Textildiscounter KiK: Massenmord verjährt

15. Januar 2019

Das Landgericht Dortmund hat Recht gesprochen: 258-facher Konzernmord aus dem Jahr 2012 ist verjährt.

Am 11. September 2012 brannte ein Textilwerk der Firma Ali Enterprises im pakistanischen Karachi aus. In den Flammen starben 258 Arbeiter*innen, die meisten waren zwischen 15 und 35 Jahren alt. Der Vorfall gilt als der größte Industrie-“Unfall“ in der Geschichte Pakistans. Der Hauptabnehmer des Sweat Shops, der zur Todesfalle wurde, war der deutsche Textildiscounter KiK.

Nach dem Brand überwies der Konzern ein paar Almosen an Überlebende und Familien – auch das erst nach Protesten und zähen Verhandlungen. Eine Klage, die vier Betroffene – Muhammad Hanif, Muhammad Jabbir, Abdul Aziz Khan Yousuf Zai und Saeeda Khatoon – vor dem Landgericht Dortmund eingereicht hatten, wurde nun abgewiesen. Das Gericht war der Argumentation gefolgt, dass der Fall nach pakistanischem Recht verjährt sei. Das Milliardenunternehmen konnte sich so der rechtlichen Verantwortung für den Tod von 258 Menschen entziehen.

Dabei handelt es sich bei dem tödlichen Brand keinesfalls einfach um einen bedauerlichen Unfall, sondern um die Folge eines auf Profitmaximierung ausgerichteten Systems internationaler Arbeitsteilung. KiK produziert nichts selbst, sondern greift auf ein Netz ausgelagerter Zulieferbetriebe zurück – vor allem auf Firmen im asiatischen Raum, etwa in China, Pakistan, der Türkei und Bangladesch. Namen der Zulieferfirmen hält der Konzern geheim. Hungerlöhne, bis zu hundert Wochenarbeitsstunden, Gesundheitsschäden unter anderem durch giftige Chemikalien, despotische Arbeitskontrollen und die Abwesenheit irgendeiner gewerkschaftlichen Interessenvertretung gehören in den Textilfabriken dieser Länder zum Alltag.

KiK setzt auf diese Produktionsbedingungen. Die globale Unterschicht wird in den Fabriken Asiens geschunden, um den günstigsten Ramsch an die Unterschichten der entwickelten kapitalistischen Zentren verticken zu können. Das Geschäftsmodell fuhr dem zur Tengelmann-Gruppe gehörenden Discounter im Jahr 2017 den Rekordumsatz von zwei Milliarden Euro ein.

Das gesamte System ist dabei wie eine Pyramide aufgebaut: ganz unten die Arbeiter*innen des Trikonts, zu Tode geschunden in einem weit verzweigten Netzwerk von sweat shops; etwas darüber, aber immer noch ganz weit unten, die Transportarbeiter*innen und Verkäufer*innen, die das Produkt in die Metropolen und an den Kunden bringen. Etwas besser bezahlt Angestellte, dann schon recht komfortabel: das Management. Ganz oben thront die Familie Haub, das alte deutsche Handelsgeschlecht, dem die Tengelmann-Gruppe gehört und das sich durch derlei Praktiken ein Privatvermögen von über 5 Milliarden Euro angeeignet hat.

Zu dem absichtlich undurchsichtigen Netz an Billigzulieferern gehört auch der regelmäßige Massenmord an Arbeiter*innen. Als am 24. April 2013 in Sabhar, Bangladesch, eine Fabrik einstürzte, in die man über 3000 Beschäftigte gestopft hatte, um Kleidung für europäische und US-amerikanische Firmen zu nähen, starben 1135 Menschen. Auch Produkte für KiK wurden in den Trümmern gefunden – obwohl der Konzern betonte, keine Geschäftsbeziehungen zu den betreffenden Firmen zu unterhalten.

Das Geschäftsmodell, dass die Fabriken samt Arbeiter*innen darin einstürzen oder abbrennen lässt, ist – wenn schon nicht im juristischen, dann zumindest im umgangssprachlichen Wortsinn – mörderisch. Denn wie soll man jemanden nennen, der um Geld zu scheffeln, abertausende Menschen in ungesicherte Drecklöcher mit einem Haufen Chemikalien zusammen einsperren lässt, die dann eben irgendwann abbrennen oder zusammenbrechen, wenn nicht Mörder?

Während es das alltägliche Schinden von Arbeiter*innen aus der Peripherie durch diese Art imperialistischer Ausbeutung kaum je über die Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeiten der Konsument*innenländer schafft, waren die „Unfälle“ mit hunderten Toten kaum zu verschweigen. Und so beginnt nach jedem „Unfall“ dasselbe Schauspiel: Der betroffene Konzern zahlt ein Taschengeld an die Hinterbliebenen und tritt albernen freiwilligen Verpflichtungen bei, nun „fairer“ zu produzieren. Gerichte kümmert der Kram nicht, denn Eigentum verpflichtet zumindest sie zur Nachsicht. So funktioniert bürgerliche Klassenjustiz.

Am Ende bleibt alles beim Alten. Die indischen und pakistanischen Näher*innen krepieren am Profitstreben der deutschen, europäischen und US-amerikanischen Handelsbourgeoisie, die dem Proletariat der entwickelten Nationen die oft giftige Billigware von niedriger Qualität von unterbezahlten und überbelasteten Verkäufer*innen andrehen lässt. Verlieren tun dabei alle – außer die Haubs dieser Welt.

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# Ronny Rauch

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