„Ich kenne meine Begrenztheit“ – ein Gespräch mit Kai Degenhardt

28. April 2015

000 KaiDegenhardtDie meisten Menschen, die gesellschaftskritische Mucke machen, machen sich auch Gedanken über die großen Fragen der “engagierten Kunst”. Wen erreiche ich wie mit meiner Botschaft? Was bringe ich wie rüber und am wichtigsten: Kann ich überhaupt was damit erreichen?
In der mittlerweile recht unpolitischen Liedermacherszene Deutschlands ragt ein Name hervor, der sich nicht nur Sporen im Blätterwald verdient und dessen Platten Preise gewonnen haben, er hat sich auch besonders intensiv und an mehreren Stellen mit seiner und anderer Musik auseinandergesetzt. Vor allem in Bezug auf Gesellschaftskritik und das Verhältnis zum großen Ganzen.
Deshalb dachten wir uns, dass es echt gut wäre, Kai Degenhardt, so der klingende Name, mal an die Strippe zu bekommen:

LCM: Bevor wir mit dem „richtigen“ Interview beginnen, zu etwas Brandaktuellem: binnen weniger Tage sind bei zwei schweren Schiffsunglücken hunderte Menschen im Mittelmeer ertrunken. Es steht zu befürchten, dass die Todeszahlen noch weiter steigen werden. Und das sind nur die traurigen Höhepunkte einer täglich stattfindenden Katastrophe vor den gut bewachten Toren der EU. Und doch bleibt jeden Tag die traurig-zynische Textzeile aus deinem Lied „Die Tötung“ über das Schicksal Oury Jallohs bittere Realität:

„Und ihr, die powered by emotion / Kennt schon alle Katastrophen / Seid gelangweilt oder gähnt über dieses Mörder-Lied / Das nur irgendwas erzählt, doch die Herzen nicht berührt / Weil es jeden Tag passiert.“

Max Prosa, gefeiert als „deutscher Bob Dylan“ sagte z.B. übers politische Liedermachen, dass da über alles schon gesungen sei – weshalb er sich auf das Liebesthema konzentrieren wolle (sic!). Warum schweigen sich die meisten bekannten Musiker*Innen in Deutschland zu dieser Menschheitskatastrophe und anderen politischen Themen aus, in ihren Verlautbarungen, genau wie – noch wichtiger – in ihren Texten, in ihrer Musik? Mir scheint, dass Peter Fox oder Zugezogen Maskulin, die vor ein paar Tagen noch ein großes Solikonzert für Geflüchtete mit auf die Beine gestellt haben (Link zu der Aktion Beats against racism?!), da als Ausnahme eher die Regel bestätigen.

Kai Degenhardt: Das wundert mich auch ein bisschen, denn ich hätte gedacht, dass es eigentlich noch sowas wie Common Sense ist, sich über diese humanitäre Katastrophe wenigstens moralisch zu entrüsten und sie anzuprangern, Hilfe und Empathie einzufordern. Mit Solidarität aus der Unterhaltungsmusik ist natürlich in Zeiten wie diesen, in denen die Neue Rechte europaweit aufmarschiert, nicht mehr unbedingt zu rechnen. Es werden ja auf allen Kanälen inzwischen ganz offen die autoritären Varianten zur Eindämmung der Flüchtlingsströme durch die neuen Kriege und Krisen diskutiert, sprich: Internierungslager, Schnellverfahren, Zerstörung der Schlepperboote etc. gefordert. Und so ein Popstar darf ja im Grunde nicht aus seiner verklärten Idol-Rolle heraustreten. Er stellt die Personifikation der Träume riesiger Menschengruppen dar. Jede Äußerung in Hinblick auf gesellschaftliche Streitthemen, ganz zu schweigen von einem klaren politischen Bekenntnis, ist da tabu und gilt inzwischen als uncool.

Damit sind wir auch direkt ins Thema eingestiegen: (Linkes) Engagement von Musiker*Innen. Doch kurz noch zu dir: Du bist schon ziemlich lange im Geschäft und hast vor kurzem deinen 50. Geburtstag gefeiert. Du machst nicht nur preisgekrönte Musik, wir haben auch das Glück, mit dir einen Künstler interviewen zu dürfen, der sehr selbstreflexiv mit seinem Beruf und seinen „Produkten“ umgeht. Wie bist du zur Musik gekommen und warum ist es für dich, wie du so oft betonst, selbstverständlich politische Musik zu machen?

