Why isn‘t this Revolution televised?

10. April 2019

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Gastbeitrag

[Anmerkung der Redaktion am 13.04.: Omar Al-Bashir wurde am 11.04. vom Militär abgesetzt. Eine militärische Übergangsregierung geführt vom General Awad Ibn Auf wurde installiert. Am 13. April trat Ibn Auf durch Druck der Straße zurück – sein Nachfolger General Abdel Fattah Burhan hat die Regierungsgeschäfte übernommen. Die sudanesische Bevölkerung geht weiter auf die Straße – die Forderung bleibt eine zivile Übergangsregierung.]

Seit Mitte Dezember 2018 finden im Sudan fast täglich Demonstrationen statt. Anfangs wandten sie sich gegen steigende Lebensmittelpreise, doch schnell stand die Forderung nach dem Sturz des Regimes im Fokus. Am 6. April, dem Jahrestag eines vergangenen Diktatorensturzes im Sudan, fand ein Millionenmarsch in der Hauptstadt Khartoum statt, der schließlich in einer bis jetzt anhaltenden Dauerkundgebung vor dem Gebäude der Militärführung mündete. Samstagnacht wurde zum Generalstreik aufgerufen.

Der Autor hat Nasredin Abdalla Mahmoud, einen politischen Aktivisten aus Darfur, Sudan, bei der Solidaritätskundgebung am 6. April in Berlin getroffen und hat mit ihm über die aktuelle Situation im Sudan gesprochen.

Wie ist die aktuelle Situation auf den Straßen des Sudan und was sind die Forderungen der Demonstrierenden?

Es gibt zahlreiche Demonstrationen in unterschiedlichen Städten des Sudan. Gerade liegt das besondere Augenmerk auf der Hauptstadt Khartoum. Jetzt im Moment befindet sich dort eine beeindruckende Menge an Demonstrierenden auf einer Dauerkundgebung vor dem Gebäudekomplex der Militärführung. Sie demonstrieren dafür, dass das Militär Ihre Forderung, den Sturz des Regimes, unterstützt und dann die Macht einer Übergangsregierung weiter reicht. Diese Dauerkundgebung hat sich aus dem Millionenmarsch am 6. April entwickelt, zu der die Sudanese Professionals Association (SPA) aufgerufen hat. Die SPA ist Teil des Bündnisses der Erklärung der Freiheit und des Wandels, zu dem unterschiedliche politische, zivilgesellschaftliche und bewaffnete Organisationen gehören.

Die Revolution hat sich aus spontanen Protesten im Dezember entwickelt, die von der Bevölkerung angestoßen wurden, ohne Mobilisierung durch politische Parteien oder jegliche andere Organe.

Die Proteste haben sich zu einer überwältigenden Revolution entwickelt, in der alle Städte organisiert sind und in der sich schnell eine Minimalforderung durchgesetzt hat: Der Sturz des Regimes.

Wie ist die revolutionäre Bewegung zusammen gesetzt und wie organisiert sie sich?

Die revolutionäre Bewegung setzt sich aus der gesamten Bevölkerung des Sudans zusammen. Menschen unterschiedlichster politischer, ethnischer und sozialer Zugehörigkeiten sind an den Protesten beteiligt. Die überwältigende Mehrheit der Demonstrierenden sind junge Leute.

In den Stadtteilen der Ballungszentren, aber auch in den übrigen Landesteilen gibt es revolutionäre Räte. Dort werden Aktionen organisiert und unter den unterschiedlichen Räten koordiniert. So können Aktionen an unterschiedlichen Orten parallel stattfinden und schließlich braucht es die Koordination für die zentralen Demonstrationen, zu der die SPA aufruft.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag hat die SPA zu einem Generalstreik aufgerufen. Wie hat die Bevölkerung darauf reagiert?

Die revolutionäre Bevölkerung steht in ihrer großen Mehrheit hinter dem Aufruf der SPA, als gewerkschaftliche Kraft innerhalb des Bündnis der Erklärung der Freiheit und des Wandels. Seit dem Millionenmarsch am Samstag steht die Dauerkundgebung vor der Militärführung und bisher entspricht es dessen wozu die SPA aufgerufen hat: Die Demonstrierenden weigern sich die Kundgebung zu verlassen, bevor Al-Bashir abdankt und die Macht der Bevölkerung übergibt. Die Revolutionäre bestehen auf ihrer gemeinsamen Forderung nach dem Sturz des Regimes und hoffen darauf, dass das Militär für sie Partei ergreift und sie vor den Milizen des Regimes schützt. Die Milizen des Regimes haben seit Beginn der Demonstrationen um die 60 Menschen getötet, und sind für die Genozide bekannt, die sie in Darfur, Südkurdufan und der Region Blauer Nil angerichtet haben und im Zuge dessen Hunderttausende töteten.

