„Wir haben eine Verantwortung hinzusehen und hinzugehen“

6. April 2016

Autor*in

Karl Plumba
Benjamin Hiller 2013 an der Front in Rojava.

Benjamin Hiller 2013 an der Front in Rojava, wo er die YPJ bei Kämpfen mit islamistischen Milizen begleitete.

Benjamin Hiller ist seit 2008 freiberuflicher Fotojournalist und Autor. Er hat seinem Arbeitsschwerpunkt im nahen Osten und auf dem Kurdenkonflikt im Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Er hat auch schon aus Afghanistan, Ruanda und der Krim berichtet und hat zusammen mit dem amerikanischen Fotojournalisten Osie Greenway, der dänischen Autorin Anne Alling und dem niederländischen Filmemacher und Fotojournalisten Jeffry Ruigendijk die ‚War Zone Freelance Exhibition‘ (Ausstellung – Freiberufler im Kriegsgebiet) ins Leben gerufen.

Sie haben vor kurzem die ‚War Zone Freelance Exhibition‘ in Berlin eröffnet. Wie kam es dazu, dass eine internationale Gruppe von Freelancern sich zu so einem Projekt zusammengefunden hat?

Die Idee kam, als wir alle zusammen in Erbil, in Kurdistan/Irak gearbeitet haben, letztes Jahr. Teilweise haben wir uns schon länger gekannt, Jeffry kenne ich schon seit drei Jahren und Osie habe ich bei einem anderen Ausstellungsprojekt kennengelernt. Wir haben für vier Wochen gemeinsam in Kurdistan gearbeitet und gelebt und die schiere Menge an unpublizierten Material, was auf unseren Festplatten rumliegt hat uns dann auf die Idee gebracht hat, generell eine Ausstellung zu machen. Uns war aber schnell klar, dass wir keine standard Fotoausstellung machen wollten, in der es nur um uns geht, sondern wir wollten einen Schwerpunkt auf lokale Journalisten, sogenannte „Fixer“ und Übersetzer setzen. Zu der Zeit waren grade lokale Kollegen in Kurdistan/Irak verhaftet worden und andere wurden von Daesh verwundet und dazu gab es halt keine Medienaufmerksamkeit. Der zweite Schwerpunkt sollte sich um etwas drehen, dass die wenigsten Medienkonsumenten wissen: die große Mehrheit von Nachrichten aus Kriegsgebieten kommt von Freiberuflern. Deshalb wollten wir zeigen, was es bedeutet als Freiberufler in ein Kriegsgebiet zu gehen und dort zu arbeiten.

Syrien, 19. März 2013. Barfuß und ohne jeglichen Schutz stapfen die Jugendlichen durch Ölpfützen, atmen den giftigen Dampf ein. Da Benzin auch in den Erdölgebieten Mangelware ist, begannen die Menschen neben ihren Häusern kleinste Raffinerien zu betreiben, in der sie Öl zu wertvollem Benzin verkochen. Die Umweltschäden sind massiv, dutzende Rauchsäulen verdunkeln den Himmel. Foto: Benjamin Hiller

Syrien, 19. März 2013. Barfuß und ohne jeglichen Schutz stapfen die Jugendlichen durch Ölpfützen, atmen den giftigen Dampf ein. Da Benzin auch in den Erdölgebieten Mangelware ist, begannen die Menschen neben ihren Häusern kleinste Raffinerien zu betreiben, in der sie Öl zu wertvollem Benzin verkochen. Die Umweltschäden sind massiv, dutzende Rauchsäulen verdunkeln den Himmel. Foto: Benjamin Hiller

Was bedeutet es denn, als Freiberufler in Kriegsgebieten zu arbeiten und wie unterscheidet es sich von der ‚klassischen‘ Berichterstattung?

Der Hauptunterschied besteht darin, dass man in der Regel ohne einen Auftrag in eine Region reist, bezahlt alles im Voraus, also Reisekosten, Versicherung, Schutzhelm, Weste, Kamera, Unterbringung und so weiter, man baut sich die Kontakte selber auf, geht hin, berichtet von dort und versucht dann im Anschluss oder während dessen sein Material zu verkaufen und hofft, dass man seine Kosten reinkriegt plus hoffentlich noch genug Geld, um davon leben zu können.
Bei Festangestellten sieht es natürlich anders aus. Derjenige wird irgendwo hingeschickt und der Arbeitgeber trägt alle Kosten und Spesen und zahlt natürlich auch das Gehalt.