Natürlich bin ich, was meinen eigenen musikalischen Werdegang betrifft, nicht unwesentlich von meinem Vater, dem Liedermacher Franz Josef Degenhardt beeinflusst. Ich bin ja nicht nur sein Sohn, sondern habe auch von 1987 bis zuletzt auf allen seinen Platten Gitarre gespielt, arrangiert und bin knapp 20 Jahre lang mit ihm auf Tour gewesen.

Als ich anfing, ernsthaft Musik zu machen, also Gitarre zu spielen und mich darin auszubilden, so mit etwa 15, war mein Berufsziel noch: begnadet-virtuoser Jazzrock-Gitarrist. Später, nach Schule und Zivildienst, während des Studiums spielte ich dann in musikalisch schlichteren Rock- oder Punkbands Gitarre und fing an, einer musste es ja tun, Texte zu schreiben. Dass ich Jura studiert habe, war dabei weniger einem Berufswunsch geschuldet. Es ging mir eher um das schöne Bohème-Leben, was damals ja noch, nebenher studierend, möglich war. Niemals wollte ich Jurist werden. Nach dem Abschluss gab’s dann die klassische Kunst-Brotjob-Problematik. Also arbeitete ich eine Zeit lang auch als Rechtsanwalt und Taxifahrer. Im Zusammenhang mit dem Texten ging mir dann nach und nach ziemlich schnell auf, dass das, was ich schreibend ausdrücken wollte, im Grunde gar kein Rockband-Stoff war. Auch wenn da nicht mehr nur von Junge-liebt-Mädchen und Mädchen-verlässt-Junge gesungen wurde. Der Golfkrieg 2, das soziale Rollback und die weltweite neoliberale Tabula-Rasa kamen in ihr jedenfalls nicht vor, trotz all der rebellischen Attitüden mit Posen und Klamotten und so. Dazu fühlte ich mich dann auch irgendwie schon zu alt. So wurde es bei mir doch die Liedermacherei, was ja – zwar mit einigen nationalen Besonderheiten – auch nur der deutsche Begriff für Singer-Songwriter ist, und was im Französischen etwas umständlicher Auteur-Compositeur-Interprète heißt.

Dass ich das, was ich mache, selbstverständlich als politische Musik betrachte, liegt daran, dass ich in meinen Texten mich und die Welt, in der ich lebe, reflektieren möchte, mit all den in ihr wirkenden Herrschaftsverhältnissen und Konflikten. Ich bin ein politisch denkender Mensch und als solcher Kommunist, also in der Kommunistischen Partei organisiert. Das heißt ideologisch ja nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass ich, zusammen mit anderen, bestimmte gesellschaftspolitische Ziele verfolge, die da wären: Der 000 kaideg2Sozialismus als Idee von einer Gesellschaft, in der die Menschen demokratisch einen Plan entwerfen, wie und was sie produzieren wollen, statt sich das von einer selbsternannten Elite und den Märkten vorschreiben zu lassen. Und der Kommunismus als das weitere Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Die Theorie, die sagt, wie es dazu kommen könnte, nennt sich Marxismus. Dazu stehe ich. Ganz nebenbei ist eine künftige sozialistische Systemalternative meiner Ansicht nach die einzige Hoffnung für die Menschheit, auf diesem Planeten zu überdauern.

Du bietest auch Vorträge zur Geschichte des politischen Liedes an, hast auch mehrere Artikel dazu geschrieben. Was können heutige Künstler*innen aus dieser Beschäftigung mit der Vergangenheit lernen, bzw. was verrät uns dieses „Erbe“ darüber, zu welcher Zeit welche Musik welche Rolle beim Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit gespielt hat und vielleicht überhaupt noch spielen kann oder soll?

