»Musik kann Kraft geben, runterziehen und Solidarität vermitteln«

2. Januar 2019

Der Rapper Zynik hat gerade seine neue EP „Wahnsinn der Normalen“ veröffentlicht. Im Interview spricht er über linke Kunst, Sexismus im Rap und darüber, was Rap für ihn bedeutet.

Du verarbeitest auf deiner neuen EP ganz unterschiedliche Themen. Was ist das Konzept?

Es war jetzt kein klassisches Konzeptding. Die Themen sind auch recht breit gestreut. Trotzdem gibt es einen roten Faden, der sich auf unterschiedliche Weise durch alle Tracks zieht. Es geht kurz gesagt darum, wie wahnsinnig vieles ist, was als normal wahrgenommen wird, wie wahnsinnig die gesellschaftlichen Verhältnisse mit all ihren Perversionen eigentlich sind. Es geht darum, wie Rassismus, Armut oder Kriege als normaler Bestandteil des Lebens wahrgenommen werden, wie sie irgendwie dazugehören. Sie werden akzeptiert, höchstens halbherzig und/oder moralisch kritisiert, aber selten mit einem entschlossenen Standpunkt bekämpft. Es geht aber auch darum, wie diejenigen, die diesem Zustand etwas entgegensetzen, dämonisiert und verteufelt werden. In der Hook des Titeltracks heißt es dazu „und deshalb nennen sie uns krank/ es befremdet sie zu kämpfen/ die Menschen sind gefang“.


Bist du ein politischer Künstler?

Ja. Zum einen glaube ich, dass die meisten Dinge Ausdruck von etwas und daher ohnehin gewissermaßen politisch sind. Mucke ist wie ein Brennglas gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse. Zum anderen versuche ich Dinge, die mich politisch umtreiben, relativ direkt zu thematisieren. Das heißt aber nicht, dass man bei mir in Zukunft nur explizit politische Mucke wie bei »Rote Patronen« erwarten kann. Ich hab‘ keinen Bock, mich da einzuschränken. Trotzdem bleiben politische Inhalte ein entscheidender Bestandteil meiner Mucke, das steht außer Frage.


Die wenigsten linken Rapper können von ihrer Musik leben. Wie schaut es bei dir aus, welche Perspektive hast du?

Mucke ist für mich ein Zuschussgeschäft, sprich, es refinanziert sich gar nicht erst. Leben lässt sich davon dementsprechend sowieso nicht. Da das Ganze, so abgegriffen es klingt, aber eine Herzensangelegenheit ist, spielt das keine Rolle. Aber: Könnte ich mit dem, was ich mache, ohne mich in irgendeiner Weise zu verbiegen, meinen Lebensunterhalt finanzieren, würde ich das natürlich tun. Davon bin ich allerdings weit entfernt – und das ist okay so.

Wie die Perspektive aussieht, kann ich nicht sagen. Ich mach mir da weder große Illusionen, noch steck ich den Kopf in den Sand. Es kommt, wie es kommt, und solange es der einen oder dem anderen und mir selber was gibt, ist alles cool.

Damit das nicht falsch verstanden wird: Wenn ich sage, ich möchte mich nicht verbiegen, heißt das nicht, dass man nicht auch neue Dinge ausprobieren soll oder einfach mal nicht explizit politische Mucke machen soll. Sich breiter aufzustellen heißt nicht sich verbiegen, sofern man es macht, weil man Lust darauf hast – und nicht plötzlich anfängt, Schwachsinn zu erzählen.

Rap ist eine krass männliche Domäne. Hat Rap ein Sexismus-Problem?

Sexismus ist ohne Frage übertrieben präsent im Rap, ewas anderes zu behaupten, wäre auf jeden Fall heftiger Quatsch. Rap ist auch ein Spiegel der Gesellschaft – in beiden Fällen muss noch sehr viel passieren und da gibt es auch nichts zu relativieren. Es muss ein Klima geschaffen werden, in dem sich Rapperinnen nicht wie Aussätzige fühlen und nicht so behandelt werden. Dafür brauchen wir Künstler, die unabhängig von jeder Grundstimmung in der Szene klare Kante zeigen. Aber nochmal: Rap ist und bleibt ein Spiegelbild der Gesellschaft. Deshalb stelle ich mich auch entschieden dagegen, jede und jeden auszugrenzen, die oder der mal etwas Reaktionäres gesagt hat oder noch nicht sonderlich emanzipierte Standpunkte vertritt. So bessert man die Verhältnisse auch nicht. Aber natürlich gibt es da eine Grenze.

