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Gut eine Woche ist der Riot in der Nacht vom 20. auf den 21. Juni in Stuttgart her. LCM konnte mit Leuten sprechen, die Samstagnacht vor Ort waren. Wir sprachen darüber, was sie dort erlebt haben, wie die Polizei im Stuttgarter Zentrum agiert und was die Ursachen für die Riots sein könnten.

Du warst eine Woche vor der Krawallnacht am Eckensee. Kannst du beschreiben, was da los war? Was da für Leute waren und was sie dort gemacht haben?

Es waren richtig viele Leute um den Eckensee im Park, überwiegend Jugendliche, in größeren Gruppen mit 5-20 Personen. Die haben dort gechillt, getrunken und Musik gehört. Es waren eher Jugendliche, die nicht unbedingt das haben Geld haben, jeden Abend in eine Shishabar zu gehen, wo ein Cocktail um 7-10 Euro kostet.

Wie ist die Polizeipräsenz am Eckensee generell? Gibt es oft Kontrollen?

Ja, die Bullen kontrollieren regelmäßig Leute. Sie habe auch kleine Kessel gemacht, Leute an die Wand gestellt und gefilzt. Natürlich kann es auch sein, dass Deutsche kontrolliert wurden und so viele Kontrollen habe ich auch nicht gesehen, aber die Beispiele, die ich gesehen habe, waren alles MigrantInnen. Am Wochenende, an dem auch die Black Lives Matter Proteste waren, war die Polizeipräsenz enorm. Die Cops waren sicher mit über 20 Wannen da. Sie hatte sich aber wieder zurückgezogen, als sie gemerkt haben, dass es da eine Dynamik gegen sie gibt.

Es gab ja auch schon eine Woche vor den Riots Situationen, wo sich Leute bei Kontrollen solidarisiert haben. Zum Beispiel haben die Bullen Jugendliche auf der Treppe neben dem Königsbau vertrieben und es wurden Flaschen geworfen. Und etwas später gab es eine ähnliche Situation bei der Theodor-Heuss-Straße. Da hat angeblich jemand behauptet, dass einer abgestochen wurde und dann kamen Bullen und haben einen Schwarzen sehr brutal festgenommen. Leute, die dort waren haben dann angefangen, ‚ACAB‘ zu rufen und es sind Flasche geflogen. Die Lage hat sich dann aber wieder entspannt und ist nicht weiter hochgekocht.

Du warst ja auch an dem Samstag vor Ort, an dem die Lage dann eskalierte. Wie hast du die Leute und die Stimmung wahrgenommen?

Als ich ankam waren schon hunderte von Leuten auf dem Schlossplatz versammelt. Einige waren betrunken und die Stimmung war aufgeheizt. Die Cops waren auch schon da, in voller Montur mit Schutzschildern usw. Sie haben eine Riesenkette vor der Köningsstraße gemacht und es flogen immer wieder Sachen auf die. Mir wurde bei der Ankunft direkt klar, um was es geht. Die Leute haben Parolen gerufen wie ‚No Justice, No Peace‘ und ‚ACAB‘. Die Stimmung wurde immer emotionaler und auch kämpferischer. Man hat gemerkt, dass alle Wut auf die Polizei haben. Und die kommt natürlich nicht von irgendwo her.

Nachdem man da eine Weile stand, Parolen gerufen hat und Flaschen auf die Cops geflogen sind, wurde es plötzlich hektisch. Alle Leute sind losgerannt, weil die Bullen von oben kamen. Das war der Punkt, an dem ich eigentlich dachte, jetzt gehen die Leute nach Hause. Aber die Leute sind nicht gegangen. Mit einem Bauzaun wurde versucht, den Bullen den Weg zu versperren, man hat weiter Flaschen geworfen. Die Leute waren voll entschlossen, sich zu wehren, sich die Stadt zu erkämpfen.

Wie nimmst die mediale Darstellung der Ereignisse wahr?

Die Politik gesteht sich ihre eigenen Fehler nicht ein. Sie haben jetzt gesehen, dass ihre repressive Politik zu so was führen kann, aber das können sie natürlich nicht sagen, weil das eine Bankrotterklärung wäre. Sie versuchen den Unruhen nun die politische Dimension zu nehmen und behaupten, es waren Leute, die Bock auf Randale hatten. Das hat vielleicht mitgeschwungen, aber das ist nicht die Ursache, die liegt viel tiefer. Man hat das auch schon bei G20 gesehen, da wurde auch gesagt, das sind RandaliererInnen, obwohl es konkret politisch war. Sobald Proteste die Autorität des Staates in Frage stellen und in einem Rahmen stattfinden, der auch nur im Ansatz eine Bedrohung darstellen könnte, werden sie entpolitisiert. Woran man das gerade gut erkennen kann, ist das vor allem der geplünderte 1€-Laden als Symbol für die Krawalle dargestellt wird und deshalb kann es ja nicht politisch sein. Was völlig außer Acht gelassen wird, ist, dass auch Banken angegriffen wurden oder „Das Gerber“ (Einkaufszentrum in Stuttgart, Anm. d. Red.), was für Aufwertung steht. Ich glaube das wurde bewusst weniger in den Zeitungen erwähnt, da sonst fast jeder Laden benannt wurde. Natürlichen waren das keine geplanten Aktionen aus einem politischen Bewusstsein heraus. Wenn solche Dynamiken entstehen und sich Wut unkontrolliert auf der Straße entlädt, dann erwischt es auch Ziele, die nicht unbedingt sinnvoll sind anzugreifen.

Nach der der Ereignissen begann gleich am nächsten Tag die Suche nach der Ursachen für die Riots. Über Alkohol und „das sind alles Kriminelle“ gehen die Analysen kaum. Was sind aus deiner Sicht Faktoren, die zu dieser Situation geführt haben?

Erstmal kann man sagen, dass die Jugendlichen so etwas nicht gemacht hätten, wenn sie mit den Verhältnissen, in denen sie leben, zufrieden wären. Corona hat sicher auch was damit zu tun. Die Leute hatte mehrere Monate wenig bis keine sozialen Kontakte. In der Corona-Phase gab es außerdem eine sehr starke Bullenpräsenz in der Stadt. Immer wieder wurden unverhältnismäßige Bußgelder verteilt und die Cops haben sich bei jeder Verhaltensweise eingemischt. Man konnte nicht selbstbestimmt draußen sein und das erzeugt natürlich Unmut gegenüber der Polizei.

Das andere sind die Ereignisse in den USA, die für die MigratInnen und Schwarze hier ein Bewusstsein geschaffen haben. Für sie war es Alltag, nichts besonders, andauernd von den Cops kontrolliert zu werden, weil sie angeblich kriminell aussehen. Jetzt hinterfragen sie das Vorgehen der Cops und wissen, dass sie das nicht verdient haben und das sie nicht schlechter sind, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben. Sie haben gesehen, das man sich gemeinsam dagegen wehren kann und das nicht nur mit Worten.

Und unabhängig von der rassistischen Polizei wurden die Leute auch auf allgemeine Benachteiligung sensibilisiert. Sei es bei der Wohnungs- oder Jobsuche. Leute mit ausländischem Namen oder Aussehen haben es immer schwerer. Die Cops stehen als Repräsentant für diese Benachteiligung. Das erzeugt zusätzlich berechtigte Wut. Ich glaube die Jugendlichen dachten sich dann einfach, es reicht, wir lassen uns nicht mehr alles gefallen.

#Titelbild: Jens Volle, Ein bei den Riots entglastes Polizeiauto wird der Presse präsentiert.

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In der deutschen Linken über Israel und Palästina zu sprechen, war stets schwierig. Wer sich positiniert, muss mit Angriffen rechnen, bei denen es lange nicht mehr um sachliche Auseinandersetzung geht. Diese Erfahrung macht auch die linke israelische Diaspora in Deutschland. Peter Schaber hat mit Yossi Bartal ausführlich über die ganze Palette umstrittener Themen diskutiert, Teil I erschien gestern.

Yossi Bartal lebt in Berlin und ist in queeren und antirassistischen Zusammenhängen aktiv.

Du hast davon gesprochen, dass seit den jüngsten Annexionsbestrebungen der Begriff „Apartheid“ in Israel gängig geworden ist und du ihn selbst verwendest. Kannst du dennoch verstehen, dass es deutschen Linken schwerfällt, das Wort Apartheid in den Mund zu nehmen, wenn es um Israel geht?

Ich glaube da ist erst einmal eine sehr große Unwissenheit, was Apartheid tatsächlich bedeutet. Ich finde den Begriff darüber hinaus gut, weil es auch Hoffnung impliziert. Nicht dass Südafrika heute so traumhaft ist. Aber „Apartheid“ schließt eine gemeinsame Lösung ein. Antikolonialismus hat eher die Konnotation: Wir müssen die Kolonialisten rauswerfen. Und das finde ich schwierig.

Wenn wir die Probleme benennen, dann wollen wir auch die Lösungen benennen. Und das ist am Begriff der „Apartheid“ stark – auch wenn das im deutschen Diskurs schwierig zu verstehen ist. Aber er ist eigentlich der Begriff, der darauf abzielt zu sagen: Wir wollen eine gemeinsame, demokratische Lösung mit gleichen Rechten.

Außerdem ist es derzeit so: Die Orthodoxen werden orthodox bleiben, Israelis werden in ihrer Mehrheit Zionist*innen bleiben. Die Linke ist nicht auf dem aufsteigenden Ast, es ist genau andersrum als in den USA: In Israel gilt, je jünger man ist, desto rechter. Es wird also auf absehbare Zeit keine ideale Lösung geben. Es müssen also Bedingungen geschaffen werden, in denen von Islamist*innen bis religiösen israelischen Nationalist*innen alle irgendwie koexistieren können – nicht, weil sie sich lieben, sondern weil es notwendig ist. Das ist in diesem Sinne auch gar nicht revolutionär.

Eher aus der Situation der völligen Defensive linker Ideen geboren …

Ja genau. Wenn du als Linker in Israel Politik machst, ist aber auch deine normale Praxis so. Man nimmt eine Scharnierfunktion wahr. Man geht auf äthiopische Demonstrationen gegen Polizeigewalt und zeigt Solidarität mit ihrem Kampf. Und dann versucht man, das mit den Araber*innen zusammenzuführen, die gegen das gleiche kämpfen. Und dann versucht man, einander nicht zu provozieren, indem man von den eigenen Inhalten Abstriche macht. Es geht um das Zusammenführen von Gemeinden, die alle in sich halbwegs organisiert sind – und alle sehr unterschiedlich. Als Linke*r will man ja eigentlich alle Menschen einer Gesellschaft davon überzeugen, Kommunist*innen oder Anarchist*innen zu werden, aber hier geht es eher darum, verschiedene Communities miteinander so zu verbinden, dass sie sich gegenseitig respektieren und im besten Fall unterstützen können.

Im Grunde ist ja auch das sehr ähnlich mit der Situation in Kurdistan. Auch da ging es ja darum, verschiedene, zum Teil Jahrhunderte verfeindete Gemeinschaften zusammenleben zu lassen, einen demokratischen Rahmen dafür zu schaffen und ihnen ihre Selbstbestimmung zu garantieren.

Ich glaube auch, dass Israelis und Palästinenser*innen viel von der kurdischen Erfahrung lernen können. Interessant finde ich auch, was die kurdische Bewegung in jenen Gebieten gemacht hat, die gar nicht zu Kurdistan gehören, den arabischen Gebieten: Wie sie zum Beispiel da mit den familiären Strukturen zusammengearbeitet haben. Sie haben ja nicht versucht, ihnen Marxismus beizubringen.

Naja, es gibt natürlich ideologische Debatten und Versuche, die Mentalität zu ändern …

Ja, aber zunächst geht man zum Familienvertreter und macht einen Deal. Man sagt: Ihr dürft das und das, wir stören euch nicht, ihr stört uns nicht, und dann sollte es Frieden geben. Das funktioniert auch nicht wunderbar.

Ein Modell für extrem verhärtete Fronten. Es sind ja Stämme, die einander zum Teil seit Jahrtausenden befehden – und man hat sie dennoch unter ein Dach gebracht. Und Öcalan sagt ja explizit, das Modell des Demokratischen Konföderalismus wäre wie gemacht für Israel und Palästina. Und viele Einwände der bedingungslosen Israel-Fans ziehen hier einfach nicht: Etwa der, dass ohne Staat, Jüdinnen und Juden keine Selbstverteidigungsmöglichkeit hätten. Das ist ja bei jeder Gemeinschaft im Rahmen des Demokratischen Konföderalismus gegeben – sie alle haben ihre eigenen Verteidigungsformationen. Vielleicht nicht grade als Atommacht, aber immerhin.

Das Problem ist, dass das nationalstaatliche Denken tief verankert ist. In Israel ist es weit verbreitet und warum sollen die Leute umdenken? Den Israelis geht es ja nicht so schlecht. Für jüdische Israelis, vor allem aus den mittleren und oberen Schichten funktioniert dieser Staat ganz gut.

Aber soziale Proteste gab es ja dennoch in den letzten Jahren immer wieder.

Aber ehrlich gesagt, wenn es Frieden gäbe, gäbe es dann keinen Kapitalismus? Die Kosten des Militärs und der Besatzung schaden zum Teil, ja, aber sie sind für die Mittelklasse auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Der Hightech-Sektor, der da dran hängt, ist profitabel. Die Besatzung nur als Last zu sehen, was einige Linke in Israel sagen, ist etwas schief. Es gab seit den 80er-Jahren die Parole „Geld für die armen Nachbarschaften, nicht für die Siedlungen“ – aber die Menschen aus den armen Nachbarschaften sind nicht selten in Siedlungen eingezogen. Die Misrachi in Jerusalem haben eine größere Wohnung, weil sie in den besetzten Gebieten wohnen. Die Kriegssituation ist auch nützlich, um die Gesellschaft und die sozialen Probleme immer unter Kontrolle zu halten.

