Interview mit Marko von der Gruppe »radikale linke | berlin« zur Notwendigkeit, die soziale Frage mit Klassenkampf zu beantworten.
Für den 10. September rufen verschiedene Berliner Mieter*innen-Initiativen zur Mietenstopp-Demonstration auf. Gemeinsam mit »Hände weg vom Wedding«, dem Stadtteilladen »Friedel54«, der Erwerbsloseninitiative »Basta«, dem »Klassenkampfblock« sowie den (Haus-)Projekten aus dem Friedrichshainer Nordkiez beteiligt sich die »radikale linke | berlin« am »Mietrebell*innen-Block«. Wir sprachen mit Marko darüber, warum seine linksradikale Bande keinen Bock hat, Miete zu zahlen.
Ihr ruft dazu auf, am 10. September auf die Straße zu gehen. Warum?
Der Kampf ums Wohnen ist momentan in Berlin der wichtigste, wenn es um die soziale Frage geht. Die Mieten steigen, so dass viel zu wenig zum Leben übrig bleibt. Um das zu erkennen, muss man nicht studiert haben, es reicht der Blick ins Portemonnaie. Frag‘ deinen Nachbar und er wird dir das bestätigen. Anhand von Mieten können wir aufzeigen, dass der Kapitalismus für die Mehrheit der Menschen völlig nutzlos ist. Wer braucht Vermieter? Niemand!
Doch leider ist es so, dass es in dieser Gesellschaft Leute gibt, die sagen können: Das ist mein Eigentum, deswegen bezahl‘ mir jeden Monat soundsoviel Knete. Absurder ist nur noch, dass selbst die Leute, die die Häuser gebaut haben, das wenige Geld, das sie für ihre Maloche bekommen haben, noch irgendwelchen Vermieter bezahlen mussten.
Für uns steht fest, dass gegen steigende Mieten keine Appelle an den Staat und seine Vertreter helfen. Das einzige, was wirklich hilft, ist Widerstand von unten. Solidarisch kämpfen bedeutet, sich in den Häusern und Stadtteilen zusammenzuschließen und sich gegenseitig zu unterstützen, ganz egal ob bei Zwangsräumungen, Wohnungsbegehungen oder beim Gang aufs Amt. Die Demo ist nur ein Teil davon. Wir werden zum Beispiel vom Wedding, dem Friedrichshain und von Neukölln aus mit unseren Nachbar*innen zur Demo am 10. September kommen.
Wenn man die Wahlplakate in Berlin liest, könnte man meinen, die Parteien sähen das ähnlich wie ihr. Die SPD verspricht zum Beispiel, dass Berlin bezahlbar sein soll. Auf der anderen Seite wird alles dafür getan, dass »Investoren« in der Stadt weiterhin üppige Profite einfahren.
Wie bereits gesagt, wir geben nichts auf das Gequatsche von Politikern und schon gar nichts auf deren Wahlversprechen. Da machen wir keinen Unterschied, ob es um die AfD, die CDU, die Grünen oder die beiden sozialdemokratischen Parteien geht. Zur Erinnerung: Es war der Senat aus Linkspartei und SPD, der die städtische Wohnungsgesellschaft GSW verkauft hat. Von den Auswirkungen können die heutigen Mieter*innen von »Deutsche Wohnen« ein leidvolles Lied singen.
Berlin wird für »Investoren« zurechtgestutzt. Außen vor bleiben die, die nichts als ihre Arbeitskraft zu verkaufen haben. Sie werden an den Rand der Stadt gedrängt. Wenn sie Widerstand leisten, dann kommen die Bullen. Versuche von Linken, sich mit ihren Nachbar*innen zu organisieren, werden kriminalisiert. Das war auch ein Grund, warum Henkel mit allen Mitteln die Rigaer 94 gekämpft hatte.
Henkel ist ein anti-linker Egomane. Doch welche handfesten Interessen stecken dahinter?
Alle bürgerlichen Parteien in Berlin sind eng mit der Berliner Baumafia verwoben. Deren Mitglieder tragen zwar bei weitem nicht so schicke Anzüge wie ihre italienischen Kollegen, doch sind sie ebenfalls dick im Geschäft. Früher wurden alte, aber intakte Häuser abgerissen, um teure Neubauten hochzuziehen. Heutzutage wird ein ganzer Flughafen aus dem Boden gestampft, um möglichst viel Geld in die Kassen der Bau- und Immobilienfirmen zu spülen.
Seit dem Beginn der Wirtschaftskrise vor acht Jahren gibt es eine neue Entwicklung: Berlin ist nicht nur für deutsches, sondern auch für ausländisches Kapital interessant. Zum einen, weil der deutsche Schweinestaat sich in der Krise als ökonomisch stabil gezeigt hat.