Meine Quintessenz dabei ist die: Das politische Lied, jedenfalls das auf gesellschaftlichen Fortschritt und Emanzipation gerichtete, brauchte durch alle Zeiten hinweg, und braucht deshalb auch heute, eine fundamental-oppositionelle Bewegung gegen die herrschenden Verhältnisse, und zwar wie die Luft zum Atmen. Ohne eine solche Bewegung fehlt sowohl der Nährboden, auf dem es überhaupt entstehen und gedeihen kann, als auch der notwendige Resonanzraum, solche Lieder zu rezipieren und zu verstehen. Und: eine solche Fundamentalopposition braucht, um wirksam und nachhaltig zu sein, eine Organisation. Will sie die gesellschaftlichen Verhältnisse wirklich und wahrhaftig umstürzen und verändern, dann sollte dies sogar eine Klassenorganisation sein, denn alle bisherige Geschichte ist – davon gehen jedenfalls wir Marxisten aus – die Geschichte von Klassenkämpfen. Jedenfalls wohl nicht die von geändertem Konsumverhalten, Bürger- oder Volksbefragungsinitiativen.

Sofern sich heutige Musiker und Musikerinnen nicht auf reine Deko- oder Tanzmusik reduzieren lassen wollen, ist das, was sie daraus entnehmen können, dass das bürgerliche Diktum: „Politik gehört nicht in die Kunst“ reaktionärer Stuss ist. Es gibt gar keine unpolitische Musik, auch und erst recht nicht dann, wenn, wie Du eingangs sagtest, z.B. jemand wie Max Prosa sich entschieden hat, nur noch von der Liebe zu singen. Ich habe nichts gegen Liebeslieder, im Gegenteil, nur: Die Nähe zu einer politisch-oppositionellen Bewegung ist kein unkreatives „Vor-einen-fremden-Karren-Spannen-Lassen“ der ach so autonomen Kunstschaffenden, sondern, im Gegenteil, die Voraussetzung dafür, den eigenen Karren in Bewegung zu setzen und selbst in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu wirken.

Über das „politische Lied“ heute fällst du wiederum an mehreren Stellen in deinen Äußerungen das Urteil, es sei „mausetot“. Gibt es für dich musikalische Ansätze, beispielsweise im Rap oder elektronischer Musik, vielleicht sogar in den „Charts“, die Lichtblicke erlauben? Und wo würdest du Dich da mit deiner Musik sehen, bzw. der Musik, die du über dein Label Plattenbau herausgibst?

Dass ich „mausetot“ sage, ist natürlich etwas provokant gemeint, will aber heißen, dass es dort, wo es hierzulande derzeit zu hören ist, weitgehend unterm Radar stattfindet. Ich selbst verorte mich mit meiner Musik eben dort. Und das hat ja gerade damit zu tun, dass es hier, anders als z.B. in Südeuropa oder Lateinamerika, keine relevante, organisierte, außerparlamentarische Bewegung gibt. Heute brennt die Welt eigentlich überall, nur in Deutschland ist nichts los auf den Straßen. Von den Betrieben zu schweigen. Dass es trotzdem natürlich Ausnahmen von dieser „Regel“ gibt, Lichtblicke, wie Du sagst, auch mal in den Charts, ist klar und schön und wichtig, und es freut mich immer wieder, wenn ich mal etwas davon höre. Ich mit meinen 50 Jahren bin aber wirklich weit davon entfernt, den aktuellen Rap oder die laufende elektronische Musik daraufhin gründlich gescannt zu haben, um das wirklich beurteilen zu können.

Was mein Label Plattenbau angeht, so verfolge ich damit kein anderes Konzept als das, meine eigenen Platten und die von ein paar befreundeten Kolleginnen und Kollegen zu veröffentlichen und dafür ein paar notwendige logistische Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen. Mehr ist das nicht. Ich wünschte, es wäre anders. Da meine Musik niemals massenkompatibel war und vermutlich auch nicht sein wird, im Gegenteil sogar, das, was ich mache, vom überwiegenden Teil der Bevölkerung heute wohl als völlig überflüssig angesehen wird, bedeutet das für mich und andere „ernsthafte“ politische Musiker eine permanente Selbstausbeutung. Mit der Folge, immer weniger Zeit fürs eigentliche Schreiben, Üben, Singen und Komponieren zu haben, und immer mehr mit dem Drumherum, der Erhaltung und Verwaltung der eigenen Künstlerexistenz zu tun zu haben. Das zehrt mitunter ganz schön. Aber mit dieser Prekarität stehen wir ja nicht allein da.