Und der Krieg hilft, um ein Volk zu kreieren. Es kommen ja Jüdinnen und Juden aus der ganzen Welt – und man muss eine gemeinsame Identität stiften. Da gibt es auch viele Kulturkämpfe, viel Rassismus und so eine Konfliktsituation ist da sehr nützlich.

Wenn es da kein Interesse an Änderung gibt, was sollte man dann dort als ein Linker tun?

Ich meine, ich kann es ja auch persönlich sagen. Das ist einer der Gründe, warum ich weggegangen bin und warum viele weggehen, die die Situation realistisch betrachten. Man sieht da keine Alternative mehr. Das einzige, was als möglicher positiver Faktor in Erwägung gezogen wird, ist dass der internationale Druck wachsen würde. Und diese BDS-Idee hat sich dann internationalisiert. Da war die Idee: Die liberale Welt wird sich gegen diese Apartheid vereinigen. Aber umgekehrt hat sich auch Israel international Bündnispartner dagegen gesucht. Israel ist ein Bezugspunkt für viele Staaten, die Autoritarismus und antimuslimischen Rassismus vereinen, man nehme Indien oder Brasilien.

Überhaupt für einen großen Teil der Neuen Rechten.

Das ist ein wichtiger Punkt. Jüdinnen und Juden waren gezwungen, sehr lange mit Antisemitismus zu leben. Und die jüdischen politischen Formationen sind nicht nur im Kampf gegen Antisemitismus, sondern auch im Zusammenleben mit Antisemitismus zustande gekommen. Der Zionismus hat von Anfang an gesagt, die Antisemiten können uns nützlich sein. Auf eine Art und Weise ist diese Idee, Juden brauchen einen Nationalstaat auch ein Reflex des Antisemitismus: Jüd*innen müssen „verbessert“ werden, sie sind ja „entwurzelt“, „Luftmenschen“. Wer den Zionismus kennt, kennt diese Einflüsse. Bei den Antisemit*innen war es die These: Jüd*innen sind verkommen und deshalb müssen sie weg. Bei den Zionist*innen die These: Sie sind verkommen und wir müssen sie durch einen Nationalstaat reformieren. Und ähnlich in Teilen der sozialistischen Bewegung: Der städtische Jude wurde auch von vielen jüdischen Bewegungen als eine regressive mittelalterliche Figur, irgendwie als parasitisch angesehen.

Für den Zionismus war es also auch lange Zeit notwendig, irgendwie mit dem Antisemitismus zurecht zu kommen. Balfour – der Namensgeber der Balfour-Deklaration, nach dem überall in Israel Straßen benannt sind – zum Beispiel war ein großer Antisemit. Der Mann hat jüdische Migration nach Großbritannien unterbunden, denn er wollte ja nicht mehr Jüd*innen haben. Aber er wollte Jüd*innen nach Palästina schicken. Ich will dieses Zusammenspiel von Antisemitismus und Zionismus nicht verteufeln, also nicht sagen: Der Zionismus hätte den Antisemitismus bewusst befeuert. Es waren primär praktische Überlegungen. Aber sachlich gibt es diesen Zusammenhang zwischen beiden.

Als eine Überlebensstrategie …

Genau. Aber als eine Überlebensstrategie, die ich falsch finde. Und aktuell ist das auch ein strittiger Punkt. Der israelische Präsident Reuven Rivlin ist da sehr klar und sagt: Ich arbeite nicht mit Faschisten. Aber die Netanjahu-Regierung macht das systematisch: Orban und Bolsonaro etwa sind enge Partner. Das spiegelt sich auch in den Antisemitismus-Debatten. Auf den Staat Israel bezogener Antisemitismus nimmt eine zentrale Rolle ein, etwa christlich-fundamentalistischer nicht. In der Antisemitismus-Definition ist keine Rede vom Beschneidungsverbot oder dem Verbot des Schächtens. Also Regeln, die jüdisches Leben fast unmöglich machen, gehören nicht zur offiziellen Definition von Antisemitismus.

Oder nehmen wir Trump. Um Trump herum gibt es sehr viele rechtskonservative Jüdinnen und Juden. Und gleichzeitig verbreitet Trump klar Antisemitismus. Und das sehe ja nicht nur ich so, sondern das sieht auch der Mainstream der jüdischen Gemeinde so. Mit der Trump-Regierung kam es zu einem dokumentierbaren, großen Anstieg antisemitischer Straftaten in den USA – der größte Teil durch weiße Nationalisten.

Er landete aber nicht auf der Top-Ten-Antisemiten-Liste des Simon-Wiesenthal-Center …

Nein, natürlich nicht. Und das hat auch etwas mit dieser neuen IHRA-Definition von Antisemitismus zurück. Die wurde damals übrigens sehr stark durch das Simon-Wiesenthal-Center gepushed, also durch die, die jetzt in den USA für die Illegalisierung der Antifa eintreten. Peter Ulrich hat für die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Kritik an der IHRA-Definition geschrieben. Das ist eine sehr gemäßigte Kritik, aber sie weist nach, dass diese Definition einfach ungeeignet ist. Und dass sie strukturell vor allem gegen linke und migrantische Politik eingesetzt werden kann.

Was ich in Deutschland erstaunlich finde ist, dass die Debatte so wenig lebendig ist. Es gibt eine sehr starke Beamtenmentalität: Wir haben jetzt eine staatliche Definition und dann haken wir ab, ob die drei „D“ erfüllt sind und so erkennen wir Antisemitismus. Wobei selbst in der staatlich unterstützten IHRA-Definition klar ist, dass man Kontext berücksichtigen muss. Und wenn Palästinenser*innen Israel hassen, ist der Kontext ja nicht so schwer herauszufinden. Wenn deine Familie bombardiert wird, wahrscheinlich hasst du dann Israel. Das hat nicht notwendig damit zu tun, dass du Antisemit*in bist. Aber soetwas wird komplett ausgeblendet in der Breite des Diskurses.

Wobei mich ja weniger wundert, dass der Staat seine Staatsräson in Bezug auf Israel dann in solchen Definitionen ausdrückt. Was mich wundert, ist, dass das dann auch in großen Teilen der Linken – natürlich allen voran die sogenannten „Antideutschen“, aber auch darüber hinaus – als verbindliche und gar nicht mehr zu diskutierende Grundlage gilt.

Ganz erklären kann ich mir das auch nicht, aber ein Teil der Erklärung dürfte sein, dass wir in Deutschland nicht so viele Jüd*innen in der Linken haben. In den USA, wo jüdische Menschen einen größeren Teil der Linken und radikalen Linken darstellen, gibt es tatsächlich eine eigenständige Beschäftigung mit Antisemitismus und Judentum. Wir beobachten da eine große Renaissance von linken jüdischen Ideen und einer wirklichen Antisemitismuskritik von links. Das ist total interessant.

In Deutschland sind die meisten Antisemitismusexpert*innen nicht-jüdische Deutsche. Und oft gibt es in der linken Szene gar keine Jüdinnen und Juden, mit denen man sprechen kann. Das sehen wir übrigens auch, wenn wir Berlin – wo es doch eine Community gibt -, mit anderen Städten etwa im Osten vergleichen. Da laufen Diskussionen auch schon anders.

Anders ist das nochmal, wenn wir uns die offizielle Position der Jüdischen Gemeinde ansehen. Die Mehrheit der Jüd*innen in Deutschland hat einen tiefen Bezug zu Israel. Heute sind ja kaum mehr religiöse Jüd*innen hier. Sie sind wirklich eine Minderheit. Ich kenne hier selbst Rabbiner, die nicht mal an Gott glauben. Aber den Platz, den Gott hatte, hat der Staat Israel eingenommen. Er ist das, woran man glaubt. Es gab in den letzten 50 Jahren so eine Zionisierung – das, was wirklich identitätsstiftend wurde, ist der Bezug auf den Staat Israel. Und natürlich sehen diese Jüd*innen, die so denken, Angriffe auf diesen Staat – zurecht oder zu Unrecht – als Angriffe auf sie. Dadurch ist die jüdische Gemeinde tatsächlich in die Position gekommen, Israel zu verteidigen – was ich für einen sehr gefährlichen Prozess halte. Auf der anderen Seite gibt es ja keine Alternative zur Beschäftigung mit Israel, also auch nicht für uns als kritische Jüdinnen und Juden. Auch mein kritisches Verhältnis zu Israel ist Teil meiner jüdischen Identität.

Was schlägst du dann vor, um diese Debatte voranzubringen?

Um die staatliche Definition von Antisemitismus zu widerlegen, müsste man eigene Definitionen auf den Tisch legen. Und da bin ich dafür, Antisemitismus als eine Form von Rassismus zu begreifen – aber dann muss man, wie bei anderen Formen auch, herausstellen, was das Spezifische an ihm ist. Das ist ja an der deutschen Debatte sehr besonders, dass Antisemitismus als das „ganz Andere“, das mit Rassismus gar nicht zu Vergleichende dargestellt wird. Da spielt zugleich auch ein sehr reduzierter und verharmlosender Begriff von Rassismus eine Rolle. Da wird immer so getan als sei Rassismus das ganz Einfache, über das man nicht nachdenken muss, und Antisemitismus ganz kompliziert. Das führt auch dazu, dass man strukturelle Ähnlichkeiten zur Islamophobie gar nicht mehr diskutieren will – obwohl sie so offensichtlich sind.

Und klar, das ist auch für uns Linke immer eine Gratwanderung. Wenn wir über Israel sprechen, müssen wir über Antisemitismus sprechen, genauso wie, wenn wir den politischen Islam kritisieren, wir Islamophobie im Blick haben müssen. Aber um da zu recht zu kommen, muss man Debatten führen. Und obwohl ich kein Anhänger dieser Theorie der Sprecher*innenposition bin, müssen wir auch das bedenken. Weil bestimmte Dinge klingen eben unterschiedlich. Ich spreche auch nicht über den Islam wie meine muslimisch sozialisierten Freund*innen. Das hat vielleicht nichts mit dem Wahrheitsgehalt einer Aussage zu tun, aber auf jeden Fall mit so etwas wie Common Sense und Höflichkeit.

Ich knüpfe da mal kurz an. Wir haben in der Redaktion keinen allgemeinen Konsens zur BDS-Kampagne, aber persönlich würde ich sagen: ich teile die Auffassung nicht, dass sie antisemitisch ist und ich würde mich ungefähr der Position anschließen, die von den 240 israelischen und jüdischen Intellektuellen zum Anti-BDS-Beschluss der Bundesregierung formuliert wurde. Nur: Ich habe trotzdem nie BDS unterstützt. Und ich bin mir bis heute nicht sicher, ob das eher Zurückhaltung aus einem deutschen Kontext ist oder einfach Feigheit, weil man sich den erwartbaren Angriffen nicht aussetzen will.

Ja, ich finde, das ist tatsächlich ein bisschen Feigheit. Ich meine, dieses „das dürfen wir nicht als Deutsche“, da sollte man eher damit anfangen, zu sagen, als Deutsche dürften wir kein Militär oder keinen Stacheldraht und so weiter haben. Eine zivile Boykottkampagne gegen Firmen, das geht nicht „als Deutsche“, aber ein deutsches Militär, eine deutsche Polizei, die deutsche Schäferhunde auf Migrant*innen hetzt, da sagt keiner, „das dürfen wir nicht als Deutsche“.

Gut, aber das sind ja dann verschiedene Personenkreise, weil Linke sind ja im Normalfall nicht fürs Militär und die Schäferhunde.

Ja, aber die Diskussion wird ja nicht nur von Linken betrieben, sondern eben auch von denen, die nichts gegen deutschen Krieg und deutsche Schäferhunde haben.

Schau mal, ich habe auch viel Kritik an BDS. Es ist ein liberales Konzept. Und eigentlich ein Zeichen der Ohnmacht. Weil der Widerstand im Inland so schwach ist, bezieht man sich auf den guten Willen der Konsument*innen im Ausland. Ich meine, Firmen zu schaden, die in Menschenrechtsverletzungen investieren – da kann ich nichts Schlechtes finden und das ist auch nicht besonders neu: Boykott war immer ein Mittel linker Politik. Und auch diese Differenzierung, die da wichtig ist, Institutionen und nicht irgendwelche Privatpersonen zum Ziel zu nehmen, macht BDS ja, wenn auch nicht jeder beliebige BDS-Aktivist in der Welt das wahrhaben will

Also ich würde sagen, dass die fehlende Unterstützung von deutschen Linken da nichts mit der Sprecher*innenposition als Deutsche zu tun hat. Ich denke eher, dass es damit zu tun hat, dass man so klein und so geschlagen in Deutschland ist, dass man dauernd fürchtet, wenn man BDS unterstützt, dann wird man als Antisemit*in abgestempelt und dann kann man selbst in den kleinen Zirkeln, die es gibt, nicht mehr agieren oder sprechen.

Wir machen oft die Erfahrung, dass selbst die Diskussion darüber, ob BDS antisemitisch sei oder nicht schon als antisemitisch abgestempelt wird.

Das finde ich auch perfide und schädlich. Die eigentlich interessanten Fragen wären dabei ja gar nicht spezifisch für Israel, weil auch in Türkei-Boykottkampagnen muss man sich ja fragen: Wie mach ich das, ohne dass es gegen Türk*innen als Türk*innen geht, genauso wie man sich eben bei BDS fragen muss, wie macht man das, ohne dass es gegen Israelis als Israelis oder sogar als Jüd*innen geht. Und die BDS-Leute hier machen das auch. Die gehen ja nicht vor einen x-beliebigen jüdischen Einkaufsladen hier, der koschere Waren aus Israel verkauft. Die machen Kampagnen gegen Adidas oder deutsche Firmen. Israelische Künstler*innen oder Akademiker*innen werden ja auch nicht als solche boykottiert.

