Hannah ist Aktivistin in der Interventionistischen Linken und im Blockupy-Bündnis. Im Interview spricht sie über die Gründe für den Wechsel von Frankfurt nach Berlin, Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und warum es ihrer Meinung nach notwendig für antifaschistische Arbeit ist, weiter in breiten Bündnissen mit etablierten Partein zu agieren.
Ihr habt dieses Jahr den Sprung von Frankfurt nach Berlin gemacht und blockiert mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ein nicht sonderlich symbolträchtiges Gebäude. Wieso Berlin und wieso das Bundesministerium für Arbeit und Soziales?
Also zum einen haben wir immer gesagt, dass die europäische Spardiktatspolitik und der europäische Kapitalismus ganz verschiedene Symbole der Macht haben. Wenn es um die Unterwerfung grade der südlichen Länder Europas geht, wenn es ums Durchdrücken von Spardiktaten geht, wenn es um Verarmungspolitik geht ist die Bundesregierung definitiv ein zentraler Akteur. Deswegen haben wir gesagt, wir ziehen nach Berlin um und greifen die deutsche Bundesregierung an und wir sind der Meinung, dass die Frage von Arbeit ein zentrales Schlüsselthema in Europa ist und dass sich daran lokale Austerität, also Sparpolitik, sichtbar macht und dass grade das Arbeitsministerium mit seinem neuen Integrationsgesetz zu einer sozialen Spaltung zwischen Lohnabhängigen, MigrantInnen und Geflüchteten wesentlich mit beiträgt. Deswegen haben wir uns für das Arbeitsministerium entschieden.
Und nicht für ein symbolträchtigeres Gebäude…
Genau. Es ist total klar, dass das Außen – und Innenministerium mit ihrer tödlichen Abschottungspolitik ganz genauso im Zentrum unserer Kritik stehen, wir glauben aber, dass man das Arbeitsministerium aus der Deckung holen muss. Mit der Art und Weise, wie dort Politik gemacht wird, 80-Cent-Jobs für Geflüchtete, Entrechtung anderen EU-Bürgern die wegen ihrer verzweifelten Arbeitssuche nach Deutschland kommen. Das wir in den Ländern des Südens über 50-Prozentige Jugendarbeitslosigkeitsquoten sprechen ist zu großen Teilen der „Verdienst„ der deutschen Politik.
Mit all dem hat das Arbeitsministerium etwas zu tun und deswegen gehört es aus der Deckung geholt und deswegen gilt es, dass Arbeitsministerium zu blockieren!
Was im Vergleich zu den Vorjahren auch auffällt ist, dass die Mobilisierung kleiner ausfällt und für die Aktionen auch nicht international mobilisiert wurde. Hat das einen konkreten Grund?
Nein, wir haben nach dem Erfolg für die radikale Linke vom 18. März [2015, Blockade der EZB-Eröffnung Anm. LCM] entschieden, dass wir uns angesichts eines Rechtsrucks und nach der Bewegung der Migration neu sortieren müssen. Die Situation hat sich verändert. Die europäische Politik, die Spardiktate, die sozialen Kämpfe und die rassistische Abschottungspolitik an den Außengrenzen steht weiter bei uns im Fokus. Wir haben uns aber entschieden, in Berlin erst einmal kleiner anzufangen, einen Auftakt zu machen und haben deshalb vor allem bundesweit mobilisiert. Dennoch kommen GenossInnen aus Polen, aus Frankreich und Italien mit dazu.
Wir haben es umgedreht und waren dieses Jahr viel in Frankreich auf der Straße, wir waren in Griechenland bei einigen Aktionen. Wir arbeiten also kontinuierlich auf europäischer Ebene weiter.
Wie soll der Freitag aussehen?
Wir wollen uns am Freitagmorgen um 7:30 Uhr am Gendarmenmarkt und am Potsdamer Platz sammeln und wollen dann geschlossen und so wie man es von Blockupy kennt, mit viel Farbe, mit Transparenten, mit Musik, mit Aktionen des zivilen Ungehorsams vor die Tore des Bundesministeriums ziehen. Wir wollen dort blockieren, wir wollen dort markieren und wir wollen den Arbeitsablauf im BMAS an diesem Tag definitiv stören.
Neben der Blockupy-Demonstration am Freitag ruft ihr auch zu der Demo gegen Rassismus und die AfD am Samstag auf.
In eurem Aufruf schreibt ihr: „Die AfD baut auf einen tief verwurzelten alltäglichen Rassismus in der Mitte der Gesellschaft und auf institutionalisierten Rassismus – im Asylpaket II, dem Merkel-Erdogan-Deal, in den Schulen, Universitäten und Ämtern auf.„
Den Aufruf zu der Demonstration haben jedoch auch diverse Landesverbände der Grünen und die SPD Berlin unterzeichnet, beides zentrale Akteure des institutionalisierten Rassismus, mitverantwortlich für die tödlichen Außengrenzen Europas, für Hartz4 und sonstigen Sozialabbau.
