Philippinische Frauen schließen sich den Reihen der NPA-Guerilla gegen die Duterte-Diktatur an. Ich hatte die Gelegenheit, mit zwei von ihnen zu sprechen. Hören Sie hier ihre Geschichte.
Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Land der Dritten Welt, zum Beispiel auf den Philippinen. Gewalt ist allgegenwärtig, die Regierung ist bis ins Mark verfault und Ihre Identität als Frau wird traditionell unterdrückt. Ihre Situation sieht nicht gut aus. Fragen Sie sich, wie Sie die Armut in einem System überwinden können, das Sie im Stich lässt? Wie bekämpft man einen faschistischen Macho-Diktator, der Aktivistinnen als „Hündinnen“ betrachtet? Die Frauen auf den Philippinen fanden ihre Antwort in einer umfassenden Rebellion gegen ihren alltäglichen Feind.
Der Diktator Rodrigo Duterte ist die Verkörperung eines Machos. In einer Rede sagte er: „Es gibt einen neuen Befehl des Bürgermeisters: ‚Wir werden dich nicht töten. Wir werden dich einfach in die Vagina schießen.’“ Er fuhr fort, dass Frauen ohne ihre Vagina „nutzlos“ wären. Es gibt unzählige Beispiele für diese Art von Verhalten. Aber es gibt auch Tausende und Abertausende Beispiele von Frauen, die sich der Guerilla-Bewegung „New Peoples Army” (NPA) anschließen, um diesen Zustand zu beenden.
Die NPA ist der bewaffnete Flügel der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP). Die Organisation ist auf den Philippinen, in den USA und in der EU verboten. In einer Erklärung behauptet sie: „Die NPA wird von Zehntausenden von Männern und Frauen in der Volksmiliz und Hunderttausenden in Selbstverteidigungseinheiten der Massenorganisationen unterstützt. Sie ist an mehr als 110 Guerilla-Fronten tätig.“
Frauen nehmen in der Guerilla einen ganz besonderen Platz ein. Eine große Anzahl von Kombattant:innen sind weiblich. Ich sprach mit zwei jungen weiblichen NPA-Kadern, Ka Mimi und Jellyn, beide 23 Jahre alt, um ihre Situation in einer Gesellschaft zu verstehen, die Frauen gegenüber so feindlich eingestellt ist, dass sie in einem bewaffneten Aufstand dagegen einen Ausweg suchen.
Hallo! Bitte stellt euch doch zu Beginn ein wenig vor.
Ka Mimi: Als ich 20 Jahre alt war, trat ich der New People’s Army bei. Ich bin bereits seit 3 Jahren Guerillera, seit ich 2017 eingetreten bin. Ich wurde von einer ehemaligen Guerilla-Frau namens Ka Maxin empfohlen, die als Kontaktperson zu der Einheit diente, der ich beigetreten bin.
Bevor ich mich dem bewaffneten Kampf anschloss, war ich bereits mit der revolutionären Bewegung vertraut. Meine Schwiegermutter ist eine ehemalige Guerilla-Kämpferin, die jetzt als lokaler Parteikader in unserer Gemeinde dient. Ich folgte der Einladung von Ka Maxin, mich in die NPAs zu integrieren und ihren Kampf kennenzulernen. Ich stimmte zu, eine Woche in der Einheit zu bleiben, entschied mich aber später, das auf Wochen, Monate und letztlich Jahre auszudehnen. Ich habe kürzlich in der 2. Oktoberwoche einen Kameraden geheiratet, nachdem ich drei Jahre im Kampf geblieben war.
Ich habe die Einladung, der NPA beizutreten, auch wegen meiner Bestürzung gegenüber meinem missbräuchlichen Ex-Partner angenommen. Mein Partner hat mich mit anderen Frauen betrogen. Als ich ihn konfrontierte, würgte er mich und versetzte mit mit einem defekten Stromkabel einen elektrischen Schlag. Ich beendete die Beziehung und zog danach aus dem Haus.
Ich beschloss, in der Einheit zu bleiben und eine Vollzeit-Guerillera zu werden. Meine Entscheidung war kein Heureka-Moment, sondern ein Produkt von Widersprüchen und Spannungen von Erleuchtung und Verwirrung.