Aber das ganze geht ja auch über BDS hinaus. Immer wenn wir über Palästinasolidarität in Deutschland sprechen, passiert das unter der Überschrift: „Ist das Antisemitismus?“ nicht unter dem Stichwort Menschenrechte oder Friedensaktivismus. Und das zielt darauf ab, Diskussionen gleich ganz zu unterbinden. Und Teil dieses Versuchs sind eben auch bestimmte Antisemitismusdefinitionen.

Welche Änderungen erwartest du denn im Diskurs?

Das wird sich in naher Zukunft nicht großartig ändern. Israel ist ein militärisch starker Staat, der weiter bestehen wird. Die Besatzung, Apartheid, Kolonialsituation, wie immer man das nennen wird, wird auch weiter bestehen. Dagegen wird es weiter Widerstand geben. Und Unterdrückte hassen ihren Unterdrücker, genauso hassen umgekehrt Unterdrücker die von ihnen Unterdrückten, also wird die Debatte auch weiterhin feindselig sein. Gleichzeitig wird es auch in Deutschland so sein, dass die jüdische Gemeinde weiterhin Israel als ihren wichtigsten Bezugspunkt sieht und ein großer Teil der deutschen Gesellschaft den Bezug zu Israel als schützenswert als Teil ihrer Identität.

Und die Debatte in der Linken wird auch so weitergehen. Die Linke wird weiter an einer Zwei-Staaten-Lösung festhalten. Aber die ist tot. Wer heute noch auf der Position einer Zwei-Staaten-Lösung verharrt, drückt sich vor der Debatte, weil einfach jeder weiß, das ist keine Option mehr.

Aber zugleich will man nicht über das „Existenzrecht Israels“ debattieren, weil man unterstellt, dabei ginge es immer darum, dass die Jüd*innen das Land verlassen sollen. Diese Position gibt es sicherlich. Es gibt sicher Palästinenser*innen, die gerne keine Jüd*innen mehr im Land sehen würden, so wie es Jüd*innen gibt, die gerne keine Palästinenser*innen mehr im Land sehen wollen. Aber wogegen mit diesem sinnentleerten Begriff „Existenzrecht“ gekämpft wird, sind Linke wie ich zum Beispiel die eine Debatte führen, um eine Änderung des Staates zu einem demokratischen Staat für alle, die dort leben. Man muss die Leute, die ständig das Existenzrecht beschwören, fragen, was sie eigentlich meinen: Das Recht, dass alles so bleibt, wie es ist – also inklusive Apartheid, Besatzung, wie man diese Situation auch nennt? Oder nicht. Weil als Linke ist es natürlich ein sehr wichtiger Punkt darauf zu beharren, zu sagen: Jüdische Israelis haben ein Selbstbestimmungsrecht in Palästina. Das ist ein wichtiger Punkt und das haben sowohl viele Palästinenser*innen wie auch Linke in den 60er- und 70er-Jahren nicht klar gesagt. Darauf kann man bestehen. Aber das ist etwas anderes als das, was als „Existenzrecht des Staates Israel“ verhandelt wird.

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In der deutschen Linken über Israel und Palästina zu sprechen, war stets schwierig. Wer sich positiniert, muss mit Angriffen rechnen, bei denen es lange nicht mehr um sachliche Auseinandersetzung geht. Diese Erfahrung macht auch die linke israelische Diaspora in Deutschland. Peter Schaber hat mit Yossi Bartal ausführlich über die ganze Palette umstrittener Themen diskutiert, Teil I könnt ihr heute lesen, Teil II erscheint morgen früh.

Yossi Bartal lebt in Berlin und ist in queeren und antirassistischen Zusammenhängen aktiv.

Der äußerliche Anlass dafür, dass wir heute einen Kaffee miteinander trinken und das Gespräch aufnehmen, ist ja, dass Du kürzlich – wieder einmal, muss man sagen – von deutschen Linken auf Twitter wegen Deiner pro-palästinensischen Positionen als „Antisemit“ bezeichnet wurdest. Mich wundert es immer wieder, wie leicht einigen so ein Vorwurf über die Lippen geht. Als ich mit 14 oder so Kommunist wurde, war einer der Faktoren dafür die Erinnerung an die Shoa und der Wunsch, so etwas solle nie wieder geschehen. Und der Vorwurf „Antisemit“ erschien mir aus der Perspektive stets als ein sehr schwerwiegender, weil es ja nicht schlimmeres gibt, als einer zu sein. Aber in dieser Debatte wird er verwendet, als hätte der Begriff gar keine ernstzunehmende Bedeutung …

Da sind ein paar Punkte drin, bei denen man ansetzen kann. Also zum einen: Die Shoa und Antisemitismus gleichzusetzen, woraus dann folgt, Antisemitismus ist nur bei Nazis zu finden. Da würde ich den Vorwurf zunächst in Schutz nehmen: Rassismus, Antisemitismus sind ja keine Phänomene, die irgendwie begrenzt sind auf Rechtsextremismus. Dass die Analyse auf verschiedene Formen von Antisemitismus – von links, rechts, oben, unten – abzielt, ist ja eigentlich für eine Gesellschaftskritik ganz richtig und wichtig. Man muss ja kein Nazi-Glatzkopf sein, um antisemitisch zu denken oder zu agieren. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass die rechten Varianten von Rassismus und Antisemitismus, per Definition dazu neigen, den „Anderen“ gewalttätig zu bekämpfen oder sogar zu vernichten. Deswegen müssen wir Wege finden, Rassismus, Homophobie, Sexismus usw. nicht nur unter Rechten zu thematisieren, ohne gleichzeitig faschistische Politik zu verharmlosen. Mit der Inflation des Antisemitismus-Vorwurfs, vor allem wie er in Deutschland betätigt wird, wird aber leider genau das gemacht.

Solche Antisemitismus-Vorwürfe gibt es aber nicht nur in Deutschland und dabei scheint Israel für viele der zentrale Punkt geworden zu sein, an dem sich Antisemitismus heutzutage manifestiert.

In der Tat. Der Begriff „Israel“ als Bezeichnung für einen Staat, ein Volk und zudem noch für das „Heilige Land“ – all diese Topoi haben in unserer christlich geprägten Gesellschaft eine sehr zentrale Funktion im Diskurs. Das heißt, es gibt immer eine Art Überbeschäftigung mit dem Thema. Das bleibt auch heute so, selbst wenn nicht alle mehr die Bibel zuhause liegen haben. In allen westlichen Zeitungen wird unglaublich viel über Israel berichtet. Jeder Deutsche weiß, wie der israelische Premier heißt – und oft auch noch die Namen vieler anderer Politiker. Wenn man dieselben Leute aber fragt, wie heißt der polnische Premier, also der eines Nachbarlandes dessen Bevölkerung vier mal größer ist als Israel, wissen sie das oft nicht.

Würdest du dieses Interesse pauschal als antisemitisch deuten?

Nein, aber dass dieses Interesse außerordentlich ist, ist ein Fakt. Und natürlich hat das nicht nur mit der Besatzungssituation oder mit den tollen Partys in Tel-Aviv was zu tun, sondern auch mit einer bestimmte historische Haltung gegenüber Juden. Und dann ist die Frage, was es bedeutet. Wann ist das antisemitisch, wann ist das philosemitisch, wann ist es einfach ein bisschen zu viel. Was der herrschende Antisemitismusdiskurs macht, ist dann einfach zu sagen: Alles was kritisch ist, alles, was negativ über Israel berichtet, ist zu viel, damit obsessiv und ist deshalb antisemitisch. Aber alles, was positiv ist, wird als begrüßenswert angesehen. Das finde ich heuchlerisch.

Da sind wir ja dann schon bei einem der Momente der offiziellen Definition des israelbezogenen Antisemitismus – den „doppelten Standards“. Die gibt es doch dann offenkundig …

Teilweise, aber was heißt das? Dieser Begriff der „doppelten Standards“ will sagen, dass Israel zu viel kritisiert wird, und dass sich darin Antisemitismus zeige. Dieses Argument ist erstmal nichts weiteres als Whataboutism. Es wird nicht gefragt, ob die Kritik stimmt oder nicht, sondern ob man das Gleiche auch an anderen Länder kritisiert. Das ist total gaga – als müsse ich persönlich vorweisen, wie viele Staaten ich heute schon kritisiert habe, bevor ich etwas über die israelische Besatzung sagen kann. Das kann man selbst als einen doppeltes Standard betrachten. Aber nichtsdestotrotz, irgendwas ist schon dran.

Klar, wenn irgendwelche Bürgerlichen alle anderen Staaten super finden und ausgerechnet Israel abschaffen wollen, dann ist das wahrscheinlich antisemitisch. Aber wenn du als Linker sagst: Ich will alle Staaten abschaffen, aber Israel find´ ich voll super – da spiegelt sich ja auch eine schräge Obsession.

Das sehe ich auch so: wenn ich schon irgendwo in Deutschland Doppelte Standards finde, ist das bei Linken, die die israelische Politik verteidigen. Die israelische Politik wird in der deutschen Öffentlichkeit mit viel mehr Leidenschaft in Schutz genommen, als die Besatzungspolitik der Türkei oder sogar den Afghanistan-Krieg, wo deutsche Soldaten stationiert sind. Damit wird klar – das Sprechen über Israel ist nicht normal. Und es kann auch nicht normal sein.

Wieso? Ich würde sagen, dass wir versucht haben, das tatsächlich so zu machen. Also zu sagen: Wenn wir uns einen bürgerlichen Staat anschauen, dann hat das zunächst nichts damit zu tun, ob der im heiligen Land liegt oder ob er sich als jüdischer Staat versteht. Sondern wir legen dieselben Kriterien an, die wir eben an bürgerliche Staaten anlegen, als Leute, die keine Fans von denen im Allgemeinen sind.

Ich finde den Versuch, ganz sachlich zu bleiben und zu sagen: wir beurteilen die Situation in Israel-Palästina wie in jedem anderen Land, richtig und lobenswert. Das ist eine gute Motivation und ich würde das unterstützen. Aber die Diskussion im Ganzen zu versachlichen, ist zum Scheitern verurteilt.

Warum eigentlich?

Die ganzen Begriffe, die da in dieser Debatte mitschwingen – Existenzrecht, Staatsräson, die Antisemitismusdefinitionen – haben alle irgendwie etwas Theologisches. Sie haben keine objektive Bedeutung. In Deutschland sprechen wir ja nicht von „Selbstbestimmungsrecht“ – ein klares völkerrechtliches Konzept – , sondern vom „Existenzrecht des Jüdischen Staates“ – das hat etwas Religiöses. Oder die „Solidarität mit Israel“ – da vermischt sich der Bezug auf den Staat damit, dass „Israel“ noch ein Name für Juden generell ist. Das alles wird so miteinander verschmolzen.

Und wegen dieser Gemengelage ist das Sprechen über Israel so schwierig. Es schwingt immer etwas Biblisches, etwas vom Holocaust, etwas aus der europäischen Geschichte der Jüdinnen und Juden mit. Und das alles zu trennen, ist nicht einfach . Es bleibt ein Minenfeld. 2500 Jahre Judentum haben eine so „reiche“ und widersprüchliche Geschichte an feindlichen Stereotypen hervorgebracht, dass man fast jede Kritik, wenn man will, in einen antisemitischen Kontext setzen kann. Und das wird sehr oft zynisch instrumentalisiert, auch in Fällen wo eindeutig ist, dass bestimmte Aussagen klar aus einer menschenrechtlichen Motivation heraus getätigt werden.

Ein Minenfeld sagst du, aber außerhalb dieser diskursiven Schränke leben tatsächliche Menschen, die Palästinenser*innen, die aufgrund der israelischen Politik unter miserablen Bedingungen zu leiden haben?

Ja, und deswegen müssen wir uns damit zu konfrontieren und können nicht darauf verzichten, die Zustände in Israel-Palästina zu kritisieren. Noch Schlimmer – das israelische Modell einer repressiven „ethnischen Demokratie“ wird weltweit immer populärer. Aber wie kann diese Debatte fruchtbar sein? Ich würde sagen, was du gesagt hast – „normale“ Staatskritik, Kolonialismuskritik – das stimmt alles, da glaube ich auch, dass es die richtige Herangehensweise ist. Aber wir müssen auch anerkennen -in diesem Feld können sie nie völlig neutral wirken. Und gerade auch für Deutsche. Ich meine, wenn du sagtest, du kamst zum Antifaschismus aus der Ablehnung des Holocaust, dann beschreibt das ja die Erfahrung von vielen hier.

Wir müssen aber analysieren welche Rolle diese Bezugnahme auf den Holocaust für Deutschland, den deutschen Nationalismus heute spielt. Das „neue“ Deutschland legitimiert sich ja geradezu daraus, zu behaupten, man habe aus dem Holocaust „gelernt“ und habe jetzt den Auftrag, ein zweites Auschwitz zu verhindern. Und die Verteidigung Israels wird da zu einem wichtigen Element der deutschen Staatsräson. Der neue deutsche Nationalismus legitimiert sich so selbst: Man kann wieder stolz Deutscher sein, weil Deutschland an der Seite Israels steht. Deutschland steht in dieser Erzählung für Frieden in der Welt, gegen die bösen Islamisten, für einen zivilisatorischen Auftrag. Und diese Erzählung hat ja ihre Funktion. Wenn du irgendeinen normalen Hipster in Neukölln fragst: Willst du für Deutschland sterben? Der wird nein sagen. Wenn du ihn fragst: Willst du für das Existenzrecht Israels dein Leben geben, dann wird er anders reagieren. Für das Klientel von Grünen und SPD ist diese Erzählung wichtig, es ist eine Art, Deutschland neu zu formieren. Und natürlich: Ein Angriff auf Israel ist in diesem Kontext auch ein Angriff auf das deutsche Mainstreamselbstbild. Ich betrachte daher meine sogenannte „Israelkritik“ hierzulande in erster Stelle als Deutschlandkritik.