Wie passt das zusammen?
Keine Frage von SPD bis zu den Grünen sind alle etablierten Partei am institutionellen Rassismus beteiligt, mit der Asylrechtsverschärfung forcieren sie ihn, auch mit dem Arbeitsministerium betreiben sie Ausgrenzungspolitik gegen
diejenigen, die sowieso schon arm sind.
Wir denken und deswegen haben wir die Einladung des Bündnisses angenommen, dass es ein sichtbares Zeichen gegen Rassismus braucht, dass es erst einmal gut ist, dass all diejenigen, die jetzt auch außerhalb unseres linksradikalen Spektrums Politik machen wollen gegen die AfD ein Angebot bekommen auf die Straße zu gehen. Es ist aber völlig klar, dass wir nicht unkritisch an dieser Demonstration teilnehmen. Wir werden unsere Kritik dort sichtbar und hörbar machen, wir wollen ein Angebot schaffen, weiterzugehen als einfach nur eine Fahne gegen die AfD hochzuhalten. Das bedeutet für uns die Thematisierung der Außengrenzen, die Thematisierung der technokratischen Politik, die mit für den Aufstieg der AfD verantwortlich ist und letztendlich einen Bruch mit dem kapitalistischen System an der Stelle genauso zu fordern und wir glauben das es wichtig ist, sich einzumischen und nicht nur danebenzustehen. Es ist ja ein Hohn wenn die SPD jetzt auf die Bühne geht gegen die AfD, deswegen mischen wir uns in diesem Bündnis ein und deswegen gehen wir dort mit einem klaren, linken Ausdruck hin.
Nun hat es ja in der Linken relativ lange Tradition, solange es gegen rechts geht mit Allem und Jedem zusammenzuarbeiten, der nicht offen Rechts ist.
Die große Gefahr, die sich auch immer wieder bestätigt hat, ist jedoch das Feigenblatt für SPD und Konsorten zu sein. Müsste man nicht eher gegen AfD, SPD, Grüne und CDU demonstrieren als mit einem Teil davon gegen einen anderen Teil davon?
Ich glaube nicht. Ich glaube es geht im Moment zum einen darum, eine gesellschaftliche Ablehnung, die es gegen die AfD gibt auszubauen und es geht zum anderen darum, in einen direkten Konflikt mit dem herrschenden System zu gehen. Das werden wir nicht schaffen, wenn wir daneben stehen, wenn wir in unserem eigenen Spektrum bleiben und unsere Kritik neben dran kundtun. Wir müssen in diese Bündnisse reingehen und wir müssen dort mit einem eigenen, linksradikalen Angebot auftreten. Genau das ist unser Versuch, wenn wir am Samstag an dieser Demonstration teilnehmen.
Wir haben in der Vergangenheit, in Dresden zum Beispiel, ja gute Erfahrungen mit breiten Bündnissen gegen Nazimobilisierungen gemacht, gleichzeitig ist die AfD in ihrer Beschaffenheit ja auch ein Ausdruck von einer Verarmungs – und Verunsicherungspolitik. Sie hat ihren Ursprung auch in den sozialen und ökonomischen Krisen der letzten Jahre und sie hat ihren Ausgangspunkt in den Fehlern der herrschenden Politik.
Die AfD versucht jetzt die Privilegien von einigen wenigen, weißen Deutschen zu verteidigen und die Gesellschaft insgesamt nach rechts zu rücken. Wir haben es also bei der AfD im Besonderen mit einer Partei zu tun, die nicht nur bei den Faschisten und Rassisten gewinnt, sondern auch bei denjenigen die sich abgehängt und ungehört fühlen, die sich aus dem politischen System verabschiedet haben. Genau deshalb glaube ich, dass es wirklich wichtig ist auch die herrschenden Parteien unter Druck zu setzen und ich glaube es ist ein guter Weg das direkt in solchen Bündnissen zu tun und mit ihnen dort in den Konflikt zu gehen.
Deswegen nehmen wir an der Demonstration teil und es freut mich ganz besonders, dass wir das mit vielen antifaschistischen Kräften aus Berlin gemeinsam tun und unser Ziel ist ganz klar, einen großen, linken Block mit verschiedenen antifaschistischen, mit feministischen Initiativen, mit migrantischen Organisationen auf die Beine zu stellen.
Und wir machen ja viel mehr als nur den Block auf der Demo, wir haben mit dem Blockupy-Wochenende gewissermaßen ein „Gesamtwochenende„. So werden wir uns Sonntag auch an dem „Welcome to stay„– Kongress beteiligen, was wichtig ist, da es nicht nur Abwehrpolitik ist, sondern ein politisches Angebot für Menschen zum Mitarbeiten, mehr als nur Willkommenspolitik für den Staat zu machen sondern praktische Solidarität zu leisten. Zum Anderen haben wir den Schulterschluss mit der kurdischen Bewegung gesucht und werden deswegen am Freitag gemeinsam gegen den EU-Erdogan-Deal auf die Straße gehen.
-Karl Plumba