Der Moment bei dem einem auffällt dass der oder die AutorInnen einer Geschichte (egal ob nun Niedergeschrieben, in laufende Bilder gepackt, in Form eines Spiels oder sonst etwas), eine ähnliche Weltanschauung vertreten müssen wie man selbst, ist ein schöner. Man füllt sich einig, über Raum und Zeit verbunden. Manchmal erwartet man dies, besser ist dieser Moment wenn man unverhofft auf einen oder eine solche/n AutorIn trifft.
Vielleicht möchte man bestimmet Sätze mit einem dicken roten Stift unterstreichen und daneben: JA! JA! GENAU SO! schreiben. Oder man legt die Geschichte gedanklich kurz zur Seite und lächelt.
Für Menschen deren Weltanschauung dem bestehenden von links aus widerspricht, ist Iain M. Banks ein solcher Autor. Banks schrieb nicht nur Science Fiction, wir beschäftigen uns jedoch hier mit seinem Hauptwerk: Den, Zehn Bücher umfassenden, „Kultur-Zyklus“. In ihm zeichnet der (leider schon verstorbene) Autor aus Schottland eine Gesellschaft, die Mangel nicht mehr kennt, Klassen abgeschafft hat, Luxus als normal empfindet und naturbedingte Unterschiede und Grausamkeiten abfedern, entschärfen kann- die KULTUR.
Eine so genaue und so farbenfrohe Beschreibung einer kommunistischen Gesellschaft findet sich selten.
Banks beschreibt die KULTUR in seinen Romanen aus unterschiedlichen Perspektiven. Mal aus der Sicht von Gegnern der KULTUR, mal aus der Sicht von Mitgliedern, mal als Akteur am Rand, mal als Zentrum und Ort der Handlung. Im Laufe der verschiedenen Romane werden so die unterschiedlichsten Aspekte dieses Kommunismus im unendlichen Raums beleuchtet.
Doch erst einmal zu den harten Fakten: Was ist die KULTUR?
Die KULTUR ist eine interstellare Gesellschaft ohne Klassen, Lohnarbeit, Gesetze, Staat. Alle Mitglieder der Kultur leben 1. Freiwillig in ihr und 2. So wie sie es eben wollen. Alle Wünsche und Bedürfnisse der Individuen werden von den allumfassenden Produktionsmitteln der KULTUR erfüllt. Geld ist abgeschafft, denn „Geld impliziert Armut“- wie einer der Leitsprüche der Kultur lautet.
Die Gesellschaft besteht aus biologischen (meistens humanoiden, menschenähnlichen) und künstlichen Lebensformen. Die Künstlichen unterteilen sich in „Drohnen“ und „Gehirne“. Drohnen sind eigentlich „nur“ künstliche Biologische. Zwar gleichen sie den biologischen Normalbürgern nicht in Form (viele sehen aus wie Koffer, Scheiben oder kleine Raketen) jedoch in Verhalten und Intelligenz. Sie üben in der Regel dieselben Tätigkeiten aus. Kommunizieren tun sie über Sprache und aufgrund des Fehlens einer Mimik über Felder oder Auren unterschiedlicher Farben, die so unterschiedliche Gefühle repräsentieren. Rechtlich sind sie komplett gleich gestellt.
Gehirne sind dass, was herauskommt wenn man einen Computer zu Ende denkt. Hyper-intelligente Maschinen mit einem Bewusstsein dass das träge Biologische bei weitem überragt. Sie lenken und organisieren einen großen Teil der KULTUR aus dem einfachen Grund weil sie die Habitate, Ringwelten und Schiffe, auf denen die KULTUR lebt, steuern und bewohnen. Die Raumschiffe und künstlichen Welten leben also, haben eigene Namen, Meinungen, Gedanken und Wünsche.
Die Kultur ist im weitesten Sinne nomadisch, alle ihre Habitate und Schiffe würden sich verlegen lassen wenn es nötig wäre. Die Schiffe ziehen sowieso wohin sie wollen. Zentrale Planung der Gesellschaft ist nur noch selten, nur noch bei besonderen Umständen nötig.
Die Gehirne beschützen und versorgen die Mitglieder der Kultur, alles in ihr ist auf das Wohlergehen und den Spaß ihrer Mitglieder ausgerichtet. Jedoch ist die KULTUR keine passive Angelegenheit für sinnlosen Hedonismus. Eines der Ziele der Kultur ist die Galaxis ein Stück weit besser zu machen. Erreicht wird dies über 2 Wege bzw. über mehrere Organisationen. 1. Den Kontakt: Schiffe, Biologische, Drohnen die eben den „Kontakt“ zu anderen Gesellschaften herstellen, Entwicklungshilfe leisten, offen operieren und im Kriegsfall das Militär der Kultur stellen. 2. Über mehrere Sektionen des Kontakts, am bekanntesten: Die Sektion „Besondere Umstände“- der Geheimdienst der Kultur. „BU“ operiert im Dunkeln, inoffiziell, nicht immer moralisch rein, eben bei „besonderen Umständen“.
Die KULTUR interveniert und greift in fremde Gesellschaften ein. Rechtfertigen tut sie ihre Interventionen mit ihrem statistischen Erfolg: sie verbessert tatsächlich das Leben in besagten Gesellschaften ohne die Gesellschaften als solche massiv umzukrempeln.
Es ließen sich noch tausende Aspekte der KULTUR beleuchten, ich empfehle hier jedoch sie selber zu entdecken. Von den zig aberwitzigen Namen der Raumschiffe über die von Banks erfundenen Technologien bis hin zur beeindruckenden Beschreibung von Aliens (allein die Spezies Affront im Roman „Exzession“!) bietet das KULTUR-Universum genug Stoff für Wochen an Unterhaltung.
Im Übrigen ist Iain M. Banks Werk jedoch nicht nur eine genaue Beschreibung wie eine Gesellschaft frei vom Arbeit/Kapital- Widerspruch aussehen könnte sondern auch ein intelligenter Kommentar zur tatsächlichen Realität. Banks behandelt in seinem Zyklus viele Fragen der Ethik, Philosophie und Politik. Die Kultur hinterfragt sich kritisch, spaltet sich, Teile der Gehirne verschwören sich gegen sie. Energisch werden auch Rassismus, Klassen, religiöser Fanatismus, Sexismus und Kapitalismus zurückgewiesen.
Banks war ein wertvoller Autor der kommunistischen Science Fiction.
– Von Max Gutmann
Der Kultur-Zyklus in Chronologischer Reihenfolge, die empfohlene Lesereihenfolge:
Bedenke Phlebas, 1989
Das Spiel Azad, 1990
Einsatz der Waffen, 1992
Ein Geschenk der Kultur, 1992, (Kurzgeschichten)
Exzession, 1997
Inversionen, 2000
Blicke windwärts, 2003
Sphären, 2008
Krieg der Seelen, 2012
Die Wasserstoffsonate, 2014