Eine andere Gruppe, die Sie bereits angesprochen haben, sind die sogenannten „Fixer“. Was sind „Fixer“, was sind ihre Aufgaben und warum sind sie so unverzichtbar für die Arbeit von Freiberuflern?

Der Begriff „Fixer“ ist etwas umstritten und ich verwende ihn auch selber nicht gern, weil er die Bedeutung dieser Menschen herabspielt. „Fixer“ sind unglaublich wichtig. Oft sind es entweder Aktivisten, lokale Journalisten oder Studenten, die Englisch sprechen. Das sind also die Leute, die vor Ort leben, die Kontakte haben zu Milizen, zu Zivilorganisationen und so weiter. Normalerweise sind das die Leute, die dir die Kontakte und Interviews organisieren, mit Milizen verhandeln, dass du an Frontlinien kannst, sie sind oft auch gleichzeitig die Übersetzer, organisieren Autos und sind für die Sicherheit zuständig. Ohne sie wäre der Job nicht möglich, egal ob für Freiberufler oder Festangestellte.

März 23, 2012- Kandil Berge, Provinz Erbil, Iraq: Hemin (Links) und Ciwan diskutieren über Politik während einer Pause auf ihrem Weg zu einem PJAK Stützpunkt Nahe der Irak-Iranischen Grenze. Seit 2004 kämpft die PKK-Nahe Iranisch-Kurdische Guerilla PJAK gegen das Regime in Tehran. Irak, 23. März 2012. Foto: Benjamin Hiller

März 23, 2012- Kandil Berge, Provinz Erbil, Iraq: Hemin (Links) und Ciwan diskutieren über Politik während einer Pause auf ihrem Weg zu einem PJAK Stützpunkt Nahe der Irak-Iranischen Grenze. Seit 2004 kämpft die PKK-Nahe Iranisch-Kurdische Guerilla PJAK gegen das Regime in Tehran. Irak, 23. März 2012. Foto: Benjamin Hiller

Bei Ihrer Arbeit nehmen Sie und auch Ihr „Fixer“, erhebliche Risiken in Kauf, ohne irgendeine Sicherheit auf (finanziellen) Erfolg. Was ist Ihre Motivation, immer wieder in Krisengebiete zu fahren und von dort zu Berichten und wie gehen Sie damit um, sich selbst und Ihren jeweiligen „Fixer“ für Ihre Berichte in Gefahr zu bringen?

Ich würde garnichmehr mit Festangestellten tauschen wollen, die ja kein finanzielles Risiko bei ihren Reisen haben. So kann ich selber entscheiden wo ich hin will, wie lange ich dort bleiben will, ich kann immer wieder in Gebiete gehen, die mich interessieren und ich habe Freiheiten, die ich als Festangestellter niemals hätte. Besonders, wenn ich politische Sachen abdecken will.
Ich habe 2008 mit dem Kurdenkonflikt angefangen, der damals in der Medienlandschaft im Grunde niemanden interessiert hat. Mich hat er aber aus politischen Gründen interessiert, also bin ich hin und habe angefangen darüber zu berichten. Die Freiheiten sind also ein wichtiger Faktor.
Außerdem finde ich, dass solange ein Konflikt anhält, sollte es Menschen geben, die darüber berichten. Selbst wenn es am Ende nicht verkauft wird, es sollte jemand da sein, um den Menschen eine Stimme zu geben. Außerdem ist es auch für die Nachkriegszeit wichtig, dass Außenstehende da waren, um über den Krieg zu berichten. Es gibt Kriegsverbrecherprozesse, oder ‚Peace and Reconciliation‘ Prozesse wie jetzt in Ruanda, die zu 90% auf journalistischem Material aufgebaut haben. Wir haben also eine Verantwortung hinzusehen und hinzugehen, wenn irgendwo ein Krieg ist.
Die Verantwortung gegenüber den „Fixern“ ist natürlich ziemlich groß. Sie leben zwar auch ohne uns in einem Kriegsgebiet, in diesem Sinne bringen wir sie also nicht besonders in Gefahr. Aber natürlich geraten sie viel schneller ins Ziel von Geheimdiensten, vom Militär oder Milizen.
Die Journalisten sind oft ’schwierigere‘ Ziele, weil ihre heimischen Regierungen intervenieren würden. Die „Fixer“ haben im Grunde niemanden, der im Ernstfall für sie einspringt. Wir gehen irgendwann, die „Fixer“ bleiben, weshalb wir schon sehr darauf achten, dass die „Fixer“ nicht die Konsequenzen für unsere Arbeit tragen müssen.
Falls sie doch ins Fadenkreuz geraten sollten, muss man die Verantwortung übernehmen und sie irgendwie rauskriegen. Meinem „Fixer“ in Rojava ist es 2012 so gegangen. Er hat erst für mich und dann für andere westliche Journalisten gearbeitet. Damals hat dann der syrische Geheimdienst seine Familie und ihn bedroht und er musste fliehen. Wir, die wir mit ihm gearbeitet haben, haben dann zusammen mit Reporter ohne Grenzen seine Flucht bis nach Deutschland organisiert und dafür gesorgt, dass er hier weiter studieren kann.

