Die Band Antinational Embassy gründete sich Anfang 2013 in der damals besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin Kreuzberg. Die Besetzung hat sich im laufe der Zeit immer wieder geändert. Einige sind gegangen, einige dazugekommen. Heute sind in der Band Darlino, Sad C und PTK als Vokalisten, Dom Carlos am Schlagzeug, Kinky am Bass, Lenni an der Gitarre, Marius an der Ukulele und Itamar „the Holy“ an den Percussions.
Seit ihrem Bestehen hatte die Band immer wieder mit staatlichen Repressalien gegen Freunde und Mitglieder zu kämpfen, was sie nachhaltig geprägt hat.
Mit ihrer Musik verpacken sie starke, politische Inhalte in tanzbare feel-good Musik.
Wir haben uns zusammen mit Marcus Staiger mit der Band getroffen und über Rassismus, Repression, Auftritte in der Oper und ihre neue CD gesprochen.
LCM: Lasst uns ganz am Anfang beginnen. Wie seid ihr zur Band gekommen?
PTK: Als Anfang 2013 die Schule besetzt wurde, bin ich irgendwann mit einem arabisch sprechenden Kumpel dort vorbeigegangen und wollte eigentlich nur so ein-zwei Leute kennenlernen. Daraus sind dann acht Stunden geworden, in denen mir verschiedene Leute ihre Geschichte erzählt haben. Das war wirklich krasser Input.
An dem Tag haben da dann unter Anderem Marius und so gejammt und irgendjemand meinte dann ich sei doch Rapper und solle mal was rappen. So fing das bei mir persönlich an, dass ich da was gekickt hab und zwei-drei Wochen später war ich dann halt die ganze Zeit da. Darlino war von Anfang an auf dem Oranienplatz und in der Schule und Sad C haben wir später auf unserem ersten oder zweiten Konzert kennengelernt. Das war bei irgend so einem antirassistischen Ding aufm Flughafen und der fand die Band halt auch voll geil und ist direkt dazugekommen.
LCM: Wie lief es damals ab? Wo habt ihr euch denn getroffen und eure Proben gemacht?
PTK: Das muss man sich so vorstellen: es war ein Zimmer in der Schule, ohne Strom und Heizung, Licht nur mit Kerzen. Hauptsächlich Leute aus dem Sudan und dem Tschad, aber auch von sonst wo her. Es ist arschkalt und eigentlich gibts nix, aber wir wollten Mucke machen. Irgendwie kann jeder aufm Tisch trommeln und wir hatten eine Ukulele und 20 Stimmen. Auf jeder Sprache hat jemand gerappt und gesungen.
Im laufe der Zeit sind dann ein paar Leute gegangen, abgeschoben worden, verhaftet worden, verschwunden, hatten kein Bock mehr, sind verreist oder auch gestorben, wie Sister Mimi.
Dann kam die beinahe-Räumung der Schule. Deswegen lag dann alles eine Zeit lang erstmal auf Eis und jeder hatte irgendwie seine eigenen Probleme. Einige, die der Band nahe standen, saßen nach der Räumung 6 Monate im Knast, was uns letztendlich dazu gebracht hat, ne CD machen zu wollen um die Leute zu unterstützen.
Jetzt sind es eben Darlino, Sad C und ich plus Kinky und Dom Carlos die mit der Zeit dazugekommen sind, Lenni der grad nicht da ist und Marius und Itamar, die grade beide nicht in Deutschland sind.
Staigers: Warum bist du überhaupt in die Schule gegangen?
PTK: Ich bin über eine Freundin zur Schule gekommen. Also ich hatte schon gehört, was abgeht mit dem Oranienplatz und so, aber ich hab die Dimensionen gar nicht gepeilt.
Eigentlich sollte ich bloß jemanden treffen, den ich dann an einen bekannten Journalisten weiterleiten wollte. Aber dazu ist es gar nicht gekommen. Ich hab mich dann mit den Leuten connectet. Aber einfach nur um Mucke zu machen, also ich hab da jetzt nicht Samariter gespielt oder so.
