sich erst im vergangenen Jahr wieder fangen konnte und seit dem tatsächlich Abos hinzugewinnt oder die taz, die sich dazu entscheiden hat endgültig den woke/linksliberalen Weg zu gehen.

Den digitalen Kampf annehmen

Doch es sind schon lange eben nicht mehr nur die Zeitungshäuser, die den Diskurs prägen. Digitale Medien, seien es Instagram oder TikTok, nehmen heute den viel größeren Teil dessen ein, was die tägliche Weltsicht der allermeisten Menschen prägt. Die Rechte hat das schon lange verstanden und schafft es, eine ganze Generation, insbesondere junger Männer, zu formen und ihnen – wie Ahrens es andeutet – Gedanken, Ideen und Ideale in den Kopf zu projizieren. Liberale kratzen sich derweil verdutzt am Kopf, wollen digitale Medien am liebsten weiter einschränken und damit die Symptome eines viel größeren Problems ausblenden, oder sie versuchen sich darin, mit endlosem Cringe irgendwie im digitalen Zeitalter anzukommen, was bis auf wenige Ausnahmen kaum auf positive Resonanz stößt, die sich mit der Menge an rechtem Content auf allen digitalen Plattformen nicht einmal im Ansatz messen kann.

Auch Linke und linksradikale Medienprojekte und Medienschaffende sprießen derweil aus dem Boden, allerdings – und das ist ein enormer Unterschied – schaffen diese es nicht auf die gleiche Weise, einen Einfluss auf die öffentliche und veröffentlichte Meinung zu nehmen wie das der Rechten gelingt. Der Vorwurf des politischen Gegners in Form der alten und neuen Rechten, doch ein verlängerter Arm der politischen Elite zu sein, wird zwar vehement im Wort verneint, in der Tat allerdings lässt er sich kaum von der Hand weisen. Zu kurz sind die Wege zu den Stiftungen und Geldgebern, zu den Förderprojekten und zu verlockend die halben Stellen in der einen oder anderen Partei, staatlich geförderten Medienprojekt oder einer anderen Institution. Zu groß die Ähnlichkeit der eigenen Inhalte mit den Inhalten der politischen Parteien und Konzernen, die kaum Empathie für breite Teile der Bevölkerung aufbringen und für die Menschen immer nur Objekte des eigenen Machtanspruchs sind.

Also was tun? Der Kampf um die Medien ist eröffnet, er ist öffentlich und doch versteckt, weil er zwischen und hinter den Zeilen und nicht in ihnen selbst stattfindet. Und doch hat er direkten Einfluss auf die Köpfe der Menschen. Die Linke hat diesen Kampf erkannt.

Doch ist sie bereit, den Kampf um die Köpfe und um die Herzen, der eigentlich hinter dem Kampf um die Medien steht, anzunehmen?

Bild: The rotary press of newspaper Hufvudstadsbladet – Finnish Heritage Agency, Finland – CC BY. https://www.europeana.eu/item/2021009/_6b44f5e2_da6a_44f6_aea6_adcbaf56aa56

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