Du sprichst hier über eine Funktion, die die Bezugnahme auf Jüdinnen oder der Staat Israel für Deutschland hat – das hat ja eine lange Geschichte.

Ganz genau. Die Geschichte der Juden in Europa als Minderheit hatte immer eine bestimmte Funktion für die Mehrheitsgesellschaft. Sie war hunderte Jahre lang dadurch bestimmt, dass man den Juden so eine Hilfsfunktion für den Feudalismus, dann den Kapitalismus zugewiesen hat, aber so, dass man zugleich mit dem Finger auf sie zeigen konnte, wenn etwas schief gelaufen ist. Das findet sich immer noch bei denen, die auf Israel als den „ganz bösen“ Kolonialismus schauen, aber etwa die eigene Kolonialgeschichte nicht sehen wollen. Auch wenn das zugegeben eher ein Randphänomen ist in den deutschen Debatten.

Die weiter verbreitete Erzählung ist ja, dass Israel doch ein ganz toller demokratischer Rechtsstaat wäre. Was natürlich Palästinenser*innen insbesondere als fanatische, hasserfüllte und halb verrückte Subjekte dastehen ließ. Und das betrachte ich tatsächlich als die primäre Funktion von Israel im deutschen Diskurs, als ein Ort wo Rassismus, vor allem gegen Muslime, legitimiert wird. Alleine die Existenz von Palästinenser*innen ist eine große Störung für diesen nationalen Narrativ Deutschlands. Und jetzt mit der geplanten Annexion, wo allen klar wird, dass Israel immer mehr zu einem Apartheidsstaat wird, muss man sich ernstlich fragen, was sagt eigentlich diese Staatsräson Deutschlands über den hiesigen Umgang mit Rassismus und Imperialismus.

Du hast jetzt von Israel als einem „Apartheidsstaat“ gesprochen. Aus Perspektive der, ich sag mal, „linken“ Israelfans ist das antisemitisch, weil es Israel dämonisiert..

Klar, aber auf den Apartheid-Begriff, der eine präzise Definition hat, bestehe ich trotzdem. Der Begriff „Dämonisierung“ hingegen kann keiner richtig definieren und der Vorwurf ist zumeist einfach Blödsinn. So wie insgesamt der sogenannte „3-D Test für Antisemitismus“, der angeblich zwischen legitimer Kritik an Israel und Antisemitismus unterscheiden sollte. Abgesehen davon, dass dieser „Test“ von einem rechtstextremen israelischen Politiker entworfen wurde, ist er einfach sehr dumm. Und das wird dann auch von radikalen Linken aufgegriffen. Das liest man dann in der Graswurzelrevolution. Jedes „D“ ist einfach falsch. Das könnte man nie auf einen anderen Staat anwenden.

Ich meine, „Dämonisierung“? Was „dämonisieren“ wir denn als Linke nicht, wenn wir dagegen sind? Oder „Delegetimierung“ des Staates Israel. Was bedeutet das denn? Es bedeutet, nicht damit einverstanden zu sein, dass ein Staat sich nach Rasse oder Ethnie definiert. Darum geht es. Die befürchten dann die „Zerstörung Israels“, aber darum geht es nicht, mal abgesehen davon, dass es auch gar nicht zerstört werden kann. Das ist diese Mär, dass Israel so existenziell bedroht wäre. Israel ist eine Atomwaffenmacht und keine arabische Armee könnte militärisch auch nur einen Zentimeter von israelischem Territorium einnehmen. Klar gibt es eine Bedrohung, es gibt Milizen wie Hizbollah, aber das ist keine faktische Bedrohung der Existenz Israels.

Wenn man also als Linke*r Nationalstaaten im Allgemein „delegitimiert“, warum nicht im Fall Israels?

Das ist genau der Trick dieses Tests – bei „Delegitimierung“ schwingt immer mit: Der Staat wird abgeschafft, alle werden ermordet, es kommt das zweite Auschwitz. Das ist immer die Sprache, die benutzt wird. Aber darum geht es nicht. Im israelischen Parlament sitzt eine Partei, die ich unterstütze, die „Gemeinsame Liste“ – ein bisschen wie die HDP in der Türkei. Und die vertreten auch eine Position, die in diesem Delegitimierungsdiskurs als „Zerstörung des Staates Israel“ gilt, aber was damit gemeint ist, ist: Gleiche Rechte für alle. Das ist für mich so schockierend: Wie kann es sein, dass es „verboten“ ist, zu sagen: ich will kein religiöses oder ethnisches Fundament dieses Staates?

Diese Kritik ist ja universell. Und du meintest ja: Wie können dauernd diese Vorwürfe kommen, wenn man über Israel spricht, obwohl man genau das Gleiche über alle Staaten sagt? Das liegt an so einer Fetischisierung der Idee eines jüdischen Staates, als einer Art Traum, als eines Schutzortes. Aber sie verstehen nicht, dass dieser Staat so gar nicht funktioniert.

So funktioniert ja generell kein Staat. Der ist ja nie „Schutzpatron“ seiner Bürger. Das ist ja gar nicht wofür ein Staat da ist …

Das sowieso. Aber auch nochmal konkreter. Weil man so ein Traumbild dieses Staates hat, blendet man dann in der deutschen Linken auch vieles aus. Die Zusammenarbeit mit faschistischen Diktaturen etwa, die Jüdinnen und Juden ermordet haben. Argentinien ist da das krasseste Beispiel. Viele unserer Genoss*innen in Israel sind Argentinier*innen, Flüchtlinge aus Argentinien. Zehn Prozent der Ermordeten während der Diktatur in Argentinien waren Jüd*innen. Und Israel hat mit dieser Diktatur zusammengearbeitet. Oder auch in Südafrika: viele Jüd*innen waren Teil des Widerstands gegen die Apartheid und Israel hat mit dem Apartheidsregime kooperiert.

Für Israel selber ist diese „Schutzfunktion“ auch nicht der wichtigste ideologische Kitt. Da ist es eher diese Gemengelage von Nationalismus und religiösen Topoi. Dieses klassische Motto des säkularen Zionismus „Es gibt keinen Gott, aber er hat uns das Land versprochen“ ist einer weiteren religiösen Aufladung der israelischen Politik gewichen. Es gibt so einen messianischen Enthusiasmus, der für die Mobilisierung der israelischen Bevölkerung durch einen religiös aufgeladenen Nationalismus gebraucht wird. Das hat mit einer „Schutzfunktion“ weniger zu tun als mit heldenhaften Märchen über die Bibel. Das wollen viele hier nicht wahrnehmen, dass es da nicht um Adornos Imperativ geht, sondern wenn überhaupt, dann um einen göttlich-messianischen Imperativ.

Aber setzt sich diese Fixierung auf den Staat Israel nicht auch in den kritischen Diskursen fort? Zwei Staaten, ein Staat, der Frontalangriff auf den Staat und seine Zerschlagung – aber so Konzepte wie etwa das des Demokratischen Konföderalismus Abdullah Öcalans – oder ähnliche, ohne Bezug auf die Kurd*innen – spielen da keine Rolle, oder? Es wäre ja nicht so abwegig, zu sagen: Wir arbeiten an einer Kein-Staaten-Lösung und bauen Beziehungen zwischen den Communities im Land auf und ringen dem Staat so Terrain ab …

Es gibt einen interessanten Diskurs, der jetzt im Kommen ist und der in die Richtung Konföderalismus geht – wenngleich auch immer noch staatlichen. Die Situation ist ja, dass die revolutionären Bewegungen zerschlagen sind oder nie da gewesen waren. Seit Langem findet in der palästinensischen Linken eine NGOisierung statt. Auch die israelische Linke hängt an europäischen Geldern und Interessen. Außerstaatliches Denken ist da nicht weit verbreitet – und die Situation ist eine andere als im von vier Staaten besetzten Kurdistan.

Worüber aber jetzt in Israel gesprochen wird, ist eine konföderale Lösung, in deren Rahmen man ohne Grenzen über die nicht mehr reale Zwei-Staaten-Lösung hinausgehen kann. Das beinhaltet zum Beispiel auch, davon abzulassen, Siedlungen zu räumen. Ich muss auch sagen, Siedlungen zu räumen, ist jetzt auch nicht mein großer Traum, da leben Menschen. Es ist ein krass rassistisches Gebilde, aber dennoch leben da Menschen. Warum ist meine Siedler-Tante unmoralischer als meine Eltern, die innerhalb der anerkannten Grenzen von Israel auch auf palästinensischem Land wohnen? Da sind 19 Jahre Differenz, das eine Land wurde 1948 besetzt, das andere 1967.

Das Land insgesamt ist eigentlich ein zusammenhängendes Territorium, Israel/Palästina. Die jüdische, muslimische und christliche Bevölkerung hat religiöse und kulturelle Bezüge zum ganzen Land. Ich fand immer die Zweistaatenlösung ist keine Lösung, Gaza und die Westbank irgendwie zusammen zu basteln, das ergibt sowieso keinen lebensfähigen Staat. Nun ist es aber auch so, dass es in Palästina staatliche Strukturen gibt – nur ohne staatliche Unabhängigkeit – und das hat schlimme Auswirkungen. Aber zugleich sehen auch viele Palästinenser*innen dieses Scheitern jetzt. Auch die Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde ist durchaus etwas, was debattiert wird. Diskutiert werden auch Konzepte mit offenen Grenzen aber mit Selbstbestimmungsrecht, also ein wenig angelehnt an Belgien oder die Schweiz. Das ist nicht antistaatlich, aber schon ein großer Fortschritt.

In welchen Kreisen wird dieser Ansatz diskutiert?

Es gibt eine Initiative, die heißt „Eine Heimat, zwei Staaten“. Das ist eine Mischung aus Hippie-Siedler*innen, linksradikalen Aktivist*innen, palästinensischen Israelis und einigen Palästinenser*innen in der Westbank, die aber eher undercover agieren. Das wird natürlich in intellektuellen Kreisen innerhalb Israel debattiert. Aber auch in Palästina gibt es natürlich die Diskussion: Was, wenn die Zwei-Staaten-Lösung endgültig vom Tisch ist? Edward Said und die linken Gruppen haben das immer so gesehen, aber sie haben nie so wirklich konsequent darüber nachgedacht, was das zum Beispiel für Jüdinnen und Juden heißt? Wie sieht eine jüdische Existenz in einem gemeinsamen Palästina aus?

Aber es bleiben Diskurse oder Wunschträume. Also weder steht eine Massenbewegungen, noch militärische Macht hinter dieser Idee, was ja im Mittleren Osten stets heißt, es bleibt bei der Idee. Weil am Ende wird ja so ein Diskurs wahrscheinlich weder von Israel, noch von der Hamas akzeptiert …

Von Hamas als Bewegung nicht, nein. Aber die wissen auch nicht genau, was sie wollen. Sie haben schon die Zwei-Staaten-Lösung de facto akzeptiert. Sie meinten zwar „wir akzeptieren das nicht“, aber zugleich: Wir rufen eine Waffenruhe für 100 Jahre aus, also faktisch akzeptierte man das. Abgesehen davon haben die auch keine ernstzunehmende „militärische Macht“.

Naja, vielleicht nicht gegen den Staat Israel, aber wohl doch gegen oppositionelle Bewegungen innerhalb Palästinas …

Ja, die polizeiliche Repression ist da, aber daran würde ich nicht das Scheitern der palästinensischen Opposition festmachen. Das hat eher mit Verzweiflung zu tun. Man ist in einer Sackgasse. Genauso die israelische Linke. Wir sind in einer Sackgasse, obwohl viele in der israelischen Linke jetzt sagen würden, die Bewertung ist, es ist ein Apartheidsstaat und die Antwort ist eine demokratische Einstaatenlösung, müssen dennoch Kräfte wie die Kommunistische Partei und die Gemeinsame Liste an der Zweistaatenlösung festhalten, weil die PLO als Vertretung der Palästinenser*innen daran festhält und wir nicht für die Palästinenser*innen entscheiden können, was sie wollen sollen. Und so warten alle , dass etwas passiert. Und mit der Annexion könnte sich diese Situation ändern – auch wenn es eher schlimmer als besser wird, aber die Starre könnte aufgebrochen werden.

Und wenn wir von hier aus zurück zum Thema Antisemitismus kommen, dann muss man sagen: Wenn man so an dieser Mär vom jüdischen, demokratischen Staat festhält, wie das seine Verteidiger*innen tun, verliert man jeden Kontakt zur Wirklichkeit. Die Realität ist eine andere, Israel ist keine Demokratie. Nach 53 Jahren Besatzung und jetzt mit der Annexion wird das wirklich allen klar. Wer heute in Israel von „Apartheid“ spricht, sind nicht mehr die Linksradikalen sondern auch die führenden Köpfe der zionistischen Linke. Es ist total Mainstream. Es wird dann einfach nur noch schräg, jedem Antisemitismus zu unterstellen, der diesen Begriff verwendet.

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Ein Gastbeitrag des Roten Aufbau Hamburg

Aktuell scheint der kollektive Lagerkoller für diese Welle der Pandemie überwunden zu sein, die Massendemonstrationen der „Corona-Kritiker“ nehmen rapide ab und auch die Medienaufmerksamkeit für verwirrte Prominente geht zurück. Der vegane Kochbuch-Autor Attila Hildmann hat inzwischen die bunteste Palette an Verschwörungstheorien über seinem Telegram-Kanal in die Welt posaunt und der Schnulzensänger Xavier Naidoo geht immer weiter im rechten Fahrwasser unter. Ken Jebsen glaubt, hinter der Corona-Verschwörung stecke Bill Gates und dieser wolle uns alle zwangsimpfen. Auf die immer verrückter werdenden einzelnen Theorien kann man an dieser Stelle nicht eingehen, dennoch erreichen diese Wirrköpfe ein großes mediales Interesse, auch wenn sie an Mobilisierungspotenzial gerade einbüßen. Grund genug um sich etwas näher mit der Thematik “Verschwörungstheorie” an sich zu beschäftigen.

