Der Dokumentarfilm „The Black Panthers: Vanguard of the Revolution“ ist eine sehenswerte Einführung in die Geschichte der revolutionären Organisation, die das US-Establishment in den 1960er Jahren herausforderte
Die Idee war gleichermaßen simpel wie effektiv. Angesichts brutaler Polizeiübergriffe und in Kenntnis der kalifornischen Waffengesetze beschlossen die College-Studenten Huey P. Newton und Bobby Seale im Herbst 1966, eine bewaffnete Selbsthilfeorganisation von und für AfroamerikanerInnen zu gründen. In den folgenden Monaten fuhren die ersten Mitglieder der „Black Panther Party for Self-Defense“ (BPP) durch Oakland und folgten Polizeipatrouillen. Kam es zu einer Amtshandlung an schwarzen BürgerInnen, hielten die Panthers an und beobachteten das Geschehen in gebührendem Abstand, aber mit offen getragenen geladenen Schusswaffen in Händen.
Bewaffneter Aktionismus
Dieser bewaffnete Aktionismus – zu dessen Höhepunkt drangen im Mai 1967 zwei Dutzend BPP-Mitglieder ins kalifornische Parlament in Sacramento ein, wo gerade eine Änderung der einschlägigen Waffenbestimmungen diskutiert wurde – verschaffte der neuen radikalen Gruppierung breite mediale Aufmerksamkeit. In Kombination mit der programmatischen Orientierung, die an den
alltäglichen Erfahrungen afroamerikanischer US-BürgerInnen anknüpfte, konnte die BPP binnen kürzester Zeit eine große Anzahl neuer Mitglieder rekrutieren. Den Panthers gelang es für einige Jahre, die schwarze Bürgerrechtsbewegung zu radikalisieren und insbesondere jungen, von Rassismus und Übergriffen Betroffenen, zu einem neuen Selbstbewusstsein zu verhelfen.
Diese einzigartige Stimmung, die durch das Auftreten der Panthers ausgelöst wurde, versucht ein neuer Dokumentarfilm von Regisseur Stanley Nelson einzufangen. In dem bisher nur in ausgewählten Programmkinos zu sehenden Streifen „The Black Panthers: Vanguard of the Revolution“ kommen ehemalige Mitglieder genauso zu Wort wie Polizisten und FBI-Agenten, deren Aufgabe die Zerstörung der sozialrevolutionären Organisation war. In den Augen von FBI-Direktor John Edgar Hoover nämlich stellten die Panthers eine Bedrohung für die USA dar. Der Film macht deutlich, dass die Geschichte der BPP auch eine Geschichte der Infiltration und des Verrats war. Aus heute zugänglichen und im Film gezeigten Dokumenten geht hervor, dass die Unterwanderung und Zerstörung der Panthers erklärtes Ziel der US-Behörden war. Im Rahmen des „Counter Intelligence Program“ (COINTELPRO) wurden alle denkbaren Methoden eingesetzt – von Überwachung über die Einschleusung von Spitzeln bis hin zu Kampagnen, die die Reputation prominenter Persönlichkeiten der Organisation zerstören sollten.
Und natürlich Mord. Ende der 1960er Jahre entwickelte sich der Vorsitzender der Parteigruppe von Illinois, Fred Hampton, zu einem Hoffnungsträger der Panthers. Im Film berichten alle ZeitzeugInnen übereinstimmend vom einnehmenden Charisma und den beeindruckenden Reden auf Demonstrationen und Versammlungen. Fred Hampton gelang auch das, was das weiße US-Establishment am meisten fürchtete: die schwarzen Revolutionäre gewannen zunehmend Einfluss auf andere gesellschaftliche Gruppen der USA. Unter Hamptons Anleitung schlossen sich Organisationen mit unterschiedlichem ethnischem Hintergrund zusammen, Straßengangs stellten ihre Rivalitäten zurück, um gemeinsam für die Verbesserung der Lebensumstände der verarmten Bevölkerungsgruppen aktiv zu werden. Kurz: Fred Hampton war jene Führungsfigur, vor dem Hoover schon in frühen FBI-Memos zum Kampf gegen die Panthers gewarnt hatte. In den Morgenstunden des 4. Dezember 1969 überfiel ein
Polizeikommando die Wohnung, in der sich Hampton aufhielt und eröffnete das Feuer. Hampton und der wachhabende Mark Clark starben im Kugelhagel. Selbst Polizeiangehörige sprechen in dem Film davon, dass es sich bei dem Einsatz um ein Exekutionskommando gehandelt habe. Und auch Hamptons Bodyguard kommt in Archivaufnahmen zu Wort – er war ein vom FBI eingeschleuster Spitzel.
Gefahr für das US-Establishment
Die „Gefahr“, die von den Panthers ausging, war, dass sie nicht nur den Finger auf offene Wunden der US-Unrechtsgesellschaft legten, sondern auch die Selbstorganisation zur Behebung des Unrechts in Angriff nahmen. Das „Free Breakfast“-Programm für Schulkinder und die Gründung von Gesundheitseinrichtungen halfen tausenden Menschen in dutzenden US-Städten ganz konkret. Gleichzeitig machten diese Initiativen deutlich, dass das Zehn-Punkte-Programm der Panthers keineswegs utopisch war, sondern die wesentlichen Elemente sofort umgesetzt werden könnten. Die US-Behörden entschieden sich wie so oft für den umgekehrten Weg und antworteten mit Repression und Gewalt auf die politische Herausforderung durch
die Panthers. Die Organisation wurde letztlich durch unzählige mit enormen Kosten verbundene Gerichtsprozesse zerstört. Die Gefahr, sofort ins Visier der Behörden zu geraten, hielt potenzielle neue Mitglieder davon ab, sich der Partei anzuschließen. Rivalitäten und Auseinandersetzungen über strategische Fragen gaben der Organisation schließlich den Rest.
Das Erbe der Panthers wurde und wird von vielen politischen Gruppen und Persönlichkeiten weitergetragen. Der Grad an Militanz, im besten Sinn des Wortes, in Kombination mit konkreten Ideen zur Veränderung der politischen Verhältnisse wurde in den USA jedoch seit dem Ende der Partei in den frühen 1980er Jahren nicht mehr erreicht. Doch solange die zentralen Forderungen des Zehn-Punkte-Programms – etwa Beschäftigung und menschenwürdige Wohnungen, das Ende von Polizeigewalt und unfairen Prozessen – nicht umgesetzt sind, bleibt das Vermächtnis der Black Panther Party lebendig.
– Von René Dupé
Filminfo und Trailer: http://theblackpanthers.com/home/