LCM: Was seit damals geblieben ist, auch wenn Leute gekommen und gegangen sind, ist der Name Antinational Embassy. Habt ihr euch als das musikalische Sprachrohr der Bewegung gesehen?
Darlino: Es ist ja alles aus der Bewegung entstanden. Als irgendwann der Name aufkam, war es für uns auch offensichtlich, dass der Name so bleiben muss und genau das widerspiegelt was wir sind. Sister Mimi, möge sie in Frieden ruhen, hat dabei eine große Rolle gespielt. Letztendlich waren es Sister Mimi, Marius und ich die sich den Namen ausgedacht haben.
PTK: Es war jetzt auch nicht so, dass jemand gesagt hat „lass mal eine Band machen, wir müssen uns irgendeinen Namen ausdenken“, sondern das war einfach ein Prozess durch dieses regelmäßige Jammen. Du konntest immer in die Schule gehen und wusstest, die Hälfte ist eh da. Auch von denen, die da nicht gewohnt haben. Irgendjemand chillt dort immer und macht Musik. Dann kam es zu Auftritten und da musste man sich halt als Gruppe einen Namen zulegen.
Staigers: Darlino, hast du schon Musik gemacht, bevor du nach Deutschland gekommen bist?
Darlino: Ja klar, ich habe immer gesungen. Dann bin ich nach Deutschland gekommen und habe in Bayern weiter Musik gemacht. Als ich dann nach Berlin gekommen bin, hat sich Antinational Embassy ergeben.
Staigers: Welche Rolle hat Marius mit seiner Ukulele gespielt?
PTK: Das war halt das erste und einzige Instrument, was wir hatten.
Darlino: Marius hat auf seiner Ukulele gespielt und das war irgendwie magisch.
PTK: Am ersten Tag, an dem ich da war, hat Turgay Saz gespielt und irgendjemand hat getrommelt und Marius war eben da mit seiner Ukulele und seiner fantastischen Stimme.
Der hat da ganz viele Melodien reingebracht und viele Texte waren von ihm und Darlino.
Staigers: Wie seid ihr anderen zur Band gekommen?
Kinky: Nachdem die CD aufgenommen war, hatte die Band noch ein Konzert im Yaam, aber Marius war schon weg. Lenni hat deswegen statt Bass Gitarre gespielt und ich dann den Bass.
Darlino: This thing? Fuck you! That was the worst concert we ever gave!
Kinky: Ja, wir hatten nicht mal Drums.
PTK: Das war wirklich das schlechteste, was wir je hatten. Durch wen bist du denn dazugekommen?
Dom Carlos: Durch Lenni. Als die Schule geräumt werden sollte war ich da, um zu blockieren und hab euch spielen sehen. Ich hatte mit euch eigentlich nix zu tun, kannte Lenni aber von früher. Dann bin ich erstmal auf Reisen gegangen und ne Woche nachdem ich wieder hier war, hat mir Lenni geschrieben.
PTK: Also wir hatten letztes Jahr Ende Juli einen Auftritt am letzten Tag von unserem Drummer Itamar, der darauf Deutschland verlassen hat. Carlos war als Kumpel von Kinky und Lenni im Publikum und schon hatten wir nen neuen Schlagzeuger. Kinky kam vorher durch Lenni und Lenni ist seit 2014 dabei. So war das immer, irgendjemand kannte immer einen, der eine Rolle einnehmen konnte. Wir hatten auch zwischenzeitlich mal ne Geige, ne Zeit lang Trompete, Gitarre, E-Gitarre, wirklich alles, Percussions. Wenn wir jetzt morgen jemanden kennenlernen, der überkrass Mundharmonika spielt und irgendwie mit dem Movement in Verbindung steht, kommt der auch in die Band.
Staigers: Muss man denn mit dem Movement in Verbindung stehen?
PTK: Nee, aber das hat sich halt immer so ergeben.
Dom Carlos: Ich glaub Leute, die nicht in die Richtung denken bzw. vom gleichen Schlag Leute sind wie wir, die würdens gar nicht lange mit uns aushalten. Wer sich damit nicht identifiziert, der hat nach n paar Wochen kein Bock mehr und geht wieder.
