Klima, Konsum, Kommunismus – Die Linke und der Klimastreik

22. September 2019

„Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute“, betont Greta Thunberg, die bekannteste Sprecherin der gegenwärtigen Klimabewegung.

Darüber, dass das so ist, scheint sich ein nicht kleiner Teil der Menschheit einig: Mehrere Millionen Menschen beteiligten sich am 20. September an Demonstrationen im Rahmen des Global Climate Strike sowie der sogenannten Fridays for Future; anerkannte Expert*innen auf dem Gebiet der Klimaforschung finden drastische Worte dafür, was jetzt zu tun wäre. Und das Beste: Skrupellose Ausbeuter wie Friedrich Merz kriegen kalte Füße und fürchten um ihre zusammengeraubte „Lebensweise“.

Die Ausgangslage ist gut. Und dennoch stehen wir ganz am Anfang. Denn trotz aller Unkenrufe von einer „linksextremistischen Unterwanderung“ sind eben jene Inhalte, die eine radikale außerparlamentarische Linke einbringen kann, noch gar nicht so weit verankert. Und umgekehrt haben vielleicht auch viele eher „traditionelle“ Linke die Brisanz der ökologischen Krise und der imperialistischen Lebensweise noch nicht voll verinnerlicht.

Das Zusammengehen von Ökologiebewegung und antikapitalistischer Linke könnte also fruchtbar sein. Und furchtbar – zum Beispiel für Leute wie Merz.

Denn die radikale Linke könnte die Frage stärker machen, worin eigentlich die Spielregeln bestehen, die wir jetzt ändern wollen? Und ob die ohne wirklichen Umbruch des Ganzen überhaupt änderbar sind?

Denn die bürgerlich-liberale Antwort ist so einfach wie heuchlerisch: „Wir alle“ müssen unsere individuelle Lebensweise ändern. Ein bisschen Flugscham, kein Strohhalm im Aperol-Spritz und die Anschaffung eines Elektro-Autos trennen die Spreu vom Weizen. Für die Industrie gibt´s dann den Green New Deal – and we lived happily ever after.

Der blinde Fleck dieser Denkweise ist, dass es dieses „wir alle“ nicht gibt. Wir leben in einer globalen Klassengesellschaft. Und der Riss zwischen denen, die Produktionsmittel und Macht ihr eigen nennen, und jenen, die nichts dergleichen haben, formt eben auch unseren Gestaltungsspielraum in Sachen Klimawandel und Umweltzerstörung. Fakt ist: Die reichsten zehn Prozent der Menschheit verursachen die Hälfte aller Co2-Emmissionen; und die größten Verbraucher fossiler Brennstoffe sind nicht Jochen und Maria, die mit dem Auto zur ohnehin ungeliebten Lohnarbeit pendeln, sondern die riesigen Militärmaschinerien der kapitalistischen Nationen, allen voran der USA, und diverse globale Großkonzerne.

Die Spielregeln der Welt, in der wir leben, sind hinsichtlich ihres fundamentalen Prinzips gar nicht so kompliziert: Kapital muss zu mehr Kapital werden. Dieser Prozess ist schrankenlos. Und für ihn müssen die natürlichen Ressourcen und die menschliche Arbeitskraft mehr und mehr ausgebeutet und verschlissen werden. Oder wie Karl Marx schrieb: Die kapitalistische Produktion entwickelt sich, „indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“

Die erste entscheidende Einsicht, die Linke in der sich formierenden Klimabewegung – gerade auch gegen den grün-liberalen Mainstream – durchsetzen sollten, ist: Ohne die Zerschlagung der Grundlagen der Gestaltungsmacht von Großkonzernen und Staat, bleiben alle Schwüre, jetzt aber wirklich etwas für die Natur machen zu wollen, vielleicht ehrlich gemeinte, aber doch letztlich völlig wirkungslose Willensbekundung. Am Ende braucht´s den Kommunismus – oder wie man die zukünftige Gesellschaft sonst nennen will, um Worte muss man ja nicht streiten.

So richtig nun auf der einen Seite diese alte marxistische Wahrheit immer noch ist, dass es sich beim Kampf um die Umgestaltung des Mensch-Natur-Verhältnisses um einen antikapitalistischen Kampf handeln muss, so sehr haben aber auch wir eher traditionellen Linken in einer entscheidenden Frage umzurüsten: Der Frage der Konsumkritik. Die Standardantwort, die wir viele Jahre und Jahrzehnte gaben, war: Lasst den Quatsch, das hilft nichts, es geht um die Produktion und am Ende gibt es eh Luxus für alle.

Gerade für jene super-modernen und akademischen Linken, die sich Freude nur als Steigerung des bürgerlichen Hedonismus und „Luxus“ nur nach dem Vorbild kapitalistischer Warenvielfalt vorstellen können, fanden in dieser These eine beliebte Rechtfertigung dafür, am eigenen Leben so wenig wie möglich ändern zu müssen.

Dass über Konsumkritik der Kapitalismus nicht überwunden wird, bleibt zwar dennoch richtig. Aber zugleich ignoriert diese Auffassung, dass eine neue Gesellschaft auf anderen Prinzipien basieren müssen wird, als die heutige. Und dass sich in der noch zu gestaltende Welt die reichsten imperialistischen Länder nicht auf dem Rücken des überwiegenden Teils der Weltbevölkerung einen Lenz machen werden können. Wer weltweiten Kommunismus will, muss auch darüber nachdenken, unseren Blick darauf zu ändern, was uns glücklich macht, was uns erstrebenswert scheint, worin Komfort besteht, welche Bedürfnisse wie zu befriedigen sind.

Ein dritter entscheidender Punkt aber, den wir als Linke in die Klimabewegung tragen sollten, ist, dass die ganze Nummer nicht einfach wird. Wenn wir ernst nehmen, was wir die ganze Zeit sagen, nämlich, dass es eines Systemwechsels bedarf, dann ist die Aufgabe nur mit langem Atem zu bewältigen. Das aber heißt, sich zu organisieren – langfristig und über die Höhe- und Tiefpunkte der Bewegungskonjunkturen hinweg. Illusionen darin, wie viel durch Demonstrationen – seien sie noch so groß – und Appelle an Parteien oder Institutionen erreicht werden kann, sind da eher hinderlich.

Und sich zu organisieren, schließt immer auch ein, gemeinsam zu lernen, sich selbst zu verteidigen. Denn diejenigen, die heute die Zügel in der Hand halten, geben sie nicht freiwillig ab. Dafür sorgt im Zweifelsfall ein genau zu diesem Zweck eingerichteter Staatsapparat, der sich zudem gerade in rasantem Tempo in Richtung Faschisierung bewegt.

Wer, wie die Macher*innen der NGO „Extinction rebellion“ schon polizeikritische Parolen anderer Demonstrant*innen zum Grund nimmt, um eine Aktion zu verlassen, die anderen Teilnehmer*innen zu denunzieren und staatliche Gewalt zu rechtfertigen, wird keine besonders tragende Rolle bei der notwendigen „Rebellion“ spielen können.

#Titelbild: intersoz.org

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