Was ist die Vision der Erklärung der Freiheit und des Wandels, warum unterstützen viele Sudanesinnen und Sudanesen diese Erklärung?

Die wichtigste Vision der Erklärung der Freiheit und des Wandels für die Zeit nach dem Sturz des diktatorischen Regimes ist die Übergabe der Macht an eine Übergangsregierung. Diese Übergangsregierung wird vier Jahre Zeit haben um die Krisen zu lindern, die das Regime des Massenmörders Al-Bashir über das Land gebracht hat. Zu den wichtigsten Aufgaben hierbei zählen:

Die Verschriftlichung einer neue Verfassung für den Sudan, die Befriedung der weiterhin stattfindenden Kriege in den Konfliktregionen, der Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Ortschaften, die Rückkehr der Geflüchteten in ihre Dörfer, die Implementierung individueller und kollektiver Freiheiten, wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, usw. und die Herstellung von Sicherheit und Stabilität.

Die Bevölkerung steht hinter der Erklärung der Freiheit und des Wandels, denn die Erklärung spricht die unterschiedlichsten Fraktionen der Gesellschaft und unterschiedliche ideologische Strömungen an, die mit der Erklärung ihre politische Einheit ausdrücken. Und alle haben die gemeinsame Absicht einen neuen Sudan aufzubauen in dem die Menschen in Sicherheit leben können.

Was denkst Du wird die Reaktion der Armee auf die Dauerkundgebung vor ihrem Hauptsitz sein?

Wir haben in unserer Geschichte zwei Erfahrungen mit diktatorischen Regimen, die die Bevölkerung zum Sturz gebracht hat. Das war 1964 und 1985. Die Menschen gingen auch mit friedlichen Massenaktionen auf die Straße, genau wie es heute der Fall ist. Damals stellte sich das Militär auf ihre Seite und hat damit den Druck erhöht. In beiden Fällen konnten dadurch demokratische Wahlen durchgesetzt werden.

Aufgrund dieser Erfahrungen setzen wir unsere Hoffnungen darauf, dass die Armee uns zur Seite steht, und es gibt auch schon Hinweise darauf. So haben sie sich während der aktuellen Dauerkundgebung schon gegen die Milizen des Regimes gestellt, die die Kundgebung angegriffen haben.

Gibt es noch weitere Punkte, auf die du die Lesenden hinweisen möchtest?

Wir als Sudanesinnen und Sudanesen leiden seit unserer Unabhängigkeit im Jahr 1956 unter wiederkehrenden diktatorischen Regimen, die sich an die Macht putschen und das Land mit Korruption und Massenmorden überziehen.

Sie haben einen großen Teil des Landes abgespalten. Sie haben die Bevölkerung mit verlogener religiöser Propaganda gegeneinander aufgehetzt und haben Millionen Menschen getötet. In unserem geliebten Süden, in Darfur, in den Nuba Bergen, in der Region des Blauen Nils, im Norden des Landes und in Portsudan im Osten.

Sie arbeiten an der Zerstörung des Sudan und haben das soziale Gefüge zu Bruch gebracht. Sie haben Bürgerkrieg gesät und die Wirtschaft dem Untergang geweiht, nicht zuletzt durch die Zerstörung der Landwirtschaft, die Sudan früher den Namen Kornkammer der Welt gab. Diese Ansammlung von Unrecht hat die Leute dazu gebracht ihren Willen zu verkünden und am 13. Dezember 2018 in Ad-Damazin, mit der Forderung das blutrünstige Regime zu stürzen, auf die Straße zu gehen Diese Demonstrationen haben sich zu einer Revolution entwickelt und seit dem 6. April sind unsere mutigen Brüder und Schwestern unbeachtet von der regionalen und internationalen Presse auf der Dauerkundgebung vor der Militärführung.

Wir wünschen uns von Euch Lesenden, dass ihr euch mit den Forderungen der Sudanesinnen und Sudanesen solidarisiert und die Revolution mit uns in die Welt tragt!

#Steffen Zweig dolmetscht und übersetzt in aktivistischen Kontexten und verfolgt die Revolution im Sudan solidarisch.

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