Im Kapitalismus liegt ein permanenter Schleier über den gesellschaftlichen Zusammenhängen, so durchschaut die Mehrheit der Menschen weder die Ausbeutungs- noch die Herrschaftsverhältnisse. Uns wird zum Beispiel eingeredet, wir wären unseres Glückes Schmied, als wäre etwa Arbeitslosigkeit kein gesellschaftliches Problem, sondern vielmehr persönlicher Natur. So starten die reichen Kinder mit viel besseren Bedingungen in das Wettrennen um eine lebenswerte Zukunft, als Kinder aus Hartz-4-Familien. Die Möglichkeit besteht, dass Einzelne der weniger gutbetuchten nun gesellschaftlich aufsteigen, jedoch bleiben sie Ausnahmen. Dem Rest wird dann vorgegaukelt, sie könnten „es“ auch „schaffen“, wenn sie es nur wirklich wollten – ganz einfach? Als ob.

Wir wachsen auf mit unseren Idolen der neoliberalen Welt und wollen alle Fußballstars oder Topmodels werden. Der Kapitalismus schafft Illusionen in unser aller Köpfen, damit wir fleißig im Hamsterrad weiterlaufen. In diesem ganzen Wahn entfremden wir uns von dem Wesentlichen und so werden alle Beziehungen durch den Kapitalismus durchdrungen. Die Menschen treten sich nur noch innerhalb dieser Verhältnisse entgegen und alles wird durch die Totalität der Wirtschaft bestimmt. So werden ökonomische Gesetze zu gesellschaftlichen; Wir konkurrieren um günstige Lebensmittel, Wohnungen oder Lebenspartner*innen. Um uns diese kalten Verhältnisse schön zu reden, verlieren wir uns alle in Träumen und lenken uns mit Gedanken an “bessere Zeiten” von den realen Missständen ab.

Über die komplexen gesellschaftlichen Verhältnisse sollen sich nämlich stattdessen irgendwelche Soziologen und Politologen Gedanken machen, wodurch schon die Teilung der Arbeit zu einer Mystifizierung beiträgt. Dies ist allerdings keine Verschwörung von einzelnen Akteuren, vielmehr bringt der Kapitalismus als System diesen Zustand hervor.

Die kapitalistische Konkurrenz führt dazu, dass sich die größeren Unternehmen immer weiter durchsetzen, was zu einer ungeheuren Zentralisation von Kapital und einer gleichartigen Konzentration auf einzelne Kapitalisten führt.

Der Besitzer von Amazon Jeff Bezos zum Beispiel, hat mehr Geld angehäuft als ganze Nationen. Haben er oder Bill Gates sich nun mit anderen Superreichen verschworen? Ihren Reichtum haben sie angehäuft, weil sie sich auf dem Markt durchgesetzt haben, doch sind auch die Reichen untereinander nicht beste Freunde, sondern stehen einander als Konkurrenten gegenüber.

Die Aufmerksamkeit auf die Wenigen soll davon ablenken, dass das ganze System auf Unterdrückung aufgebaut ist. Genau dazu dienen Verschwörungstheorien häufig: Ausnahmen werden herausgepickt oder erfunden, um den Normalzustand nicht anzugehen. Oft wird eine Elitenkritik formuliert, die im Ansatz zwar erkennt dass der Zustand dieser Welt zu kritisieren und zu ändern ist, doch bleibt sie auf der Oberfläche stehen, indem sie nur das Personal wechseln möchte und nicht das System, welches zu eben diesem Zustand führt.

Kommunisten dagegen wollen die Bedingungen abschaffen, die solchen Reichtum und Macht auf einige Wenige konzentriert. Daher müssen wir dem kapitalistischen System mit seinen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten den Kampf ansagen, wenn wir an dem Zustand einer Welt, in der Organisationen wie die WHO vom Wohlwollen einzelner Kapitalisten wie Bill Gates abhängig sind, wirklich etwas ändern wollen.

Die Menschen werden innerhalb dieser Verhältnisse nicht von alleine darauf kommen, was hier verkehrt läuft und was zu ändern wäre. Wie wir gesehen haben, gibt es in unserer Gesellschaft viele Hindernisse, die Missstände zu begreifen. Unsere Aufgabe ist es daher, die Menschen aufzuklären, sie zu agitieren und zu aktivieren. Nur weil einige Leute wirre Gedanken haben, sollten wir sie also nicht abschreiben, sondern versuchen sie von unserer Position zu überzeugen.

Dass das nicht immer einfach ist, haben die letzten Wochen bewiesen. Ein fundiertes Verständnis von den Eigenschaften dieser Krise und das Bewusstsein, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem die eigentliche Krankheit ist, sind für diese Auseinandersetzung eine wichtige Grundlage.

Titelbild: RubyImages/APN

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Die 2019 gegründete Kampagne Death in Custody (Tod in Gewahrsam) recherchiert und arbeitet zu in Gewahrsam um‘s Leben gekommenen POC und Schwarzen. Das LCM sprach mit Niko von der Kampagne über Ihre Rechercheergebnisse, strukturellen Rassismus und wie man gegen rassistische Polizeigewalt vorgehen kann.

LCM: Ihr habt ja mit eurer Kampagne vor kurzem eure Rechercheergebnisse veröffentlicht. Kannst du diese kurz zusammenfassen?

Niko: Seit 1990 sind mindestens 159 POC und Schwarze in Gewahrsam umgekommen. Angesichts der Öffentlichkeit, die rassistische Polizeigewalt gerade hat, wolten wir unsere Ergebnisse so schnell wie möglich veröffentlichen. Wir haben bis jetzt nur Namen und Todesdaten veröffentlicht, unsere Daten sind aber noch umfangreicher was Einzelfälle betrifft, mit den Todesumständen und beispielsweise dem gerichtlichen Nachspiel.

Die Kampagne kam durch Todesfälle in den letzten Jahren auf, wie Amad Ahmad in Kleve, der in der Zelle verbrannt ist, oder Rooble Warsame der in Schweinfurt in Gewahrsam starb – angeblich durch Suizid. Bei der Recherche haben wir gemerkt, dass es Sinn macht den Begriff von Gewahrsam zu erweitern. Unsere Definition ist, dass Menschen durch Polizei oder andere staatliche Institutionen in eine Situation gebracht werden, aus der sie aus eigener Kraft nicht mehr rauskommen. Das kann eben auch sein, dass die Polizei Schusswaffen einsetzen, und die Person nicht mehr aus dem Schussfeld rauskommt, oder dass die Polizei Leute hetzt, die dann einen „Unfall“ haben und dabei ums Leben kommen. Oder auch Todesfälle in Gewahrsam, die als Suizid gelabelt werden. Aus zwei Gründen: Im Knast kann es keinen Freitod geben, weil in dieser Situation Leute so zermürbt werden, dass man nicht mehr von einer Freiwilligkeit sprechen kann. Außerdem kann man den Behördenangeben einfach nicht trauen. Wenn behauptet wird es sei Suizid, wird das nicht wirklich überprüft. Wie beim Fall von Oury Jalloh, wo ganz klar ist, dass das kein Suizid war, dieser aber die ganze Zeit als solcher bezeichnet wurde.

Was waren denn eure Probleme bei der Recherche? Weil von offiziellen Stellen werden solche Fälle ja nicht systematisch erfasst.

Eben! Es gibt keine systematische Erfassung. Man muss davon ausgehen, dass die Dunkelziffer noch viel höher ist, als diese 159, die wir jetzt gerade haben. Wir rufen auch dazu auf, dass Leute uns Fälle, die wir nicht kennen zuschicken. Es werden auf jeden Fall noch einige Fälle dazu kommen.

Die Recherche war generell nicht immer einfach. Es gibt generell wenig Informationen und zum anderen wird auch selten erfasst, ob die Person POC oder Schwarz war. Zum Teil konnten wir das indirekt rausfinden, in einem Fall z.B. über einen Polizisten, der zitiert wird und eine rassistische Aussage macht. Es gibt auf jeden Fall Unschärfe.

Es fällt auch auf, dass es bestimmte Jahre gibt, in denen unglaublich viele Fälle dokumentiert sind, z.B. 1994/1995 oder 2019. 2003 haben wir hingegen keinen einzigen Fall. Das ist relativ unwahrscheinlich und weist darauf hin, dass die Datenlage mittelmäßig ist. Die Recherche ist der Versuch zumindest herauszufinden, wie groß das Problem eigentlich sein könnte. Und es ist deutlich größer, als es in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird und erst recht als es von den Behörden beschrieben wird.

Wieso geht Ihr davon aus, dass POC und Schwarze stärker von Tod in Gewahrsam betroffen sind?

Eine Schwierigkeit ist, dass es ja keine Zahlen gibt, wie groß der Bevölkerungsanteil von POC und Schwarzenin Deutschland ist. Einen statistischen Vergleich anzustellen, wie die Betroffenheit von Schwarzen und POC, die in Gewahrsam ums Leben gekommen sind, versus weiße, können wir gar nicht machen

Viele Todesfälle entstehen aber aus Situationen, die für Schwarze und POC deutlich häufiger auftreten. Das sind dann beispielsweise sogenannte „anlasslose Kontrollen“, bei denen offensichtlich Schwarze und POC mehr und ständig kontrolliert werden. Diese Situationen eskalieren dann manchmal bis zum Tod. Dann sind es noch Situationen wie Abschiebehaft. Das ist ja eine Situation in die Deutsche gar nicht kommen können. Deswegen müssen wir davon ausgehen, dass die Gruppe stärker betroffen ist.

Dass es in der Polizei in Deutschland Rassismus geben könnte, wird ja gerade von Polizeifunktionären und Politikern aller Parteien vehement geleugnet.

Das zu leugnen ist offensichtlich totaler Quatsch. Was wir mit dieser Recherche zusammengestellt haben, sind ja nur die Todesfälle. Und das ist ja nur das extremste Ergebnis, das durch Polizeigewalt entstehen kann. Aber auch die nicht-tödliche rassistische Polizeigewalt ist leider alltäglich. Alle möglichen Stellen wie Reach-out oder KOP können das aus ihrer Arbeit bestätigen. Gerade zu Corona-Zeiten ist das wesentich mehr geworden. Wir denken, dass das daran liegt, dass die Polizei auf der Straße weniger gesehen wird und sie deswegen machen was sie wollen. Es ist aber in jedem Fall offensichtlich, dass Rassimus in der Polizei ein Problem ist. Man muss zwar nicht unbedingt davon ausgehen, dass alle Polizisten Nazis sind, auch wenn es Fälle gibt, wo das offensichtlich der Fall ist. Es sind aber eher Alltagsrassismus und Klischees, wie „Drogendealer haben diese und jene Hautfarbe“, die zeigen, dass das alltäglich in der Polizei ist.

Was auch ganz interessant ist, ist dass das neue Antidiskriminierungsgesetz in Berlin von der Polizei sehr kritisch kommentiert wurde. Das ist ziemlich entlarvend, weil sie ja im Prinzip sagen, dass sie mit diesem Gesetz ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen könnten. Und eigentlich sagen sie damit ja selbst, dass sie rassistisch vorgehen und nicht mehr arbeiten könnten, wenn sie es nicht mehr dürften. Letztendlich ist es doch so, dass wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, es total offensichtlich ist, dass es Rassismus in der Polizei gibt. Ich hoffe, dass durch die Debatte die Polizei und auch Politiker*innen es sich weniger leisten können, das komplett zu leugnen. Weil so wie es jetzt gerade ist, wird einfach gesagt, „Rassismus in der Polizei gibt es nicht, darf es nicht geben“. Und Fälle die aus rassistischen Situationen entstehen, müssen im Nachhinein dann anders legitimiert werden. Dadurch gibt es eben das Problem, dass Betroffene von Polizeigewalt – auch tödlicher – im Nachhinein kriminalisiert werden. Dass sie, wenn sie überleben, sofort Anzeigen bekommen, und wenn sie nicht überleben im Nachhinein konstruiert wird sie seien gefährlich.

Wie im Fall von Hussam Fadl.

Ja genau, der Fall von Hussam Fadl 2016 in Moabit. Da wurde von Polizeiseite behauptet, er habe ein Messer gehabt. Von den Augenzeugen hat aber niemand ein Messer gesehen. Irgendwann tauchte dann ein Messer auf, auf dem aber nicht mal DNA-Spuren, geschweigen denn Fingerabdrücke von Hussam Fadl gefunden. Dieses Vorgehen ist Folge von dieser Herangehensweise, dass es keinen Rassismus gebe. Und wenn es keine Rassismus gibt, dann müssen eben andere Vorgehensweisen herangezogen werden. Die Täter*innen kommen dann in den meisten Fällen ungestraft davon.

Abseits von der Sichtbarmachung, was erhofft Ihr euch von der Veröffentlichung von der Recherche?

Ein großes Ziel ist, dass bisherige Fälle aufgeklärt werden. Wir wollen auch die Betroffenen- und Angehörigeninitiativen und anderen Gruppen die zu dem Thema arbeiten vernetzen, damit ein Wissensaustausch stattfinden kann. Und dass so vielleicht sogar selber Ermittlungen angestellt werden können und damit Fälle anders bewertet werden. Das hat ja im Fall der Oury-Jalloh-initiative ziemlich erfolgreich geklappt.

Unser Forderung ist natürlich, dass es mit diesen Toden und Morden aufhören muss. Deswegen fordern wir auch die Einrichtung von effektiven und unabhängigen Beschwerde- und Ermittlungsstellen. Es gibt da kleiner Pilotprojekte in Deutschland, in Hamburg und NRW und in anderen Orten. Die Projekte die es gibt, können aber in keinem Maße arbeiten, dass das effektiv wäre. Zum einen sind sie nicht ausreichend unabhängig von Justiz- und Polizeibehörden, sie haben nicht die ausreichende Ausstattung mit Befugnissen und Personal, dass sie ermitteln können. Die Polizei muss einfach kontrolliert werden, weil bisher kontrolliert sie sich selbst. Polizisten ermitteln gegen Polizisten in Fällen von Polizeigewalt und da kommt seltenst was bei raus.