Jellyn: Ich bin Jellyn, eine Manobo (Lumad / Mitglied einer nationalen Minderheit, Anm. d. Red), 23 Jahre alt. Ich bin im November 2014 dazugekommen. Mein Mann (Maki, ebenfalls ein Manobo) trat zuerst ein und nach einem Jahr überzeugte er mich, ihn zu besuchen und sein Leben zu erleben.
Als ich noch kein Mitglied war, hatte ich zunächst kein Verständnis für die Revolution. Erst als ich mich anschloss, wurde mir klar, dass uns die Regierung unsere Rechte und Grundversorgung nicht gewährt hat. Erst dann verstand ich, wie Frauen und Lumaden ausgebeutet und unterdrückt wurden. Deshalb habe ich mich nach einem Jahr entschieden, Vollzeit zu arbeiten.
Was habt ihr gemacht, bevor ihr zur Guerilla gekommen seid? Welche Position habt ihr in der NPA?
Ka Mimi: Ich wurde in eine Familie von Bauern geboren, bin aber in einer Stadt aufgewachsen und habe nie Landwirtschaft erlebt. Ich bin das einzige Mädchen unter meinen 5 Geschwistern. Ich wurde im Alter von 14 Jahren schwanger und hatte eine Tochter. Der Vater meiner Tochter verließ mich nach der Schwangerschaft und leistete keine Unterstützung für das Kind.
Im Alter von 18 Jahren arbeitete ich als Vertragsarbeiterin eines multinationalen Agrobusiness-Konzerns, der Palmöl verarbeitet. Ich arbeitete als Wäscherin und wusch Arbeiteruniformen. Nach dem Vertrag arbeitete ich als Packerin für eine Junk-Food-Firma, die einem philippinischen Bourgeois gehörte. Ich arbeitete von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends und erhielt einen dürftigen Tageslohn von 180 Peso. Unsere männlichen Kollegen erhielten 280 Pesos. Ich habe bei der Arbeit unfaire Arbeitsbedingungen erlebt. Wir durften nicht sitzen, nur eine 30-minütige Mittagspause und begrenzte Toilettenpausen einlegen. Wir hatten unter anderem keine angemessenen Gesundheitsschutz.
Da mein Lohn nicht ausreichte, um über die Runden zu kommen, wurde ich gezwungen, mich an anderen Aktivitäten zu beteiligen, um ein wenig mehr zu verdienen, ohne meine Eltern zu informieren. Ich arbeitete in einer Bar und wurde eine Prostituierte. Ich habe auch kleine Drogengeschäfte gemacht, um Milch für mein Kind kaufen zu können.
Derzeit bin ich als Zugärztin tätig. Wir errichten Massenkliniken und bieten Bauern und Lumaden kostenlose medizinische Dienstleistungen an. Dies umfasst zahnärztliche Leistungen, Beschneidung und einfache chirurgische Operationen. Im Zuge der Pandemie nahm ich an mehreren medizinischen Missionen und Informationsverbreitungskampagnen teil. In der NPA wird uns beigebracht, wie man einheimische Gesundheitspraktiken praktiziert und pflanzliche Arzneimittel als Alternative zu teuren kommerziellen Arzneimitteln einsetzt.
Gleichzeitig bin ich auch als politische Führerin in der Guerilla-Einheit tätig. Ich nehme an der Massenarbeit teil, um die Bevölkerung zu organisieren und zu mobilisieren. Wir helfen den Massen beim Aufbau ihrer Organisationen, bei der Durchführung von Bildungsdiskussionen und bei der Lösung interner Konflikte.
Ich glaube, ich konnte mein Selbstwertgefühl wieder herstellen, als ich Guerilla wurde. Früher hielt ich mich für schmutzig, für eine Sünderin und als Schlampe. Als kommunistische Guerilla zu dienen, gab meinem Leben einen neuen Sinn und eine neue Richtung, ein Leben nicht nur für mich selbst, sondern für das kollektive Wohl.
Jellyn: Bevor ich mich einschrieb, half ich meinen Eltern bei der Hausarbeit und bei der Ernte von Süßkartoffeln. Ich hatte noch keine Menstruation, als meine Eltern meine Ehe mit meinem Mann arrangierten. Ich war minderjährig, als ich schwanger wurde, und unser erstes Baby starb, weil mein Körper nicht bereit war, schwanger zu werden, weil ich zu jung war und es in meiner Gegend keine Gesundheitsdienste gab.
