Korruption, Vetternwirtschaft, Begünstigung und Betrug gehören zum Kapitalismus wie die Beule zur Pest. Es kann einen nüchternen Beobachter daher nicht überraschen, dass von den Politikern der bürgerlichen Parteien, die diese „Ordnung“ repräsentieren, die Mehrzahl früher oder später mit der einen oder anderen Affäre in den Schlagzeilen ist. Sei es irgendwas mit Bonusmeilen bei der Lufthansa, Mogeleien bei der Doktorarbeit oder ein lukrativer Aufsichtsratsposten, der nicht so recht zur politischen Funktion passen will. Es ist dabei immer wieder frappierend, wie gut bezahlte Verantwortungsträger um irgendwelcher kleiner Vorteile willen bereit sind, Ruf und Karriere zu riskieren.
Jetzt hat es einen erwischt, von dem man das vielleicht erst einmal nicht gedacht hätte: Armin Laschet, CDU. Der Mann gibt den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten mit solcher Leutseligkeit, dass man ihm böse Absichten eigentlich nicht zutrauen möchte. Wenn man Laschet in einen weißen Kittel stecken würde, könnte er sofort den netten Supermarkt-Filialleiter von nebenan in einer Vorabendserie spielen. Oder einen Landarzt im Hochsauerlandkreis. Auch als Heinz-Erhardt-Double in einer Neuverfilmung von „Immer diese Autofahrer“ könnte zumindest ich mir den Mann gut vorstellen.
Aber auch dieser honorig wirkende Mann, der Bundeskanzler werden will, scheint nicht ganz sauber zu sein. Seit einigen Tagen berichten die Medien über die „Masken-Affäre“, in die der Ministerpräsident von NRW verwickelt sein soll. Die spielte zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr. Kern des Skandals: Das Mönchengladbacher Luxusunternehmen van Laack, Hersteller vor allem hochwertiger Hemden, nutzte offenbar den Kontakt zum Sohn des MP, Johannes „Joe“ Laschet, um groß in die Produktion von Masken und Kitteln einzusteigen und megamäßig abzusahnen.
Dazu muss man wissen, dass Joe Laschet ein in der entsprechenden Szene bekannter „Mode-Influencer“ ist, mit rund 92.000 Followern auf Instagram. Influencer, das nur der Ordnung halber, hat mit der Influenca nichts zu tun, obwohl es sich dabei um eine kranke Erscheinung des Konsumzirkus handelt. Joe Laschet zeigt sich jedenfalls auf seinen Social-Media-Kanälen und seiner Website, wusste die Frankfurter Rundschau, „regelmäßig in der Ausstattung der Luxusmarke van Laack, auch mal gerne im van Laack-Store in Paris oder im schicken Sportwagen“.
Als zu Beginn der Coronakrise nun der Mangel an Schutzmasken groß war, entdeckte die Nobelfirma van Laack ihre soziale Ader und bot NRW über ihre Werbefigur Joe Laschet Hilfe an, nämlich die Produktion von Schutzmasken und -kleidung. Das wird jetzt auch gar nicht geleugnet. „Ich habe Joe gesagt, dass er seinem Vater meine Nummer geben kann, wenn das Land Hilfe bei der Beschaffung von Masken braucht“, zitierte die Rheinische Post van-Laack-Inhaber Christian von Daniels.
So ein edles Angebot schlägt man natürlich nicht aus. Also reichte Joe die Telefonnummer seines Auftraggebers an Papi weiter. Und Armin Laschet ließ es sich nach Aussagen des Unternehmers nicht nehmen, an einem Sonntagabend persönlich beim Arbeitgeber seines Sohnes anzurufen, um einen Auftrag abzuwickeln. Von Daniels erklärte in der Rheinischen Post, er erinnere sich deshalb so gut daran, weil gerade ein James-Bond-Film im Fernsehen lief.
Ein nettes Detail, aber wohl nicht ganz so entscheidend wie das, was dann geschah. Und zwar sei im Anschluss der Auftrag des Landes NRW von über 38, 5 Millionen Euro an van Laack eingegangen. Später seien noch einmal zwei Aufträge des Landes NRW hinzugekommen: Die Polizei NRW orderte 1,25 Millionen Masken für insgesamt vier Millionen Euro. Das war der Einstieg des Mönchengladbacher Textilunternehmens in diesen Markt. Laut Wikipedia, hat van Laack im Geschäftsjahr 2020 über 100 Millionen Alltagsmasken und zwölf Millionen Kittel verkauft und damit seinen Umsatz mehr als verdoppelt.
Vor einigen Tagen kochte das Ganze hoch, vielleicht ja auch nicht zufällig zu einer Zeit, in der der Dreikampf um die Kanzlerkandidatur der CDU zwischen Laschet, Friedrich „Blackrock“ Merz und Norbert Röttgen an Intensität zunahm. Wie es sich in solchen Fällen eingebürgert hatte, konnte Laschet gar nicht erkennen, dass da irgendetwas falsch gelaufen ist. Auf einer Pressekonferenz am 1. Dezember redete er sich auf eine Weise heraus, die schon mehr als peinlich war.