Syrien, 27. Februar 2013. Khaled starb Ende Februar 2013 bei einem Gefecht in der Ortschaft ar-Rebish. Mit seinem Tod gehen die Kämpfer der FSA Katiba Ayad al-Fahry sehr unterschiedlich um: die einen sind längst abgestumpft, andere zweifeln an der Revolution und sich selbst. Foto: Benjamin Hiller

Syrien, 27. Februar 2013. Khaled starb Ende Februar 2013 bei einem Gefecht in der Ortschaft ar-Rebish. Mit seinem Tod gehen die Kämpfer der FSA Katiba Ayad al-Fahry sehr unterschiedlich um: die einen sind längst abgestumpft, andere zweifeln an der Revolution und sich selbst. Foto: Benjamin Hiller


Aus Kriegs – und Krisengebieten zu berichten birgt natürlich die permanente Gefahr des eigenen Todes und des Todes von Kollegen. Im Syrischen Bürgerkrieg sind ja schon einige Kollegen umgekommen. Wie gehen Sie damit um?

Wenn Kollegen etwas passiert, ist es für mich ein Antrieb weiterzumachen. Ich kannte einige von denen, die von Daesh ermordet wurden und ich weiß, dass sie wollten, dass wir weitermachen. Ich bin allerdings auch froh darüber, dass dieser Macho-Kriegsjournalismus von früher sich inzwischen mehr oder weniger erledigt hat. Damals war bei vielen das Motto „Mir passiert nichts, ich bin cool, ich kann so oft hingehen wie ich will und habe keine psychologischen Probleme“. Das war natürlich Selbstbetrug. Jeder Kriegsjournalist ist physisch oder psychisch irgendwie gezeichnet. Jeder geht damit anders um: manche trinken sehr viel Alkohol, andere nehmen Drogen, wieder andere haben Flashbacks. Inzwischen wird aber in der Community viel offener darüber geredet und es gibt Psychologen, die explizit in diesem Bereich forschen und arbeiten. Ich habe das Glück eine tolle Familie zu haben, die quasi mein Auffangbecken ist. Nach Reisen kann ich zu ihnen raus in die Pampa fahren und alles abschalten. Kein Stress, kein Internet und einfach alles runterreden.

Wie sieht das Leben eines freiberuflichen Kriegsjournalisten aus, wenn er nicht gerade im Krieg ist?

Ich mache natürlich auch Jobs hier zuhause. Als im Sommer die Refugees nach Berlin kamen hat es mich total interessiert und ich habe viel dazu gearbeitet. Für mich hat sich da irgendwie auch ein Kreis geschlossen, teilweise habe ich Leute hier als Refugees getroffen, die ich noch aus Syrien kannte. Ich mache natürlich auch normale Fotografenjobs, also Porträts oder irgendwelche Eventkacke, um die Miete zu zahlen.
Außerdem versucht man natürlich immer up to date zu bleiben, man recherchiert, telefoniert mit seinen Kontakten und plant eigentlich meistens schon irgendwie seine nächste Reise.

Im Grunde kann man sagen, wenn man von einer Reise zurückkommt, macht man ein paar Wochen Pause, entspannt, versucht die ganzen Geschichten fertig zu kriegen, macht ein paar Jobs zuhause um wieder Kohle reinzukriegen und fokussiert sich wieder auf die nächste Reise.

In Ihrer Ausstellung gab es letzte Woche eine Diskussionsveranstaltung zur Digitalisierung der Medien. Wie wirkt diese sich auf den (Foto-) Journalismus aus, besonders da das Internet inzwischen überflutet ist mit Amateurfotos und -videos?