In der Volksarmee war ich Versorgungsoffizierin, dann wurde ich politische Ausbilderin des Alpha-Zuges.
Wie kann man sich das tägliche Leben in der NPA vorstellen?
Ka Mimi: Das tägliche Leben in der NPA beinhaltet eine Menge Arbeit, die von militärischen, politischen, produktiven bis zu technischen Aktivitäten reicht. Die Einheit plant ihre täglichen Aktivitäten gemäß ihren kurzfristigen und langfristigen Plänen.
In Bezug auf die militärische Arbeit gewährleistet das Kommando die Sicherheit der Einheit. Es setzt Teams für Aufklärung und Vermessung ein, überwacht Nachrichtennetze und so weiter. Wenn es die Situation zulässt, führt die Einheit gestaffelte militärische Trainings, Hindernisläufe und körperliche Übungen durch.
Die politische Arbeit ist in zwei interne und externe Felder unterteilt. Interne politische Arbeit beinhaltet ideologisches Training, Bildungsdiskussionen, Bewertungen und Konfliktlösung, Alphabetisierung und Rechnen für Genoss:innen, die nicht in der Lage waren, zur Schule zu gehen. Externe politische Arbeit umfasst die Organisation, Durchführung sozialer Ermittlungen und die Planung von Massenkampagnen.
Guerillas helfen auch den Bauern bei der wirtschaftlichen Produktion. Dazu gehören unter anderem manuelle landwirtschaftliche Arbeiten, die Durchführung von Seminaren und Diskussionen zur Förderung des ökologischen Landbaus und des kollektiven Landbaus.
Die technische Aufgabe umfasst die täglichen Aufgaben im Camp wie Kochen, Wasser holen und Brennholz sammeln. Diese Aufgaben werden von allen Guerillas im Zug sichergestellt. Ich übernehme oft politische und technische Aufgaben im Rahmen meiner täglichen Aktivitäten.
Jellyn: Es gibt Zeiten, in denen es schwierig ist, es gibt Opfer, wie das Marschieren, wenn es heiß ist und nachts regnet. Es gibt aber auch Zeiten, in denen wir Studien über Politik und militärische Arbeit durchführen und unsere ideologische Einheit stärken können. Es gibt auch Zeitangaben für Massenarbeiten. Im Allgemeinen werden tägliche Aufgaben gemeinsam entschieden und wir führen sie aus, indem wir uns gegenseitig helfen.
Was unterscheidet Euren Alltag in der Guerilla von dem der Männer?
Ka Mimi: Es ist anders, aber in vielerlei Hinsicht ähnlich. Zum Beispiel gibt es immer noch Vorurteile gegenüber Frauen in Bezug auf die militärische Tätigkeit, mit denen Guerilleras im Inneren zu kämpfen haben. Die meisten militärischen Aufgaben – Aufklärung, Vermessung und taktische Offensiven – werden hauptsächlich männlichen Kämpfern zugewiesen. Frauen bestehen darauf, dass sie die Arbeit auch erledigen können, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Die Kommunistische Partei der Philippinen kämpft seit langem für die Emanzipation von Frauen, und die Genossen versuchen ihr Bestes, um Vorurteile gegenüber Frauen abzubauen. Während die Partei einen langen Weg für den Kampf der Frauen zurückgelegt hat, müssen sich Frauen in Bezug auf die militärische Arbeit immer noch doppelt so hart beweisen.
Alle anderen technischen Aufgaben (Kochen, Wasser holen, Brennholz sammeln) werden von Männern und Frauen geteilt.
Jellyn: Meiner Meinung nach haben Männer und Frauen die gleichen Aufgaben. Draußen werden Männer und Frauen unterschiedlich betrachtet, aber hier werden sie als gleichberechtigt angesehen.
Eine der größten Guerilla-Organisationen ist die kurdische YPJ mit 26.000 weiblichen Kadern. Sie stellt reine Fraueneinheiten auf. Warum sind bei euch die Einheiten gemischt?
