Spiegel Online brachte heute einen ausführlichen Text über den Vorschlag von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, eine deutsch geführte „Sicherheitszone“ im Norden Syriens einzurichten. Der Artikel muss dann natürlich, so viel diktiert der journalistische Ethos, noch die Meinung eines Kurden einholen. Auftritt: Ali Ertan Toprak. Der Sprecher der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD) findet den Vorschlag dufte. Soweit so gut.
Das kleine Problem: Ali Ertan Toprak ist zwar Kurde. Aber er ist kein Sprecher jener kurdischen Bewegung, die im Norden Syriens aktiv ist. Das erwähnt der Artikel nicht. Was Ali Ertan Toprak aber ist, ist Mitglied der CDU. Auch das erwähnt der Artikel nicht.
Toprak zählt, wenn es um irgendetwas mit Bezug auf Kurden geht, zu den beliebtesten Interviewpartnern großer Medien in Deutschland. Und das, obwohl seine KGD nur eine sehr kleine Minderheit der Kurd*innen in Deutschland repräsentiert, und noch dazu nicht für jene politische Bewegung sprechen kann, die den Befreiungskampf in Kurdistan selbst führt. Die haben hierzulande eigene Vertretungen, die noch dazu wesentlich mehr Menschen umfassen als die KGD: Kon-Med (früher Nav-Dem) heißt der Zusammenschluss dieser kurdischen Vereine, Civaka Azad heißt ihr Büro für Öffentlichkeitsarbeit. Auch dort könnte man anrufen, die Telefonnummer steht im Internet. Aber: Diese Kurd*innen mag man nicht gern, denn sie sind weder in der CDU, noch machen sie andauernd Werbung für den deutschen Staat und seine Institutionen – schon weil dieser sie verfolgt.
Journalistisch ist die Dauerbeschallung mit Ali Ertan Toprak ein Taschenspielertrick – und dazu ein rassistischer. Man würde ja nie auf die Idee kommen, wenn man etwas von der SPD will, irgendeinen Deutschen, sagen wir Dieter Bohlen, einzuladen, weil eh alle Deutschen gleich sind. Oder wenn man die Position der syrischen Regierung erfahren will, den Sprecher irgendeiner irakischen Oppositionspartei – weil sind ja beide Araber und ist ja eh alles dasselbe.
Seit Jahren tun sich die deutschen Medien schwer zu verstehen, dass es auch bei Kurd*innen – welch´ Wunder – verschiedene Parteien gibt, verschiedene politische Einstellungen. Es gibt feudale Parteien wie die südkurdische KDP, sozialdemokratische wie PUK, und dutzende Parteien, die den Ideen Abdullah Öcalans anhängen. Sätze wie „Wir liefern Waffen an die Kurden“ – wenn man die KDP im Nordirak meint -, sind einfach absurd, schon weil diese Waffen dann gegen andere, jesidische Kurd*innen eingesetzt wurden.
Nach Jahren der Berichterstattung über diese Region müsste ein so einfacher Merksatz wie „Kurd*innen sind auch normale Menschen und es gibt bei ihnen unterschiedliche Parteien“ eigentlich in das letzte Redakteurshirn vorgedrungen sein. Insofern ist es einfach bewusste Irreführung der Leser*innenschaft, wenn man Ali Ertan Toprak andauernd kommentarlos als Sprecher für Angelegenheiten einlädt, in denen man eine*n Vertreter*in von Kon-Med interviewen müsste.
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