Die Vorteile sind definitiv, dass es so Sachen gibt wie Wikileaks und die auch eine riesige Verbreitung haben, so dass viele Leute darauf zugreifen und recherchieren können. Außerdem kann man viel besser und einfacher mit Kollegen auf der ganzen Welt zusammenarbeite um Sachen zu verifizieren und Recherchen adäquat zu gestalten. Viele Sachen sind also einfacher geworden.
Ein großer Nachteil ist aber, dass es auch viel unübersichtlicher geworden ist. Man muss jetzt jedes Foto, jedes Video und jede Aussage auf seine Echtheit prüfen. Man braucht, ganz oldschool, drei unabhängige Quellen um etwas zu verifizieren. Weil aber aus dem Druck heraus am schnellsten darüber zu berichten dieser Schritt oft wegfällt oder zu kurz kommt passieren leider oft Fehler in der Berichterstattung.
Außerdem ist das Internet Schauplatz eines ‚Medienkrieges‘ von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen geworden und alle versuchen natürlich irgendwie ihre Version einer Geschichte unter die Leute zu bringen. Man muss also wesentlich mehr auf der Hut sein, welchen Quellen man traut. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Preise natürlich gesunken sind. Es wird immer schwieriger, nur vom Verkauf von Fotos und Artikeln zu leben.

Eine jesidische Familie besucht den heiligen Tempel Sherfedin im Nord-Irak am 6. Mai, 2015. Die Tochter trägt dabei eine der Waffen des Vaters mit sich. Nur wenige Monate zuvor hatte Daesh Sherfedin umzingelt und hunderte Jesiden umgebracht oder entführt. Foto: Benjamin Hiller

Eine jesidische Familie besucht den heiligen Tempel Sherfedin im Nord-Irak am 6. Mai, 2015. Die Tochter trägt dabei eine der Waffen des Vaters mit sich. Nur wenige Monate zuvor hatte Daesh Sherfedin umzingelt und hunderte Jesiden umgebracht oder entführt. Foto: Benjamin Hiller

Eine andere Seite der Digitalisierung ist eine riesige Flut an schockierendem Bildmaterial aus Kriegsgebieten, welche durch den ‚Islamischen Staat‘ auf ein perfides, neues Level gehoben wurde. Welchen Einfluss hat diese ‚Übersättigung‘ an Bildern auf die Arbeit als Journalist?

Ich glaube die Zeit, in denen ein Bild einen weltweiten Aufschrei auslösen kann aus dem tatsächlich eine Veränderung entsteht, ist mehr oder weniger vorbei. Das Bild von Nick Út aus dem Vietnamkrieg, auf dem ein nacktes Mädchen mit verbrannter Haut vor Napalmbomben flieht, hat damals die Antikriegsbewegung in den USA enorm stark gemacht und letztendlich den Krieg beeinflusst.
Die Aufmerksamkeitsspanne heutzutage ist viel kürzer geworden. Es gibt natürlich noch Bilder, die einen Aufschrei auslösen, der ist aber nach kurzer Zeit wieder vergessen.

Ein weiteres Problem ist, dass es in den Medien eine Art Selbstzensur gibt. Es wird ja ein gefiltertes Bild von ‚Krieg‘ abgedruckt. Klar wird auch mal etwas Heftigeres gezeigt, aber es wird nie wirklich gezeigt, wie krass Krieg ist. Krieg ist extrem brutal. Das Problem ist, dass in diese Lücke des Nichtberichtens genau solche Gruppen wie Daesh rein gesprungen sind. Diese Gruppen verbreiten perfekt gemachte Propaganda, mit perfekt gefilmten Videos, die es fast auf ein Hollywoodlevel bringen, was Action und Brutalität angeht. Die füllen diese Lücke aus. Damit haben sie auch die Deutungshoheit über die Realität von Krieg bekommen und können es so drehen, wie sie es möchten.
Dazu kommt dann noch, dass sich inzwischen Jeder und Jede seine eigene kleine Nachrichtenblase schaffen kann, also nur noch die Nachrichten sieht, die gerade passen. Das sieht man bei diesen ganzen AfDlern, PEGIDA-Gruppen und Verschwörungstheoretikern. Diese Leute konsumieren nur noch ihre eigenen Fotos, ihre eigenen Berichte und Videos, die dann natürlich auch nur ihre eigene kleine Welt bestätigen. Nachrichten können heute so gefiltert werden, dass man sich sein eigenes Weltbild um sie herum bauen kann.