Wenn auf der einen Seite explizite gesellschaftskritische populäre Musik fehlt, oder nur in der Vorstellung von cultural Studies-Akademiker*innen existiert, die allzu schnell mit Wörtern wie emanzipatorisch oder widerständig um sich schmeißen, was ist dann die „andere Seite“?
Denn ein weiteres Thema in deinen Texten, wie auch in deiner Musik ist, wie Popmusik bei dem großen neoliberalen Mist auch noch mitmacht. Aktuell fällt mir da so ’ne Jubelhymne wie „Ein Hoch auf uns“ des Herrn Andreas Bourani ein, der Hit des klassenvergessenen Feel-Good-Nationalismus der WM und darüber hinaus.

Mein Eindruck ist, die Unterhaltungsmusikbranche ist inzwischen komplett neoliberal gleichgeschaltet. Die Champions-League der Popbranche stellte ihren unbedingten Willen zur Kollaboration mit dem Establishment ja schon vor Ausbruch der großen kapitalistischen Sytemkrise, damals bei den G8-Benefiz-Galas in Glenneagles und Heiligendamm zur Schau. Unsere nationalen Lieblinge ließen mit „Du bist Deutschland“ einen Ruck durchs Land gehen und manche der hiesigen Echo-Stars geben vorauseilend und ohne jede Not und Nachfrage ihre Sympathien für Kanzlerin oder Bundespräsident zu Protokoll, die dann zu deren Songs auf ihren Wahlpartys und Sommerfesten abrocken dürfen. Wieder andere fliegen, sich selbst in die nationale Pflicht nehmend, sogar zur kulturellen Truppenbetreuung an den Hindukusch. Für Widerstand und Opposition sind schließlich nur die paar „enfants terribles“ zuständig, die sich der Betrieb leistet. Und ihr Name ist Programm: faschistoider Mainstream-Rechtsrock oder nerviges Gangster-Gekasper. Die früher noch politische Indie-, Pop-, Punk- oder Rockmusik behauptet heute nicht einmal mehr Widerstand gegen irgendetwas, ist bestenfalls belanglos oder beschränkt sich auf Tierschutz oder Urheberrechts-Gegnerschaft im Internet. Die zeitgenössische deutschsprachige Vokalmusik scheint längst wieder da angekommen, wo sie zuletzt nach dem deutschen Faschismus heile-Gänschen-mäßig wieder zu trällern begonnen hatte: im Karnevals- und Schlagerparadies: Hier die Hosen, da de Höhner, Andreas Gabalier’s Volks-Rock’n’Roll-Stadl, und als wäre dies nicht genug, singt auf allen Kanälen der ewig blonde Heino mit der dunklen Brille wieder die deutschen Volksweisen – von Hermann Löns bis Rammstein.

Kommen wir nun zu einer Frage, die mich selber auch schon mal umgetrieben hat und wohl die meisten Musiker*innen beschäftigt. Wen erreiche ich überhaupt mit meiner Kunst, besser noch mit meiner Botschaft?
Würde man die Frage an dieses Magazin und vielleicht auch an deine Texte stellen, müsste man für den größten Teil wohl sagen: Einigermaßen gebildete Menschen (meist männlich), untere Mittelschicht aufwärts, die sich schon mal und seis nur am Rande mit linker Theorie oder Politik auseinandergesetzt haben. Für viele Anspielungen wiederum wäre ein Studium der Soziologie oder der Geschichte der Arbeiterbewegung vorteilhaft bis zwingend – jetzt mal ganz zugespitzt formuliert.
So von Spartenprogramm zu Spartenprogramm: Wie schafft man den Spagat zwischen dem Erreichen der Menschen, deren Rolle man für eine Lösung der großen Scheiße für unabdingbar hält, der Tatsache, dass viele Menschen verständlicherweise heutzutage weder Zeit noch Lust haben, sich irgendwo „reinzuhören“ und einem der „alten Arbeiterbewegung“ innewohnenden (Selbst)Bildungsanspruch als Rückversicherung gegen Populismus und dem sozialarbeiterischen „Da abholen wo sie stehen“?