Ein anderer Punkt ist, dass ich leider noch nicht viel deutschen Rap von Frauen gehört habe, der mir gut gefallen hat. Das ändert aber am vorhandenen Sexismus nichts. Deutscher Rap hinkt seinem britischen Gegenstück hinterher. In England gibt es zwar auch Sexismus im Rap, aber da sind auch einige übertrieben krasse Künstlerinnen, die immer mehr Fuß fassen, etwa Stefflon Don, Lady Leshurr, Nadia Rose.

Sprache ist ja auch ein Fenster in das Bewusstsein. Ist Rap besonders reaktionär?

Ich halte nichts davon zu sagen, Rap wäre so oder so. Damit vereinheitlicht man Dinge, die sich nicht in einen Topf werfen lassen. Mal das plakativste Beispiel: Es gibt Rap von Kommunistinnen und Kommunisten und es gibt Rap von Nazis – beides hat so ziemlich nichts miteinander gemeinsam. Rap ist viel zu vielschichtig, um ihn als so oder so zu konstruieren. Aber: Wenn man sich die Fülle an Veröffentlichungen ansieht, stimmt es natürlich, wenn Leute feststellen, dass rückständige Frauenbilder und Vorstellungen von „survival of the fittest“ [Überleben des Stärkeren, d.Red.] sowie wilde Konsumvorstellungen stark verbreitet sind. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge geile Mucke mit guten Ansätzen.

Spannend ist die weit verbreitete Doppelmoral im Rap. Während Rassismus ziemlich flächendeckend geächtet ist, wird Diskriminierung gegen andere Gruppen von ziemlich vielen getragen – etwa Rap gegen Homosexuelle oder eben gegen Frauen. Doppelmoral ist hier genauso sehr ein Thema wie in der restlichen Gesellschaft.

Was ist dein Verständnis von Rap?

Rap muss für mich auf jeden Fall nicht politisch sein. Er kann es sein und er ist, was das angeht, sicher auch eine krasse Möglichkeit. Aber Rap kann auch einfach ein persönliches Ventil sein, auf die Kacke zu hauen. Das hat alles seine Berechtigung.

Mucke macht ja viel mit einem: Sie motiviert, sie zieht runter, sie treibt an. Natürlich ist sie auch einfach Konsumgut und muss auf keinen Fall immer einen politischen Zweck erfüllen. Sie kann es aber und es braucht solche Musik. Sie kann Teil einer Bewegung werden und eine fortschrittliche Kultur stiften. Das ist für eine Bewegung wichtiger, als man denkt. Musik kann Vorstellungen von Solidarität vermitteln, Kraft geben, ein Zusammengehörigkeitsgefühl stiften, für bestimmte Themen sensibilisieren und auf sie aufmerksam machen. Musik schafft verbindende Momente.

Was ist nach der EP geplant, kommt irgendwann auch mal ein Album mit Tour?

Ich arbeite gerade an meinem ersten Album. Auch wenn da schon einiges passiert ist, wird das noch seine Zeit dauern. Ich stress mich da nicht. Es dauert solange, wie es dauert, und wenn ich zufrieden damit bin, kommt es irgendwann. Ich versuche aber natürlich nicht, wieder zwei Jahre vergehen zu lassen, sondern möchte da schon mehr Konstanz hineinbringen. Zum Album kommt dann vielleicht auch eine Tour, mal sehen. Konkret ist und wird da nichts geplant, ehe das Album nicht zumindest weitgehend steht. Ich halte euch natürlich auf dem Laufenden und gelobe Besserung, was den Output angeht.


Das Video zur EP:


Die EP
»Wahnsinn der Normalen« kann man überall streamen.

# Interview: Deniz Can

# Foto: Zur Verfügung gestellt von Zynik

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