Der Chinese lügt! Faz, Springer & Co. im Kampf gegen die „Gelbe Gefahr“

17. April 2020

„Was hat China zu verbergen?“, titelt die Weltwoche; „Hat China Angst vor der Wahrheit?“, fragt NTV; „China unter Verdacht – Kam das Virus aus dem Labor?“ orakelt Springers Bild. Mehrere Wochen, nachdem die Verschwörungstheorie, Covid-19 sei aus einem chinesischen Labor in Wuhan entfleucht, das erste Mal im Internet auftauchte, ballert nun die halbe deutsche Qualitätspresse die steile These in die pluralismusgeschulten Hirne ihrer Leser*innen.

Die Crux an der Sache: Es spricht eigentlich nichts für diese Theorie, außer dass in Wuhan ein Labor existiert, in dem auch Viren erforscht werden. Alles weitere ist irgendetwas zwischen freier Erfindung und Spekulation. Die nun wirklich nicht der Kommunistischen Partei Chinas unterstehende liberale Nachrichtenseite Vox etwa schrieb bereits vor einem Monat – u.a. unter Berufung auf eine Studie renommierter Mikrobiologen –, dass das Virus dem Stand der derzeitigen Kenntnisse nach „nicht menschengemacht“ sein könne. Und dass auch sonst keine Beweise für ein Entfleuchen aus dem Labor vorliegen.

Das wissen auch die Bezahlschreiberlinge in den Knechtsstuben der deutschen Presse, deshalb liest sich etwa die FAZ-Version der Abwehrschlacht gegen den Chinesen so: Der Autor Klaus-Dieter Frankenberger leitet zwar damit ein, dass die Labor-Theorie „schon längere Zeit auf dem Markt“ sei und die „meisten Forscher“ sich gegen sie aussprechen. Der ganze Text sagt aber dann: Wer dem Chinesen ordentlich eins rein würgen will, kann sie doch trotzdem weiterverbreiten. Was spricht für die Labor-These? Eigentlich nix, aber deshalb schreibt man dann wie Frankenberger einfach: „Das Ausmaß der Vertuschung, nachdem die Epidemie in Wuhan ausgebrochen war, ist hinreichend dokumentiert“ – durch den Faz-Frankenberger allerdings nicht, denn er belässt es bei dieser Behauptung. Und das Ganze läuft dann unter der Überschrift „Chinas Vertuschungspolitik“. Das Sahnehäubchen auf dem Meisterstück, das jeder Zwölfjährige niederschreiben hätte können, solange er die Gelben nur auch so leidenschaftlich hasst: „Es ist ohnehin reichlich selbstgefällig, sich für Erfolge im Kampf gegen Covid-19 im Land feiern zu lassen – eine Krankheit, die dort ihren Ausgang nahm und die die Welt in den Abgrund blicken lässt.“ – Wie kann er nur feiern, der Chinese? Was erlaubt er sich?

Der Müll zur Labortheorie bei Springer, FAZ und Co. ist nicht deshalb erstaunlich, weil man bei diesen Blättern irgendeine Art von Fairness gegenüber Peking erwarten sollte. Sondern eher, weil man sich fragt, warum sie ausgerechnet jetzt diese gut abgehangene Truther-These ausgraben? Nun, es wird wohl daran liegen, dass rechte Kreise in den USA die Sache pushen und man über beide Ohren transatlantisch ist. Der materielle Hintergrund der antichinesischen Propaganda, die sich ja keineswegs im Ausschlachten irgendwelcher Spekulationen erschöpft, sondern bis zu offenem Rassismus reicht, liegt im absoluten Versagen der Trump-Administration. Ein Imperium wie das der Vereinigten Staaten ist nicht nur auf Waffengewalt, sondern auch auf globale Hegemonie angewiesen. Die bröckelt bereits seit Jahrzehnten, aber Corona ist ein weiterer Sargnagel. Der Großteil der Welt orientiert sich lieber an chinesischen Experten oder lädt kubanische Ärzt*innen ein, wohl kaum jemand würde die Washingtoner Gurkentruppe des Großkapitals als Vorbild vorschlagen.

Dem muss entgegengewirkt werden. Und wenn man sonst nichts mehr anzubieten hat, dann müssen eben die Copy-Paste-Helden des Meinungsgewerbes ran. Die können bei ihrem Tagwerk an eine alte Tradition anknüpfen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts ließ der selige Kaiser Wilhelm II. den Künstler Hermann Knackfuß ein Gemälde anfertigen, das Buddha auf einer Gewitterwolke drohend heranschweben zeigt. „Völker Europas, wahrt Eure heiligsten Güter“, hieß das Stück. Wenige Jahre später rief er seine Soldaten dann auf, Chinesen ohne Pardon niederzumetzeln, „auf dass es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!“ Das taten die dann auch.

#Titelbild: Hermann Knackfuß „Völker Europas, wahrt Eure heiligsten Güter, wikimedia commons

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