Das Bauernopfer Linksunten

9. April 2019

Nachdem im Nachgang der Proteste gegen den G20 Gipfel in Hamburg 2017 die linke Medienplattform linksunten.indymedia verboten wurde, initiierten die drei Journalist*innen Peter Nowak, Achim Schill und Detlef Georgia Schulze einen Soliaufruf mit Linksunten. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat sie nun wegen der angeblichen Verwendung der Symbole eines verbotenen Vereins, sowie der Unterstützung dieses Vereins angeklagt. Das Lower Class Magazine sprach mit Peter Nowak über das Verfahren, die Geschichte von Indymedia und den Zusammenhang mit dem Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Glückwunsch! Ihr habt es mit dem Verfahren gegen euch direkt vor den Staatsschutzsenat vor dem Landgericht geschafft.
Ja, das war eher überraschend. Wir hatten eher erwartet, dass das runtergestuft wird. Das gibt aber natürlich auch die Möglichkeit politisch dagegen vorzugehen.

Wie kam es zum Verfahren gegen euch?
Nach dem Verbot von linksunten.indymedia haben wir einen Aufruf zur Solidarität mit linksunten.indymedia gemacht. Wir haben Indymedia als Autoren genutzt, sogar mit Namen, weil das für uns ein Medium der Gegenöffentlichkeit war. Wir haben Artikel aus anderen Zeitungen veröffentlicht, teilweise auch Artikel, die nirgendwo sonst veröffentlicht wurden. Wenn eine Zeitung, in der wir publiziert haben, verboten worden wäre, hätten wir uns ja genauso solidarisiert und stehen auch dazu. Linksunten.indymedia war für uns eben ein Medium. Und deswegen haben wir dazu aufgerufen, dass andere Einzelpersonen und Gruppen auch sagen, dass sie auf Indymedia publiziert haben und sich solidarisieren. Das wird uns jetzt als Unterstützung eines verbotenen Vereins ausgelegt.

Warum wurde gerade Indymedia verboten?
Indymedia wurde Ende der 90er Jahre gegründet. Das hing mit der technischen Entwicklung zusammen und mit dem Aufkommen der globalisierungskritischen Bewegung. Genau daraus ist das entstanden, als Medium der Gegenöffentlichkeit. 1998 in Seattle, 2001 in Genua, bei allen Camps waren Indymediazelte. Als Teil der Gegenöffentlichkeit war Indymedia immer Repression ausgesetzt. Bei Demonstrationen wurden z.B. gezielt Indymediazelte angegriffen.

Gibt es da konkrete Beispiele?
Der Höhepunkt war 2001 in Genua, als die Schule in der Indymedia war – alles ganz offiziell angemeldet – angegriffen wurde. Das war die berühmte Diaz-Schule, die auch Schlafplatz von Globalisierungskritiker*innen war, wo dann hunderte Personen festgenommen und misshandelt wurden. Das wurde damals auch als Angriff auf Indymedia wahrgenommen. Das Verbot von Linksunten steht in dieser Tradition. Immer wenn es große Gipfelproteste gab, die dann auch nicht nur im legalen Rahmen abliefen – das war in Genua damals genauso wie in Hamburg – wurden diese Medien angegriffen. Nach Hamburg wurde das ja auch so offen gesagt. Linksunten war eins der wenigen Verbote, das sie durchsetzen konnten. Das war ein Bauernopfer damit die eigene Handlungsfähigkeit gezeigt werden konnte. Der Staat wollten demonstrieren, dass sie auch gegen Linke vorgehen können. Immer wenn Gipfel nicht so abliefen, wie der Staat es wollte, dann nimmt man sich die Medien vor, weil die darüber berichten, Bilder und Fotos verbreiten. Und dieser Zusammenhang, der ja eigentlich offensichtlich ist, wird nach unserem Eindruck gar nicht so wahrgenommen.

Inwiefern?
Nach Genua war die Empörung, darüber, dass Indymedia angegriffen wurde riesig, bis weit in die liberalen Kreise hinein. Ich kann mich noch erinnern, dass die taz und die Frankfurter Rundschau das tatsächlich so diskutiert haben: Da wird ein neues Medium angegriffen. Damals wurde auch der Begriff Medienaktivismus ernst genommen, im Sinne, dass gesagt wurde das ist eine neue Form von Medien, aber die sind im Grunde Journalisten, die die neuen technischen Mittel nutzen. Und uns ist aufgefallen, dass das im Fall von Linksunten längst nicht so war. Nicht nur bei den liberalen Medien, sondern auch in Teilen der Linken. So ein kurzes Gedächtnis ist ja eigentlich fatal.