Diese Stabilität geht auf Kosten der Menschen in Südeuropa. Durch eine Hetze gegen angeblich faule Griechen hat der deutsche Wirtschaftsimperialismus in Verbindung mit Leitmedien wie der Bild Rassismus und Chauvinismus in Teilen der Bevölkerung aktiviert − und so vom eigenen Niedriglohnmodell abgelenkt. Die anscheinend gute Wirtschaftslage bedeutet wiederum, dass die Leute mit ihren niedrigen Löhnen auch in absehbarer Zeit noch irgendwie ihre Miete bezahlen können.
Zum anderen, waren die Immobilienpreise in Berlin aufgrund der besonderen Situation nach der sogenannten Wiedervereinigung, dem Wegzug einiger und einem Angebotsüberschuss auf dem Wohnungsmarkt, spätestens aber nach dem Bankenskandal 2001 im weltweiten Vergleich sehr niedrig. Ideale Voraussetzungen, um mit Immobiliengeschäften, gute Profite einzufahren. Kein Wunder, dass im Juni die britische Wirtschaftszeitschrift The Economist ihren gutbetuchten Lesern empfohlen hat, sich »Eigentum in Berlin zu schnappen«.
Wenn Henkel gegen die Rigaer 94 den Larry macht, ist es deswegen ganz im Interessen seiner Buddies vom Ku-Damm und deren feuchten Träumen vom boomenden Berliner Immobilienmarkt.
Das heißt auch, dass die Menschen in Spanien oder Griechenland, die sich wegen des von Deutschland verhängten Austeritätsdiktats ihre Wohnungen nicht mehr leisten können und auf die Straße geworfen werden, eigentlich die gleichen Interessen haben wie die die unteren Klassen in Berlin und in anderen deutschen Großstädten. Doch momentan scheint es, dass die Verdrängung nicht mit Solidarität begegnet wird, sondern eine unerbittliche Konkurrenz zwischen denjenigen, die eigentlich im gleichen Boot sitzen. Besteht nicht die Gefahr, dass sich das faschistische Kräfte zu Nutze machen?
Wohnungen werden zur Mangelware, weil sich mit ihnen gut Profite machen lässt. Die Menschen, die wie zuletzt die Geflüchteten neu nach Berlin kommen, werden als unliebsame Konkurrenten dargestellt. Die Gefahr, dass dies Rassisten und anderen faschistischen Lumpen in die Hände spielt, ist ohne Zweifel vorhanden. Deswegen ist es für Linksradikale notwendig, die soziale Frage antikapitalistisch zu beantworten. So können wir rechten Parteien wie der AfD am besten bekämpfen.
Wir müssen die Idee propagieren, dass mein Feind niemand sein kann, der vor den Auswirkungen des Imperialismus flieht, sondern derjenige ist, der daran verdient – egal wo auf der Welt, ob am Krieg in Syrien, an der Verarmung Südeuropas oder in Berlin mit
Wohnungsspekulationen.
Das heißt vor allem, in den Kiezen die Auseinandersetzung zu führen. Unsere Genoss*innen von »Hände weg vom Wedding« sind uns dabei ein Vorbild: Sie leisten praktische Solidarität in ihrem Bezirk, sind für die Leute ansprechbar. Dadurch schaffen sie auf lange Sicht ein Bewusstsein, dass gemeinsam etwas verändert werden kann. In diesem Sinne müssen wir uns als Linksradikale mehr den Menschen und ihren Problemen öffnen.
Wie kann so eine Arbeit abseits von praktischer Solidarität aussehen?
Dafür gibt es keine pauschale Antwort und auch die Gruppen, mit denen wir den Block am 10. September organisieren, haben dazu wahrscheinlich unterschiedliche Ansätze. Für uns als »radikale linke | berlin« bedeutet es vor allem, Gegenmacht in den Kiezen aufzubauen.
Ein soziales Zentrum als politischer Raum für die Nachbarschaft wäre so etwas. Dabei könnte direkte Solidarität mit dem gemeinsamen Kampf für bessere Lebensbedingungen verknüpft werden. Weil die Berliner Bullen treue Hunde ihrer Herren sind, müssen wir geeignete Wege finden, uns ein soziales Zentrum anzueignen.
Demonstrationen, wie die am Wochenende ermöglichen es zudem, in den aktuellen Auseinandersetzungen um die soziale Frage Position zu beziehen. Dabei fällt immer wieder auf, dass viele Menschen außerhalb der linken Szene teilweise radikalere Forderungen haben, als von vielen Linken vermutet wird. Die Eigentumsfrage ist also gar nicht so abstrakt, wie sie im Uni-Seminar erscheint.
Mietenstopp-Demo
Sa. 10. September | 14 Uhr | Platz der Luftbrücke (U6)
Selbstorganisierte Kiezanreisepunkte:
Friedrichshain: 13:00 Uhr – Dorfplatz (Ecke Liebigstr./Rigaerstr.)
Wedding: 12:30 Uhr Koloniestraße/ Badstraße (gemeinsam mit den
kämpfenden Mieter*innen der Koloniestraße) und 13:15 Uhr U-Bhf.
Leopoldplatz (U6, Gleis in Fahrtrichtung Alt-Mariendorf)
Neukölln: 13:00 Uhr Hermannplatz