Paris: Abschiebehaft statt Live-Stream

9. Mai 2019

Am Morgen des 1. Mai 2019 ist der deutsche Live-Streamer Felix Jaep in Paris nach einer Personenkontrolle festgenommen und eingeknastet worden.
Wir haben mit ihm über seine Festnahme und die Haft gesprochen.

Du hast in der Vergangenheit bereits mehrfach die Gelbwesten-Protesten als Live-Streamer begleitet und wolltest das auch am ersten Mai machen. Warum hat das nicht geklappt?

Ich wollte dieses Jahr wieder an den 1. Mai Demonstrationen in Paris teilnehmen. Dieses mal jedoch Live berichten auch im Bezug auf die Gilets Jaunes. Gesagt getan, Flixbus Ticket gebucht, Sachen gepackt und los ging es.

Am Mittwoch, den 1. Mai bin ich um 07:30 in Paris Bercy angekommen. Ich wusste schon vorher, dass es Kontrollen geben wird, habe mir aber keine Sorgen gemacht, weil ich nie große Probleme dieser Art hatte. Schließlich habe ich immer Live berichtet, wenn ich mit irgendwelchen Cops zu tun hatte. Also aus dem Bus gestiegen und direkt in die Kontrolle rein. Zu erst haben sie mich nach einem Ausweis gefragt und während ich den gesucht habe, haben sie meinen Rucksack oberflächlich kontrolliert. Ich habe meinen Ausweis wieder bekommen, die Cops haben sich beraten und wollten ihn dann nochmal sehen. Den Rucksack haben sie auch erneut durchsucht. Diesmal haben sie zwei Gasmasken und zwei Schutzbrillen gefunden. Je ein Paar war für mich und ein Paar für eine Freundin die ich später in Paris treffen wollte.

Also das typische Hin und Her in Kontrollen. Wusstest du denn, dass Gasmasken in Frankreich verboten sind?

Das wusste ich. Jedoch hatte ich ja auch nie Probleme in der Vergangenheit. Ich wollte per Übersetzer auf dem Handy fragen was nun weiter passiert. Festsetzung für eine gewisse Zeit, Verhaftung, Personalienaufnahme auf der Polizeistation. Das wurde aber Abgelehnt und mir wurde mein Handy aus der Hand gerissen und als Bildschirmhintergrund ein Bild festgestellt welches aus dem Black Block beziehungsweise Antifa Bereich stammt. (ja ich weiß, sehr klug). Schon riefen mehrere Cops „Black Block, Black Block“ und ich war in Handschellen. Dann habe ich realisiert, dass es schlecht um mich steht. Die ersten Tränen kamen.

Wie ging es dann weiter?

Ich wurde auf die Polizeistation (80 Av. Daumesnil) gebracht. Als erstes haben sie die Kabelbinder nicht aufbekommen. Die Cops haben mehrere Messer und Scheren gebraucht. Nichts half. Das dauerte gut 15 Minuten. Dann wurde ich zum ersten Polizisten gebracht. Der meinte auch wieder: „Du, Black Block!“. Ich verneinte dies. Er wieder: „Du, Black Block“. Ein anderer, der auch bei der Festnahme dabei war, quatschte mich gleichzeitig wegen der Festsetzung zu. Danach kam es zur Durchsuchung. Alle Gegenstände abgeben, Sachen ausziehen. Das normale Programm.

Dann kam ich in die Zelle und es dauerte gefühlt mehrere Stunden bis ich zu der ersten Vernehmung gebracht wurde. Dort habe ich erfahren, warum ich festgenommen wurde. Natürlich übersetze eine Dolmetscherin alles. Mir wurde gesagt ich darf meine Familie, einen Anwalt, Arzt oder eine mir näher stehende Person anrufen. Einen Anwalt kannte ich nicht, einen Arzt brauchte ich nicht und meine Familie wusste bis dahin nicht dass ich von Riots aus der ersten Reihe berichte. Das ist jetzt anders. Also rief ich die Person an, mit der ich mich sowieso in Paris treffen wollte. Die „Sie ist meine Freundin“ Sache funktioniert nämlich immer.

Jedoch durfte ich mit dieser Person nicht selbst sprechen. Ich saß daneben und war den Tränen wieder nah. Gern hätte ich ihr persönlich gesagt das es mir gut geht und man sich keine Sorgen um mich machen brauch. Dann ging es wieder zurück in die Zelle. Ich war traurig und niedergeschlagen. Irgendwann ging es wieder hoch. Fingerabdrücke nehmen und Bilder machen. Dann wieder ab in die Zelle, weiter schlafen. Ich hatte kein Zeitgefühl mehr und konnte die Dauer nur vermuten. Ich wurde wieder abgeholt. Diesmal zur Handyauswertung: Chats, Twitter, Notizen. Danach wieder in die Zelle, was auch sonst. Irgendwann folgte die letzte Befragung. Später bekam ich in der Zelle die Nachricht, dass ich abends vor Gericht komme und eine 2 jährige Einreisesperre und Abschiebehaft kassiere.