PTK: Mein eigentlicher Name für die Band – jetzt werde ich gleich wieder angemeckert – ist Chaos Embassy auf jeden Fall, weil hier…
Darlino: What man, fuck you!
PTK: (lacht)…ist halt immer alles ziemlich wild und anstrengend und ist ja auch nicht immer rosig. Wir sind viele verschiedene Leute und jeder hat seinen eigenen Scheiß am laufen. Vor allem bei den Leuten, die nicht aus Deutschland kommen. Da hat jeder nen anderen Status. Manche waren komplett illegal ne Zeit lang, manche haben, wie Darlino, ewig Stress gehabt mit ihrem Lager. Wenn du das alles nicht peilst, dann, wie Dom Carlos schon gesagt hat, ist es echt anstrengend mit Leuten zu arbeiten, die manchmal halt wirklich abgefuckt und mit dem Kopf ganz woanders sind.
Anfang 2013 hatten wir Konzerte zu denen Leute von uns spontan nicht aufgetaucht sind und uns danach erzählt haben, dass sie abhauen mussten, weil sie Angst hatten, abgeschoben zu werden. Damit muss man halt klarkommen.
Man muss nicht aus dem Movement kommen aber am Ende des Tages wollen wir eben nicht ne Band sein, die Mucke macht, sondern wir wollen dieses Thema bearbeiten und nen Spotlight auf die Sache lenken.
Staiger: Wie schafft man es denn, in so einer Situation Songs zu schreiben?
Sad C: Wir schreiben auf, was wir denken. Normalerweise schreibt also jeder seine eigenen Songs. Aber wir jammen auch oft mit vielen Leuten und jeder, der kommt, bringt dann seine eigenen Melodien ein. Also auch wenn dann Leute weg müssen und nicht mehr Teil der Band sein können, bleiben uns ihre Melodien.
PTK: Deswegen war anfangs jeder Auftritt eher eine Jam-Freestyle-Session. Dass es überhaupt Arrangements gibt, kam erst mit der Zeit, als wir uns an die CD gesetzt haben. Zum Aufnehmen braucht man halt schon etwas Struktur. Mittlerweile hatten wir auch in anderen Städten Auftritte und mussten deswegen auch anders an die Sache ran gehen, als einfach nur auf die Bühne zu gehen und gucken was passiert.
Sad C: Als wir die Lieder arrangieren und aufnehmen wollten, mussten wir eben mit dem arbeiten, was wir genau in diesem Moment hatten.
Staiger: Wenn also jemand gefehlt hat, dann fehlte eben sein Part?
Sad C: Genau! Als wir angefangen haben, haben wir gejammt und manche Lieder haben 15 Minuten gedauert. Marius hat da die ganze Zeit auf der Ukulele die gleiche Melodie gespielt und jeder hat der Reihe nach seinen Part gesungen. Wie bei einer Open-Mic-Session.
PTK: Es gibt halt auch Leute, die gar keine Mucke machen können und trotzdem dabei sein wollen. Salah zum Beispiel wollte oft dabei sein, macht aber keine Mucke. Also ist er bei fast jedem Auftritt mit auf der Bühne und schwingt unsere Fahnen und gehört so zur Band. Oder Claude, unser 60-jähriger Rastaman.
Sad C: Claude zu sein ist schon genug.
PTK: Jeder im Görli, jeder im Yaam kennt ihn. Der ist einfach ne Erscheinung für sich. Der macht auch nichts musikalisches.
Kinky: In der Oper ist er aber auch dabei.
LCM: In der Oper?
PTK: Genau, wir treten grad zum achten Mal in der Staatsoper auf und da ist er fester Bestandteil. Er wird halt nicht singen, sondern er guckt die Leute böse an und schreit rum.
Darlino: Der Regisseur war bei der einen Probe ganz nervös, weil Claude nicht da war. Er ist ganz panisch durch die Gegend gelaufen „Wo ist Claude? Wo ist Claude? Claude muss mit rein“
LCM: Habt ihr da Auftritte als Band oder macht ihr da richtig Theater?
