50 Jahre Trikont – das bedeutet auch 50 Jahre Politik und Gegenkultur in der Bundesrepublik. Anlässlich des Jubiläums des in München ansässigen Labels und Verlages erschien ein gewichtiger Überblick über die Geschichte von Trikont in Buchform.
Begonnen hat alles im Jahr 1967 mit einem kleinen linken Verlag, den ein paar Studierende aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) in Köln gegründet hatten. Nur ein Jahr später übersiedelte der Trikont Verlag nach München – und bis heute ist er in Bayern geblieben. Die VerlagsgründerInnen Gisela Erler, Herbert Röttgen und Achim Bergmann gaben anfangs Schriften Che Guevaras, Aufsätze von Ho Chi Minh oder die „Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung“ heraus. Die erste Platte erschien erst 1972. Mit dieser begann dann die Geschichte des langlebigsten unabhängigen Labels der Bundesrepublik. Das Album „Wir befreien uns selbst“ wurde 10.000 Mal verkauft – „heute unvorstellbar“, wie die Autoren des vorliegenden Buches schreiben, war doch die Platte „ein roh aufgenommenes Album ohne jeden Pop-Appeal mit radikalen Kampfliedern“.
Der Feuilletonredakteur der Tageszeitung junge Welt, Christof Meueler, und der Autor Franz Dobler haben in akribischer Kleinarbeit die Geschichte von Trikont zusammengetragen. In dem aufwändig gestalteten umfangreichen Band beschreiben Meueler und Dobler die einzelnen Veröffentlichungen, lassen die Label-ChefInnen und viele WegbegleiterInnen zu Wort kommen und ergänzen die Erzählung um stichwortartige Hinweise auf die für das Verständnis des politischen Wirkens von Trikont relevanten welt- und BRD-geschichtlichen Ereignisse.
Die Materialfülle ist immens. Neben den Texten und Interviewteilen finden sich im Buch hunderte Cover von Buch-, Zeitschriften- und vor allem Plattenveröffentlichungen – ergänzt um historische und aktuelle Fotos vieler KünstlerInnen, die auf Trikont ihre vorübergehende oder dauerhafte Label-Heimat gefunden haben.
Im Lauf der Jahrzehnte entwickelte sich Trikont von einem eher BRD-lastigen Politlabel – Stichworte: deutschsprachiger Polit-Folk, Ton Steine Scherben, musikalische Polit-Experimente – hin zu einer Schatzkammer für „Weltmusik“ im besten und interessantesten Sinn. Die Lektüre des Buches ist eine Reise in ab- und tiefgründige musikalische Welten, deren Perlen ohne die Pionierarbeit des Labels bis heute in Kellern und Wühlkisten verstauben würden. Stattdessen aber wurden finnische Tangos, Lieder von US-EmigrantInnen oder deutsche und böhmische Polkas aus Texas zu Bestsellern. Viele Veröffentlichungen auf Trikont zeigen, wie durch das Aufeinanderprallen einander scheinbar ausschließender kultureller Traditionen ganz neue musikalische Welten entstehen. Das Buch zum Fünfziger bietet sich als Reiseführer durch diese an.
Christof Meueler mit Franz Dobler: Die Trikont-Story. Musik, Krawall & andere schöne Künste. Wilhelm Heyne Verlag, 2017. 461 S. € 30,-
Fotos: Trikont, Wilhelm Heyne Verlag