Einfach die Klaviatur des Massengeschmacks bedienen, um auf diese Weise mehr Leute zu erreichen, funktioniert natürlich nicht. Und ich selbst könnte das auch gar nicht. Es geht ja nicht nur um irgendeine Musikfarbe, die man nach Belieben wählt, sondern da spielen noch ganz andere Dinge eine Rolle. Ich möchte mir solche Peinlichkeit ersparen, weil ich das niemals ernst meinen könnte. Ich mache das, was ich mache und was ich kann. Ich kenne meine Begrenztheit dabei, und die kann ich, glaube ich, ganz gut 000 kaidegeinschätzen. Ich persönlich werde jedenfalls nicht versuchen, einen Spagat in diese Richtung zu unternehmen. Das klingt ja auch schon sehr angestrengt und schmerzhaft – Spagat. Dass ich als Musiker trotzdem ständig nach Formen und nach einer Sprache suche, die verständlich sind in dem Sinne, dass meine potentiellen Hörer und vielleicht auch noch ein paar andere damit etwas anfangen können, sie möglicherweise animieren, ihr Inneres auf die von mir gemachten Vorschläge hinsichtlich der Aneignung von Welt durchzuspielen, das versteht sich von selbst und gehört für mich zum normalen Handwerk.

Bei dem Versuch, linke Thematik massentauglich zu machen, wird ja oft versucht, das Dissidente gefällig zu machen. Und das hat ja nicht nur eine formelle Problematik, sondern auch eine inhaltliche. Willst du dissident oder willst du massentauglich sein? Wenn die Masse den Kapitalismus will und gegen den Imperialismus nicht viel einzuwenden hat, ist die Tauglichkeit dafür ja in aller Regel die Preisgabe linker Inhalte.

Damit sind wir bei einem anderen Problem und auch konkret deiner Musik angekommen. Viele „Helden“ deiner Lieder, viele Szenen sind aus dem Alltag dessen gegriffen mit dem junge Menschen heute ohne Gegenbild aufgewachsen sind. Den Zeiten, die das olle Testcard-Magazin mal treffend die des „Weniger“ getauft hat, besser bekannt als Neoliberalismus.
Viele Leser werden nicht jedes Lied von dir vor Ohren haben. Muss Neoliberalismus für dich einen „bestimmten“ Klang haben? Welche Rolle bzw. Verbindung hat bei dir politischer Inhalt und musikalische Form?

Musik, also Töne, Rhythmen, Akkorde Sounds usw. – die haben aus sich selbst heraus erstmal gar keine Bedeutung. Jedenfalls nicht außerhalb ihrer eigenen Strukturzusammenhänge. Sie stellen keine Vokabeln im fremdsprachlichen Sinne dar, sodass mit rein musikalischen Ausdrucksmitteln auch nichts in der Welt verbindlich beschrieben werden kann. Auch und schon gar nicht sowas Komplexes wie Neoliberalismus. Erst wenn Musik funktionalisiert oder bewusst in Kontext gesetzt wird, kann sie eine Bedeutung bekommen. Sie in einen solchen emanzipatorischen, aufklärerischen Zusammenhang zu stellen, ist für mich die wichtigste, fortschrittliche Funktion von Musik, und so versuche ich auch damit umzugehen. So im Sinne von Brechts „Fünfter Schwierigkeit beim Schreiben der Wahrheit“; als List nämlich, diese zu verbreiten. Wenn es mir z.B. gelingt, Worte, vielleicht auf bestimmte Art gesungen, über eine Melodie mit Akkorden zu legen, die dann zusammen eine Resonanz beim Hörer auslösen, die sie verstehen und verstehend fühlen lässt, dann, glaube ich, ist das diese List. Und ist das nicht im Grunde der eigentliche Trick, wie Kunst funktioniert?

Im Moment ist dein Terminkalender mit Tour, Vorträgen und der Unterstützung der Lesung „Wölfe mitten im Mai“ ziemlich voll. Als nächstes kann man dich am 1. Mai in Fulda und am 8. Mai in Velbert bei Wuppertal abpassen. Trotzdem die Frage: Wann dürfen geneigte Hörer*innen denn mit dem nächsten Album rechnen? Dürfen sie überhaupt?

Na klar. Ich bin wie immer dabei, auch neue Lieder zu schreiben und werde, denke ich, noch in diesem Jahr ein neues Album aufnehmen. Das wird dann vermutlich Anfang 2016 erscheinen.

– Das Gespräch führte Tsar I. Luna

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