Ka Mimi: Weil wir als Kollektiv agieren und weil Männer und Frauen gleichermaßen unterdrückt werden. Männer, Frauen und LGTB sind in einer Einheit integriert, genauso wie Genoss:innen aus verschiedenen Klassen, darunter Bauern und Bäuerinnen, Arbeiter:innen und Kleinbürger:innen, vereint sind. Wenn wir die Frauen von den Männern trennen, wie können die Männer dann etwas über die Probleme und den Kampf der Frauen lernen?
Letzten Monat haben wir eine Frauenkonferenz durchgeführt, auf der alle Guerilla-Frauen ihre Erfahrungen und Kämpfe austauschten. Wir haben etwas über die Befreiungsbewegung der Frauen und unsere Rolle in der Revolution gelernt. Wir haben das Wissen, das wir auf dem Kongress gelernt haben, an unsere männlichen Kameraden weitergegeben. Wir erkennen die verschiedenen Ebenen der Unterdrückung und insbesondere die Unterdrückung von Frauen. Aber wir in der NPA sind als Einheit in einen Kampf gegen einen gemeinsamen Unterdrücker integriert.
Jellyn: Vielleicht können wir so Erfahrungen von allen sammeln. Damit wir die Eigenschaften des anderen kennen und verschiedene Klassen und Schichten sich kennen.
Wie war Eure erste Kampferfahrung? Hattet ihr Angst vor dem Tod?
Ka Mimi: Ich habe noch keine tatsächliche bewaffnete Auseinandersetzung miterlebt. Die dem am nächsten kommende Erfahrung, die ich gemacht habe, war, als feindliche Truppen uns so nahe kamen, dass wir sie auf einem angrenzenden Hügel sahen. Unsere Einheit konnte den Feind ausmanövrieren, aber ich war damals so nervös. Ich sagte mir, ich sollte nur dem Befehl vertrauen. Ich habe gelernt, die Angst vor dem Tod in der Revolution zu verinnerlichen und zu überwinden und sie als Realität im Krieg zu betrachten. Wir sind nicht ohne Angst, aber wir fühlen uns mutiger, weil wir nicht allein sind. Wir haben Kameraden:innen bei uns.
Jellyn: Bei mir war es ein Hinterhalt im November 2018. Dies war eine Reaktion auf die Forderung der Region nach koordinierten taktischen Offensiven. Etwa eine Stunde dauerte der Schusswechsel, dann zogen wir uns zurück. 17 Elemente des 66. Infanteriebataillons der philippinischen Streitkräfte wurden getötet. Wir hatten aber auch einen Gefallenen. Aber ich hatte keine Angst, meine Haltung blieb fest. Ich verstehe, dass dies Teil unserer Opfer ist, um den Sieg zu erringen.
Wie sehen Euch Frauen außerhalb der NPA?
Ka Mimi: Sie fragen mich immer, ob ich das Guerilla-Leben mit schweren Lasten und langen Strecken ertragen kann. Sie fragen mich immer, ob mein Gewehr zu schwer für mich ist und ob ich mit meinem riesigen Körper wirklich richtig laufen kann. Ich denke, sie sind erstaunt, Frauen zu sehen, die die Nöte und Opfer ertragen und ihre Söhne und Töchter für eine größere Sache zurücklassen.
Jellyn: Es gibt Respekt, Vertrauen und Zuversicht. Sie ermutigen mich, sagen mir, ich solle in Sicherheit sein, mich nicht erwischen lassen usw.
Habt ihr noch eine Botschaft für unsere Leser:innen?
Ka Mimi: Ich denke, Frauen müssen an der Revolution teilnehmen. Wir können die Unterdrückung von Frauen nicht beenden, wenn wir nicht alle Formen der Unterdrückung in Klasse, ethnischer Zugehörigkeit und Rasse beenden können. Deshalb müssen wir uns Hand in Hand mit anderen Sektoren der Gesellschaft wie den indigenen Völkern, Arbeitern, Fischern, Bauern und anderen zusammenschließen.
Jellyn: Als Frau draußen wurde ich von der Regierung vernachlässigt. Aber in der Guerilla werde ich respektiert. Und ich danke der Partei und der Armee, dass sie mich geweckt haben.
# Titelbild: Photo from Communist Party of the Philippines