Das war ein Grund für uns, diese Ausstellung zu machen. Eine Ausstellung nimmt einen raus aus der Bilderflut und man wird in einem physischen Raum mit diesen Bildern konfrontiert, in dem nicht schnell umgeblättert oder weggeklickt werden kann. Eine andere Herangehensweise hatte ein Projekt in Frankreich, die haben Bilder von Refugees in 3×5 Meter Größe ausgedruckt und damit die Straßen plakatiert. Auch dadurch werden die Leute aus ihrem Alltag gerissen. Wir müssen jetzt neue Wege finden um wieder eine Wirkmächtigkeit zu erlangen.

Mabast, ein Leutnant der Kurdischen Peshmerga, schaut in Richtung der umkämpften Stadt Mulla Abdullah in der Nähe von Kirkuk, am 31. Januar 2015. Die toten Körper vor Ihm sind Daesh Kämpfer welche am 30. Januar versucht hatten die kurdischen Positionen anzugreifen aber durch Luftangriffe der USA daran gehindert wurden. Foto: Osie Greenway

Mabast, ein Leutnant der Kurdischen Peshmerga, schaut in Richtung der umkämpften Stadt Mulla Abdullah in der Nähe von Kirkuk, am 31. Januar 2015. Die toten Körper vor Ihm sind Daesh Kämpfer welche am 30. Januar versucht hatten die kurdischen Positionen anzugreifen aber durch Luftangriffe der USA daran gehindert wurden. Foto: Osie Greenway

Wäre einer dieser ’neuen Wege‘ ein Überwinden der Selbstzensur innerhalb der Medienbranche?

Das Problem ist, dass viele Zeitungen und Magazine sich nicht mehr ändern werden, weil sie Angst haben Anzeigenkunden zu verlieren. Welcher Anzeigenkunde wie Rolex möchte schon seine schöne Uhr neben einem echten, brutalen Kriegsbild haben? Das ist einer der größten Faktoren innerhalb der Redaktionen. Niemand will das Geld von den Anzeigekunden verlieren. Ich denke aber, ja diese Bilder müssten wieder gezeigt werden. Es gab ja auch Zensurversuche von westlichen Armeen, also der US-Army, der Bundeswehr und so weiter, dass keine Fotos von verletzten oder getöteten eigenen Soldaten gemacht werden dürfen. Es gab in der USA auch ganz strikte Vorgaben darüber, wie ankommende Särge überhaupt fotografiert werden dürfen. Das ist natürlich auch ein Doppelstandard. Getötete Aufständische dürfen fotografiert werden und werden vielleicht auch mal abgedruckt, aber die ‚eigenen‘ Soldaten dürfen nicht tot oder verwundet gezeigt werden. Das verharmlost natürlich Krieg und gibt eine ganz falsche Vorstellung von Krieg und seinen Auswirkungen. Das ist natürlich auch für gesellschaftliche Debatten sehr problematisch und ich denke man muss das zurückerobern.
Das heißt nicht, dass jeden Tag furchtbar brutale Bilder in die Zeitungen sollen, aber wenn irgendwo etwas Extremes passiert, dann muss auch das Bild dazu abgedruckt werden.
In Syrien zum Beispiel ist ein Großteil der Fotos entweder von Flüchtlingen, zerstörten Gebäuden oder Kämpfern die irgendwo hinschießen.
Was der tägliche Horror ist, dem diese Menschen dort ausgesetzt sind, von abgerissenen Beinen und Köpfen und womit Kinder aufwachsen, das wird einfach nicht gezeigt. Aus diesen Kindern wächst eine Generation heran, die nichts außer extrem brutalen Krieg kennt und die sind natürlich leichter zu beeinflussen von bestimmten Gruppierungen. Um diese Zusammenhänge zu erklären und zu verstehen, braucht man auch diese Bilder und die müssen auch wieder gezeigt werden.

– Karl Plumba

Bis zum 15. April ist die Ausstellung noch im Sprechsaal in der Marienstraße 26 in Berlin und ist von Mittwoch – Samstag von 14:00-22:00 geöffnet. Anschließend zieht sie weiter nach Dänemark, Frankreich und in die USA.

Am 07. April findet um 20:00 in den Ausstellungsräumen eine Diskussion zu grafischen Bildern und Selbstzensur mit Christoph Bangert, dem Autor des Buches War Porn statt.

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