PTK: Also das ist son Stück, „Originale“ von Stockhausen, das ist so Kunstperformancescheiße, sag ich jetzt mal als Fachbegriff. Das ist richtig absurd. Da gibts auch keine Handlung.
Kinky: Antikunst!
Dom Carlos: Psychische Töne, komische Klänge, Lärm. Is nen altes Stück von 1961. Der hat halt damals so lange an seinen Tapes rumgebastelt und immer wieder neues Zeug drübergeschnitten, bis es sich so weit entfernt von menschlichem angehört hat wie es geht.
Bei „Originale“ sind wir Teil der Show als Aktionsmusiker. Wir spielen also uns und unsere Songs.
Staigers: Also vom Organischen her das absolute Gegenteil zu Stockhausen.
Dom Carlos: Genau.
Kinky: Aber ich glaub das war schon auch damals so die Idee von Stockhausen. Weil in dem Script ist ja alles in Sekunden und Minuten aufgeteilt und genau in der Mitte ist halt Zeit für Aktionsmusiker vorgesehen.
PTK: Wir waren 2015 schon dort und das war mega verrückt, weil wir am Abend davor ein Konzert im Drugstore hatten. Am Morgen sind wir dann am Brandenburger Tor bei diesem Linkspartei Ding aufgetreten und von da dann in die Staatsoper. Das waren krasse Kontraste.
Immer ganz andere Leute. Vom O-Platz zur Oper. Und das ist auch echt lustig. Da sind wirklich Leute, denen du den Stock ausm Arsch ziehst, wenn du da spielst und sone Mucke machst wie wir.
Staiger: Die finden das doch bestimmt toll.
Sad C: Also Jein. Die Leute, die da arbeiten, findens mega toll, unter den Leuten, die da als Gäste kommen gibts solche und solche.
Es gab auch einmal eine richtig schlechte Kritik in der Zeitung. Da stand „Wenn Stockhausen das gesehen hätte, wäre er stinksauer geworden.“ In der Kritik wurden wir als Countryband zerrissen.
PTK: Musst dir halt vorstellen, wir kommen da vermummt rein und dann kommt Claude und schreit einfach so rum. Also der schreit die Leute an und wir fangen an zu spielen. Das ist auch der einzige Teil, mitten im Stück, der son bisschen Struktur hat. Der Rest ist einfach total wirr.
LCM: Lasst uns nochmal auf einen Punkt von vorhin zurückkommen. Ihr seid ja als Band sehr bunt zusammengemischt. Ihr kommt aus verschiedensten Teilen der Welt und habt dadurch ja auch ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Auch hier sind ja eure Lebensrealitäten sehr unterschiedlich. Manche sind von Abschiebung bedroht, manche sind im Knast und so weiter. Wie geht ihr als Band grade mit solchen Repressionserfahrungen um?
Darlino: Wir machen natürlich weiter und kämpfen. Egal was du machst, es wird immer Konsequenzen geben und es wird immer Leute geben, die die Konsequenzen tragen müssen.
Darum werden einige definitiv anfangen zu kämpfen und andere definitiv wegrennen. Jeder spielt seine eigene Rolle. Ich wurde so verdammt oft von den Bullen verprügelt. So verdammt oft, dass ich es nicht mal mehr aufzählen kann. Inzwischen habe ich Probleme mit meiner Hüfte die so schlimm sind, dass ich an manchen Tagen nicht mal laufen kann. Dann gibt es Tage, besonders wenn wir einen Auftritt haben, da überkommt mich die ganze positive Energie und ich springe auf der Bühne rum. Danach, wenn ich dann eine Straße entlang laufe, kommen die Schmerzen wieder zurück. Aber die positive Energie in der Band ist es, was mich immer wieder dazu bringt, weiterzumachen. Nicht nur mich, alle die hier sind. Die Energie hat also jetzt schon einen Unterschied gemacht.