Denkst du, dass Indymedia noch den gleichen Stellenwert hat, wie vor zehn Jahren?
Vor zehn Jahren war die Sondersituation, dass Indymedia und dieser Medienaktivismus ganz neu waren. Das hat sich heute verlagert. Die technischen Mittel werden heute in ganz unpolitischen Sachen verwendet. Dann werden auf social media eben keine Demofotos sondern Katzen und Frühstücksbilder veröffentlicht. Aber das hat heute nicht mehr den Stellenwert, weil die politische Bewegung, die globalisierungskritische Bewegung nach Genua an ihre Grenzen gestoßen ist. Immer dann wenn es einen neuen Zyklus an Protestaktivismus gab, hatte Indymedia einen größeren Stellenwert, wie 2007 in Rostock – wo es auch viele Behinderung gab. Die Aufbruchstimmung, die es damals gab, dass Indymedia das Medium dieser basisdemokratischen Bewegung ist, gibt es heute nicht mehr.

Wie bewertest du das Verfahren gegen euch?
Unsere ganze Initiative ist ja von der Stoßrichtung nicht linksradikal, sondern man könnte fast sagen zivilgesellschaftlich-liberal. Und dass dann trotzdem die Kriminalisierung auf dieser Ebene stattfindet, zeigt natürlich schon, dass versucht wird, nicht nur ein Medium zu verbieten, sondern jegliche Kritik an diesem Verbot zu kriminalisieren. Das ist die gleiche Logik wie bei den ganzen „Terrorismus“paragrafen. Das ist eine totalitäre Sache, man kann eigentlich gar nicht mehr gegen ein Verbot vorgehen ohne kriminalisiert zu werden. Wenn selbst eine Initiative, wie die unsere, als Unterstützung für einen verbotenen Vereins, der übrigens als solcher nie existiert hat, gewertet wird!

Das ist ja genau wie beim Verbot der PKK.
Im Grunde ist das die Fortsetzung. Was bei kurdischen oder bei türkischen linken Gruppen derzeit praktiziert wird, wird im Fall von Indymedia auch angewandt. Das wird dann dort, bei kleineren und isolierten Gruppen erst Mal ausprobiert und da ist die Resonanz und Solidarität über die unmittelbar Betroffenen hinaus recht gering, wie auch im Verfahren gegen Linksunten. Nach dem Motto: Wenn das halt schon kriminalisiert wird, dann lässt man lieber die Finger davon. Und das ist genau die falsche Herangehensweise. Wenn sie merken, dass das einfach durchzusetzen ist, wird das auch an anderen Punkten gemacht. Deswegen sollte man das auch nutzen, um dieses Vorgehen zu diskutieren

Denkst du dass das Verbot von Linksunten bestand haben wird?
Der Prozess zum Verbot wurde ja schon zwei Mal verschoben. Die haben anscheinend tatsächlich Probleme. In Deutschland werden sie das wahrscheinlich durch kriegen, aber das muss auch europarechtlich bestand haben. Und da gibt es wohl einige Hinweise, dass das nicht so einfach ist. Das ist jetzt eine relative bequeme Situation für den Staat. Die sitzen das aus. Es gibt kein Verfahren, aber das Verbot bleibt bestehen. Und sie können wie bei uns jetzt Prozesse führen, wegen angeblicher Verletzung des Verbots, weil das Verbot rechtlich zwar noch nicht geprüft, aber vollzogen ist. Theoretisch könnte das Verbot vom europäischen Gerichtshof aufgehoben, aber bis dahin trotzdem Leute verurteilt werden, weil sie gegen ein letztlich unrechtmäßiges Verbot verstoßen haben. Aber das ist eine Frage von Jahren und solange besteht das Verbot. Deswegen wollen wir nicht einfach still warten sondern fordern offensiv, dass das Verbot aufgehoben wird.

Gibt es Unterstützung, die ihr in eurem Verfahren haben wollt?
Wir wollen das koppeln. Wir freuen uns über Unterstützung, sehen das aber als Unterstützung für das Indymedia-Projekt. Wir wollen noch vor der Sommerpause eine Veranstaltung machen, um den 20. Juli herum, zur Erinnerung an die Repression gegen Indymedia in Genua und auch fast zwei Jahre nach dem Verbot von Linksunten, gerade auch um den Zusammenhang herzustellen. Das beste wäre für uns generell Indymedia zu unterstützen. Und klar, Spenden für Anwaltskosten sind immer willkommen.

Interview: David Rojas Kienzle

Bild: Marco Verch CC-BY 2.0

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