Vor weniger als zwei Wochen gedachte die kurdische Community dem internationalen Komplott, das zur Verhaftung von Abdullah Öcalan am 15.2.1999 führte. Der Begriff Komplott führt jedoch beim ein oder anderen Passanten, der im Rahmen der zahlreichen Demos und Kundgebungen zu diesem Anlass einen Flyer in die Hand gedrückt bekommen hat zu einem müden Lächeln. Komplott? Mal ehrlich. Das hört sich so verschwörerisch an, das kann man nicht ernst nehmen.
Trauriges Schicksal ist wohl, dass gerade jetzt, kurz nach dieser Protestphase die internationalen Institutionen der Bourgeoisie kunstvoll bewiesen haben, wie der Begriff des Komplotts ganz genau auf das Unrecht zutrifft, das Kurdinnen und Kurden und deren Repräsentant*innen wiederholt angetan wird.
Nachdem die Türkei vor zwei Wochen eine sogenannte Red Notice, ein Ersuchen um Festnahme oder vorläufige Festnahme von Salih Muslim mit dem Ziel der Auslieferung an die Interpol versendete, kam Tschechien dieser Bitte in kürzester Zeit nach und verhaftete den ehemaligen PYD Ko-Vorsitzenden. Was die Türkei hier als Grund nennt ist dabei vollkommen zweitrangig. Dass eine Organisation wie die PYD von ihr im Alleingang auf die eigene Terrorliste gesetzt wird und Muslim einfach pauschal Terrorismus vorgeworfen wird ist wohl ein Maß an Dreistigkeit, für das momentan niemand in den internationalen (Un-)Sicherheitsstrukturen gewappnet ist.
Interessant ist, dass dieser Skandal über die Strukturen von Interpol abgelaufen ist. Bis heute hat Interpol keinerlei parlamentarische oder sonstige Legitimation, sie sind halt einfach da. So wie die NATO. So wie der Sicherheitsrat. Determinierte Strukturen des internationalen Machtgefüges.
Wie faschistoid solche Strukturen im Endeffekt sind, sollte nach der kurzen aber dennoch skandalösen Verhaftung Muslims klar werden: Im Nu lassen sich solche Strukturen von Diktaturen wie der Türkei nutzen. Ähnlich wie im Fall Akhanlı wurde sogar entgegen der Interpol-Regelung gehandelt, dass Ausschreibungen, die einen politischen Grund haben, dementsprechend markiert werden sollen. Gibt es eine solche Markierung, ist es nämlich dem Land in dem sich die Person aufhält überlassen, ob sie die Person ausliefern wollen. Das ganze Theater ist zusätzlich unsinnig, da Salih Muslim kein Türke ist.
Das alles beiseite: Was anderes könnte das, was Kurd*innen seit Jahren erleben etwas anderes als ein Komplott sein? Wenn die Frage, ob eine Partei nun eine Terrororganisation oder ein Held im Kampf gegen den Terror ist vollkommen in der Hand der herrschenden Klasse liegt? Wie könnte der Kampf mit den Waffen beendet und ein diplomatischer Weg von den Kurden gefordert werden, wenn sie die Willkür vieler verschiedener internationaler Strukturen immer wieder bewiesen bekommen?
Die gute Nachricht ist vorerst: Salih Muslim ist seit heute frei. Ein Gericht in Prag ordnete an, dass er freigelassen werden soll. Dies geschah allerdings unter der Auflage, dass er die Europäische Union nicht verlässt und zu Gerichtsverhandlungen erscheint. Weiterhin offen ist nämlich, ob Tschechien dem Auslieferungsgesuchen der Türkei nachkommt. Diese Entscheidung liegt weiterhin bei der tschechischen Staatsanwaltschaft und – sollte diese das Gesuchen für relevant halten – bei den Gerchten.
Wie auf diese Art und Weise eine Vermittlung möglich sein soll, während in Afrin Bombe um Bombe detoniert, ist unklar. Wie die „internationale Gemeinschaft“ sich ein Ende des Kriegs in Syrien vorstellt, während die Willkür der Türkei und ihre Instrumentalisierung der unlegitimierten internationalen Sicherheitsstrukturen weitergeht, bleibt schleierhaft.
#Manî Cûdî
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