PTK: Er bräuchte auch eigentlich ne Operation, aber ist ja nicht normal krankenversichert. Das geht seit Ewigkeiten hin und her mit seinem ehemaligen Lager in Bayern, weil die halt irgendein Papier schicken müssen, damit er operiert werden kann. Die wollen aber, dass er kommt und sich das „abholt“ und immer so weiter.
Darlino: Das ist mir alles erst in Deutschland passiert, während meiner Zeit in Bayern und Berlin.
Wenn ich ein schwächerer Mann wäre, ich wäre warscheinlich lange tot. Kein Spaß! Ich habe keine Ahnung, was mich am Leben hält.
Allein die Schläge, die ich in Köln kassiert habe, hätten mich umbringen können.
Die Bullen haben uns so oft geschlagen. Sechs von denen haben mich in ihr Auto gezerrt und mir dabei die Hüfte kaputt gemacht. Ich bin ohnmächtig geworden und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. Ich konnte dann zwar kaum laufen, bin aber trotzdem wieder protestieren gegangen, um zu zeigen, dass ich mich nicht unterkriegen lasse. Egal wie oft sie mich schlagen, ich bin hier und ich werde protestieren.
Ich glaube das Einzige, was mich am Leben hällt, ist die positive Energie aus der Band und die gute Stimmung der Leute um mich herum.
PTK: Das war auch grade am Anfang echt prägend für mich. Es gab halt Proben, da saß Darlino in der Ecke und hatte Tränen in den Augen vor Schmerzen. Da sieht man halt schwarz auf weiß, was er hier bekommen hat von Deutschland als Willkommensgeschenk.
Staiger: Das ist Willkommenskultur.
PTK: Erstmal richtig brutal zusammenschlagen und dann jahrelang die Papiere verweigern für die notwendige medizinische Behandlung.
LCM: Trotz all der schlechten Erfahrungen spiegelt sich das ja in euren Liedern nicht unbedingt wieder. Obwohl es wahrscheinlich verständlich wäre, wenn ihr nur noch düstere Musik macht, klingen eure Lieder alle sehr positiv und fröhlich.
PTK: Ich seh die Band als Kompromiss. Meine eigene Musik ist ja düster, das ist ja hier Hippiemusik. Da kommt der Einfluss von Marius und so durch, aber die Musik von Sad C ist ja auch sehr düster, nochmal ganz anders als meine. In der Band ist es halt ein anderer Vibe und hier mach ich Sachen, die auf meinem Album sonst keinen Platz hätten.
Kinky: Die Musik ist ja trotzdem nicht happy. Wir haben halt positive Teile so „peace and love, the only solution“ und dann fängt aber im Part von Darlino jede Zeile mit „Fuck irgendwas“ an. Klar ist das irgendwie widersprüchlich, aber im Endeffekt ist das wer wir sind und spiegelt auch wieder wo wir herkommen.
PTK: Aggressiver oder negativer würde auch nicht passen, weil die Grundmessage von diesem Projekt, was ich so mit hippiemäßig meinte, ist ja schon Liebe und so.
Vielleicht spiegelt sich die Message nicht so in der Stimmung wieder aber vielleicht fühlst dus auch nur nicht, weil dus nicht verstehst. Zum Beispiel Lieder wie „Kulu Matamam“. Das heißt übersetzt soviel wie „Alles ist scheiße“ und das ist ja unser Intro. Damit fangen wir jedes Konzert an und auch auf der CD kommt es ganz am Anfang. Wir zählen Sachen auf „what about the police?“ dann „challas, challas“, das ist arabisch für „es reicht!“ und dann kommt „kulu matamam“. Wir kommen also schon rein mit: Alles ist kacke, die Gegebenheiten sind scheiße. Das heißt ja aber nicht, dass es nicht trotzdem ne positive Message geben kann.
Staigers: Die Musik ist ja auch positiv. Ist ja schon auch Tanzmusik.
Dom Carlos: Ich glaub das ist auch wichtig. Wir sind ja ne Liveband und wenn wir da Leuten ne Stunde lang erklären wie scheiße das Leben ist, erreichen wir am Ende keinen. Die Leute, die zu uns kommen, wissen das wahrscheinlich sowieso schon. So kommen sie mit nem positiven Gefühl aus der Show. Das können die dann auch weitertragen.
