In Berlin organisieren sich seit gut drei Jahren Auszubildende aus den 15 verschiedenen Pflegeschulen der Stadt. Im Rahmen dieser regelmäßigen unabhängigen Pflegestammtische wird jährlich die »Walk-of-Care«-Demonstration für bessere Bedingungen in der Pflegeausbildung organisiert. Dieses Jahr fand die Demo zum ersten mal zeitgleich in Berlin, Stuttgart, Aachen und Hamburg statt. Wir sprachen mit zwei Pfleger*innen aus Berlin über den Ruf der Pflege und ihre Vorstellungen für ein würdiges Gesundheitssystem.
Last uns doch einfach damit anfangen was der Pflegestammtisch ist und wer sich dort organisiert. Wann ging das denn los und mit welcher Intention seit ihr gestartet?
Daria: Los ging es damit, dass es eine große Demotivation während der Ausbildung gab. Wir haben festgestellt, dass wir uns untereinander eigentlich gar nicht kannten. Wir wussten nicht, was an anderen Schulen so läuft und wir kannten auch kaum Leute aus den anderen Kursen.
Dann haben einige angefangen sich untereinander zu vernetzen. Auch mit den anderen Schulen. Welche Probleme habt ihr? Was steht bei euch im Fokus? Worüber können wir uns austauschen? Vor uns haben ja schon so viele die Ausbildung gemacht. Es sind ja auch immer wieder ähnliche Probleme. Können wir diese negative Stimmung gemeinsam überwinden und das Schlechte, was generell über diese Ausbildung gesagt wird, wieder in ein positives Bild wandeln. So ist der Stammtisch als Vernetzung von Auszubildenden entstanden. Das war Ende 2015.
Andre: Es ist einfach auch krass zu sehen, was passiert. Viele Jugendliche haben ja auch eine Sehnsucht, mehr zu machen. Einen Sinn und Zweck in ihrer Arbeit zu sehen und sich für ihren Beruf zu engagieren. Nicht umsonst gibt es an den DRK-Kliniken mittlerweile die BIZ-Pflegekonferenz, bei mir an der Wannseeschule gibt es ebenfalls jedes Jahr eine Konferenz, die wir Auszubildenden organisieren.
Aus der Vernetzung ist dann auch schnell der »Walk of Care« entstanden. Welche Forderungen habt ihr seitdem formuliert? Habt ihr damit schon etwas bewirkt?
Daria: Also es gibt ein paar Forderungen, auf die wir uns im Kollektiv geeinigt haben. Zum einen, dass die Personalbemessung am Pflegebedarf gemessen werden muss und nicht an irgendwelchen Untergrenzen, wie es derzeit der Fall ist. Wir wollen auch eine gute Regelung für Fort- und Weiterbildung. Also beispielsweise Freizeitausgleich und Bezahlung, denn das findet ja neben der eigentlichen Arbeit statt und ist notwendig, um gut arbeiten zu können.
Es gibt auch die Forderung, dass wir eine gute Praxisanleitung brauchen. Das sind die Menschen, die uns zeigen, wie der Beruf praktisch geht. Das ist leider in vielen Fällen nicht selbstverständlich.
Das liegt auch daran, dass die Pflegekräfte auf den Stationen meistens total ausgelastet sind mit der Arbeit und keine Zeit für die Schüler*innen haben.
Es ist halt etwas anderes wenn du Sachen in der Schule theoretisch lernst, aber dann auf Station mit Menschen zu tun hast, und es immer ordentlich machen musst. Das ist ja am Ende auch eine Gefährdung für Patienten, wenn du es dort nicht praktisch lernst. Das will niemand von uns. Dieser unmögliche Spagat zwischen Theorie und Praxis fördert auch ungeheuer die Frustration bei uns jungen Leuten. Das ist ein innerer Konflikt den wir Schüler*innen mit uns selbst ausfechten müssen und der dazu führt, dass viele einfach die Reißleine ziehen. Wir haben innerhalb der Pflegeausbildung eine der höchsten Abbruchquoten. Ungefähr jede dritte Person bricht die Ausbildung ab. Auch deshalb haben wir den Pflegestammtisch gegründet.
Wie waren denn die Reaktionen auf eure Forderungen bei den Kolleginnen und Kollegen?
Daria: Ich will noch sagen: Unsere Forderungen sind jetzt nicht super radikal, aber doch richtungsweisend. In den DRK-Kliniken waren einige Auszubildende dermaßen frustriert. Die wollten einfach streiken, weil niemand auf sie gehört hat. Aus dieser Drohung ist dann die selbstorganisierte Pflegekonferenz entstanden. Das war ein großer Erfolg für uns.
Andre: Generell finden die Auszubildenden die Forderungen super. Sie würden ja massiv davon profitieren. Auf den Stationen ist es sehr unterschiedlich. Da merkt man, wie die Rahmenbedingungen auf manche Menschen über Jahre schon eingewirkt haben. Mir wird dann gesagt: „Ja ja, fordert mal. Es wird sich eh nix ändern.“ Die haben innerlich schon den Pflexit gemacht und mit dem Beruf an sich abgeschlossen.
Daria: Sie haben halt die Hoffnung aufgegeben, dass sich was ändert. Ich glaub viele wollten vor uns den Kampf schon kämpfenm aber wussten vielleicht nicht wie und jetzt haben sie keine Kraft mehr. Da war sicher auch oft die persönliche Grenze erreicht. Wir haben einfach Glück, dass wir die Gruppe haben.
Beschäftigt ihr euch als Auszubildende auch mit den allgemeinen Forderungen für ein Ende der Ökonomisierung der Pflege und mehr Personal im Krankenhaus?
Daria: Natürlich ist es für uns alle auch Thema, denn wir werden ja bald auch selbst damit konfrontiert sein. Allerdings haben wir im Rahmen des Stammtischs auch keine einheitliche Meinung dazu. Aber wir sprechen natürlich darüber.
Andre: Mich beschäftigt schon die Frage, ob ein Krankenhaus wirklich Gewinne erwirtschaften muss. Das ist ja ein riesiger ethisch-moralischer Konflikt, dass Unternehmen Gewinne erwirtschaften und Renditen zahlen mit Menschen, die krank sind. Das ist dann aus meiner Sicht auch gesellschaftlich eine zentrale Frage. Wollen wir Krankheit wirklich mit einem Preis versehen?
Es gibt ja genügend Leute die sagen: „Der Markt wird das schon richten“. Nein tut er eben nicht und das zeigt die Pflege. Diese ganzen Rahmenbedingungen führen dazu, dass in der Pflege die Verweildauer nur 8-12 Jahre ist. Das ist einfach nicht viel und das motiviert auch niemanden, in diesem Beruf zu arbeiten. Aber das wollen wir zusammen ändern.
# Der Autor Björn Tvätt arbeitet in der Redaktion der Weddinger Stadtteilzeitung „Plumpe“ und in Nachbarschaftsinitiative „Kiezkommune Wedding“
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