Wie kann man verhindern, dass so eine Stelle nicht nur ein Feigenblatt wird?

Ja, das ist eine unserer Befürchtungen. Eine ineffektiv aufgebaute Stelle kann eine negative Auswirkung haben. Weil dann wird halt gesagt „Wir haben hier doch diese unabhängige Beschwerdestelle, was wollt ihr denn?“ Damit wird jeglicher Kritik der Wind aus den Segeln genommen.

Ich denke da müsste es eine viel klareren Bezug zur und eine Rechenschaft vor der Zivilgesellschaft geben. In den USA gibt es ein paar ganz spannende Projekte wo independent police monitoring betrieben wird. In New Orleans z.B. hat diese Ombudsperson relativ viele Befugnisse, kann in die Daten der Polizei Einsicht nehmen und diese dann auch Organisationen zur Verfügugn stellen. Und dort hat die Zahl polizeilicher Todesschüsse stark abgenommen.

Eure Forderungen richten sich ja vor allem an den Staat.

Wir wollen auf jeden Fall, dass die Gesellschaft auch involviert ist, insbesondere rufen wir zu Solidarität mit Betroffenen von Polizeigewalt auf, um dieses Narrativ zu brechen. Und wir wollen, dass die Verantworlichen zur Rechenschaft gebracht werden.

Es gibt aber ja auch wesentlich radikalere Ansätze, wie die der Black Panthers, die selber auf Streife gegangen sind und die Polizei kontrolliert haben. Denkst du dass so etwas in Deutschland möglich oder nötig ist?

Prinzipiell ist es immer wichtig der Polizei und den Behörden auf die Finger zu schauen bei dem was sie machen. Wenn das nicht passiert, hat das zur Folge, dass sie noch mehr Mist bauen. Wie eben der Anstieg von racial profiling in Corona-Zeiten. Die Polizei selbst zu kontrollieren macht natürlich total Sinn, weil die Kontrolle durch andere staatliche Instanzen nie ausreichend ist. Eine permanente Wachsamkeit der Zivilgesellschaft ist total wichtig!

# Titelbild: miss_millions, CC BY 2.0, Gefängniszellen in Alcatraz (Symbolbild)

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Das Bild sorgte im Herbst 2019 für weltweite Empörung. Zwei berittene Polizisten führen einen festgenommenen Afroamerikaner im texanischen Galveston mit einem Strick ab. Der Mann geht zwischen den Pferden, ihm sind die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, offensichtlich mit dem Strick, dessen anderes Ende einer der Polizisten auf seinem Pferd in der Hand hält. In seiner abgrundtiefen Unmenschlichkeit und Brutalität schockiert dieses Foto und erinnert an die Zeit der Sklaverei in den USA. Der Vorfall ist Teil der langen Liste von öffentliche gewordenen Fälle rassistischer Polizeigewalt, die in den vergangenen Wochen auch in der hierzulande zu einem Aufschrei geführt haben.

An dieses Bild aus Texas musste ich denken, als ich heute ein Foto beim Online-Auftritt der Bild-Zeitung sah. „Nacht der Schande in Stuttgart – Randalierer auf dem Weg zum Haftrichter – Horst Seehofer fordert harte Strafen“, heißen die Überschriften. Auf dem Bild darunter ist eine Szene zu sehen, die mich kaum weniger schockiert hat als das Foto aus Galveston und durchaus an dieses erinnert. Einer von sieben nach den Ausschreitungen in Stuttgart am Wochenende Festgenommenen werde zum Haftrichter geführt, heißt es dazu im Text.

Zu sehen sind ein Mann und ein Frau in zivil, möglicherweise Polizei- oder Justizbeamten, und in ihrer Mitte ein festgenommener junger Mann – barfuß, in Fußfesseln, die Hände mit Kabelbindern fixiert, mit Mundschutz und einer Haube auf dem Kopf, den er gesenkt hält! Die Haube soll offenbar der Sicherung von Spuren im Haar dienen. Und dass er barfuß ist, so spekuliert die Bild-Zeitung, liege wohl daran, dass die Polizei die Schuhe der „mutmaßlichen Chaoten“ beschlagnahmt habe.

Diese Szene und dieses Foto sind unfassbar widerlich und abstoßend! Und ein Dokument einer unfassbaren Demütigung und Bloßstellung. Zu Recht fragte ein User auf Twitter: „Ist das Stuttgart oder Guantanamo?“ Ein junger Mensch, der sich möglicherweise – noch gilt doch wohl die Unschuldsvermutung – an Plünderungen beteiligt oder einen Stein auf Polizisten geworfen hat, wird abgeführt und wie eine Trophäe zur Schau gestellt. Allein, dass jetzt Leute dem Haftrichter vorgeführt werden, ist vollkommen maßlos und nichts rechtfertigt die Veröffentlichung eines solchen Bildes.

Ganz offensichtlich hat keiner versucht, das Fotografieren dieser Szene zu unterbinden. Warum auch? Polizei und Justiz müssen ja liefern. Bundesinnenminister Horst Seehofer und Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl haben die „ganze Härte des Gesetzes“ gegen die „Randalierer“ von Stuttgart gefordert. Der ganze Law-and-order-Mob in Politik, Medien, Polizeigewerkschaften und Bevölkerung will Blut sehen.

Nicht weniger grotesk und beängstigend als die ekelhafte Vorführung junger Verdächtiger nach vergleichsweise harmlosen Krawallen ist die Inszenierung, die von der Behörden heute beim Besuch von Seehofer, Strobl, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn am „Tatort“ aufgeführt wurde. Die Polizei positionierte für die in Kompaniestärke anwesenden Fotografen und Kameraleute ein bei dem Riot beschädigtes Polizeifahrzeug als Kulisse – damit Seehofer betroffen in das mit Glassplittern übersäte Innere des Fahrzeugs schauen und anschließend eine „rasche und harte Verurteilung“ der Täter fordern und von einem „Alarmsignal für den Rechsstaat“ schwadronieren konnte.

Damit hat der CSU-Mann recht – allerdings sind nicht die Krawalle das Alarmsignal, sondern diese sich anschließende Inszenierung von Ministerbesuch und Festnahmen an diesem Montag. Sie demonstriert vor allem, wie weit dieser Staat bereits eine Beute von Polizei und Diensten ist, wie die im Internet und in den Medien marodierenden rechten Hetzer die Politik vor sich hertreiben und den Diskurs bestimmen. Die Inszenierung ist nichts anderes als die Antwort auf die Kritik, die im Zuge der „Black Live Matters“-Demonstrationen an der Polizei auch hierzulande hochkochte – eine klare Ansage, wer in diesem Land am längeren Hebel sitzt. Und eine Nebelkerze, um nicht über Polizeigewalt, Rassismus und Straflosigkeit in der Polizei reden zu müssen.Der Polizeistaat kommt nicht heute und nicht morgen, er scheint schon da zu sein.

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Die tödliche Polizeigewalt gegen George Floyd und die anschließenden Black Lives Matter Demonstrationen haben auch in Deutschland eine Debatte über Rassismus und Polizeigewalt entfacht. In den meisten Medien beschränken sich die Beiträge auf Schwarze und andere nicht-weiße Menschen, die ihre persönlichen Rassismuserfahrungen schildern sollen. Den Begriff „struktureller Rassismus“ haben dabei zwar viele auswendiggelernt, aber die vorgeschlagenen Lösungen bleiben dann doch individualistisch. So werden etwa mehr Migrant_innen bei der Polizei und in den politischen Parteien gefordert, die dann – so die Idee – über ihre Positionen den Rassismus zurückdrängen könnten.

Das Problem an dieser Form der Repräsentationspolitik lässt sich an einer aktuellen Anekdote sehr gut herausarbeiten: Während eines Interviews mit Der Welt wurde Cem – Ich bin Deutscher – Özdemir von einen vorbeilaufenden Mann, der rief wir würden in einer Polizeidiktatur leben, unterbrochen. Özdemir pöbelte verbal zurück, er solle die Fresse halten und wir würden hier in Deutschland leben. Was einige, unter anderem er selbst, als sympathischen Anflug von authentischer Emotionalität abtun, bezeichnen andere, vor allem ich, als performativen Akt vor der Springerpresse und seinem Publikum die eigene Integriertheit vorzuführen.

Durch maximale Härte gegen Polizeikritik, soll die maximale Distanz von den Randalierern in Stuttgart demonstriert werden. Jemand, der sich so klar für Deutschland einsetzt und diese asozialen Migrant_innen verurteilt, die wegen so erfundenen Kleinigkeiten wie rassistischer Polizeigewalt Sachbeschädigung begehen und Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten, der muss auch ein guter Politiker sein, wenn nicht sogar einer der als künftiger Minister regierungsfähig ist. So in etwa stelle ich mir die Logik seiner Projektion auf die deutschen Wähler_innen und ihre Werte vor.

Dieses zugegebenermaßen extreme Beispiel, führt einen konkreten Punkt vor Augen: Dass jemand selbst von Rassismus betroffen ist, macht ihn noch lange nicht solidarisch mit anderen Betroffenen. Man kennt dasselbe Phänomen auch aus dem Bereich Polizeigewalt. Frauen* oder migrantische Polizist*innen sind keineswegs per se “netter” – und oft genug sogar das Gegenteil, weil sie gezwungen sind, ihre Loyalität zu dem, was sie da tun, ständig zu beweisen. Die Logik ist die gleiche wie bei Özdemir: Um nicht mit den anderen Migrant_innen vermengt zu werden und sich zu beweisen, wird gegen diese viel krasser ausgeteilt.

In der bürgerlichen Gesellschaft sind rassisfizierte Identitäten funktional notwendig, um nicht über das darunter liegende Ausbeutungsverhältnis zu sprechen. Deshalb hört auf, zu fordern, man brauche PoC-Quoten in Politik und Medien, fordert stattdessen antirassistische Perspektiven, radikale Perspektiven, revolutionäre Perspektiven. Aus der Natur der Sache wird ohnehin hervorgehen, dass sich selbst von Rassismus Betroffene angesprochen fühlen. Man tut umgekehrt linken Schwarzen keine Gefallen, wenn man sie auf ihre reine Existenz als Opfer von Rassismus reduziert, statt sie über ihre widerständigen politischen Perspektiven zu identitfizieren. In den Diskussionen um die Riots in den USA wurden nicht selten „weiße Anarchisten“, mit dem Ziel den Staat zu destabilisieren, für die Randale und Plünderungen verantwortlich gemacht. Weiße Menschen sind in diesem Weltbild ausdifferenziert in radikal, liberal, konservativ, während Schwarze ein monolithischer Block aus Opfern sind.

Neben dieser rassistischen Vermengung besteht das Problem, dass es mittlerweile ein migrantisches Kleinbürgertum gibt, das mit Repräsentationspolitik seinen stinknormalen Karrierismus als antirassistische Politik verkaufen kann. Für diese beschränkt sich Rassismus vor allem auf die eigene erlebte Diskriminierung bei dem Versuch sozial aufzusteigen. Das zugrundeliegende soziale Verhältnis von Ausbeutung und Enteignung ist dabei gar nicht so relevant. Die bloße Existenz von Betroffenen in Politik und Medien bedeuten dabei weder antirassistische Inhalte, noch ist davon auszugehen, dass in einer Gesellschaft in der struktureller Rassismus nun mal funktional ist, Repräsentation irgendwas anderes erreichen könnte als Opportunismus wie bei Özdemir, oder Frustration bei denen die es zumindest gut meinen, weil ein Antirassismus, der sich auf kleinbürgerliche Antidiskriminierungspolitik beschränkt Sisyphusarbeit bleiben muss.

#Titelbild: wikimedia.commons

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Es ist wieder einmal so weit. Deutschland hat eine „Gewalt“-Debatte. Derlei Gewaltdebatten entzünden sich stets an der Gewalt von Marginalisierten, an der Gewalt von „unten“ – und ganz besonders, wenn man meint „Fremde“ unter den „Gewalttätern“ ausmachen zu können. Ich will im folgenden nicht über diejenigen Reden, die jetzt ein Fest des Rassismus feiern, denn sie sind so elend, dass es keiner Beschreibung bedarf. Es sind Leute, die bei jeder Gelegenheit ein Pogrom verüben würden, aber bei „Ausländergewalt“ zum liebevollen Wahrer gesellschaftlichen Friedens werden; Leute, die zuhause die „eigene“ Frau halb tot prügeln und dann mit dem Finger auf die “Fremden” zeigen, um sich als Retter des weiblichen Geschlechts aufzuspielen. Man muss ihnen nicht zu viele Zeilen widmen.