Zu Beginn der Pandemie habe es einfach nicht genügend Masken und Schutzkittel gegeben, barmte der Ministerpräsident. Ja, der Kampf um die Masken sei „brutal“ gewesen. Die Landesregierung habe verzweifelt seriöse Angebote möglichst aus NRW gesucht und jeden gefragt. „Wir haben uns die Hände wundtelefoniert, gefragt, gedrängt, gebettelt.“, harfte Laschet. Und natürlich habe er auch seinen Sohn gefragt, der sich in der Textilindustrie auskenne.
Klar doch, warum auch nicht? „Hey Joe“, wird Laschet wohl gesagt haben, „kennst Du nicht ’nen Dealer für den heißen Stoff, den alle jetzt haben wollen?“ Und der hat geantwortet: „Ruf mal den von Daniels an, der kann was beschaffen.“ Und so war es dann auch. Als ob alle diese Ausreden nicht schon schlimm genug sind, gab der CDU-Politiker bei der Pressekonferenz auch noch den Altruisten: „Mein Sohn hat das gemacht, was jeder in der Situation gemacht hätte: helfen ohne jeden Lohn, ohne jeden Vorteil, ohne jeden Cent.“ Würg!
Laschets Joe stieß ins selbe Horn. „Selbstverständlich habe ich keinen Cent, keinen Vorteil und keine Provision erhalten“, schrieb er bei Instagram. Zweck des Ganzen sei gewesen, „dass Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger fehlende Schutzkleidung bekommen konnten“. Für wie blöd halten uns Laschets eigentlich?! Als ob ein „Influencer“ nicht in irgendeiner Form davon profitiert, wenn sein Auftraggeber mal eben den Jahresumsatz verdoppelt hat, weil Papi zufällig Regierungschef ist.
Zu der Affäre Laschet gesellte sich in diesen Tagen noch ein zweiter Vorgang, der ebenfalls nahe legte, dass es vor allem Politiker der Unionsparteien sind, die nichts gegen ein wenig Vetternwirtschaft und Begünstigung einzuwenden haben. Tagesschau.de berichtete, dass Günther Oettinger im ersten Jahr nach dem Ausscheiden als EU-Kommissar in Brüssel auf insgesamt 13 neue Beschäftigungsverhältnisse komme, darunter auch Lobby-Tätigkeiten. „Allein sieben der 13 neuen Arbeitgeber von Oettinger stehen im Lobbyregister. Da liegt es also nahe, dass die Lobbyfirmen sich hier einen exklusiven Zugang oder Insider-Wissen sichern wollen“, wurde der Grünen-Europa-Abgeordnete Daniel Freund zitiert. Diese Firmen hätten sich schon genau überlegt, warum sie Oettinger einstellten. Zehn Jahre war der CDU-Mann EU-Kommissar, zuerst für Energiepolitik, dann für Digitales, zuletzt für den Haushalt.
Um Konflikte zu vermeiden, sollen die Kommissare eigentlich in den zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden keine Jobs in der Wirtschaft annehmen. Aber es gibt Ausnahmegenehmigungen, die Oettinger gleich 13 mal bekommen habe, so tagesschau.de. Unter anderem für die Tätigkeit als Aufsichtsrat in der Tunnelbohrfirma Herrenknecht, die als Weltmarktführer der Branche gilt. Dazu kommen Tätigkeiten für die Unternehmensberatung Deloitte, für eine Fondsgesellschaft und für eine Kommunikationsberatung.
Genehmigung Nummer 14 steht demnach noch aus. Oettinger soll den ungarischen Innovationsrat für Forschung leiten, Regierungschef Victor Orbán habe ihn darum gebeten, heißt es. „Ein deutscher Ex-Kommissar im Einsatz für ein besseres Image der ungarischen Politik? Das ist umstritten“, schreibt tagesschau.de. Eine zurückhaltende Formulierung, tatsächlich stellt Oettinger eine besonders ekelhafte Form von Käuflichkeit vor. Dieser Mann wirkt zwar immer, als könne er nicht bis drei zählen, weiß aber, wo Bartel den Most holt. Aus seiner Sicht ist sein Verhalten durchaus verständlich. Jahrelang macht man sich in der EU-Kommission für die Konzerne den Buckel krumm – dafür möchte man auch irgendwann mal eine Belohnung haben. Manus manum lavat, eine Hand wäscht die andere, bleibt das heimliche Grundgesetz des Kapitalismus.
Komisch nur, dass beide Hände hinterher schmutziger sind.
#Titelbild: Dirk Vorderstraße (CC BY 2.0)
[LCM:] CDU: Von Laschet und von Lobbyjobs - Die Linke in ihrer ganzen Vielfalt 8. Dezember 2020 - 12:01
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