Grüner Klassenchauvinismus

25. Juli 2019

Autor*in

Bafta

Vor zwei Jahren war ich auf einem Vortrag über Ökologie im Kapitalismus. In der anschließenden Diskussion sagte einer der beiden Referenten, dass er von Konsumkritik nicht besonders viel hält, weil viele Menschen schlicht nicht die finanziellen Möglichkeiten haben besser zu konsumieren und man deshalb mal fordern sollte, die Löhne zu erhöhen damit es sich auch alle leisten können zum Beispiel im Bioladen einzukaufen. Ein Teilnehmer antwortete darauf hin, dass „diese Leute“ sich von mehr Geld doch nur einen größeren Fernseher kaufen würden, und dass es „bei denen“ viel eher an mangelnder Bildung liegt.

Dieser grün angemalte Klassenchavinismus, das heißt die elitäre Verachtung armer Menschen, findet sich nicht gerade selten unter „klimabewussten“ Leuten. Das ist alles Teil des stinknormalen alltäglichen Klassenkampfes, der sich hier einfach eines traditionell eher linken Themas bedient. Das funktioniert, weil das Kapital für das massive Strapazieren und die Zerstörung der Umwelt, die wir seit einigen Jahrhunderten erleben, überhaupt nicht in die Verantwortung genommen wird, sondern der private Konsument.

So war das zum Beispiel bei „Make America beautiful“ in den USA. 20 große Unternehmen (darunter Coca Cola), die selbst Unmengen an Plastik produzieren, riefen diese Kampagne ins Leben um ihre günstige Produktion nicht verändern zu müssen. Sie verlagerten das Problem auf die individuellen Konsumenten, die so für die Verschmutzung des Globalen Südens durch Plasikabfälle verantwortlich gemacht wurden. Dies geschah natürlich um ein groß angelegtes neues Recyclingsystem zu verhindern.

Das sehen wir aber auch an allerhand Forderungen, die an der Veränderung der Wirtschaftsweise überhaupt nicht interessiert sind und sich sogar explizit ihrer Logik bedienen. Fleisch und Milchprodukte müssen wieder teurer werden, Flüge müssen stärker besteuert werden, Autofahren sollte finanziell auch belastender werden usw. Die Konsumenten sollen – wie in Frankreich – für das Elend der kapitalistischen Produktionsweise herhalten. Im Grunde geht es darum die Logik kapitalistischer Gesellschaften, in denen nicht bedürfnisorientiert produziert und verteilt wird, sondern die begrenzte Menge an Geld Zugang zu Konsum ermöglicht, konsequenter durchzusetzen. So haben Menschen ohne Geld einfach weniger Zugang, das heißt: die Armen sollen es wieder ausbaden!

Wenn so Dinge wie Fliegen, Autofahren und der Konsum von Lebensmitteln die nicht regional, fair gehandelt und ökologisch produziert wurden noch mehr zum Luxus werden, der sie für viele Menschen in Deutschland ohnehin noch sind, wird es immer noch Menschen geben, die all das zuhauf tun: Diejenigen die sich das leisten können.

Ist das wirklich ein adäquates Kriterium? Gerade frequentiertes Fliegen ist etwas, das für Migrant*innen und Menschen die Familie im Ausland haben unabdingbar ist. „Einfach mal am Boden bleiben“ für viele keine Option, die nicht in den ICE nach Butzbach steigen können, um die Großeltern zu besuchen. An dieser Stelle könnte man sich übrigens auch mal fragen, wieso Inlandsflüge in Deutschland günstiger sind als Zugfahrten, obwohl die DB ein staatliches Unternehmen ist.

Anstatt von Menschen einseitig zu verlangen auf kostengünstigen Komfort zu verzichten, könnten ja auch mal mehr diskutiert werden wie man infrastrukturelle Alternativen zur Verfügung stellen könnte. Stattdessen werden all diese Dinge moralisiert und als dekadente Maßlosigkeit dargestellt, die die Massen sich nicht gönnen sollten.

Das diese albernen Forderungen bei linksliberalen so viel Anklang finden hat zwei Gründe. Slavoj Zizek meinte mal, es ist einfacher sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus: Diese Hilflosigkeit, der Glaube nichts mehr gegen den Kapitalismus unternehmen zu können, macht sich auch bei einer Menge junger Leute breit. Jetzt will man durch individuellen Konsum Schadensbegrenzung betreiben. Mehr ist nicht drin.

Was sich aber hier auch zeigt, ist ein elitäres Abgrenzungsbedürfnis gegen Arme, durch einen kostenintensiven Lifestyle, der sich insbesondere an Orten wie Berlin Prenzlauer Berg findet. Da kauft man das fair und per Hand produzierte weiße T-Shirt für 30 Euro und alle die sich das nicht leisten können müssen halt einfach darauf verzichten. Dass die Grünen die Partei mit der reichsten Wählerdemographie sind, ist in diesem Zusammenhang nicht überraschend, denn während langfristig gesehen massive Veränderungen mehr als notwendig sind, ist klimabewusst leben im Kapitalismus der wahre Luxus.

# Titelbild: Oxfam International, Demo für Grünen Kapitalismus am 12. Dezember 2009 in Kopenhagen, https://www.flickr.com/photos/oxfam/4181594731

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