Abgang der „roten Diva“

21. November 2019

Die Lohnschreiber der bürgerlichen Medien wussten gar nicht, wohin mit ihrem Schmerz und ihrer Trauer. „Ende einer Ära“, verkündeten sie, schrieben von „Zäsur“ und „Einschnitt“ – darunter machten sie es nicht. Denn das „Gesicht der Partei“, die „Partei-Ikone“ oder „Genossin Superstar“, wie Spiegel online dichtete, ja, die eine, die „rote Diva“, sie gab ihren Abschied. The one and only Sahra Wagenknecht, die „mit Abstand prominenteste Genossin, die die Linken in ihren Reihen haben“, wie ebenfalls Spiegel online dekretierte.

Ein angeblicher Burn-Out, nicht zuletzt wegen der ständigen Streitereien mit Parteichefin Katja Kipping und ihrem Umfeld, hatten der Co-Fraktionchefin der Linkspartei im Bundestag den Rest gegeben – so wurde es jedenfalls kolportiert. Jedenfalls hatte sie bereits im März angekündigt, nicht noch einmal für die Fraktionsspitze zu kandidieren. Als ihre Nachfolgerin wählte die Fraktion zur Überraschung vieler am 12. November die bis dahin weithin unbekannte niedersächsische Abgeordnete Amira Mohamed Ali.

Wagenknecht dürfte Wurst gewesen sein, wer ihr folgt. Sie hat vermutlich längst Größeres vor, mit den Untiefen parteiinterner Streitigkeiten und Intrigen will sie sich nicht mehr befassen. Da steht sie drüber. Gegenüber der Deutschen Presseagentur erklärte die „Ikone“, sie wolle „weiter politisch etwas bewegen“ und werde daher „natürlich auch nach wie vor meine Positionen öffentlich vertreten und dafür werben“. Auf öffentliche Auftritte oder Talkshows wolle sie nicht verzichten. Das darf als Drohung verstanden werden.

Mit den Jubelarien über Wagenknecht demonstrierte die bürgerliche Journaille vor allem wieder eines: dass sie sich immer wieder in den Potemkinschen Dörfern verläuft, die sie selbst errichtet hat. Wenn Spiegel online mit einigem Recht behauptet, sie wäre die prominenteste Linke im Lande, dann beschreibt das Portal nur ein Phänomen, das es selbst mit erzeugt hat. Allein die Mainstreammedien und TV-Talks, in denen Wagenknecht nur zu gern abhängt, haben dafür gesorgt, dass sie das „Gesicht“ der Linkspartei ist.

Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Wer in dieser spätkapitalistischen Gesellschaft von den Medien derart hofiert wird, der kann nicht wirklich links sein. Glaubt irgendjemand ernsthaft, Wagenknecht wäre von Maischberger & Co. noch weiter eingeladen worden, wenn sie dort etwas von sich gegeben hätten, dass die Herrschenden wirklich irritiert. Nein, sie ist als linke Quotenfrau ein Geschenk des Himmels für die TV-Talks und die bürgerliche Presse. Seht her, wie ausgewogen wir sind!

Dass Sahra Wagenknecht also alles anderes als eine Linke ist, auch wenn das viele ihrer Anhänger offenbar immer noch glauben, hat die junge Welt im übrigen in aller Ausführlichkeit und überzeugend dargelegt. Sie steht für die Wiederbelebung sozialdemokratischer Positionen, mehr muss man dazu nicht sagen.

Als wollte sie das noch mal unterstreichen, trat sie nach ihrem Abgang gleich wieder bei Maischberger auf und gab dem neoliberalen Kampfblatt Welt ein Interview. Die Frau ist so was von angekommen im System.

Titelbild: Jakob Huber/Die Linke/CC BY-NC-SA 2.0

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