Etwas mehr als hundert Jahre ist es her, da endete der Erste Weltkrieg. Die heimkehrenden Proletarier*innen und Soldat*innen hatten genug von jenen, die sie auf die imperialistische Schlachtbank des Völkermordens geführt hatten, und so begann eine Zeit, in der die Königshäuser und Adelsgeschlechter einen – vorsichtig ausgedrückt – schweren Stand in der Bevölkerung hatten.
Doch die soziale Revolution in Deutschland blieb unvollendet, eine informelle Koalition von monarchistischen, rechten, bürgerlichen und sozialdemokratischen Politikern presste den Aufbruch zurück in klassengesellschaftliche Bahnen. Dank ihnen gibt es sie bis heute, die von Geburt her Vornehmen. Und bis heute bereichern sie sich standesgemäß – mit freundlicher Unterstützung deutscher Regierungen. Grund genug für unser neue Boulevardreihe über Deutschlands edelste Abzocker. Folge eins beschäftigte sich mit dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds, Folge zwei mit den altehrwürdigen Nazi-Förderern des Hauses Hohenzollern.
Episode 3: Rassistin mit viel Wald – Der Thurn-und-Taxis-Clan
Wer als 8-jähriger Knirps das erste Mal auf der berühmten Milliardärsliste des Forbes-Magazins auftaucht, kann zumindest danach nicht mehr jenen Sermon aller reich Geborenen beten, man habe sich doch alles durch eigene Mühen verdient. Das Vermögen von Albert Maria Lamoral Miguel Johannes von Thurn und Taxis wurde 2014 – der Fürst zählte da schon 31 Jahre – auf 1,6 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Woher er die ganze Kohle hat, ist nicht schwer zu erraten. Geerbt. Denn das Geschlecht, das ihn als Stammhalter warf, gilt als der größte private Grundeigentümer Deutschlands. Wie viel der Clan sein eigen nennt, ist gar nicht so einfach zu sagen. Im Jahr 1990 berichtete die ZEIT, das Imperium umfasse rund 90 000 Hektar im In- und Ausland, also mehr als sechs Mal die Fläche Liechtensteins. Dazu komme „eine Reihe mittelständischer Unternehmen“, natürlich ein Haufen Schlösser und Häuser sowie eine Privatbibliothek mit 225 000 Bänden. 2015 schreibt die Welt immerhin noch von 36 000 Hektar Grund und 20 000 Hektar Wald in Deutschland. Und zumindest 1989 waren noch 60 000 Hektar in Brasilien im Familienbesitz. Auf wie viel Hektar man die Sippe auch immer schätzt, es gelang den Blaublütern jedenfalls eine Menge Eigentum über den Zusammenbruch des Kaiserreichs und zwei Weltkriege hinweg zu retten.
Die eigentliche Verwalterin dieses Vermögens ist allerdings nicht der Hausherr Albert, sondern seine Mutter, Gloria von Thurn und Taxis. Die kennt man ein wenig, denn sie ist nicht öffentlichkeitsscheu: Als Rassistin, Schwulenhasserin, fundamentalistische Abtreibungsgegnerin hat sie sich einen Namen gemacht.
Als von jeder Notwendigkeit, einer geregelten Arbeit nachzugehen, befreite Schlossherrin bleibt der katholischen Adligen zudem jede Menge Zeit, ihre erzreaktionären politischen Ansichten in die Welt zu posaunen. Schon angesichts der Zunahme von Geflüchteten im Jahr 2015 halluzinierte sie eine „Völkerwanderung“, die zum „Dritten Weltkrieg“ führen werde herbei, aktuell ergeht sie sich im Interview mit der prominenten AfD-Funktionärin Beatrix von Storch in einer Ode an Franz-Josef-Strauß. Von Thurn und Taxis steht dem US-amerikanischen Faschisten Steve Bannon nahe, mit AfD-Kandidaten zusammen besucht sie rechte Demonstrationen.
Wer sich die zahllosen Auftritte der reichen Rassistin ansieht, bekommt einen kleinen Einblick in eine völlig durchgeknallte Parallelgesellschaft. So tourte die Fürstin kürzlich mit dem erzreaktionären Kleriker Gerhard Ludwig Kardinal Müller durch die Gegend und erging sich in Missionierungstipps für Afrika. Gespickt ist das grotesk anzusehende Theater mit steilen Thesen wie der, dass das Bruttosozialprodukt afrikanischer Staaten niedrig bleibt, weil dort „der Glaube an Hexerei so stark ist“.
Wie könnte es bei dieser Reputation anders sein, ist Gloria von Thurn und Taxis natürlich Trägerin der Bayerischen Staatsmedaille für soziale Verdienste. Wie schon die Wittelsbacher können auch die Thurn und Taxis im Übrigen jederzeit auf Unterstützung aus dem Freistaat rechnen. Als Gloria nach dem Tod ihres Mannes Johannes von Thurn und Taxis gerade eines der größten deutschen Vermögen geerbt hatte, gelang es ihr, der Bayerischen Regierung die arme Kirchenmaus vorzuspielen. Die auf den Nachlass fälligen Abgaben könne man der Dame nicht zumuten.
Bayern ließ sich großmütig auf einen Deal ein, den die Wirtschaftswoche Jahre später so zusammenfasste: „Als der Freistaat Bayern rund 70 Millionen Mark Erbschaftsteuer von der Fürstin und den Ihren forderte, übertrug ihm die gebürtige Schwäbin Gloria stattdessen kostbare Staubfänger von den fürstlichen Dachböden. Historische Möbel, Bilder, Geschirr und Schmuck im Schätzwert von rund 45 Millionen Mark senkten die Steuerlast. Weit hatte es das fürstliche Sammelsurium nicht: Der Freistaat mietete einen Flügel des riesigen Schlosses und stellt seine Beute dort aus – auf eigene Kosten als Außenstelle des Nationalmuseums.“ Wohl bekomms. Solange es sich nicht um Geflüchtete handelt, sondern um reiche Rassist*innen, hat man in Bayern eben Spendierhosen an.
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