Staiger: Aber grad ihr, die ihr sonst düsterere Projekte macht. Fühlt ihr euch wohl, wenns mal so positiv sein darf? Das ist ja auch schön, wenn man so Hippiemusik machen darf.
Sad C: Dieses Projekt hat ganz viel Herz. Alle haben ein Problem wegen irgendwas und alle leiden wegen irgendetwas politischem. In dieser Konstellation ist es ja schon relativ entspannt, weil wir momentan fast alle „Deutsche“ sind sozusagen. Davor gab es ein, zwei Deutsche und der Rest von uns waren Migranten. Die meisten von uns hatten also wirklich gar nichts, darum war alles, was wir in unsere Musik gesteckt haben auch alles was wir hatten.
Mit Antinational Embassy bringen wir halt starke Messages mit positiven Vibrations und wir schöpfen dabei aus sehr vielen persönlichen Erfahrungen. In den Ländern, aus denen wir kommen, ist wirklich alles ganz anders als hier. Dort ist das Leben viel schwerer. Es gibt keine Sozialversicherung oder sowas in der Richtung. Durch Antinational Embassy haben viele von uns sich auch eine Art Ersatzfamilie geschaffen, denn wir sind ja alleine hergekommen und hatten hier niemanden. Deswegen ist eine unserer Messages ja auch „We are one!“
PTK: Also ich fühle mich an sich bei zu positiver Musik krass unwohl. Das ist gar nicht mein Film. Ich kann gar nicht Mucke machen, wenn es mir so gut geht. Ich fühle mich auch oft so, als hätte ich den negativsten Part. Da kommt dann ein Text über Mord und Totschlag und der Rest singt was von Peace and Love. Passt eigentlich gar nicht, ist aber irgendwie auch geil. Wir haben gemerkt, dass es von diesen Kontrasten lebt.
Darlino: Was soll ich denn in einen Text packen? Soll ich fröhliche Texte machen? Was soll da rein, dass ich fröhlich in Deutschland bin? Oder ein fröhlicher Text, dass das Leben gut ist? Soll ich die Realität einfach vergessen? Aber die Vibrations in der Band sind einfach sehr positiv, die Art und Weise wie wir miteinander umgehen und so.
Kinky: Es gibt uns halt schon allen das Gefühl Leute zu haben, auf die man sich verlassen kann. Während also die Umstände richtig scheiße sind, haben wir uns eine Umgebung geschaffen, in der wir alles Teilen und in der wir positiv sein können. Die größte Solidarität gibts immer bei denen, die nix haben, weil die halt wissen, dass es ohne nicht geht.
PTK: Das war für mich auch immer son Kernding, nicht nur in der Band, sondern in dem ganzen Movement. Man begegnet sich immer auf Augenhöhe. Egal wo man herkommt, du bist halt mit Leuten, die in der gleichen Situation sind wie du. Vielleicht kommen die aus nem anderen Land und haben hier niemanden außer denen, mit denen sie grade chillen. Wir haben ja auch nen Song gemacht, der heißt „Stop calling people Refugees“, weil immer wenn du von Flüchtlingen und nicht-Flüchtlingen redest schon eine Abgrenzung und eine Art Abhängigkeit geschaffen wird. So „Ich arbeite ja mit Flüchtlingen“ und so.
Darlino: „Stop calling people Refugees“, weißt du warum? Ich bin hier in Deutschland. Was bin ich? Ich bin ein Refugee! Nur wegen dem Aussehen. Darum geht es uns. Wenn du nach Afrika fährst, was denkst du, wie die Leute dich da nennen? Der deutsche Tourist!
So ist dieses System, in dem wir leben, strukturiert. Warum seht ihr mich als Refugee, ich euch aber einfach als Menschen? Hautfarbe und so ist doch alles egal und wenn wir diese Ungleichheit überwinden können sind wir doch schon viel näher an einer gemeinsamen Welt.
– Interview Karl Plumba, Fotos Jakob Tillmann
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Die CD gibt es bei den Musikern persönlich oder hier.