Was die alles wissen ohne eine Verhandlung…

Das dachte ich mir auch. Mittwoch Abend kam ich dann in das Gericht. Dort hatte ich eine Einzelzelle und natürlich auch Nachts das Licht an. Ich habe mir dann einen Anwalt geben lassen. Am Donnerstag Morgen konnte ich mit ihr sprechen. Sie schien in Ordnung zu sein. Dann ging es wieder in die Zelle. Weiter schlafen. Vormittags in der Zelle auf und ab gehen. Ich war körperlich sehr unruhig. Im laufe des Abends ein neuer Termin. Diesmal bei einer Frau in einer Glasbox. Sie schien eine Mitarbeiterin der Justiz zu sein. Sie meinte nur zu mir „You Free!“. Habe mehrmals nachgefragt auch wegen der Abschiebehaft. Sie meinte ich sei frei und komme nicht in Abschiebehaft. Ich war froh darüber, schließlich war ich jetzt schon 30 Stunden in Haft und keiner wusste was mit mir passiert ist oder wo ich war.

Also haben sie sich beraten und festgestellt, dass sie dir nichts vorwerfen können?

Wahrscheinlich. Ich wurde dann mit einem anderen Häftling zur Haftentlassung gebracht wo man bei mir Probleme festgestellt hat. Also ging es wieder hoch zu den Zellen, dort meinte eine Polizistin zu mir, dass ich illegal in Frankreich wäre. Ich verstand gar nichts mehr. Ich wurde dann vom Gericht in Abschiebehaft überführt. Alles noch innerhalb von Paris. Dort auch wieder alle möglichen Stationen durchlaufen. Dort bin ich bei einer Organisation gewesen, die Flüchtlingen hilft. Man sagte mir, dass der nächste Termin bei einem Richter am Freitag sei. Später kam ein weiterer Deutscher zu mir in den Trakt. Endlich war ich nicht mehr allein in der Situation. Die Flüchtlinge haben uns wie Könige behandelt. Essen abgegeben, Kekse mit uns geteilt, Handys ausgeliehen damit wir nach Hause Kontakt aufnehmen können. Wir haben die Zeit ab Donnerstag dann gut rum gebracht. Fußball gespielt, TV geguckt. Selbst eine XBOX gab es. Freitag dann wieder eine Enttäuschung, der Termin den ich eigentlich hatte, findet am Samstag statt.

Also noch eine Nacht im Knast.

Genau. Samstag um 06:30 bin ich abgeholt worden. Dann die Fahrt zum Gericht und wieder in eine Zelle. Um 10 Uhr habe ich meine Anwältin gesprochen und klar gemacht, dass ich nur wegen dem Streamen da bin. Dass ich keine Kontakte zu den Gilets Jaunes oder zum Black Block habe. Dann wieder: Zelle, warten, warten und warten. Mit den Flüchtlingen reden, zwischendurch lernte ich noch einen Deutschen kennen. Jetzt waren wir also 3 Deutsche. Später die Anhörung vor dem Gericht. Ich war total angespannt. Danach ging es wieder in die Zelle und ich musste wieder warten. Abends dann die Entscheidung, ich bin frei!

Ich wurden aus dem Gericht gelassen und hatte kurz vorher noch ein kleines Gespräch mit einer Polizistin, die selbst nicht verstand wieso ich in Haft war. Sie war nicht die einzige. Auch in der Abschiebehaft löste meine Situation große Augen aus.

Kaum war ich aus dem Gerichtsgebäude und auf offener Straße habe vor Freude geschrien.

Wie waren denn deine Haftbedingungen?

DieHaftbedingungen in der Polizeistation und im Gericht sahen recht spartanisch aus: Sitzbank und eine normale Matratze. In Abschiebehaft gab es ein „normales“ Bett mit einer Stoffmatratze. Die Verpflegung war in der Polizeistation und im Gericht richtig mies. Es gab so eine Reispfanne. Echt zum Kotzen. In der Abschiebehaft wars ganz ok. Es gab auch mal Obst, Obstsalat, Joghurt. Nur das Fleisch habe ich nicht angerührt. Das sah nicht gut aus und roch auch nie gut.

Und wie haben sich die Schließer dir gegenüber verhalten?

Das Verhalten der Cops mir gegenüber war ganz okay. Es kommt aber sehr darauf an wie du schon da ankommst. Ich habe gehört, dass Black-Block-Leute teils für 12 Stunden nur zwei Kekse und 50ml Trinken bekamen.

Hast du eigentlich darauf aufmerksam gemacht, dass du als Journalist angereist bist?

Ich habe von Anfang an versucht als Presse gesehen zu werden. Ich habe zwar keinen Ausweis aber immerhin eine Ausrüstung die man als Aktivist nicht dabei hat. Bei der Datensicherung vom Handy habe ich immer gesagt, dass die Kontakte auf dem Handy meine Kontakte für Recherchen sind.

Kam denn Unterstützung von deutschen Behörden?

Von deutscher Seite kam wohl gar nichts. Eher so ein „selbst schuld“. Freunde von mir wurden eher abgewimmelt.

Hast du jetzt noch nachträglich mit Repression zu rechnen?

Reisen nach Frankreich sind momentan nicht möglich. Ich habe zwei Jahre Einreiseverbot. Wobei das noch nicht ganz klar ist. Ich lass momentan noch Anwälte drüber gucken.

#Felix betreibt den Twitter-Account @RoteAnarchie
#Titelbild: Channoh Peepovicz

Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass jeder Mensch in eine solche Situation geraten kann. Denkt daher immer darüber nach, was ihr bei euch tragt und was gefunden werden darf oder gefunden werden kann. Verschlüsselt mobile Geräte und lasst sie im Idealfall ganz zu Hause. Die Daten darauf können im Zweifel nicht nur euch zum Problem werden. Macht euren Geldbeutel leer und habt nur das Nötigste dabei. Informiert euch über eure Rechte und die Gesetzeslage im jeweiligen Land.

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