USA-Bild der deutschen Rechten: Sehnsuchtsort weißes Amerika

21. August 2020

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Gastbeitrag

Im Zuge der Wahl Donald Trumps fand ein bemerkenswerter Wandel innerhalb der deutschen Rechten statt. Einst als unnatürliches Völkergemisch, als Inbegriff des Kapitalismus und der Globalisierung geschmäht, sind die USA heute zum Sehnsuchtsort der Rechten geworden – Ein Gastbeitrag von Ivan Klinge.

Es ist der 15. August 2020, in Berlin findet eine der mittlerweile zahlreichen Kundgebungen von Reichsbürgern, Verschwörungsideologen und Neonazis statt. Mittendrin, zwischen allen bekannten Neonazimarken und schwarz-weiß-roten Flaggen, ist auch eine Flagge der Vereinigten Staaten zu sehen. Was vor 10 Jahren undenkbar war, ist im Jahr 2020, dem es an Überraschungen nicht mangelt, Normalität geworden. Vor Jahren noch Erzfeind der „freien Völker“ und Marionette der „Ostküstenkapitalisten“, sind die USA seit 2016 und der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten zum neuen Verbündeten der globalen Rechten geworden.

Wo es früher noch „Witze“ über Joghurt und die Kulturlosigkeit der USA gab, gehört heute die „Make America Great Again“- Mütze zum Repertoire der Rechten, genau wie Anti-Antifa T-Shirts mit Donald Trump darauf. Denn wie so oft lohnt sich ein Blick zur Rechten, wenn es um die Einschätzung angeblich konservativer Akteure geht – im Gegensatz zum deutschen Bürgertum erkennen Rechte nämlich ihre Leute. So auch bei Trump. Schon 2016 traten in Neonazi-Podcasts wenige Tage nach Trumps Wahlsieg Neonazis mit Trump-Fanartikeln auf. Sie wussten schon damals, gerade wurde einer von ihnen zum Präsidenten gewählt. Und während sich das deutsche Bürgertum über die impulsive Art und die unzureichende Allgemeinbildung des Präsidenten amüsierte – und gleichzeitig chauvinistisch feststellte, dass er ja wohl von der amerikanischen Unterschicht gewählt wurde und nicht vom aufgeklärten Bürgertum – setzte Trump sein rechtes Programm um und veränderte die Gesellschaft nachhaltig. Denn im Gegensatz zur nie vollendeten Mauer nach Mexiko, kam die Steuerreform zugunsten der Oberschicht sehr schnell.

Im Jahr 2020 ist unverkennbar, was Trump ist, wofür er steht und wer ihn unterstützt. Im Zuge der BLM-Bewegung und dem Aufstehen der Bürger*innen der USA gegen die strukturell rassistische Polizei hat sich eine reaktionäre Gegenbewegung gebildet, die bewaffnet durch Städte zieht und gewillt ist, für ihr weißes Amerika zu kämpfen. Für die Aktivist*innen in den USA ist dabei besonders gefährlich, wie gewaltbereit und bewaffnet diese rechten Milizen sind.

Einen Vorgeschmack ihres Mobilisierungspotentials gab es im Frühjahr 2020, als Regierungsgebäude in demokratisch regierten Bundesstaaten als Reaktion auf die lokalen Coronamaßnahmen von schwer bewaffneten Männern besetzt wurden. Seitdem marschieren sie landesweit regelmäßig auf, mit dem vorrangigen Ziel, Linke, Migrant*innen und People of Colour einzuschüchtern und für ein weißes Amerika zu kämpfen. Vor Gewalt und auch vor Mord schrecken sie dabei nicht zurück. Es wurden bereits Antifaschist*innen ermordet – eines der bekannteren Opfer ist Heather Heyer, die 2017 von einem Neonazi getötet wurde. Die Rechten wähnen sich 2020 im lange herbeigesehnten „Race War“, dem Rassenkrieg. Die Sehnsucht nach selbigem ist der Rechten immanent, der apokalyptische Wahn ist auch in der deutschen Rechten präsent und immer Teil ihrer Ideologie gewesen: Für Volk und Nation im heiligen Endkampf – dem „Ragnarök“ – sterben und zu töten.

Verstärkt wird das Ganze noch durch antisemitische Ideologien wie die von „Qanon“ verbreiteten Verschwörungstheorien. Kern dieser Thesen ist, dass Trump mit dem US-Militär Vorkämpfer gegen die degenerierte, pädophile, kindermordende globale Elite ist. Das Erkennungszeichen der Anhänger der QAnon-Theorie, der Buchstabe Q, ist mittlerweile auch auf rechten Kundgebungen in Deutschland zu finden. Im deutschen Ableger sind so die US-Truppen in Deutschland von verhassten Besatzern zu Verbündeten der Verschwörungsideolog*innen geworden, die nur darauf warten, Deutschland zu „befreien“. Zwar ist im Gegensatz zu den USA, in denen sich schon mehrere Politiker der Republikaner zu QAnon bekennen, in Deutschland noch kein Politiker öffentlich als Anhänger in Erscheinung getreten. Das kann (und wird) sich aber noch ändern, gerade in der AfD als Sammelbecken von Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern ist es wohl nur eine Frage der Zeit bis zum offenen Bekenntnis Einzelner.

Dass die USA von Besatzern und Globalisten zu Verbündeten werden, ist also kein Zufall. Es ist auch Resultat der Präsidentschaft Trumps. Diese war und ist Katalysator und Verstärker der amerikanischen Rechten und somit Bindeglied zur europäischen Rechten. Durch ihn fühlen sich Rassist*innen in Uniform erst recht ermuntert, ihre White-Supremacy-Ideologie immer offener und direkter auszuleben. Durch ihn bekommen Antisemiten enormen Aufwind, die Zahl antisemitischer Angriffe in den USA steigt seit 2016 an und wird durch den Präsidenten selbst angefacht. Dabei beeinflussen sich die amerikanische und die europäische Rechte seit Jahren regelmäßig gegenseitig, ein bekanntes Beispiel dafür sind die „Turner-Diaries“, die von den Vereinigten Staaten aus das Konzept des „führerlosen Widerstandes“ propagieren und auch im Deutschland der 90er-Jahre bekannt machten. Eine weitere Präsidentschaft Trumps würde die amerikanische Rechte (und so auch die europäische) weiter dramatisch stärken, ganz zu schweigen davon, dass es fraglich ist, ob das demokratische US-System mit seinen „Checks and Balances“ vier weitere Jahre Trump überleben würde oder in eine rechte Autokratie bzw. eine „gelenkte Demokratie“ münden würde. Dabei kommt auch die Frage auf, ob Trump im Falle einer Niederlage selbige überhaupt akzeptieren würde, oder nicht stattdessen seine Anhänger mobilisieren und sich selbst zum Sieger erklären würde.

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