Ich möchte aber über etwas anderes reden: Die ganz normale, ganz durchschnittliche Empörtheit der ansonsten auch ganz progressiven Mitte. Die Saskia Eskens dieser Republik. Die SPD-Vorsitzende formulierte direkt nach den Auseinandersetzung: „Was für eine sinnlose, blindwütige Randale in #Stuttgart, die so viele verletzte Polizist*innen und zerstörte Ladengeschäfte zurücklässt. Die Gewalttäter müssen ermittelt & hart bestraft werden. Unbegreiflich, wie die Situation derart eskalieren konnte.“

Die liberale bis linksliberale Reaktion auf spontane Riots fragt nicht: Was sind die Gründe? Warum kommt es zu der Gewalt? Um welche Art der Gewalt handelt es sich, wessen Gewalt ist es? Leute wie Esken wollen das Bild vermitteln: Wir sind die, die immer gegen Gewalt sind. Ist das schlecht? Jede*r ist gegen Gewalt. Noch der letzte genozidale Militär wird aufrichtig glauben, sein Morden dient dem Ende irgendeiner Gewalt oder Not. Gewalt ist nicht die „Ausnahme“ in der Welt, in der wir leben, sie ist der Normalfall. Es ist so trivial und eigentlich weiß es jeder: Krieg ist Gewalt, Vertreibung ist Gewalt, das Europäische Grenzregime ist Gewalt, Rassismus ist Gewalt, Feminizide sind Gewalt. Mehr noch: Ein Leben in Prekarität und Unsicherheit, im schlimmsten Fall Hunger ist Gewalt. Und das Iphone, auf dem ihr diesen Text lest, ist vergegenständlichte Gewalt, in Form gegossen in Kobaltminen und Menschenschinderfabriken. Libysche Folterlager sind Gewalt, bezahlt von der Bundesregierung. Türkische Angriffskriege mit bundesdeutschem Kriegsgerät sind Gewalt. Handelsverträge sind Gewalt, Austeritätsmaßnahmen sind Gewalt. Die Liste ist endlos – und es ist trivial, jeder Mensch weiß das.

Aber die Gewalt dieses Systems ist man gewohnt, seit man das Licht der Welt erblickte. Und wieder und wieder und wieder und wieder wird einem gesagt, man könne sie eben nicht ändern, sie sei unveränderlich, notwendig oder das kleinere Übel. Man begegnet ihr mit einem Schulterzucken, oder wenn man progressiv und links ist, dann mit einer allzeit gemäßigten Kritik, zu deren Überbringung an die zuständigen Stellen man sich doch bitte auch das Zugticket zu lösen hat.

Aber wehe es kommt zur „außerordentlichen“ Gewalt. Zur Gewalt derer, die man selber nicht kennt, denn sie kommen so selten in den Bundestag, die Zeitungsredaktion und die hübschen Restaurants, in denen man zu Abend isst. Selbst in die Clubs nicht, in denen man ganz cool feiert, schon wegen der Türsteher. Diese „außerordentliche“ Gewalt, die zeiht man des Zivilisationsbruchs. Und beschwört die Härte genau jenes Systems, das man zuvor noch wohlfeil kritisiert hatte.

Es sind dieselben Leute, die sich noch vor zwei Wochen – man will ja auch sein Profil schärfen – Martin Luther King in die Timelines geschwungen haben: a riot is the language of the unheard. Und die „radikaleren“ von ihnen, die hießen gar die Aufstände gut: solange sie weit weg sind und die involvierten Personen einfach „Schwarze“ sind, aber keine konkreten Menschen. Nur je näher etwas kommt, desto wirklicher ist es. Und eigentlich schaut man auf den Pöbel herab. Was in den USA noch ein mit dem Fernglas zu beobachtender Schwarzer Jugendlicher, der für seine Rechte kämpft, war – im eigenen Backyard ist es ein sinnloser Gewalttäter, ohne politische Gesinnung, gar nicht progressiv. Ja hatte der denn überhaupt die neuesten Studien zur Funktion der Polizei gelesen, bevor er sich an dem Streifenwagen verging? Es ist ein altes Phänomen in Teilen der Linken: Der Refugee ist super welcome – außer der konkrete, der dann bei einem einziehen will, weil der ist für Palästina oder gar Gaddafi oder redet anders als man selber, im schlimmsten Fall ist er sogar Muslim. Man mag die konkreten Menschen nicht, wenn ihnen die Etikette fehlt. Man glaubt auch gar nicht, dass es so etwas wie politische Überzeugungsarbeit geben sollte. Man will mit denen sein, die denselben „Diskurs“ pflegen, die „im Rahmen“ sind und die das Einmaleins des progressiven Humanismus auch dann noch aufsagen können, wenn ihnen eigentlich schon längst zum Heulen ist.

Die abstrakten Menschen, die in der Türkei, wenns hart kommt in den USA, die dürfen sich gelegentlich wehren. Aber doch nicht DIESE HIER. Die language of the unheard, sie muss schon gestochenes, akademisches Hochdeutsch sein, ansonsten versteht das doch keiner. Und wenn die language of the unheard dann Unterschichtsslang oder gar irgendwas ausländisches ist, dann lieber mit der anderen language übertönen: tatütata, Hier spricht die Polizei.

Aber was heisst denn dieses Martin-Luther-King-Zitat, das alle kennen eigentlich? Es heißt nicht: Fetischisiert jeden Riot, weil das ist so super geil – ein wenig die Kehrseite von dem linksliberalen Quatsch. Es heisst: Menschen, die jeden Tag getreten werden, auf dem Amt, in der Schule, auf Arbeit, Menschen, die jeden Tag von den Bullen getriezt werden, dann nach Hause kommen und sich noch von den Eltern anhören können, „was hast du wieder gemacht, Junge?“, weil an allem müssen sie Schuld sein, der Staat, der Chef, der Lehrer, die sind ja integer – diesen Menschen reicht es an einem Punkt. Das ist nicht hübsch und zielgerichtet. Im schlimmsten Fall richtet die Wut sich gegen Ihresgleichen. Im besseren Fall gegen ein paar Scheiben von McDonalds oder Autos der Polizei. Führt das zur Revolution? Nein. Sollten deshalb Leute, die 10 000 Euro als Abgeordnete einer Regierungspartei verdienen und schulterzuckend sagen, na mehr als drei Dutzend Kinder konnte ich leider nicht aus Moria in die Bundesrepublik holen, Lektionen über „Gewalt“ verteilen und gleichzeitig die Gewalt des Staates gegen diese Jugendlichen beschwören? Sicher nein.

Eine proletarische Linke muss sich mit den Problemen in der eigenen Klasse auseinandersetzen. Sie kann spontane Wutausbrüche nicht fetischisieren, sondern muss sich Gedanken machen, in welcher Form sie die Wut organisieren kann. Aber sie sollte wissen, auf welcher Seite sie steht.

Denn die liberale Linke weiß das ganz sicher. Sie glaubt an diesen Staat, seine Polizei, seine Gesetze, seine Ökonomie. Sie will sie nicht ändern, sondern im besten Fall einige wenige Symptome abmildern, um ihr eigenes Geschäftsmodell in der kommenden Wahl bestätigt zu bekommen. Und sie wird stets, wenn irgendeine Gewalt von unten kommt, auf der Seite der Gewalt von oben stehen.

# Bildquelle: rbrammer // flickr

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Als Kurd*in aus Südkurdistan (Başûr, Nordirak) hat man die Tage wirklich reichlich Gründe, um verdammt wütend zu sein. Da ist zum einen die horrende Korruption, die in den letzten Wochen den Hashtag كوا_400_ملیاره‌كه (Wo sind die 400 Millionen?) trenden ließ. Worum geht’s? In einem letzten Versuch, die Kurdische Autonomieregion (KRG) über Wasser halten zu können, hat die Zentralregierung in Baghdad 400 Millionen irakische Dinar nach Südkurdistan überweisen lassen, wobei sich viele erhofften, dass diese verwendet werden, um die ausstehenden öffentlichen Gehälter in Millionenhöhe endlich zu zahlen. Diese hinken nämlich massiv hinterher. Wie lange schon nicht gezahlt wird, hat ein Mann veranschaulicht, der seine Rente vom Dezember letzten Monat abgeholt hat und aus Protest mit Schal und Anorak gekommen ist – da seine Rente ihm eigentlich im Winter über die Runden helfen sollte.

Die 400 Millionen wurden nach Angaben der Regionalregierung zum Großteil an öffentliche und private Kreditgeber gegeben, die ihre Rückzahlungen erwarten. Ähnlich der Klarna-Rechnung eines einkaufssüchtigen Teenagers scheint die Regierung in Südkurdistan nicht im Geringsten zu wissen, wie sie ihr Budget organisieren sollen. Die Wut ist groß: Wie kann man sich als Bürger*in irgendein Mitspracherecht in einer Kleptokratie erhoffen, in der nach eigenem Gusto irgendwelche Multimillionenverträge mit inländlischen und ausländischen Kreditgebern verhandelt werden? Wahre Ohnmacht ist, wenn man merkt, dass das Haushalten der eigenen Regierung mehr als schwach ist, während man selbst jeden Pfennig umdrehen muss.

Am gestrigen Donnerstag gab es schließlich auch Streiks der Verkehrspolizei, deren Angestellte ebenfalls seit Wochen ihre Löhne nicht bekommen haben. In der Kurdistan Region sind mehr als 60% der Bevölkerung im öffentlichen Sektor beschäftigt, was für einen Rentier-Staat wie dem Irak nicht unüblich ist. Was aber problematisch ist, ist wie gerade die türkische Privatwirtschaft kurdische Arbeitsplätze gezielt vernichtet und einen komplett deregulierten privaten Sektor im Bereich der Immobilien aufgebaut hat. Frei Schnauze werden gerade Geflüchtete Kurd*innen und Ezid*innen aus Rojava oder Shengal vor allem ausgebeutet, die als Tagelöhnern für diesen Sektor arbeiten. Regulierung und Rechtsschutz? Sicher keine.

Während der Corona-Pandemie, die gerade eine gigantische zweite Welle erfährt, werden die Gehälter im Gesundheitssektor momentan aus Geldknappheit zwecks Korruption ebenfalls nicht ausgezahlt. Pfleger*innen, medizinisches Hilfspersonal und Ärzt*innen protestieren in verschiedenen Städten in Südkurdistan seit Tagen. Besonders frech: Regierungsnahe Medien verbreiten eine tendenziöse Berichterstattung, in denen gefragt wird, wieso die Ärzte der 90er-Jahre dazu in der Lage waren in einer Krise zu arbeiten, während die “faulen” Ärzte jetzt streiken, bis sie ihr Geld bekommen. Was sie nicht erwähnen: Das Embargo damals, das die Zahlungen ausfallen ließ, war das Embargo der USA zusammen mit dem Embargo Saddams gegen die kurdische Bevölkerung. Damals hatte man also die Gewissheit, dass es der Feind ist, der für die eigene Misere sorgt. Vollkommen desillusioniert sind jedoch die Ärzte, die jetzt sehen, wie der Gesundheitssektor kaputtgespart und privatisiert wurde und sie jetzt auch noch ohne Bezahlung tausende Kranke retten müssen. Ein falscher Patriotismus wird geschürt, ein*e gute*r Kurd*in arbeitet ja für Umme, während die Parteibosse der beiden Regierungsparteien, KDP und PUK, in gated communities sitzen und dort ihre Corona-Zeit abfristen. Diese sind übrigens reich genug, dass mehrere namhafte Parteifamilien sich eigene Ventilatoren leisten konnten und diese mindestens 25.000 Dollar teuren Geräte nach Hause haben liefern lassen. Eine eigene private Intensivstation also, während die öffentlichen Krankenhäuser sagenhaft überfordert sind.

Zu all dem kommt dann noch der türkische Angriffskrieg dazu. Seit Tagen bombardiert die Türkische Armee in ihrer neuen Offensive mit dem illustren Namen “Adlerklaue” zivile Gebiete in Shengal, Bradost und Maxmur, wo seit den 1990er-Jahren aus Nordkurdistan/Türkei geflohene Kurd*innen ein selbstverwaltetes Gebiet aufbauten. Dieses steht übrigens seit Monaten unter einem strikten Embargo ebendieser ach so patriotischen Regierung der Kurdischen Autonomieregion. In Shengal, wo bekanntlich tausende Jesid*innen 2014 Opfer des Genozids des IS wurden und wo erst durch die Hilfe der PKK ein humanitärer Korridor nach Rojava erkämpft werden konnte. Dorthin sind erst vor kurzem seit nun sechs Jahren Geflüchtete zurückgekehrt, um endlich wieder daheim sein zu können und wieder aufzubauen, was aufzubauen ist. Die Rückkehr dieser Binnenflüchtenden ist in dieser Situation ungewiss. Vor zwei Wochen soll der Chef des türkischen Geheimdienstes, Hakan Fidan, in Baghdad gewesen sein und hat sich dort vom frischgebackenen Premierminister Mustafa al Kadhimi das grüne Licht für die Offensive geben lassen. Ebenso soll es grünes Licht aus Erbil (Hewlêr), also von der kurdischen KDP gegeben haben.

Diejenigen, die bei den Angriffen der USA und des Iran im Januar groß geschrieen haben, die territoriale Integrität des Irak werde zerstört, sind nun leise. Diejenigen, die zu Worldwar 3 große Twitterwitze gerissen haben, halten ihr Maul, was diese nun Tage andauernde Luft- und mittlerweile auch Bodenoffensive angeht.

Nun schließlich geht die Bevölkerung in Südkurdistan erneut zum Protest auf die Straße. Besonders fulminant endete der Protest in Slemani, wo mindestens 30 Menschen bei Angriffen der Polizei verletzt wurden. Ein Satz, den man von den wütenden Protestierenden häufig hörte war: “Ihr solltet euch schämen, wieso kämpft ihr nicht gegen die türkische Armee, wieso greift ihr uns an?”

Und so fühlt sich die Bevölkerung in Südkurdistan wieder einmal alleine gelassen. Gerade in der Öffentlichkeit im Westen ist man sich der Nuancen dieses Konflikts nicht bewusst. Liberalbürgerliche Gruppen, die meinen, sich für Jesid*innen einzusetzen, die schließlich erst durch die PKK zur Selbstverteidigung ermächtigt wurden, versuchen ein Narrativ zu schüren, in dem die PKK und der “kurdische Nationalismus” Schuld sind, dass die Türkei angreift. Wieder einmal kann man nur sagen: Die PKK wurde 1978 gegründet, die ersten Pogrome und Genozide der Türkei gegen Kurd*innen und viele andere Minderheiten gab es bereits in den 1920er-Jahren. Wer jetzt versucht, die Opfer dieser Militärkampagne in “guter Kurde – schlechter Kurde” aufzuteilen, lebt keine echte Solidarität, wird der Bandbreite der türkischen Angriffe nicht gerecht, forciert das türkische Narrativ, es ginge nur um die PKK und spaltet eine internationale Solidaritätsbewegung, die jahrelang mühsam aufgebaut wurde.

