Seit sich in der Bundesrepublik eine Debatte darüber entwickelt hat, jener Schicht von Couponschneidern, die von der Arbeit anderer und der Zerstörung der Natur in Saus und Braus leben, die Grundlagen ihrer gesellschaftlichen Macht zu entziehen, wurde im deutschen Journalismus ein altes neues Genre wiederbelebt: Das Stiefellecken bei Multimilliardären.
Im Wochentakt erklären uns Experten (hört, hört!), neoliberale Politikerdarsteller und neuerdings auch die Kaviarfresser selbst, warum schon Diskussionen um Enteignungen wirklich gar nicht gehen. Es wird über den „Hass“ schwadroniert, der den wehrlosen Multimilliardären entgegenschlägt. Dabei wollen sie doch nur unser aller Bestes! Und überhaupt gebe es ja ohne sie nichts, denn bekanntlicherweise ist es ja René Benko, der eigenhändig Häuser errichtet – und nicht unterbezahlte rumänische oder ostdeutsche Bauarbeiter; und es ist Stefan Persson, der Kleidung herstellt – und nicht halbtot geschundene Näherinnen samt ihrer Kinder in Bangladesch; und klar, es ist der gute alte Dieter Schwarz, der die billigen Erdbeeren für unsere sommerlichen Obstschalen erntet – und nicht Migranten mit einem Tagelohn von unter einem Euro auf spanischen Sklavenplantagen.
Dass der ehrbare Berufsstand der Wirtschaftsjournalisten nicht in der Lage ist, zu verstehen, wo aktuell der Reichtum herkommt, geschenkt. Aber dem Redaktör ist offenbar nichts zu schwör. Und so schaffen es die fleißigen Federn sogar, über den Ursprung der Kohle vieler deutscher Monopolistenclans ein Auge zuzudrücken. Oder auch zwei.
So brachte das manager-magazin in seiner aktuellen Ausgabe eine einfühlsame Story über die zwei Dynastieerben Susanne Klatten und Stefan Quandt, denen BMW, Altana, SGL Carbon und ein paar andere Unternehmen in die Wiege gelegt wurde. „Viele Menschen denken, das Geld fliegt einem einfach zu“, steht auf dem Cover des Softpornos für Möchtegern- und wirklich Reiche. Über der Headline thronen die beiden zum Herrschen Geborenen und versuchen, ihre gepflegten Gesichter zu etwas zu bewegen, was wohl ein Lächeln sein soll.
Man möchte demjenigen, der dieses Cover designed hat, ins Gesicht schreien: Was ist falsch mit Dir, Alter? Wie kommst du auf die Idee, man könne zwei Ausbeuter, deren Erbe wortwörtlich aus dem firmeneigenen Konzentrationslager stammt, so abbilden? Da, wo der Layouter noch schlichtweg mit der Entfremdung seiner Arbeit argumentieren kann, gibt es für den Redakteur kaum noch eine Ausrede. Der lässt in seiner Zusammenfassung des Interviews (und etwas anderes kennt der Autor dieser Zeilen nicht, weil ich bin ja nicht völlig durch und kaufe mir für neun Euro die Klatten-Quandt-Story) die beiden Erben nochmal aus der vollen Tiefe ihrer ökonomischen Kenntnisse schöpfen: „Wir wissen, dass Umverteilung noch nie funktioniert hat“, sagt Frau Klatten.
Die zwei, drei logischen Dinge, die man dazuschreiben könnte, kennt der Wirtschaftsprofi vom manager-magazin natürlich nicht. Erstens: Klar, für euch würde eine Umverteilung von oben nach unten nicht funktionieren, weil euer gottverdammter Reichtum auf der Armut anderer fußt. Und zweitens: Andere Arten von „Umverteilung“ betreibt ihr jeden Tag, indem ihr Mehrwert abschöpft. Wem das noch immer nicht einleuchtet, der kann sich‘s drittens historisch noch eindrucksvoller verdeutlichen: Ein Teil des Reichtums dieser Leute kommt aus Arisierungen, also der antisemitisch-rassentheoretischen Variante einer Umverteilung.
Dass das den hochgebildeten Alphajournalisten vom manager-magazin nicht auffällt, ist zwar ärgerlich. Aber wir müssen es auch von der positiven Seite sehen: So können wir uns wenigstens weiterhin an den großformatigen BMW-Anzeigen in den Blättern der Spiegel-Gruppe, zu der das Machwerk gehört, erfreuen und hin und wieder braust vor den superinvestigativen Videobeiträgen auf Spiegel-Online auch weiterhin ein hübsches Auto durch die Werbeeinschaltung.