Gerade deshalb ist es von enormer Wichtigkeit auch in Europa Wissen aufzubauen, diesen Konflikt zu verstehen und Solidarität mit ganz Kurdistan zu zeigen, denn am Ende ist es ganz Kurdistan, welches von den Armeen der Türkei, Syriens, des Irak und des Iran angegriffen wird. Eine selektive Solidarität ist nicht möglich, wenn genozidiale Angriffe offensichtlich das Ganze einer Bevölkerung angreifen. Das sollte gerade jetzt deutlich sein, wo die Türkei parallel in Rojava besetzt, in Bashur bombt und in Bakur den langen Demokratiemarsch der HDP niederknüppelt.

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Im Zuge der Protestwelle in den USA, die durch den Mord an George Floyd durch einen Polizisten ausgelöst wurden, wurde am 6.5. 2020 zu einer Demo gegen Rassismus am Alexanderplatz in Berlin aufgerufen, an der schätzungsweise 32.500 Menschen teilnahmen. Als gegen Abend die meisten Demonstranten den Platz verlassen hatte und hauptsächlich Jugendliche und unerfahrene Demoteilnehmer*innen auf dem Platz übrig waren, kam es zu massiven Übergriffen durch die Polizei, die die Demonstrierenden mit Schlagstöcken und Pfefferspray angriff und insgesamt 98, überwiegend jugendliche Menschen, in Gewahrsam nahm. Leila Aadil hat sich für LCM mit zwei Demoteilnehmern getroffen, um mit ihnen über den Tag und Rassismus in Deutschland zu sprechen.

Leila: Was war ausschlaggebend dafür, dass ihr auf die Demo gegangen?

Alphonse: Wir sind auf die Demo gegangen, weil wir die Kette von Rassismus und Polizeigewalt zerbrechen wollen. Es kann nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert immer noch über dieses Thema sprechen, obwohl unsere Vorfahren und die Vorfahren unserer Vorfahren schon dagegen gekämpft haben. Gerade hier in Deutschland, einem Land, das eigentlich multikulti sein sollte, ein Land, das von Gastarbeitern aufgebaut wurde.

Malcom: Weil ich mich für alle Nationen, für alle Hautfarben einsetzen wollte. Und gegen Rassismus.

Leila: War das eure erste Demo?

Malcom: Ja, bei mir schon.

Alphonse: Ich muss auch sagen, dass es meine erste Demo war – und ein schreckliches Erlebnis. Aber es hat mir gezeigt, dass ich nicht einfach zuhause sitzen und schlafen kann, sondern, dass ich tätig werden muss.

Leila: Was ist so passiert im Laufe des Tages?

Malcom: Ich war mit ein paar Jungs da und dann ging alles viel zu schnell. Ich hab Schläge bekommen und wurde festgenommen. Ich wurde von den Polizisten rassistisch beleidigt, die hätten mir fast den Fuß gebrochen.

Alphonse: Ich bin mit einem Freund, der eine körperliche Behinderung hat und meiner Freundin auf die Demo. Ich dachte es wird friedlich, hatte aber ein schlechtes Bauchgefühl, wegen all der Erfahrung mit rassistischen Polizisten, die ich schon gemacht habe. Als wir auf die Demo kamen, waren die Menschen fröhlich und es war super Stimmung.

Später standen wir an einer Tramstation und schreiende und heulende Menschen sind uns entgegen gerannt. Von weitem habe ich schon gesehen wie die Polizei unschuldige Menschen mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen hatte, ich habe gesehen, wie ein Bruder misshandelt wurde und das hat mir weh getan.

Als ich zum Geschehen kam, wurde mir direkt von einem Polizisten gedroht: „Ich prügle dich krankenhausreif, verpiss dich“. Das hat mich emotional getroffen, ich hatte Angst und fühlte mich erniedrigt. Ich wurde von einem Menschen, der das Gesetz vertritt und uns beschützen soll, bedroht, ohne dass ich etwas getan habe.

Kurz danach, haben ein paar Polizisten mich direkt angegriffen, ich war völlig perplex. Zehn Polizisten haben sich auf mich gestürzt, um mich festzunehmen. Mir wurden die Handschellen so fest angelegt, dass ich meine Hand nicht mehr spüren konnte. Ich hatte eine Verletzung am Kopf und das Blut hat auf meine Hose getropft. Alles was ich bekommen habe, war ein Verband, damit es aufhört zu tropfen. Ich habe die ganze Zeit gefragt, was ich eigentlich gemacht haben soll. Das Schlimmste kam aber noch, als ob sie mich nicht davor schon genug erniedrigt und misshandelt hätten, haben sich 10 Polizisten in den Polizeiwagen reingequetscht in dem ich saß und einer hat mich angeschrien: „Wir machen Sie hier fertig, wir werden ihnen zeigen, wer wir sind“.

Als ich in die Gesa kam, habe ich immer wieder über Schmerzen geklagt und konnte meine Hand nicht mehr fühlen. Erst nach Stunden wurde ich zu einem Arzt gebracht, der hat festgestellt, dass mein Arm komplett taub ist und hat sofort angeordnet, dass ich in ein Krankenhaus gebracht werde, weil ein Nerv beschäftigt sein könnte. Die Polizei hat mich nur widerwillig dem Krankenwagen übergeben.

Malcom: Ich habe von den Polizisten Bomben in den Bauch bekommen und hatte Schmerzen. Die haben mich dann gefragt, ob ich einen Krankenwagen will und ich meinte ja. Dann meinte der Polizist: „Der geht auf ihre Kosten“. Dann hab ich gesagt: „Ich will einen Krankenwagen auf Ihre Kosten“. Daraufhin haben sie keinen Krankenwagen gerufen. Ich habe auch gesagt, dass ich erst Bilder von mir machen lasse, wenn ich die Dienstnummer bekomme, darauf hat man mir geantwortet: „Wir hauen dich“. Die haben mich fertig gemacht, so als würde ich nichts können. In der Zelle habe ich nach meiner kleinen Tochter geschrien, ich habe Platzangst bekommen. Die haben mir versucht Angst zu machen und gesagt: „Du bleibst noch ein paar Tage hier“.

Leila: Wie sieht eure Erfahrung jenseits der Demo mit der Polizei aus? Habt ihr da auch schon Erfahrungen von rassistischem Verhalten gemacht?

Malcom: Safe. Ich werde sehr oft kontrolliert. In der S-Bahn, wenn ich in die Bahn einsteige und die einfach an mir vorbei laufen oder wenn ich im Auto Beifahrer bin, wird das Auto rausgezogen und komplett durchsucht. Wenn ich mich frage von 0 bis 100, wie oft hab ich Rassismus von Polizisten erlebt, dann sind das 99%. Sie üben immer ihre Machtspiele aus, so „Ich bin Polizist und du bist ein N***!“. Wirklich klipp und klar ausgedrückt, genau so ist es immer gewesen und ich glaube das wird auch nie anders sein. An Orten wie Kotti oder Görli ist es abnormal, ich kann keine zwei Schritte gehen, ohne dass ich von der Polizei kontrolliert werde. Deswegen wohne ich auch lieber in Hohenschönhausen und lass mir zwei mal am Tag von irgendwelchen Leuten in der Bahn „N***“ sagen, aber wenigstens gibt es nicht so viele Polizeikontrollen.

Alphonse: Ich hatte noch nie eine Kontrolle, bei der ich mich nicht wie ein Schwerverbrecher gefühlt habe. Selbst bei einer ganz normalen Personalkontrolle, werde ich wie ein Schwerverbrecher behandelt. Wo ich mich manchmal Frage, steht auf meiner Stirn; „Achtung, Achtung, er wird euch alle gleich umbringen“?! Manchmal fühl ich mich auch als ob ich in 20 Ländern gesucht werde, obwohl mich eigentlich, vor dieser Geschichte, niemand kannte.

Leila: Welche Rolle spielt Rassismus in eurem Leben generell?

Malcom: Rassismus prägt mich in meinem Herzen, das ist sone komische Gänsehaut. Man spürt es jeden Tag ein kleines bisschen. Das passiert im Unterbewusstsein, manche Menschen nehmen das nicht mal mehr wahr, die merken nicht, dass sie rassistisch sind.

Alphonse: Ich muss sagen, dass der Rassismus mich sehr prägt. Egal ob es beim Fußball, der Schule, den Behörden oder in der Freizeit ist. Ich bin mit Freunden unterwegs, und irgendein Besoffenerer kommt in der Bahn und sagt „Hey hey Bruder, du saßt aber zu lange im Solarium“. Okay, ich kann darüber lachen, ich bin damit aufgewachsen und ich weiß, er meint das in dem Moment nicht negativ. Aber dass er das macht tut schon weh. Oder wenn ich bei den Behörden sitze und die Frau doch merkt, dass ich mich artikulieren kann, dass ich sie verstehe… und trotzdem fängt sie an mit den Händen und auf schlechtem Englisch mit mir zu sprechen. Ich frag mich dann, wozu bin ich zur Schule gegangen? Wozu versuche ich, mich an eine Gesellschaft anzupassen, wenn das niemals ausreichen wird? Wenn die mich fragen, wie lange ich hier in Deutschland bin und ich sage ich bin hier aufgewachsen, sagen die „dass ich aber sehr gut Deutsch kann“. Wir müssen darüber lachen, wenn wir uns ständig über so was aufregen, können wir hier nicht leben.

Aber ich habe auch erlebt, wie sich fremde Leute an meine Seite gestellt haben, wenn ich rassistisch beleidigt wurde. Aber so was passiert mir vielleicht einmal in drei Jahren, es sollte aber eigentlich jeden Tag passieren. Aber es ist doch so, wenn ich merke, dass jemand irgendwo unterdrückt wird, muss ich dafür einstehen und zusammen mit denen dagegen gehen. Das würde ich mir beim Thema Rassismus auch wünschen.

Malcom: Wenn ich mit meiner Ex-Freundin und meiner Tochter unterwegs bin, schauen uns die ganzen Omas so komisch an. Die denken, wir sind zusammen, weil es um nen deutschen Pass geht.

Alphonse: Ja man, bei mir ist das auch so. Aber man muss auch sagen, dass das manchmal auch von unseren eigenen Brüdern kommt… Die haben diesen Scheiß auch verinnerlicht. Oder wenn du im Auto mit einem weißen Freund sitzt, und dann hält die Polizei das an und nur weil du drin sitzt, wird das komplett auseinandergenommen.

Leila: Inwiefern glaub ihr, dass das System, in dem wir leben, insgesamt rassistisch ist und wie sich das auswirkt?

Malcom: Das System ist sehr rassistisch. Schau mal, unsere Heimatländer bezeichnen die als „dritte Welt“, obwohl sie im Kolonialismus alles von dort geklaut haben. Und auch heute, testen die ihre Medikamente an unseren Leuten, unterstützen korrupte Eliten und nehmen die Ressourcen. Und die Menschen werden nur als Opfer dargestellt, obwohl sie sich immer gegen diese Ungerechtigkeit aufgelehnt haben.

Und auch hier ist es so, solange du Leistung bringst und schuftest bist du Deutscher und wirst anerkannt, aber sobald du etwas falsch machst oder ihnen nicht passt was du sagst, heißt es auf einmal „Schau mal das war der Schwarze, der Ausländer und so weiter“. So wie beim Fußball. Die würden auch immer lieber einen Deutschen nehmen, so… ich bin auch Deutscher. Aber die würden lieber einen Deutschen nehmen als einen schwarzen Deutschen, zum Beispiel.

Alphonse: Ja, schon allein, dass man uns als „dritte“ Welt bezeichnet, was soll das denn heißen, verdammt?! Und hier behandeln sie uns, als würden wir auf einem anderen Kontinent wohnen, auch wenn wir hier aufwachsen. Wenn sie uns nicht wollen, dann sollen sie uns und unsere Ressourcen nicht aus unseren Ländern raus exportieren, sondern alles so lassen wie es ist. Anstatt alles immer nur zu nehmen, damit sie weniger bezahlen müssen und mehr Geld machen. Ich verstehe nicht so ganz wie Menschen sich gegenseitig so behandeln können, wir sind doch Menschen mit dem gleichen Blut. Wie können Menschen zu Menschen so sein? Selbst Tiere helfen sich untereinander, beschützen sich untereinander. Ich versteh manchmal den Menschen nicht.

Leila: Möchtet ihr unsern Leserinnen und Lesern zum Abschluss noch was sagen?

Alphonse: Ich bitte jeden Menschen der in seiner Umgebung mit Schwarzen Menschen oder Ausländern zu tun hat, ihnen Gehör zu schenken. Manchmal trauen wir uns nicht, Dinge zu sagen, weil wir schon zu lange mit ihnen leben, aber es ist wichtig, dass ihr uns glaubt. Ich möchte jeden Menschen bitten, mit jeder Art von Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung zu brechen. Und ich möchte nochmal an alle Menschen appellieren, egal woher ihr kommt, bitte lasst uns zusammen eine bessere Zukunft gestalten. Nicht für euch, nicht für jetzt, nicht für die Vergangenheit. Es gibt keine Wiedergutmachung, man kann das nicht wieder gut machen, egal wie man es dreht. Aber für die Zukunft, für die nächste Generation, lass uns zusammen ein Vorbild für die Gesellschaft sein. Das bedeutet nicht nur zu sprechen, sondern es auch zu leben und in die Tat umzusetzen. Gemeinsam sind wir stark!

Leila: Wie machen wir das? Wie setzen wir das um?


Malcom: In dem wir alle zusammen raus gehen. Alle zusammen raus, alle.

# Titelbild: @s_zamora_martin

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